Festvorbereitungen
Der Palas war endlich fertig. Das Dach war dicht, soweit die Männer es einschätzen konnten. Auch war nun schon mehrfach der Kaminzug geprüft worden.
Der Umzug von der kleinen Stube in die neuen Räume war innerhalb eines Tages von statten gegangen, da Arno alle aus der Burg zum Zupacken bewegt hatte.
Schön waren die Räume. Groß- im Vergleich zur bisherigen Stube, ungewohnt groß.
Was an Teppichen vorhanden war, war ausgelegt in den Stuben. Der schöne Wappenschild, welcher von dem Carl Bader geschaffen war hing als Prunkstück im Saal.
Vor der ersten Nacht hatte Arno seinen Kindern die Weisheit der Älteren erzählt, dass die Träume, welche die Kinder in der ersten Nacht haben werden in Erfüllung gehen werden. So waren am nächsten Morgen alle begierig darauf, zu erfahren, was Jeder geträumt hatte.
Lukas sah sich im Traum als gut gerüsteter Ritter in voller Waffenausstattung mit seinem Freund Leonhardt von Mühlburg an der Seite in einem riesigen Heer an Rittern und Waffenknechten.
Lisbeth träumte von einem Austritt über die Auen mit ihrer braunen Stute.
Was Arno geträumt hatte, davon mochte er den Kindern lieber nicht die Wahrheit berichten. Arno hatte von einer wunderschönen, jungen Frau geträumt- die Seite an Seite mit ihm Hand in Hand einhergegangen war. Zumindest waren seine Traumfrau und Arno in dieser Scheinwelt sehr vertraut gewesen. Sehr, sehr vertraut! Arno könnte die Frau seiner Träume danach genau beschreiben und auch, wohin die Sache - zu der man schnell gekommen war- geführt hatte. Seine Kinder würden bestimmt verschreckt werden, von so einer Traumgeschichte. Stattdessen erfand er einen Traum, der in der Zukunft ein Fest darstellte, zu Ehren des fertiggestellten Bergfriedes und damit der Fertigstellung seiner Burg.
„Aber Vater." sprach Lisbeth. „Wenn dir der Sinn nach der Ausrichtung eines schönen Festes steht, so lasst uns doch einfach einmal ein Fest machen."
„Hmmm?" stutzte Arno, ob dieser Offenheit.
„Ja, Herr Vater. So könnten wir den umliegenden Voigten einmal zeigen, was Ihr hier erreicht habt in der kurzen Zeit hier."
Lisbeth hatte vielleicht ja Recht. Vielleicht sollte man ein Fest ausrichten, die Fertigstellung des Palas feiern. Doch hatte man dafür genug bevorratet? Fleisch müsste man auf den Tisch bringen, Fisch, Geflügel und reichlich Brot. Dazu müssten Getränke für alle gestellt werden. Für Übernachtungen war zu sorgen.
Das Erntejahr war wirklich so gut geworden, wie es die Bauern vorausgesagt und erhofft hatten. Die Speicherräume der Burg so voll, wie nie zuvor, seit sie hier ankamen.
„Lisbeth, bitte hol mir die gute Barbara und den Wernherr einmal her!"
Freudig stand das junge Mädchen auf, ging schnellen Schrittes aus dem Saal des Palas. Lisbeth war glücklich, dass ihr Vater wohl vorhatte, ihren Vorschlag anzunehmen.
Lukas, der auch am neuen Tisch im Saal des Palas saß, hatte bislang noch nichts dazu gesagt. Noch müde- wie es schien- tunkte er sein Brot in die warme Brühe der Schüssel und wollte nur weiteressen.
Jetzt allein zu Tisch zu sitzen, war für Arno ungewohnt. Das letzte Jahr über hatte man mit den Leuten der Burg bei den Mahlzeiten zusammen gesessen. Alles wurde besprochen in der Küche des Wirtschaftsbaues und alle waren zumeist schon am Morgen schon erträglich gut gelaunt. Nun waren der Voigt und seine Familie nur noch unter sich. Der Tisch verlor sich fast in diesem Raum.
'Gut. Also ich will hier noch zwei Tische für die Seiten im Saal.' ging es Arno durch den Kopf.
Lisbeth kehrte mit der Magd Barbara zurück gekommen. Barbara wischte sich die Hände am Gewand ab.
„Herr Arno, mein Wernherr wird gleich folgen. Ich hatte ihn zum Wasserholen geschickt. Bescheid haben wir ihm schon gegeben- er war am Brunnen."
Lisbeth setzte sich an den Tisch, freute sich schon. Sie hatte wohl nicht verraten, worum es gehen sollte, denn die Barbara machte große Augen vor der Erwartung, was der Voigt wohl wollte. Wernherr trat in den Raum. Der junge Menz blieb neugierig an der Tür zum Saal außen stehen.
„Kommt näher, meine Freunde. Menz! Tritt hinzu!" gebot Arno.
Ungläubig stellten sich die Drei vor die Tafel hin in einer Reihe.
„Ich möchte Euch für das Erreichte meinen Dank aussprechen. Mit kaum einer anderen Besatzung und Verwaltung der Burg wäre gelungen, was wir hier mit großen Mühen geschaffen haben!"
Immer noch ungläubig schauten sich die Drei untereinander an. Der Wernherr freute sich, rückte näher an seine Frau heran, um sie mit dem Arm über die Schulter zu umfassen.
„Meine gute Lisbeth hier hat vorgeschlagen, ein Fest zu geben- zu Lob auf die gute Arbeit am Palas. Ein Fest, wo wir die Edlen benachbarten Voigte, unseren Herrn -den Grafen, und auch die Einfachen der Umlande aus der Siedlung und auch aus Drudenstein einladen sollten. Können wir das schultern? Barbara? Menz? Wernherr?"
Wernherr trat einen Schritt näher.
„Herr Arno, von den Vorräten her, denke ich schon. Die guten Leute und die Edlen werden zwar nicht wie Mäuse speisen, aber am Korn, Bier und Wein- auch am Trockenfleisch- sollte es nicht mangeln. Wir kommen gut bevorratet dennoch über den Winter."
„Ich bekoche so viele Mäuler, da kommt es auf einiges Dutzend mehr für einige Tage nicht an. Aber Hilfe bräuchte ich im Haus." gab die Barbara offen zu.
„Menz?" Sprach Arno. „Guter Menz, wir brauchen hier im Saal zumindest zwei oder drei Tafeln dafür, einige Schemel, Stühle für die Besseren Edlen und einige Sitzbänke. Kannst Du dies schaffen?"
„Holz ist da, Herr. Daran soll es nicht scheitern. Ich würde mich aber etwas aus der Versorgung des Viehes raushalten müssen, wenn es denn alsbald sein soll.", sprach der Menz offen.
„Wernherr, wegen des Viehes. Die Edlen werden zu Pferd ankommen. Vielleicht mit Karren. Wir müssten auch das Vieh unterbringen, Platz für die Karren schaffen. Zudem benötigen die Gäste einen Schlafplatz. Der Graf- so er kommt- mit Familie oben in die gute Kammer und das kleine Pagenzimmer. Eine edle Familie vielleicht in der großen Stube, ein einzelner Gast - oder ein Paar vielleicht in der Kammer drüben. Der Rest benötigt Zelte und Schlafgelegenheit."
„Am Zeltstoff mangelt es, Herr. Platz jedoch ist in der Vorburg- also vor dem Torhaus am Wege zu beiden Seiten reichlich. Man müsste etwas Unkraut wegnehmen, einige ebene Fläche hinzu schaffen hier und dort. Das Vieh bekäme man satt- ein Paar Anzäumstangen müssten gebaut werden. Wenn die Gäste mit Knechten anreisen- davon gehen wir mal am besten gleich aus, bei den Edlen, die ich kenne- brauchen wir zusätzliche Lagerstatt. Wir einfachen Leute könnten im Hof ein Tafelrund bekommen. Die Karren stellen wir am Graben außerhalb auf. Und wir bräuchten einige Feuer- eines auf dem Hof, zwei bis drei Feuerstellen in der Vorburg- vielleicht sogar mehr am Weg. Die aus der Siedlung dürfen da nicht faul sein, haben die Versorgung der Gastpferde mit zu übernehmen."
„Nun, das werden die Leute! Wir wissen nun, wessen es noch bedarf. In knapp Drei Wochen ist der erste Tag im November- Allerheiligen, ein kirchliches Hochfest zum Gedenken an die zu verherrlichenden Heiligen. Wir könnten das Fest für einen Tag zuvor bestimmen und zu Allerheiligen auf der Lichtung einen Festgottesdienst abhalten. Danach könnten die Gäste abreisen und wären zu Allerseelen, also Tages darauf, wieder an ihren Stammsitzen."
Arno war mit seiner Überlegung zufrieden, jedoch vorsichtig. Mit Bruder Ademar musste er abstimmen, ob man diese Möglichkeit nutzen konnte. Da der Mönch Ademar zwar vor den Einfachen sehr hoch angesehen war, jedoch dem Bruder wenig freundliche Meinungen entgegenschlugen unter den Edlen, musste man vielleicht einen anderen Geistlichen zum Abhalten des Gottesdienstes ansprechen.
„Herr, dann brauchen wir zusätzliches Hefegebäck zur Brauchgabe an Allerheiligen." warf die Barbara ein. „Und mehr weißes Tuch, da weiß die Allerheiligenfarbe ist."
Arno nickte.
„Ich rede mit Bruder Ademar, dann laden wir die Voigte der Umlande und den Grafen ein!" Arno schlug mit flacher Hand auf den Tisch und stand auf. „Dann ist es beschlossen! Danke Euch, meine Freunde!" sprach Arno zu den Einfachen. Die Drei gingen zurück an ihr Tagewerk.
„Und Lisbeth? Zufrieden?"
„Ja sehr, Herr Vater! Vielen Dank!" Lisbeth lächelte in ganzer Breite.
Auch Lukas freute sich. Ein Fest ist immer etwas Besonderes. „Herr Vater? Brauchen wir dann nicht auch Jemanden, der uns Lieder vorträgt oder unterhält?"
„Oh ja! Daran hatte ich noch gar nicht gedacht Lukas! Auch dafür müssen wir als Gastgeber ja sorgen! Wir werden uns dazu umhören müssen."
Arno von Draburg hatte zu Spielleuten ein gespaltenes Verhältnis. Er mochte es auch, unterhalten zu werden- ja, dies bot eine willkommene Abwechslung zu dem sonst alltäglichen, ruhigen Abenden. Aber wenn Arno in sich ging, so konnte er nicht leugnen, dass er diesen Stand vom Gefühl her wenig Achtung zollte.
Arno wollte zudem noch ein Schwein am Spieß gedreht sehen. Dies war in Arnos Augen etwas, was er mit einem richtigen Fest von Haus aus verband. Auf Gebra- zu Vaters Zeiten- war es immer etwas Besonderes, ein Ferkel zum Fest gedreht zu bekommen.
Arno selbst hatte mit Festvorbereitungen sonst früher als Waffenmeister auf der Herrmannsburg wenig zu schaffen- es war Sache des alten Voigtes. Arno und seinen Männern oblagen die Sicherheit der Gäste und die Obacht darauf, dass nicht einige Anwesende über die Stränge schlugen.
Man sollte mit jemanden sprechen, der gute Erfahrungen mit der Bewirtung von Leuten hatte und vielleicht auch guten Rat geben konnte. Ritter Arno fiel hier nur ein Ort ein- Bodfeld, die Pfalzburg.
Arno ließ sich von Menz das Pferd- den Grauen- bereit machen. Um Lisbeths Traum zum Leben zu bringen, nahm er Lisbeth heute zu Pferd als Begleitung mit.
Lukas war mit Manthey und Andreas für den Vormittag zum Bogenschießen. Er hatte- wie ihm angekündigt- zu üben.
So ritt Arno nun mit Lisbeth durch die Furth und hinüber nach Bodfeld. Nunmehr waren Ort und Lage der Burg schon besser vertraut, dennoch beeindruckten die Mauern der Bodfelder Burg den guten Arno erneut in hohem Maße. Auch Lisbeth musste dies im Anblick der Mauern eingestehen. In Ihrer Erinnerung sah sich Lisbeth noch mit ihren Freundinnen und den anderen Mädchen aus edlem hause seinerzeit herumtollen und schwatzen.
Das damals so gut gefüllte Lager vor der Burg war nunmehr kaum mit Zelten belegt. Vier Zelte standen auf dem Hochplateau an der Burg.
Der Wache am Palas stellte sich Ritter Arno vor, bat um eine kurze, persönliche Unterredung mit dem Voigt.
Der Pfalzvoigt, Heneke von Bodfeld, ließ Arno warten.
Aufgeregt gingen Arno und Lisbeth- wesentlich ruhiger im Gemüt- durch den Innenhof der Pfalzburg.
Erst nach einer guten Weile kam ein Knecht auf Arno zu.
„Ritter Arno von Draburg?"
„Ja guter Mann, der bin ich."
„Der Herr Heneke wird euch jetzt empfangen. Folgt mir bitte."
Arno und Lisbeth gingen dem Mann hinterher in den Palas. Dort ging es die Treppe hinauf. Der Mann öffnete eine schön anzusehende Holztür mit guten Schnitzarbeiten daran zur Verzierung.
„Tretet bitte hinein." sagte der Knecht.
Arno trat in den gemütlichen Raum hinein. Die Luft im Innenraum roch nach dem lodernden Holz im Feuer des Kamines und einem seltsamen Gewürzduft, der angenehm war.
In einem hohen Lehnstuhl saß der Pfalzvoigt Heneke von Bodfeld, eingehüllt in ein dickes Fell, die Füße dem warmen Feuerschein zugewandt. Auf einem Stuhl an der Seite nahm Arno die junge Tochter des Voigtes, die junge Luisa von Bodfeld war, die Sittsam saß- beide Hände auf dem Beinkleid aufliegend.
Arno grüßte mit freundlichem Lächeln und einem Kopfnicken die junge Frau.
Luisa von Bodfeld ließ ihre schönen Katzenaugen freundlich und durch ein Lächeln getragen zurück grüßen. Dann bedeutete sie Herrn Arno mit einer klaren Handbewegung näher an den Tisch zu ihrem Vater heran zu treten. Auch Lisbeth, tauschte mit der jungen, hübschen Luisa von Bodfeld einen kurzen Blick aus zum Gruße- auch an sie ging die gleiche Geste- alles ohne ein Wort zu sagen.
Arno trat näher zum Tisch. Die Stimmung in diesem Moment war fast ehrgebietend.
„ Geehrter Voigt Heneke. Danke, dass ihr mich vorgelassen habt!"
Der Pfalzvoigt Heneke von Bodfeld drehte sich zur Seite mit dem Gesicht, schmunzelte kurz, dann zeigte er auf den anderen hohen Lehnstuhl am Tisch.
„Setzt Euch, junger Nachbarsvoigt Arno. Was verschafft mir die Ehre? Oh, guten Tag junge Draburgerin. Leider habe ich in meinem privaten gemach keinen weiteren Stuhl, verzeiht dies, junges Fräulein."
Lisbeth stellte sich wortlos neben ihren Vater, als sich Arno in den Stuhl hinein setzte.
„Verzeiht mein unangekündigtes Erscheinen, guter Voigt. Ich benötige Euren erfahrenen Rat in einer Sache."
Voigt Heneke drehte Arno den Kopf zu, zog fragend die Augenbrauen hoch.
„Wobei benötigt ihr meinen Ratschlag?"
„Meine Tochter hier, die gute Lisbeth, hat mich bedrängt und überredet, ein Fest auszurichten. Am Tag vor Allerheiligen soll es nun stattfinden- so habe ich es beschlossen- und mit einer Messe zu Allerheiligen auf Draburg enden, damit zu Allerseelen alle Gäste wieder daheim sein können."
„So. So?"
„Nun ja, geehrter Voigt. Ich habe schon einiges angewiesen- Tischbau, Versorgung, Schaffung von Platz für Zelte und Lagerstatt für die Geste, Versorgung der Pferde der Anreisenden. Ihr habt hier im Umfeld - und dies konnte ich ja nun schon einmal selbst erleben- die größte Erfahrung im Bewirten von Reisenden und der Gestaltung von Festen für viele Leute. Als Gastgeber bin ich auch für Unterhaltung verantwortlich- hier bin ich allerdings ratsuchend bei Euch erschienen. Und gern auch, wenn es um Ablaufgestaltung des Festes geht."
Pfalzvoigt Heneke streckte sich mit einem verzerrten Gesicht, um die Füße näher ans Feuer zu bringen. Luisa war hinzu gesprungen, wurde aber mit einem Handzeichen wieder auf ihren Platz zurück bestellt.
„Sicherheit! Das ist das Wichtigste dabei. Wer sich sicher fühlt, der kann auch beruhigt feiern. Ihr seid in der Burg und auch im Lager zur Gewährung der Ordnung berufen. Wie viele Männer habt ihr?"
„Fünf Waffenknechte, Herr."
„Zu wenige, für diesen Aufwand. Ich hab hier grad Ruhe am Pfalzhof. Wir unterstützen Euch mit weiteren fünf Mann von hier."
„Vielen Dank, Herr Ritter Heneke!"
Arno war über diese Großmütigkeit sehr erfreut, bestätigte dies mit einem Lächeln. Der Pfalzvoigt fuhr fort zu reden.
„Eure Männer sorgen in der Burg für Ordnung, meine Leute im Lager. Die Kerle dürfen etwas trinken- müssen sich aber mäßigen. Die Gäste haben keine Waffen in der Burg zu führen. Sollte es im Suff zu Streit kommen, sind Eure und meine Leute die Einzigen, die eine Waffe haben- von den Edlen abgesehen. Und Streit gibt es oft im Suff- um Nichtigkeiten, Weiber, Bier oder Meinungen- nicht wahr, Luisa?"
Pfalzvoigt Heneke drehte sich halb zu seiner Tochter um, die ihm dies bestätigte.
„Ja Vater. Auch unter den Edlen, welche sich für besonders ritterlich und ehrenvoll halten. Oder Leute von hohem Stande, die denken- alle Welt liegt ihnen zu Füßen."
Heneke gebot mit der Hand dem offenen Redefluss seiner Tochter Einhalt.
„Also Sicherheit ist das Wichtigste. In den Saal dürfen beim Fest nur die Edlen! Und Mägde, Tischbeschicker- sonst kein Einfacher. Adel bleibt gern unter sich! Merkt Euch dies."
Arno nickte.
„ Macht einen Einlass in den Saal des Palas einer Prozession gleich für die Edlen- so haben sie es gern. Die Einfachen feiern draußen mit?"
„Ja Herr!"
„Das ist gut. Schafft einen Bereich am Palasausgang, der frei zu bleiben hat, falls die Edlen mal hinaus drängen. Die brauchen auch einen eigenen, nahen Bereich zum Pissen- einen Apport habt ihr?"
„Ja."
„Das ist gut. Auch für die Frauen. Für die Frauen tragt Sorge, dass denen niemand von unterhalb des Apport zuschauen kann- selbst das haben wir hier schon erlebt!"
Heneke steckte sich erneut in anderer Richtung.
„Die Tafeln der Herren haben besser zu sein, als die Tafel der gemeinen Leute. Wenn ihr ein Ferkel dreht, kommen die besten Stücke im Palas zuerst auf den Tisch. Das Bier und der Wein müssen besser sein, streckt die Tränke der Einfachen ruhig. Das Vieh muss aus der Burg über die Festtage. Nichts ist schlimmer, als wenn ein Gast aus Palas wankt und sich erstmal übergeben muss, weil er die Pferdeäpfel vor der Nase finden muss."
„Gut"
„Wir haben hier zumeist örtliche Spielleute, die wir immer rufen. Luisa? Du wirst sie Herrn Arno einmal vorstellig werden lassen- und das am besten alsbald."
„Ja Vater."
„Die sind gut. Sie gaukeln ein wenig, haben zwei gute Sängerstimmen dabei und verstehen sich auf Flöten und Lautenspiel. Mehr braucht es fast nicht für die Edlen."
„Danke, guter Voigt- auch Euch edle Luisa!"
„Auch sorgt für Bänke für den Gottesdienst- welche die nicht in Bier vom Vortage noch schwimmen, denn die Damen machen sich für Allerheiligen gern fein- mit weißem Kleid."
„Gut."
„Was ist der Anlass der Feier? Gott zu loben oder ..?"
„Unser Palas ist fertig. Dies ist der Grund. Ich will den Einfachen für die aufgeladenen zusätzlichen Mühen danken. Den Edlen will ich mein Haus vorstellen. Und Gott soll natürlich geehrt werden."
Arno wollte noch weiterreden- hielt jedoch inne, blickte zu Lisbeth.
Voigt Heneke fiel dies auf- aufmerksam wie er war.
„Und? Was noch?" fragte der Bodfelder Voigt.
„Ja, noch etwas." Arno blickte zu Lisbeth - fast ein wenig schuldig kam sich Arno dabei vor.
„Nun. Meine Lisbeth hier wird alsbald 16 Jahre. Nicht dass ich es mir wünsche und herbeisehne- aber für Lisbeth auch eine Gelegenheit, die örtlichen Burschen edler Herkunft zu schauen!"
Arno hatte damit eine Katze aus dem Sack gelassen.
„Herr Vater?!" Äußerte sich Lisbeth, bevor Ihr Vater vielleicht begann, das 'Problem' noch weiter auszuschmücken. Die Burschen waren Lisbeth egal. Sollte die jungen Männer schauen, wer es wollte- sie jedenfalls nicht. Noch nicht.
Arno regte sich, machte eine Geste der Beruhigung zu seiner Tochter. Doch damit noch nicht genug. Arno reagierte auf dieses offene Entsetzten seiner Tochter- und ließ nun auch die weitere Katze aus dem Sack.
„Mancher Mensch zerbricht an einem Schicksalsschlag, wie wir ihn erlebten. Doch wir haben- auch mit Hilfe von guten Freunden und Anverwandten- wieder zu innerer Stärke zurückgefunden, denn nach dem Tod meiner Frau ging unser Leben weiter."
Arno und Lisbeth tauschten kurz einen Blick des Verstehens miteinander aus. Lisbeth war für einen Moment wieder von der ersten Rage abgekommen. Arno setzte nun einen Blick des Verständnis- Suchenden hinterher.
„Nach zehn Jahren nun- so es Gott gefällt- will nun auch ich noch einmal mein eigenes Glück versuchen- eine neue Frau für mich finden. Und auch für Euch- Lukas und dich."
Lisbeth war von überraschtem Blick. Ihr Vater hatte bislang nichts darüber verlauten lassen.
„Nun Herr Arno, dass scheinen mir sehr große Erwartungen in das Fest zu sein. Für Eure Tochter und auch Euch zudem- wie es den Anschein hat."
Pfalzvoigt Heneke musste etwas lachen. Ihm kam diese Situation wohl aus eigenem Leben mehr als bekannt vor.
„Doch wenn sich die junge Dame noch herausputzen muss, dann braucht es noch einige Jahre. Für Euch hingegen habe ich da gute Hoffnungen. Wie auch wir hier auf Bodfeld hörten, seid ihr, Ritter Arno, durch die Mörderjagd vor kurzem zu einem Helden in der Grafschaft gelangt. Allerorts spricht man darüber. Meine Gespannfahrer brachten sogar aus dem Magdeburgischen darüber die Information mit, auch in Haldensleben und Goslar wird darüber berichtet."
„Nun, so viel Gerede hat die Sache nicht verdient. Ich bin nur froh, dass wir den Mörder und seinen Bruder bringen konnten."
„Ja, da schläft es sich gleich ruhiger des Nachts. Nicht war, Luisa?" fragte der Voigt, sich seiner Tochter leicht zuwendend.
„Ja Vater."
„Ihr müsst wissen, die Kunde über das Mordgesindel ließ meine Tochter vor Unruhe und Angst nur wenig schlafen. Sie, meine liebe Luisa, trieb mich dazu, das Tor stärker bewachen zu lassen, auch war die Zugbrücke hier mehr oben als am Boden." Erklärte Herr Ritter Heneke mit einem Lächeln- auch zu seiner guten Tochter blickend. Luisa von Bodfeld sah verschüchtert zu Boden.
Der Pfalzvoigt brachte das Gespräch jedoch nun schnell wieder zu den wichtigeren Sachen zurück: „Gut dann, so ist alles besprochen? Meine Tochter wird die Mannschaften mit dem Hauptmann zuteilen für die Nacht zu Allerheiligen. Und eines noch- ich habe Zelte auf Bodfeld gelagert. Holt sie Euch mit einem Karren ab in der nächsten Woche. Die Gespannführer sollen sich auf meine Tochter oder mein Wort berufen. Die zelte können Euch von Nutzen sein."
„Nun Herr Heneke, ich wäre ein undankbarer Besucher, wenn ich diese Gelegenheit nicht gleich nutzen würde, Euch und Eurer Tochter die Einladung zu dem Fest auszusprechen. Seid mir bitte auf das Herzlichste willkommen, so ihr zusagen möchtet."
„Ich danke Euch, Voigt. Ich selbst werde wohl nicht reisen können. Aber meiner Tochter stelle ich es frei. Der Luisa kann es nicht schaden- im Gegenteil. Mal ein wenig Abstand von Bodfeld und etwas Ablenkungen aller Art. Luisa? Was meinst du?"
„Vater, aber ich kann dich doch hier nicht alleine lassen."
„Wir haben hier fast 20 Mägde und Knechte. Und Irgendeiner davon wird mich schon rufen hören, wenn ich etwas benötige oder zu regeln habe. Also gehst du dort mit hin!"
Diese Reden des Pfalzvoigtes waren Arno nicht angenehm. Der Voigt Heneke konnte also auch einmal recht barsch werden, wenn es ihm einkam. Arno versuchte das Gespräch zu beruhigen.
„Edle Luisa, ich würde mich sehr freuen. Ihr habt noch Zeit es zu bedenken."
Fräulein Luisa setzte sich wieder auf ihren Stuhl, war aber noch ein wenig aufgeregt über die Barschheit ihres Vaters.
„Herr Heneke, wir danken Euch für die zahlreichen klugen Ratschläge. Eure Erfahrungen in solch Dingen haben mir sehr voran geholfen. Auch Eure Hilfe mit Männern und Zelten nehme ich gerne an. Vielen Dank auch dafür."
„Gern geschehen, junger Voigt Arno. Es kommen zu wenige, um einmal einen alten Mann aus den Erfahrungen berichten zu lassen. Euer Besuch war eine Freude für mich. Bis zu einem Wiedersehen, Herr Nachbarsvoigt!" sagte Heneke, winkte kurz und streckte seine Füße wieder an das Feuer aus.
Damit war die Unterredung nun wohl tatsächlich beendet.
Die junge Luisa stand auf, bedeutete mit einer Handbewegung, die zur Tür des Raumes zeigte, dass die Unterredung beendet war. Luisa war die letzte, die nach Arno und Lisbeth aus dem Raum in das Treppenhaus trat und verschloss die Tür zum Privatgemach des Voigtes wieder.
„Folgt mir bitte nach, Herr Arno!" sprach die Edle Luisa zu Lisbeth und Arno.
Luisa schritt voran, Arno und dann Lisbeth kamen hinterher, die Treppe hinab. Luisa ging aus dem Palas, über den Innenhof der Burg- jedoch nicht zu den Pferden der Gäste. Ihr Weg führte geradewegs zu dem Küchenbau. Durch die Küche hindurch, in der mehrere Mägde beim Putzen von Gemüse waren- ein Knecht war dabei, der bei Luisas Erscheinen im Raum sofort hochsprang. Luisa ging durch die kleine hintere Pforte, ließ sie offen und stand in der Tür, bat Arno näher zu kommen.
Arno blickte in die Kammer, die auch eine Tür zum Innenhof der Burg hatte.
„Hier lagern die Zelte, wenn sie nicht benötigt werden. An der Küche ist es trocken zu jeder Zeit. Die Zeltstoffe gammeln sonst, wie altes Obst. Auch haben wir Holzscheide dazwischen liegen, so lüften die Stoffe gut aus. Wenn ihr sie holt, dann nehmt diese hier rechts. Achtet beim Zurückbringen und Einlagern darauf, dass sie ebenso wieder aufgestapelt werden."
Arno besah sich die Lagerung.
„Ist gut. Wir tragen dafür Sorge." sprach Arno.
„Gut. Ich bringe Euch nun zu euren Pferden und verabschiede Euch noch."
Arno ging zum Ausgang dieser kleinen Kammer zur Küche.
An der Tür stand immer noch die kleine, blonde Frau mit den schönen Katzenaugen.
Lisbeth blickte auch in die Kammer, wich aber zurück in die Küche, als der Vater zurück von den Zelten kam.
„Ich danke Euch, Fräulein Luisa!" sprach Arno ganz ruhig und blickte der edlen Voigttochter tief in die Augen, bevor er aus der Kammer ging.
Luisa verschloss die Kammer und ging erneut voran, brachte Arno und Lisbeth zu den Tieren über den Hof.
Nur wer die edle Luisa von Bodfeld genauer kannte, bemerkte ihr schüchternes Lächeln in diesem Moment und sah, wie sie nicht vom Boden bei diesem Lächeln aufsah- jedoch den eigenen Pferdeschwanz an der Seite schüchtern zupfte.
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