Erst Schreck- dann Glück
Das Jahr 978 hatte eine durchschnittliche Ernte beschert. Doch die Bauern der Umlande waren damit zufrieden. Die Abgabenteile wurden immer in der Frist entrichtet. Auch band Arno weniger Leute im Frondienst, was ein gutes Einbringen der Ernte ermöglichte.
Gute Nachrichten und guten Ertrag gab es von Seiten des Kamerad Martin. Die errichtete Mine schien ertragreich und sicherte auch für die nahe Zukunft kleine, aber gesichert anzusehende Einkünfte für die Draburger.
Diese gute Kunde hatte auch einen weiteren Meister des Bergbaues angelockt. Ein Kamerad Gregor mit seinen zwei Helfern hatte einen wenig ertragreichen Silberstollen bei den Susenburgern aufgegeben und einen weiteren Abbiss am Mühlenberg nahe Drudenstein als so Ertrag versprechend eingeschätzt, dass er nun dort sein Handwerk für das nächste Frühjahr mit einem Stollengang fortführen wollte.
Hanjo und Lurz, die beiden Holzfäller, hatten gute Arbeit hierzulande. Auch sie wollten für das nächste Jahr einen dritten Mann verpflichtet wissen.
An Holz mangelte es nicht auf der Draburg, dennoch war dem Bestreben Arnos, den neuen Bergfried anzugehen, wenig Glück beschieden gewesen.
Der Untergrund aus hartem Basaltgestein hatte den Männern beim Ausheben eines halben Graben immer wieder Schwierigkeiten bereitet. Der Menz und der Wernherr überlegten, wie die größeren Steine- die nicht als Geröll am Fels verkippt worden waren- für einen steinernen Unterbau des Bergfriedes genutzt werden könnten. Doch einen Steinmetz hatte man nicht gewinnen können, so dass man hierzu noch keine gute Lösung fand.
Draußen in den Landen gingen auch sorgenvolle Neuigkeiten um. Die Bayerischen Kriegszüge waren zwar vorbei mit der Unterwerfung Heinrichs des Zweiten, doch der Frieden war damit nicht von Dauer. Auf einer Reichsversammlung im Sommer hatte Otto der Zweite einen Feldzug gegen die Westfranken beschlossen. Der westfränkische König Lothar hatte vorher Niederlothringen angegriffen- zu einer Zeit als das Kaiserpaar in Aachen weilte. Überstürzt hatte man abreisen müssen und war nur knapp westfränkischen Häschern entkommen. Das kaiserliche Herr hatte danach als Rache die Städte Attigny, Soissons und Campiegne schwer verwüstet. Man sprach von der Belagerung von Paris. Im Osten herrscht auch Unruhe- der Polnische Herzog, Prinz Mieszko der Erste, der vor fünf Jahren noch dem Kaiser Otto dem Ersten den Treueeid leistete, ist nun auf Abtrünnigkeit aus. Sollte der Polenherrscher nicht einlenken, kann im nächsten Jahr 979 mit einer nach Polen gerichteten Heerschau zu rechnen sein. Auch in Italien schreien die Adligen und die Städte- wohl auch der Papst Benedikt der Siebende um Unterstützung gegen die Sarazenen. Und im Norden und Nordosten rumoren die Slawenstämme, die jedoch für den Moment noch uneins erscheinen. Zuletzt kam die Nachricht, dass die Kaiserin wohl guter Hoffnung sei- vielleicht steht im kommenden Jahr die Geburt eines Thronfolgers an.
Doch keine Nachricht über den Verbleib der Bodfelder Voigtstochter Luisa erreichte diese Lande mehr. Zuletzt habe ein Ritter aus Schwaben dem Voigt Heneke berichtet, dass sie wohlbehalten im Burgundischen angekommen sei- dies war im Herbst die letzte Kunde.
Arno war in Anbetracht der Ereignisse froh, nicht zum Waffendienst befohlen worden zu sein.
Dies ermöglichte ihm, die Abläufe auf der Draburg und auch die Ausbildung der zwei Pagen gut vorangebracht zu haben.
Die zwei Jungen, Leonhardt und Lukas, waren sehr wissbegierig und geschickt. Es war immer wie ein kleiner Wettstreit darum, wer der Bessere im Reiten, Jagen und Kämpfen war- sie standen einander in nichts nach. Arno machte dies stolz. Auch die Erziehung im christlichen Geist und den höfischen Umgangsformen hatte gute Früchte getragen. So fiel Arno besonders auf, dass die Jungen gegenüber den Frauen der Burg vornehmer wurden.
Der Winter hatte nur kurz sein hartes Gesicht mit einem Frost angekündigt, der im November über eine Woche angehalten hatte. Nun im Dezember war es sehr mild.
Sogar Fisch- der in diesem Jahr weniger im Fluss war als im Jahr davor- konnte heute auf den Tisch gebracht werden. Doch Unterstützung hatte Barbara noch nicht gefunden.
Handel wurde immer noch betrieben. Der Drogweg wurde immer noch gut befahren dieser Tage. Das milde Wetter machte ein Passieren leicht.
Allerheiligen war in diesem Jahr erneut mit einem kleineren Fest und ohne Einladung in die Umlande gefeiert worden. So konnte man die Vorräte zusammenhalten.
"Wir reiten heute noch einmal durch die obere Feldflur. Ich will sehen, wie ihr euch mit dem Schild im Sattel haltet."
Lukas und Leonhardt freute diese Ankündigung. Beide Jungen hatten Respekt vor dem Reiten mit Schild. Es war weit schwieriger, als beide Jungen angenommen hatten. Doch nunmehr hatten sie eine gewisse Sicherheit erlangt.
"Voigt Arno? Reiten wir wieder zu der freistehenden Eiche?"
"Ein gutes Ziel, junger Leonhardt. Wir könnten dort ein Ringspiel ans Seil hängen. Ihr könntet dann noch einmal mit dem Holzstab das Zielen und Halten üben. Das bringt Euch Kraft in den Arm."
Schneller als Arno lieb war, hatten die Jungen aufgegessen und machten sich daran, die Pferde vorzubereiten. Auch Wernherr fühlte sich dadurch angetrieben, für Arno den Grauen vorzubereiten, denn Wernherr hatte den zwei Pagen beim Dienst am Pferd Hilfestellung zu geben. Doch schon bald waren alle drei Pferde vor die Burg gebracht. Lisbeth hingegen wollte lieber weiter mit der Magd Barbara Wolle verspinnen, verabschiedete den Vater noch am Wirtschaftsbau.
Der Ritt führte über den Drogweg ostwärts durch den Wald. Arno wies die Jungen an, immer die Schildhaltung zu beachten- hatten die Pagen einen Spieß- so wie heute die Langstangen dabei- mussten sie besonders gut die Pferde führen. Lukas war hier ein wenig sicherer. Obwohl der Leonhardt mehr Kraft einsetzt, war sein Brauner unruhiger auf dem Weg.
"Leonhardt? Der Braune hat auf dich zu hören. Versuch es, den Braunen besser gehen zu lassen."
"Ich habe nur Angst, dass ich den Stock verliere, Herr Arno." sagte der Page. "Sonst wäre es wohl leicht, den Braunen gut zu reiten."
"Gut. Stell dir vor, wir sind Bewaffnete. Und wir drei haben eine langsame Kutsche hier entlang sicher zu geleiten. Die Edlen der Kutsche schauen, wie ihr euch macht. Also versuche nur wenig zu korrigieren. Halte mit der Schildhand die Zügel fest und mit der Waffenhand zuerst nur den Spieß."
Arno hatte für sich erst einmal erkennen müssen, dass Leonhardt mit der linken Hand besser war, die Dinge anzugehen. So musste er ihn komplett anders schulen, als er es Lukas beibrachte. Arno und Lukas waren Rechtshänder. Arno hatte hierzu umzudenken, wollte dem jungen Leonhardt nicht die rechte Hand als Waffenhand aufzwingen.
"Lukas! Dort vorn! Der Stein. Siehst du ihn am Wegrand?"
"Ja, Vater!" Lukas machte seine Augen schmal, um noch besser sehen zu können.
"Reite langsam an, nimm den Stein als Ziel und versuche die Langstange wie eine Lanze oder einen Spieß zu verwenden. Probier dich daran!"
Lukas ritt forscher, er trieb seinen Schecken leicht in der Seite an zum Trab. Gut hielt er die Stange, richtete sie wie eine Lanze nach unten und hielt sie dabei gut fest. Er war beim leichten Herabbeugen etwas unsicher, fing sich aber dann fest im Sattel.
"Peng!" knallte der Lanzenstich auf das steinerne Ziel, dass davon Moos nach oben wegstiebte.
"Sehr gut so, mein Junge!" lobte Arno.
"Gebt mir bitte auch ein Ziel, Herr!" bat Leonhardt, als Arno und Leonhardt wieder auf der Höhe von Lukas angekommen waren.
Arno schaute den Weg nach vorn. "Da vorn. Die Eiche am Wegrand links."
"Ich sehe die dicke Eiche!"
"Dann siehst du auch den dicken Ast, der dort in den Weg hinein hängt und wohl bald abfallen will?" fragte Arno.
"Ja Herr!"
"Nimm die Langstange kurz und versuche den Ast wegzuschlagen im Trab. Achte aber auf die Schildhaltung dabei." riet Arno.
"Ja. Ich versuche es!" sprach Leonhardt.
"Nicht versuchen Leonhardt! Machen! Triff den Ast und dein Gegner ist vom Hieb benommen!"
"Ja." rief Leonhardt und trieb seinen Braunen zum Trab an.
Die Schildhaltung war diesmal sehr sicher, wie Arno erkennen konnte. Leonhardt hatte auch die Langstange behände kurz gezogen, wie einen längeren Knüppel. Arno war es zufrieden, denn so konnte der Hieb auf den Ast sicherlich gut gelingen.
Leonhardt hatte das Ziel- den hängenden Ast- gut im Blick. Der Schlag würde sicherlich sitzen.
Jedoch trat plötzlich und für Leonhardt und auch die nachfolgenden Reiter ein Mann hinter dem Baum hervor- vermutlich durch die Hufschläge auf dem Weg und das Reden im sonst stillen Wald herausgelockt, blickte er auf den Weg und zog seinen Kopf vor Schreck schnell wieder hinter den Baum zurück- grade noch rechtzeitig, um nicht vor das herantrabende Pferd von Leonhardt zu kommen.
Durch diesen Schreck verfehlte Leonhardt den Ast nur knapp, obwohl er ihn dennoch fast erwischte, musste er sein Pferd ein wenig nach rechts bemühen.
So wie dem Leonhardt, war auch Arno kurz erschrocken. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, hätte Leonhardt nicht gut mit dem Pferd reagiert.
"Mann, bist du verrückt, vor das Pferd zu kommen? Mein Brauner hätte dich fast mitgerissen!" schrie der junge Leonhardt den Kerl hinter der Eiche an, anbei bemüht, sein Pferd wieder zur Ruhe zu bringen und zur Eiche zurück zu reiten.
Auch Arno und Lukas waren nun heran.
"Verzeiht mir, Herr. Ich war nur neugierig zu sehen, wer da des Weges kommt!" sprach der junge Mann.
"Verzeiht meinem Mann!" hörte Arno eine weibliche Stimme hinter dem Baum. "Er hatte nichts Böses im Sinn! Entschuldigt bitte, junger Herr!"
Als Arno die Eiche passiert hatte, blickte er auf einen kreidebleichen jungen Mann mit einer Weidenkiepe auf dem Rücken und eine junge Frau, die hinter der Eiche saß. Arno erkannte, dass die junge Frau wohl schwanger ging.
"Entschuldigt uns bitte ebenso!" erklärte Arno. "Wir haben euch hier nicht lagern sehen. Mein Page wollte euch nichts antun, guter Mann. Wir üben das reiten und den Umgang mit Waffen."
Der junge Mann nickte, war jedoch vor Schreck noch überrascht.
"Leonhardt? Alles Gut soweit?" fragte Arno seinen jungen Pagen.
"Ja. Aber wegen dem Mann hab ich das Ziel nicht getroffen, Herr!" entschuldigte sich Leonhardt von Mühlburg.
"Ist schon gut, mein Junge! Komm erstmal auch zur Ruhe- auch dein Pferd hat gut reagiert!"
Dann wandte sich Arno an die beiden Leute an der Eiche. "Wer seit ihr? Und wohin führt euch der Weg?"
Der junge Mann, der in Arno von Draburg einen Edlen erkannte, erklärte sich auch sofort- wobei er versuchte, wieder Blut in sein Gesicht mit Reiben der Wangen zu bekommen.
"Guter Herr. Ich bin der Jakob Richling. Dies ist meine Frau Thea. Wir stammen aus dem Mansfeldischen."
"Und? Was treibt euch hierher in den Hochharz? Jakob Richling?" hackte Arno nach.
"Die Suche nach einer neuen Anstellung, Herr. Ich war Schmiedegeselle in Mansfeld, beim Meister Baldasar. Ich hab ausgelernt, wir hofften auch dort bleiben zu können, aber der Meister wollte das Handwerk lieber seinem Sohn vermachen- als mir. Ich wollte über die Harzhochstraße nach Westen gehen- vielleicht irgendwo eine Anstellung als Schmied finden. Zuerst wollten wir es Harzgerode probieren, doch die hatten Schmied und Geselle- nun gehen wir nordwärts nach Blankenburg zum Regenstein."
"Seit ihr dorthin bestellt oder dort gemeldet?"
"Nein, Herr!" antwortete die junge Frau. "Und ich glaube auch, wir schaffen es nicht mehr bis dahin. Ich denke, unser Kind will bald heraus."
Arno zog die Augenbrauen hoch- Ein Schmied also- der noch dazu eine Anstellung sucht und heimatlos durch die Lande streift!- dachte Arno bei sich.- Und noch ein Weib dazu.
"Jakob Richling? Was sagt man von deinem Handwerk? Bist du ein guter Schmiedegeselle?" fragte Arno frei heraus.
Der junge Mann war überrascht auf die Frage hin. Schnell warf er seine Kiepe vom Rücken und kramte einige Eisenstücke hervor. "Hier! Seht selbst Herr! Ich kann alles schmieden- von der Bolzenspitze bis zum Schwert. Schaut hier- habe ich alles selbst angefertigt."
Arno überflog mit dem Blick die einzelnen Stücke, ließ sich zwei Stücke hochreichen.
"Jakob Richling? Thea Richling?"
"Herr?" fragte die junge Frau, sich aus dem Sitz schwerfällig aufrichtend.
"Geht hier eine Stunde entlang zum Drogweg, dann links den Berg hinauf um einige Ecken. Ihr seht dann die Siedlung an der Draburg. Wenn es Gott und sowohl euch gefällt, dann hab ich ab heute einen Schmied im Ort und ihr ein neues Heim. Wir reiten vor. Ich suche, euch eine Unterkunft zu verschaffen- den Rest besprechen wir dann, Jakob. Nach dem Schreck haben vielleicht sowohl ihr zwei als auch ich heute noch Glück."
Ungläubig sah sich das junge Paar an.
Daher setzte Arno noch ein Wort nach. "Ich bin Arno von Draburg, der Voigt dieser Lande. Und ich denke, Euer Kind kann auch in Draburg in der Siedlung wachsen. Ein guter Schmied wird bei mir am Ort benötigt."
"Habt ihr denn eine Schmiede, Herr?" fragte der Jakob nach.
"Nicht mehr! Doch wohl alsbald vielleicht wieder- dafür würde ich Sorge tragen! Nur du must dein Handwerk verstehen. Ich probier es mit dir bis zum Frühjahr. Deine Frau kann sich auch sicher irgendwo mit nützlich machen in der Siedlung. Es liegt also bei dir, Jakob. Bist du gut, dann hast du mit deiner Familie ein Auskommen."
"Ja Herr- ich glaub, ich versteh mich auf das Eisenwerk! Wir machen uns auf den Weg! Danke, guter Herr."
"Dann los! Bevor euch die Dunkelheit überholt."
Arno , Lukas und Leonhardt ritten nun den Weg zurück. Arno erzählte auf dem Rückweg, wie wichtig ein Schmied am Ort sein kann- für die Burg, die Bauern, die Reisenden- für Werkzeug und auch Waffen. Die beiden Jungen schienen zu verstehen.
Am Abend kam die junge Familie bei Familie Ganz unter. Tags darauf schwang der Jakob Richling schon zur Probe in Drudenstein den Schmiedehammer unter Arnos kritischem Blick.
Der Jakob hatte zumindest die Wahrheit gesagt- was Arno sehen konnte, arbeitete der Mann nicht schlechter als ein alter Meister.
So bekam die kleine Siedlung weiteren Zuwachs- erst zwei Leute- die Woche danach noch ein kleines Mädchen.
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