Erste Tage im Heer
Im Lager am Waldgebiet unter dem Regenstein war weniger Geschäftigkeit, als Arno und seine Männer angenommen hatten.
Die unter dem Banner des Bischofs von Halberstadt zusammen gekommenen Ritter und Knechte waren überschaubar. Das Lager war in einem Waldstück, dass von mehreren Seiten von Felsen umgeben war und sich nur nach Norden hin öffnete.
Carl Bader und der Regensteiner Herold durchschritten die Reihen der Zelte im Lager. Die Erschienenen wurden hierbei namentlich und mit Wappen erfasst und die Ausrüstung hinterfragt.
Herr Segest von Schwenda gab begrüßende Worte hiernach und teilte Hauptleute und deren Abteilungen ein.
Der Befehl der Reiterlegion, den die Leute des Bistum Halberstadt zugewiesen waren, hatte Herr Gunther von Merseburg, der Markgraf im Bistum Merseburg demnach inne. Den Markgrafen Gunther werde die Abteilung beim Zusammenschluss in Dullide unterstellt und von Angesicht das erste Mal sehen- bis dahin seien die Hauptleute der Abteilungen der Panzerreiter für die Ausbildung selbst verantwortlich.
Arno von Draburg wurde unter Befehl von Kuno von Kucksburg, also dem Sohn des Grafen von Regenstein, unterstellt.
Und weitere bekannte Namen wurden benannt: Thilo von Susenburg, Karl von Badersleben, Leno von Stapelburg.
In einer ersten Ansprache des bestimmten Hauptmanns- Kuno von Kucksburg- wurde bekannt, dass sein Haufen mit weiteren Nordsächsischen Rittern, einigen Thüringern und Franken aufgefüllt werde in Dullide und das Herr Kuno hoffe, sich im Feld auf die Leute verlassen zu können. Man solle erst einmal das Lager richten und wolle sich zu ersten gemeinsamen Reitformationen am Folgetag aufstellen.
Dann gingen die Leute für den Tag eigene Wege im Lager.
Arno nutzte diese Möglichkeit, Herrn Leno von Stapelburg aufzusuchen. Wie Arno auch, war es Leno schwer gefallen ins Feld zu ziehen. Herr Leno konnte die hohe Heerabgabe nicht erbringen. Eine Frau und zwei Söhne ließ er daheim zurück. Auch Leno brachte zwei Knechte mit, die sich auch mit Christian und Andreas schnell zusammen fanden. Ein Glück- wie die Freunde feststellten.
Gegen Abend am Feuer betrat auch Herr Kuno von Kucksburg den Kreis.
"Herr Arno? Auf ein Wort?"
Arno ging mit dem Kucksburger einige Schritte in den Wald.
"Ich danke Euch um die Offenheit. Mein Vater war sehr erbost über meine Teilnahme. Doch als eigenständiger Voigt konnte das Kucksburger Lehen nur schwerlich die Heerabgabe erbringen. Mein Herr Vater wollte mich auslösen, was ich jedoch abschlug. Ich weiß um die Gefahren, dennoch wollte ich dieses Mal nicht zurück stehen."
"Euch von dem abgesprochenen Handel zu berichten, musste sein. Ihr müsst um die Umstände wissen. Nun hoffe ich auf Euer Vertrauen für den Zug und bete, dass wir gemeinsam zurück kommen."
"Ich werde auf Euch und Eure Erfahrungen bauen, Herr Arno. Ich werde mit Euch die Spitze der Abteilung nehmen. Gebt mir Rat, wo es nötig erscheint."
"Herr Kuno? Wie habt Ihr die Verantwortungen auf der Kucksburg geregelt?"
"Mein Bruder Sigurd wird in meiner Abwesenheit für mein Lehen verantwortlich stehen. Daher hatte ich wenig Sorge um die Dinge. Die Verwaltung habe ich einem erfahrenen Manne für den Hof gegeben. Zum Lehen gehören drei Orte und viele Leute."
"Ich schlafe unruhig, wenn man selbst die Geschicke nicht führen kann daheim."
"Wie war es gegen die Ungarn im Feld, Herr Arno. Was könnt ihr berichten?" Kuno von Kucksburg war angespannt. Mit 31 Jahren war er im guten Alter und war auch wegen seines hohen Standes von guter Bildung.
"Die Ungarn waren mit ihren kleinen zotteligen Pferden vor allem eines: schnell. Schnelligkeit war deren großer Vorteil. Die Ungarn kamen aus deren Lagern, schlugen zu, mordeten und brandschatzten und waren so flink wieder davon, dass denen kaum zu folgen war. Den Ungarn nach zu eilen, hieß auch Vorsicht walten zu lassen. Sie waren gut darin, uns in Hinterhalte zu locken. Viele Heißsporne und Ungeduldige haben hohen Blutzoll gezahlt. Und die Ungarn verstanden sich meisterlich aufs Bogen schießen."
"Und was wisst ihr über die Sarazenen?"
"Nicht viel- und ich befürchte, kaum jemand kann uns für den Kampf gegen Sie mit Ratschlag dienen. Gute Reiterei. Doch sonst ist wenig bekannt hierzulande. Ich würde mir wünschen, dass wir von den Italienern hierzu Hinweise bekommen. Doch vorher gilt es wohl gegen deren städtischen ungehorsamen Adel vorzugehen."
"Ja. Dies wird wohl so sein."
"Welche Leute sollen noch in unsere Abteilung kommen?" fragte Arno.
"Zwei Leute aus dem Heilangau, bei Stade. Ein Franke, ein Thüringer. Über deren Erfahrungen ich nichts weiß bisher."
Arno glaubte dem Grafensohn. Man würde die Leute ja alsbald schon kennen lernen.
"Die Heeresmacht wird wohl zum Großteil von kirchlichen Würdenträgern und deren Herrschaftsbereich kommen. Herr Gunther von Merseburg hat dieses so bezeugt, da man dem Hilferuf des Papstes folge. Wenig weltliche Herren sind dabei- deren Truppen sind wohl nur Jeder vierte oder fünfte im Heer."
"Hmm." Arno verwunderte dies nicht.
"Der Kaiser selbst habe aber die erbetene Panzerreiterei der slawischen Abodriten unter derem Herrscher Mistislaw zur Verfügung für den Zug nach Italien. Ohne Geleit sind dies gut 1200 Mann oder mehr unter Waffen- also jeder Vierte im Zug. Und diese Reiter haben gute Erfahrungen."
"Mit Glück zeigen wir uns auch gut geschlossen. Wir werden dies schon morgen früh üben."
Kuno von Kucksburg war beruhigt.
Am Lagerfeuer- am eigenen, als auch am nächsten Feuer- unterhielten sich die Knechte über die Möglichkeiten auf gute Beute. Doch Arno wollte den Leuten nicht sauer ins Gewissen reden.
Beutegüter und deren Verteilungen oblagen dem Kaiser und dem Befehlshaber der Reiterlegion danach.
Viel würde nicht bei den einzelnen Rittern ankommen. Dies war auch nicht gut in einer Schlacht. Die Gierigen- welchen es danach dürstete, schnell die Erschlagenen zu plündern- würden bei Unachtsamkeit schneller tot in der Fremde bleiben, als reich nach Hause kommen.
Arno stand der Sinn ja auch nach guter Beute- aber noch mehr danach, am Leben zu bleiben. Er konnte sich schwerlich vorstellen, dass dem Kaiser am Plündern der italienischen Städte gelegen war, da er auf deren starke Wirtschaftskraft angewiesen sein würde. Er werden sicher die kleineren Unternehmungen sein, die dieses Mal etwas Beute ermöglichen.
Doch dies würde sich dann zeigen.
Am Morgen waren für die einzelnen Abteilungen Übungen durchzuführen. Ohne Ausrüstung - nur zu Pferd- galt es Formationen zu halten, geschlossen über die Feldflur zu reiten, das Ausrichten zu üben und das geschlossene Lossprengen der Formation.
Herr Kuno erwies sich als guter Anführer, er und Arno gaben Kommando und gaben Obacht auf gute Ausführung. Bis zum Nachmittag war die Abteilung unterwegs.
Vom Zeichen geben, wie es eine weitere Abteilung umsetzen wollte, nahm man Abstand. Im Kampf mit Ausrüstung, die Schildhand am Zügel und in der anderen die lange Lanze- da war es schwer, eindeutige Zeichen für alle zu geben. Lautes Schreien hingegen konnten die Männer gut hören und auch weitergeben.
Auch an diesem Tag waren noch einige Nachzügler ins Lager gelangt, wovon jeder keiner in die Abteilung des Grafensohnes zugewiesen wurde.
Erkennbar war, dass sich zwei Lager in der Abteilung zu bilden schienen. Die Jungen um Herrn Thilo von Susenburg, heißblütig und gierig auf Ruhm und die Leute um Kuno- eher die Übersicht suchend. Kuno hoffte dies jedoch in der langen Zeit des Zusammenseins zu einem guten Zusammenschluss zu bringen.
Nächster Morgen- gleiche Übungen. Wieder und wieder. Am Nachmittag schon nur mit Schild gerüstet, um das gemeinsame 'Anreiten und Ansprengen' für das Gefecht zu üben.
Arno war beruhigt. Sein Grauer hielt gut Schritt und war trotz der anderen Pferde um ihn herum ruhig. Solang niemand eine rossige Stute in die Abteilung brachte, würde der Graue also gut parieren.
Tags darauf- wieder üben.
Die Knechte übten derweil das Befestigen des Lagers unter der Obacht von Carl Bader, dem Regensteiner Waffenmeister. Zum Schanzen wurden Bäume abgeschlagen, mit viel festem Geäst. So etwas sollte fremde Reiterei abwehren. Kleinere Übungen mit Schild und Spieß waren auch zu leisten. Waren die Knechte damit fertig, hatten sie sich um die Tiere zu kümmern und für die Mahlzeit zu sorgen.
So verging die erste Woche. Dann war Zeit, nach Dullide aufzubrechen.
Der Tross zog an Quedlinburg und Gernrode vorbei hoch in den Harz.
Arno hatte sich nun den Schecken als Reitpferd genommen. Der Graue wurde nun geschont, er war am Karren angebunden und hatte nur leichtere Ausrüstungsstücke zu tragen.
Auf einer Aue am Fluss Selke war das Lager zur Nacht. Durch die Ochsenkarren war der Tross langsam. Auch gab es einen Nieselregen, der das Reisen zusätzlich gehemmt hatte.
Am Feuer wurden die klammen Gewänder etwas getrocknet. Und es gab einige Feuer im Lager.
Die Männer waren guten Mutes. Das Vieh war versorgt. Edle und Einfache saßen beieinander und aßen fade schmeckenden, aber warmen Brei. Arno gab an Christian und Andreas etwas Trockenfleisch aus, damit es nicht ganz so wenig erschien, denn sättigendes Brot hatte man nicht. Dünnes Bier wurde in die Becher gegeben.
Der Tross der Bewaffneten hatte einige neugierige Kinder von Bergleuten aus deren Versteck am Waldrand auf die Aue gelockt. Herr Leno lies sein Schwert den Kindern, die ihm jedoch zusichern mussten, es in der Scheide zu lassen und nur zu bestaunen. Ein Ritter der benachbarten Abteilung, der sein Zelt nahe aufgeschlagen hatte, versuchte zuerst die Kinder zu verscheuchen- hatte jedoch dann im Angesicht der ärmlichen Gestalten ein Einsehen und gab den Kindern etwas Trockenfleisch ab.
Herr Kuno von Kucksburg hatte sich mit den Anführern der weiteren vier Abteilungen besprochen und kam zu den Leuten.
"Hört mal alle zu! Wir müssen wohl auch morgen Abend nochmals rasten. Wie ein Voraus- Mann mitteilte kann es bei den zwei hier oberhalb liegenden Selke- Furten wegen des aufgeweichten Bodens mit den Karren zu Schwierigkeiten kommen. Daher wollen wir hier etwas unterhalb lieber eine sichere Passage nehmen und dann von dort sogleich hoch auf die Berge. Wir sollten oben dann gut voran kommen- mit Karren und Last. Bis zum Mittag sind wir oben auf. Also geben wir die Zelte zuletzt auf die Karren. In der Früh geht es los- Abbauen und Verlasten."
Arno gefiel die Ansprache des Kucksburgers. Vom ersten Treffen mit dem Grafensohn hatte Arno schon einen guten Eindruck von dem Mann. Auch diesmal war es so. Mit dem Grafensohn hatte man einen guten Anführer bislang- er war ruhig, nahe an den Leuten, klaren Wortes- dort wo es geboten war.
Die Männer blickten vor dem Schlafengehen noch einmal auf das Lager. Die feinen Rauchfahnen der Feuer kräuselten sich nach oben zum Himmel, bis ein Wind über den Baumkronen sie verstreichen ließ.
Am Morgen ging es wie beredet nach dem Aufbruch am Fluss entlang und durch eine breite, flache Furt der Selke.
Kleine, bläuliche Steine lagen hier zu Hauf im Wasser- wie wertvolle Edelsteine sahen diese Kiesel aus. Doch nur wenige hatten ein Auge dafür, wenn sie ihr Tier oder ihren Karren durch den Fluss brachten.
Wer drüben angekommen war, trieb die Tiere an, in das Nebental und bergan zu gehen. Damit war Platz für die dahinter Kommenden geschaffen.
Arno stieg vom Schecken ab im Angesicht der Steigung des Weges.
Ein entgegenkommender Karren eines Bauern war an den Wald heran gefahren, um die Menge des Trosses vorbei zu lassen. Im Angesicht der vielen Edlen war es aussichtslos, mit dem Trossanführer zu diskutieren. So hatte er sich aus freiem Stück gefügt und war gewichen.
Auf dem Plateau passierten die Männer so alsbald gegen Mittag die Harzhochstraße, die vom Mansfeldischen bis zum Hochharz geht. Eine Pause und Verpflegung hatten die Männer nicht. Der überschaubare Tross zog wie eine Schlange seinen Weg auf den nächsten Wald zu, wo eine Schneise war.
Ein Reiter sprengte den Zug der Karren entlang. "Wir lagern hinter dem Wald dort! Weitersagen!"
Ein hungriger Magen ist kein guter Weggefährte. Für diesen Tag war jetzt das Ziel bestimmt.
Arno kannte diese Gegend. Als er seinerzeit seinen Sohn in den Pagendienst von Ewald von Erichsburg brachte, musste er eben hier auch entlang. Das war aber schon viele Jahre her.
Der Weg durch den Wald schien sich endlos hin zu ziehen. Dann jedoch kam gegen späten Nachmittag offenes Gelände in Sicht. Man war gut voran gekommen, auch wenn einige schon murrten. Durch den langen Marsch war die Ankunft in Dullide für Morgen gewiss.
Zelte aufschlagen. Tiere versorgen. Feuerstellen schaffen- Ein Spiel, wie es in der kommenden Zeit für die Leute selbstverständlich werden wird. Je mehr Leute im Tross sind, um so schwieriger würde es irgendwann sein, einen guten Lagerplatz zu finden oder Feuerholz herbei zu schaffen.
Doch für heute wollten die Männer nur noch essen und sich auf die Schütten legen.
Morgen! Morgen werde ich meinen Jungen wiedersehen.- so dachte Arno bei sich. Und er war gespannt darauf, wie es Lukas und auch dem Leonhardt dort ergangen war.
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