Die Slawen- Abendliche Sorgen
Der slawische Krieger war klein, sehr schnell und wendig. Er hatte muskulöse Arme mit denen er sehr flink den Stab führte. Zwei Treffer waren ihm bereits gelungen. Wie eine Katze- bereit zum Sprung- umschlich er Arno von Draburg im Licht des Lagerfeuers.
Arno war größer als der Slawe, an Schnelligkeit und Wendigkeit zwar unterlegen, aber durch seine größere Reichweite hatte es Arno geschafft, ebenfalls zwei gute Treffer zu landen.
Arno beobachtete den Slawen angespannt, denn der nächste Treffer mit dem Stab würde den kleinen Wettstreit entscheiden.
Ein guter Zeitvertreib- dieses Kampfspiel. Und der Slawe war noch nicht einmal ermüdet von den Kämpfen zuvor. Da hatte er zuerst den vorlauten Maximilian von Ellertsfeld mit 3:0 Treffern zum Gespött gemacht, sich danach mit Konrad von Schladen einen guten und ausgeglichenen Kampf geliefert, der jedoch durch den Slawen mit 3:1 entschieden worden war.
Das Gejohle und Lachen im Rund um das Lagerfeuer war unbeschreiblich laut. Es schien, als würden alle Geräusche und jedes Aufjohlen der Leute von den Palisaden in die Burg mit doppelter Lautstärke zurück geworfen.
Der letzte Hieb, den der Slawe angebracht hatte, hatte an Arnos linken Unterarm eine kleine Risswunde verursacht, jedoch keine große Sache für Arno. Der Schmerz war da, doch Arno würdigte die kleine blutende Stelle keines Blickes- er blieb auf den Slawenkrieger fixiert.
Jetzt täuschte der Slawe kurz ein Vorstoßen an, dass Arno mit einem schnellen Zurückweichen quittierte.
Der Ausgang dieses Kampfspieles war Arno im Grunde egal, dennoch wollte er tief in sich, den Sieg gegen diesen guten Kämpfer der Slawen für sich entscheiden.
Da! Jetzt wird er sicherlich gleich wieder eine Aktion versuchen!
Der Slawe machte einen kurzen Schritt nach links, um den nächsten Schritt weit nach rechts zu machen.
So hatte der Slawe schon den letzten Kampf entschieden. Der Stock würde nun gleich vorschnellen.
Jetzt kam der Stoß, auf den Arno wartete.
Arno ging aus der Bewegungsrichtung mit einem Schritt, machte sich dabei für den Gegner überraschend kleiner, da Arno in die Knie ging. Arno hieb nun seinerseits von unten in Richtung des Slawen, der diesen Stoß des Stockes am Bein abbekam.
Doch fast zeitgleich und mit einer weiteren Schrittbewegung nach rechts konnte auch der Slawe noch einen Treffer an Arnos linken Arm schaffen.
Sieg? Oder Unentschieden?
Beide Männer schauten sich an. Beide waren überrascht vom Treffer des Anderen- verdutzt und auf eine Entscheidung oder Wertung der Menge hoffend.
Doch die Menge war seltsam ruhig.
"Arno hat gewonnen!" schrie mit einem Male Klaus von Seehausen aus sich heraus und durchbrach mit diesem Ausruf die Stille.
Dann schrie die Menge erneut sehr laut aus allen Mündern heraus mit großem Johlen und Gelächter.
Der Slawenkrieger und Arno waren immer noch unschlüssig über das Ergebnis dieses Kräftemessens mit dem Kampfstab- keiner von Beiden wusste so recht, wer nun zuerst getroffen hatte, obwohl Arno schon auch der Meinung war, dass er zuerst seinen Hieb gesetzt hatte. Der Slawe jedoch schien anderer Meinung, wie sein Gesicht zeigte. Fragend und enttäuscht blickte er sich um, suchte Fürsprecher für sich.
"Unentschieden, liebe Freunde! Unentschieden!" rief nun Arno seinerseits laut heraus. Er riss mit der rechten Hand den Stab und mit der linken Hand den Arm des unschlüssigen Slawen gleich auch noch mit hoch. "Unentschieden!"
Der Gesichtsausdruck des Slawen änderte sich- auf verhaltene Freude.
Arno gab seinem Gegner die Hand- zum Dank für dieses Spektakel. Der Slawe lächelte zurück, schien aber nun auch nicht so recht an das 'Unentschieden' zu glauben.
Betreten ging der Slawe zu den Seinen, während Arno bei den deutschen Gästen wie ein Unbesiegter gefeiert wurde.
Offenbar wollte nun niemand mehr Kampfspiele mit dem Stock gegen die deutschen Ritter weiterführen von Seiten der Slawen.
Auch der Slawe erhielt nun Schulterklopfen bei den Seinen.
Arno ließ sich auf dem Baumstamm neben Rowald von Mieste nieder. Den Kampfstab legte er hinter den Sitzstamm.
"Was für ein Schauspiel, Herr Arno. Mir war auch so, als ob ihr den ersten Treffer hattet- aber wenn ihr sagt, es war unentschieden? Wird es wohl so gewesen sein.", sprach Rowald.
Der neben ihm sitzende Bruder Laurenzus klatschte derweil für Arno Beifall.
"Och. Ein guter Gegner! Der war so flink! Ich bin fertig!" Arno rann der Schweiß in Gesicht und auf dem Rücken. "Jetzt muss ich trinken, bin ja kaum noch bei Atem!"
Ein Griff -und der Becher mit Bier war am Mund und das Bier herunter geschluckt.
Erst jetzt blickte Arno auf die kleine, blutende Risswunde. Er drehte den Arm ein wenig hin und her, zog am Fleisch des Armes. Etwas Blut lief von der Wunde ab.
Von Arno unbemerkt, hatte sich ihm eine junge slawische Frau von hinten angenähert und legte Arno ein durchfeuchtetes Stück Stoff auf die Wunde. Sie kniete sich kurz neben Arno und wischte die Wunde mit dem Tuch ab.
Arno war überrascht davon. Darum hatte Arno nicht gebeten- vielleicht war dies auch nicht nötig, denn die Wunde war nicht sehr groß.
Die Slawische war sehr dünn und mager, hatte aber ein hübsches Gesicht.
Mit kurzen, fließenden Bewegungen, die eine Weichheit und Vorsicht in sich hatten, wischte die Frau die Wunde mehrmals aus, dann lächelte sie Arno kurz an und ließ Arno mit dem Tuch am Arm allein zurück.
Arno drückte das wohltuende Tuch auf die Wunde- er blickte der jungen Slawin hinterher, die auf der anderen Seite des Feuers nun war und einige Scheite in die Flammen warf. Sie bewegte sich dort mit Sachtheit durch die lachenden, feiernden Slawen und schien bemüht, niemanden anstoßen zu wollen.
Nun zeigten sich zwei ältere Slawische Männer am Feuer, die sich brüderlich umarmten und ein slawisches Lied sangen, in das einige andere Slawen mit einstimmten.
"Können wir uns wegen der Abläufe für Morgen noch einmal unterhalten, Ihr Herren?", unterbrach Bruder Laurenzus die Ruhe auf der Bank.
"Sicher. Lasst uns doch ein paar Schritte gehen. Oben am Wall, bei der Treppe. Dort sind wir ungestört!", riet Arno.
Arno ging vorweg, sein Wundtuch haltend. Der Bruder und der Herr Rowald als Bräutigam folgten die Stufen hinauf. Arno blickte erst zum Feuerschein in der Rundburg, dann über den Wall in die dunkle Nacht hinaus.
"Am Morgen werden wir Deutschen einen kleinen Hochzeitszug formieren -vor den uns zugewiesenen Hütten dort. Herr Arno, ihr seit der 'Starisvat', der bestimmte Stellvertreter des Bräutigams und führt den Zug an. Herr Ritter Rowald folgt Euch mit mir und den anderen edlen deutschen Rittern. Wir werden hier innerhalb der Innenburg langsam drei Runden abschreiten, bis wird dort, neben der breiten Hütte, zum Stehen kommen. Dort ist der Kirchhain- ein schlichtes Holzkreuz steht dort am Haus außen. Wir als Begleiter verharren dort, bis Bolko mit seiner Tochter hinzutritt und die Braut an Euch, Rowald, zur Christlichen Hochzeit übergibt. Ich führe die Zeremonie durch. Sodann führt ihr, Arno, den Herrn Rowald und die Braut zu Bolkos Haus dort. Zwei slawische Brautjungfern geleiten den Bräutigam dann in einen Nebenraum, während wir alle auf Zuruf des Brautvaters bereits zu Tisch gehen. Die Slawische Hochzeit ist dann ganz einfach. Die Jungfrauen bringen Herrn Ritter Rowald zu seiner Braut an den Tisch. Voigt Bolko wird dann das slawische Hochzeitsritual durchführen und euch ein Band um die gegebenen Hände umschlingen. Ach ja, Herr Rowald- ihr müsst dann mit eurer Braut gemeinsam singen! Am besten, ihr versucht nur den Ton zu halten- summt laut mit, die Braut wird den Text vortragen. Danach werden Kopfbedeckungen abgenommen und Bolko eröffnet den Hochzeitsschmaus! Die Feier geht dann bis in die Nacht hinein."
"Singen?", fragte Rowald noch einmal nach.
"Ja, Herr! Ein Slawisches Lied- vom ewigen Bund- der Liebe und dem Leben! Eure Gemahlin Barisa ist mit dem Text vertraut. Versucht nur die Tonlage zu halten! Mehr wird nicht erwartet."
"Nun gut. Ich versuche es!"
"Ach? Und Herr Arno? Ich habe mich gefreut, dass ihr dem Janko- also dem Slawenkrieger- das Gesicht durch ein Unentschieden gelassen habt. Ich habe auch euren Sieg gesehen. Janko ist ein guter Mann, aber eine Niederlage ist er eher selten gewohnt!" sprach Laurenzus.
"Ihr kennt hier die Leute, Bruder Laurenzus?"
"Ja. Die meisten habe ich hier bereits zu Gott geführt. Bolko und seine Kinder waren die ersten Christen der Burg. Die Frau des Voigtes Bolko, die Herrin Wirzla, war auch die erste hierzulande, die ein christliches Begräbnis bekam."
Doch Arno wollte noch etwas in Erfahrung bringen. "Diese junge Frau, die mir dieses Tuch hier brachte- wer ist das?"
"Das war Jungfer Larna. Eine Weise. Sie ist Magd und Vertraute der Voigtstochter Barisa. Ich habe auch sie getauft, sie ist gottesfürchtig- aber ein armes Geschöpf!" erklärte Laurenzus.
"Wieso das?" hakte Arno neugierig nach.
Laurenzus lächelte ein wenig nachdenklich. "Sie, Larna, ist schon immer schwach gewesen, oft auch krank. Ich war erstaunt, sie hier noch zu sehen, denn insgeheim habe ich gedacht, sie schafft es gesundheitlich nicht mehr über den letzten Winter. Im Herbst hatte sie kaum noch Kraft und Lebenswillen- das arme Ding. Doch Barisa hat sie wohl aus Güte mit umsorgt- und wohl auch gut. Langes Leben jedoch scheint Larna nicht von Gott gegeben."
Arno blickte zum Feuerschein im Rund unten. Zwei Wachen kamen an den Deutschen vorbei und gingen zum Torhaus über den Wall. Laurenzus grüßte die beiden Wachmänner der Slawen.
"Bruder Laurenzus? Die Slawen sind eigentlich nicht so wild, wie man mir geschildert hatte.", wandte Ritter Rowald von Mieste ein.
"So ist es. Sie führen ein einfaches Leben- wie wir es in unseren Marken auch führen. Durch den Handel und die Missionierung sprechen viele der Edlen und die einfachen Leute unsere Sprache. Sie essen die selben Speisen zumeist. Habt also keine Sorge- Eure Braut Barisa kann sicherlich gut zurecht kommen. Sie ist gut gebildet und wohl erzogen- auch in Glaubensfragen."
"Mich verwundert, dass Jedem von uns Rittern eine ganze Hütte zur Verfügung gestellt wurde. Wo sind die Leute denn hin?", fragte Arno nach.
"Ihr seit Edle, zudem auch Bolkos persönliche Gäste. Ihr habt Anspruch darauf nach deren Brauch. Einige sind in den anderen Hütten untergekommen, andere hat Bolko sicherlich über die Festzeit in die Wälder geschickt. Seit ihr mit der Hütte zufrieden, Herr Arno?"
"Ja. Sicher. Es wunderte mich nur."
"Gastfreundschaft ist hierzulande ein sehr hohes Gut! Als Ehrengäste und Geleit von Bolkos zukünftigen Schwiegersohn habt ihr Ritter ein hohes Ansehen schon vorweg hier in Burg und Siedlung. Wenn Bolko sechs der fünfzehn Hütten räumen lässt, so ist dies schon eine ehrende Geste. Nicht wahr?"
"In jedem Fall!", bestätigte Arno die Worte des Bruders Laurenzus.
Laurenzus löste sich von Rowald und Arno und ging wieder hinunter zum Feuer und den Leuten dort.
"Ein seltsames Land!" gestand Rowald und blickte über die Palisade in die Nacht. "Was haltet ihr übrigens von der Burg, Arno?"
"Gut gelegen- einfach gebaut, wie es scheint. Aber sehr gut zu verteidigen im Kriegsfall, auch wenn es nur Holzpalisaden sind. Man hat freien Blick ins Rund. Das morastige Umfeld ist zusätzlicher Schutz. So man über den Knüppeldamm angreifen muss, ist der Blutzoll hoch und Belagerungswaffen sind hier nur schwer an das Tor oder die Mauer zu bringen. Der Ort ist gut gewählt. Aber wer im Kampf hier ist, der kann nicht weg. Eine Mausefalle bei Belagerung.", schätzte Arno ein.
"Was denkt ihr von den Slawen? Werden sie sich den Polanen anschließen?"
Arno überlegte. Er hatte nun ja schon viele Gespräche am Rande gehört. "Ich denke, es wird dieses Jahr hier Frieden geben, auch wenn der Kaiser nach Polen zieht. Der Frieden hier ist aber- ohne das ich genaues kenne- sicherlich teuer erkauft! Nicht wahr, Herr Rowald? Doch führt Eure Braut heim und nutzt den Frieden- für das Gründen einer Familie."
"Ich habe meine Braut ja noch nicht einmal gesehen bis heute." Rowald senkte den Kopf.
"Ach. Sie wird die Schlechteste nicht sein. Nur Mut für Morgen! So- und ich ziehe mich jetzt auch in meine Hütte zurück." Mit diesen Worten verlies auch Arno den Wall und den in Gedanken versunkenen Rowald.
Die Hütte war einfach und offenbar ein wenig erhöht auf Holzbohlen gebaut. Wegen der Grundnässe- wie Arno annahm. Eine Feuerstelle gab es hier in der Hütte nicht. Felle lagen in großer Menge über einer Strohschütte. Als Arno das schwere Tuch an der Tür hinter sich zufallen ließ, drang nur noch wenig Licht vom Lagerfeuerschein in die Hütte.
Arno legte aus der Truhe sein Gewand für die morgige Feier zurecht. Danach umwickelte er die Wunde mit dem feuchten Tuch, dass die junge Slawin ihm gegeben hatte und knotete mit Mund und rechter Hand das Tuch fest, so dass es halten würde ohne zu drücken.
'Dann wollen wir morgen den Bund der Marken festigen!', dachte Arno bei sich, als er sich zwischen den Fellen in der Hütte Platz schaffte und sich ausstreckte. 'Erfüllen wir den Auftrag also gut morgen!'
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