Die Schwertleite
Beide Knappen knieten vor Herrn Niklaus von Dullide, der sich hatte sein gutes Breitschwert mit den Verzierungen bringen lassen.
Der Memlebener Abt hob ehrfurchtgebietend seine beiden Arme gegen den Himmel und sprach laut vernehmbar die Worte, um den beiden Knappen den Ritterschwur vor den Leuten im Rund abzunehmen.
"Hier vor uns allen! Vor den Kirchlichen und den Weltlichen Leuten! Unter Gottes wachendem Auge! Hier sind Leonhardt von Mühlburg- Sohn des Arndt von Mühlburg aus dem Nordingau im Thüringischen und Lukas von Draburg- Sohn des Arno von Draburg zu Bodfeld aus dem Harzgau des Ostfalenlandes heute erschienen. So frage ich Euch- im Angesicht aller Bezeugenden: Wollt ihr heute den ritterlichen Schwur sprechen, so dass Euch durch die Hand unseres Vogtes der Pfalz Dullide, Herrn Niklaus von Dullide, die Schwertleite gegeben werden soll?"
"Ja! Ich will den ritterlichen Schwur sprechen!", sprachen die beiden Knienden lauthals wie aus einem Munde.
"So bitte ich Euch, Herr Niklaus, diesen beiden würdigen Knappen die Schwertleite zu geben auf das diese zwei würdigen Männer in den Stand der Ritter aufgenommen werden!"
Der Memlebener machte vor den Knienden durch eine wahrnehmbare Bewegung Raum für Herrn Niklaus. Gleich einer Geistgestalt zog sich der Abt zurück- kaum, dass man Bewegungen seiner Füße unter der guten weiß- schwarzen Kutte wahrnehmen konnte.
Niklaus von Dullide stellte sich vor die Knappen hin.
"Lange wurdet ihr vorbereitet. Lange wurdet ihr geprüft. Ihr seit bereit, die Schwertleite zu erhalten. So schwört, die Schwachen zu beschützen und dem Unrecht gegen die Schwachen und dem Unrecht gegen Gott entgegen zu treten."
"Wir schwören dieses!"
"Schwört Ihr unserem König die Treue, wie auch Demjenigen den Dienst in Ehren, der euer Lehnsherr sein wird?"
"Wir schwören dies!"
Niklaus erhob sein Breitschwert unter aller Leute Augen mit beiden Händen zum Himmel und fuhr lautstark fort:
"Und schwört ihr, Gott in der Höhe zu ehren und zu achten sowie deren Diener auf Erden den Schutz zu gewähren, wenn er erbeten wird?"
"Wir schwören dies!", riefen beide Männer heraus.
Herr Niklaus senkte sein Breitschwert langsam und andächtig auf die Schulter von Lukas und tippte damit dessen rechte Schulter an. Wortlos und genauso langsam und andächtig wurde sodann Leonhardt durch das Breitschwert an dessen rechten Schulter angetippt. Dann stellte Niklaus von Dullide das Schwert vor mit der Sitze in den Boden. Auch diese Bewegung ging langsam von statten.
"Lukas von Draburg! Erhebe Dich vor unser Augen!"
Lukas stand auf, hielt jedoch demütig den Blick gesenkt. Arno drehte sich schmunzelt weg, um Miriam anzusehen, denn er wusste genau, was nun noch folgen würde. Das Mannbarkeitsritual nach dem Schwur erforderte nun den "Backenstreich". Arno hatte seinerzeit einen sehr heftigen Backenstreich erhalten, der wie der Schwur lange in Erinnerung blieb.
Laut schallend klatsche die behandschuhte rechte Hand von Herrn Niklaus flach auf Lukas Gesichtswange.
Dann eilte ein Knecht hinzu, der einen Schwertgurt und Sporen brachte. Niklaus umgürtete Lukas mit dem Schwertgurt und gab ihm die Sporen zur Hand.
"Leonhardt von Mühlburg! Erheb auch du dich vor unser aller Augen!"
Auch Leonhardt stand auf- flinker als Lukas. Auch er stand erwartend und demütig vor Herrn Niklaus. Arno sah zu seinen Freunden Arndt und Daria- sie verzogen mitfühlend beide ihre Gesichter als der "Backenstreich" durch Herrn Niklaus über den Platz schallte.
Auch Leonhardt wurde mit edlem Schwertgurt umgürtet und erhielt die Sporen in die Hände, die er bittend vorgehalten hatte.
"So sind diese Beiden in den Stand der Ritter erhoben und durch Backenstreich an ihren Schwur erinnert, auf das sie ihn nie brechen mögen!", erklärte Herr Niklaus in das Rund.
Erstes lautes Klatschen vom Podest herunter bestätigte diese Aufnahme in den Ritterstand, woraufhin nun auch die Einfachen lauthals tobten und jubelten. Kurz danach lächelten sich die beiden jungen Ritter gegenseitig zu.
"Und nun zu Tisch! Lasset uns dies feiern!"
Mit diesen Worten war der Buhurt unterbrochen.
Als hätten viele nur mit knurrenden Magen auf diese Worte gewartet, so war am Platz mit einem Male reges Treiben. Wer von den Einfachen Dienste zu verrichten hatte, von denen er wegen der Schau des Buhurt abgekommen war, sah zu nun wieder an sein Tagewerk zu kommen. Die Wachknechte, welche soeben noch am Kampf der Lager teilgenommen hatten, standen immer noch am Rande des Areales- andere Knechte und Mägde waren auch um sie gescharrt.
Auch war die Mittagszeit nun lange heran. Der Buhurt war nun unterbrochen, um zu Tisch zu gehen.
Auch konnten die Familien nun zu den Jungrittern, nachdem Niklaus und dessen Familie, der gratulierende Abt von Memleben und andere Edle ihre Glückwünsche und guten Worte auf den Weg gaben.
Für Lukas war Miriam die erste Person, die ihrem Gemahl um den Hals fiel vor Freude und Mitglück. Arno gelang es derweil Leonhardt im Stande der Ritter zu begrüßen und mit Handschlag alles Gute auf den Weg zu geben. Auch die Tochter von Herrn Niklaus von Dullide, das edle Fräulein Francesca gratulierte Leonhardt- züchtig und vorsichtig, jedoch war für Arno deutlich zu erkennen, dass Leonhardt und Francesca wohl mehr als Freundschaft zu verbinden schien.
Arndt von Mühlburg war stolz, als hätte er selbst soeben siegreich am Wettstreit im Buhurt teilgenommen.
"Nun alter Freund? Die Jungen haben unseren Häusern heute gut Ehre gemacht, was? Wir hätten es nicht besser machen können. Das ist auch dein Verdienst, guter Arno!", sprach Arndt freimütig heraus und auch laut genug, damit Umstehende sich nach Arndt von Mühlburg und Arno umschauten.
"In der Tat ein Freudentag für uns. Und er ist sicherlich noch nicht zu Ende! Ich sehe Leonhardt im Umgang mit dem Bogen auch unter den Besten- oft genug hat er es mir schon auf Draburg bewiesen."
"Dies ist wahr gesprochen, mein Freund. Komm! Nun Nimm den Lukas mit an die Festtafel!"
"Arndt? Sag mir- die Thüringer Ritter hier am Lager? Was treibt Sie herum in diesem Sommer?"
"Genaues ist mir nicht bekannt, doch wurde für unsere Lande zum Feldzug gegen die Böhmen und einige Elbslawische Stämme aufgerufen. Die ostfälischen Sachsen sind zum Großteil davon befreit, da man im Norden ebenfalls einen Zug gegen die Slawen beabsichtigt. In Merseburg soll der Treffpunkt der Heeresteile aus allen Landen sein. Der König Otto der Dritte wird den Feldzug anführen und in Gegenwart seiner Mutter Theophanu soll es über den Egergraben zum nördlichen Erzgebirge gehen. Die Leute, welche hier am Lager sind, sind wohl verspätet aufgebrochen und verstärken nunmehr die Reihen. In zwei Tagen haben sie in Merseburg zu sein, jedoch - so scheint es mir- haben sie wenig Eile dorthin."
"Hm, ich dachte mir dies. So ist die Kunde, welche uns beiläufig erreicht hatte also wahr- Feldzug gegen Böhmen. Ich erfuhr davon nach dem Osterfest- im Mai. Die Schwester Otto des Zweiten, Mathilde von Quedlinburg hatte unweit des Stiftes das Kloster St. Marien begründet- zum Gedenken an den verstorbenen Kaiserbruder. Die Mutter von der Miriam ist nunmehr vor einer Woche dorthin aufgebrochen, um in den Dienst des Klosters einzutreten. der König Otto der Dritte reiste in diesem Jahr an Bodfeld vorbei nach Quedlinburg, um in Quedlinburg festgekrönt zu werden- in Erinnerung an das Königsmahl seines Großvaters, Kaiser Otto dem Ersten. Der König ist nunmehr schon seit Anfang Mai in Merseburg- wie man uns berichtete auf der Pfalz Bodfeld."
Arndt von Mühlburg wich nunmehr die Freude aus dem Gesicht und Ernsthaftigkeit kehrte zurück. Im Rundblick nach den anderen Edlen nahm er Arno etwas Abseits der Gruppe und flüsterte- sich umblickend: "Arno? Leonhardt konnte ein Gespräch des Voigtes Niklaus mit einem Begleiter des Herzogs von Schwaben hier hören- in Italien stehen die Zeichen wohl erneut auf Krieg. Immer neue schlechte Nachrichten kommen aus Italien. Leonhardt will gehört haben, dass wohl für nächstes Jahr fest mit einem Feldzug nach Italien zu rechnen sein wird- die Kaiserin- Witwe trage sich mit der Absicht, dort die Ordnung wieder herzustellen mit Heeresmacht!"
"Dies sind betrübliche Nachrichten, Arndt. Ich hoffe, dass unsere Kinder nicht den gleichen Heeresgang dorthin gehen müssen, so wie ich einst."
Daria von Mühlburg kam hinzu. "Was habt ihr wieder zu besprechen? Kommt! Die jungen Ritter sind hungrig vom Kampfgetümmel. Und mehr noch haben sie Durst!"
Gemeinsam mit Miriam und Lukas schritt Arno den Mühlburger Freunden hinterher in die Hauptburg, wo der große Saal heute für die Leute edlen Standes für das Festmahl vorbereitet war. Sowohl Arndt von Mühlburg, als auch Arno hatten die Geldliche Last der Feierlichkeit zum Großteil zu tragen, auch wenn Herr Niklaus sehr großzügig entgegen kam, da die Speicher auf Dullide voll waren.
Nach frischem Wildbrett mit Brot für alle Erschienenen erhob sich Herr Niklaus, um eine Ankündigung zu machen.
"Ihr guten, ehrenvollen Gäste! Dieses Mahl zu Ehren der Schwertleite heute ist für mich willkommener Anlass, Euch wichtige Kunde zu geben. Wir alle konnten heute die Streitbarkeit und Manneskraft von Herrn Leonhardt von Mühlburg erleben. Doch zudem hat diese Manneskraft wohl auch meiner Tochter Francesca in hohem Maße zugesagt!"
Mehrere Gäste lachten über diese Offensichtlichkeit, die Herr Niklaus vortrug, wobei dessen zur linken sitzende Tochter Francesca hochrot im Gesicht anlief.
"So will ich diesen feierlichen Tag heute zum Anlass nehmen, ihrem Drängen gegen mich nachzugeben. Da hier wohl hohe Mächte die Kinder verbinden, so möchte ich meine Absicht kundtun, Leonhardt in meiner Familie willkommen zu heißen! Leonhardt? Steh auf!"
Leonhardt von Mühlburg erhob sich.
Niklaus von Dullide zeigte auf Leonhardt und verkündete lächelnd: "Dieser junge Ritter hier soll Francesca zur Frau bekommen, vor Gott und Euch als zeugen meines Versprechens."
Raunen ging durch den Saal.
"Und auch soll der Leonhardt am Ort auf Dullide bleiben! Ich Gebe dir die Position des Waffenmeisters und Hauptmannes der Bewachung der Pfalz Dullide in die Hände, Leonhardt. Ich weiß, du kennst nunmehr die Leute hier gut- und weißt auch sie anzutreiben und zu führen. Daher vertraue ich Dir das Amt an."
Nun war es an Leonhardt, rot zu werden.
"Doch auch Abschied werden wir nehmen müssen, ihr Edlen. Unser geschätzter Knappe Lukas- nun durch Mannesprüfung zum Ritter erhoben- wird uns nunmehr verlassen. Mit seinem Vater und seiner Gemahlin wird Herr Lukas in den Harz ziehen, wo ihn Aufgaben erwarten. Ach ja- Lukas? Ein neues Ross wird dich auf diesem Wege begleiten- ich stehe zum Wort! Der Preis ist dein!"
Lukas und Leonhardt sahen sich bedauernd über die Leute hinweg an auf diese Ankündigungen. So würden sich nun nach langer Zeit erstmals die Wege trennen. Doch das Band der Freunde würde bleiben. So lächelten sie zu guter Letzt doch noch, als Herr Niklaus seinen Becher erhob und alle Gäste aufforderte anzustoßen.
Arno von Draburg wusste, dass es beide Jungen- Leonhardt als auch Lukas- mit den neuen Herausforderungen im Leben aufnehmen konnten. Auch Dank seiner Ausbildung und Erziehung waren sie nun zu den Männern geworden, die hier gefeiert wurden. So war er in Gedanken, als Miriam ihm das Brett mit dem Hühnerfleisch zuschob. Miriam erkannt, dass Arno nachsinnt und grübelte. So fragte sie nach, ob alles in Ordnung sei. Mit lächeln konnte Arno dies bejaen.
Für den Nachmittag stand noch der Wettstreit der Bogenschützen an, mit dem der heutige Buhurt den Abschluss finden sollte.
Leonhardt zeigte sich im Umgang mit Pfeil und Bogen als der Geschickteste nach langer Zeit des Vergleiches. Nur knapp war er besserer Schütze als ein Thüringer, der jedoch die letztliche Niederlage im Wettstreit durch einen Glückwunsch an den Sieger eingestand und ehrenvoll den zweiten Platz annahm.
Am Abend ging dann das fröhliche Schmausen in der Festhalle unter guten Gesprächen weiter. Lukas saß nun mitten zwischen Arno und Miriam, späterhin kamen die Mühlburger näher zu den Draburgern an den Tisch heran. Bis in die Nacht wurde viel geredet- an vielen Tischen.
Nun also waren Leonhardt und Lukas Ritter, hatten sich ihre Sporen verdient.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro