Der unbekannte Ritter
Der unbekannte Ritter
„Herr Arno, Herr!" Andreas, der heute am Tage die Torwache zu stellen hatte, kam aufgeregt auf Ritter Arno zu, der den Grauen nach der erfolgreichen morgendlichen Jagd selbst mit Stroh trockenstriegelte.
„Was gibt es?"
„Herr! Eine feine Kutsche! Und mehrere Reiter, vermutlich Ritter. Eine größere Gesandtschaft biegt zur Burg ein!"
Andreas hastete schnell zum Tor zurück, um es zu öffnen. Er hatte dieses Mal nicht einmal abgewartet, bis sein Voigt ihn anwies, das Tor zu öffnen. Offenbar war dies schon im Angesicht der feinen Herrschaften für ihn die einzige Möglichkeit, seinem Herrn gehorsam den Auftrag dazu vorweg zu nehmen.
Arno von Draburg folgte.
Knarrend öffnete sich das Holztor zu beiden Seiten.
Der Wagen war ein geschlossener Kastenwagen, wie ihn nur besonders Edle nutzten zur Reise. Mehrere Reiter waren schon vor der Brücke am Torhaus abgestiegen. Sie redeten miteinander.
Arno schaute an sich herunter, ob er sich so zeigen könne. Aber er war heute ansehnlich gekleidet. Das gute Lederwams und der rotbraune Überwurf- das Geschenk von Lisbeth, so konnte man sich auch besseren Edlen zeigen.
Forsch trat Ritter Arno von Draburg aus der Burg und ging zu den Angekommenen.
Aus der Kutsche entstieg unter der Hilfe eines begleitenden Ritters eine ältere, gestreng aussehende Dame mit guter Bekleidung. Die Dame war augenscheinlich eine kirchliche Würdenträgerin.
Im Gewirr an Pferden und Reitern zeigte sich ein älterer Ritter, der auf Ritter Arno zutrat. Der Mann war augenscheinlich schon sehr getagt, er hatte einen schwarz- grauen Vollbart und graue Haare, die unter der ritterlichen Metallbrünne hervorschauten. Der Mann blickte streng und finster. Er hatte einen schwarz- roten sehr edlen Überwurf über einen Kettenharnisch und lange, feingegliederte Eisenhandschuhe. Ein edles Schwert hing an seiner linken Seite in einem gut gezierten Schaft.
„Seid Ihr der Herr über diese Burg?"
„Ja mein Herr! Was ist euer Begehr und wohin führt euch die Reise?"
Arno blickte freundlich, versuchte jedoch die Vielzahl an Begleitern des Trosses einzuschätzen. In der Eile sah Arno vier stark bewaffnete Ritter, wovon zwei Ritter fremdländisch aussahen, dazu ein weiterer Edler im jungen Alter um die 20 bis 25 Jahre, vielleicht ein Knappe aus sehr gutem Hause. Dieser Ritter half der älteren Frau aus dem Wagen. Dazu ein sehr junger Knappe, ebenfalls gut bewaffnet, zwei gerüstete Waffenknechte und drei Einfache, die sofort bemüht erschienen, die Zügel zu halten oder die Kutschpferde im Stehen zu binden.
„Nun, Voigt. Ich bin Brun, Graf von Asseburg. Ich und diese Männer hier begleiten Frau Eilsuit, Äbtissin von Gerbstedt und den jungen Herrn dort zur Pfalzburg Bodfeld. Lager hielten wir zur Nacht am Jagdhof zu Harzgerode, aber die Äbtissin und auch ich benötigen eine Ruhepause- so ihr uns diese Möglichkeit zur Ruhe und ein gutes Mahl beschaffen könnt."
Der Ritter, Graf Brun räusperte sich, zeigte kurz auf den jungen Herren.
„Und hier- Herr Roland von Sachsenburg- der junge Herr dort."
Brun räusperte sich erneut, so dass ihn der junge Mann ansah und wohlwollend zunickte. „Hä, em. Der junge Herr von Sachsenburg soll zu seinem neuen Lehen gebracht werden. Hä, em!"
Graf Brun schien ein wenig unwohl zu sein mit seiner Ansprache. Insbesondere zu dem jungen Ritter. fast schien es, als sei Herr Brun dem jungen Ritter verpflichtet- wie Arno zu erfassen schien.
Arno versuchte jedoch, sich nichts davon anmerken zu lassen.
„Mein Herr, guter Graf Brun. Seid mir auf meinem bescheidenen Sitz willkommen."
Arno erkannte, dass der Blick der älteren kirchlichen Würdenträgerin auf ihn gerichtet war.
„Auch ihr, Frau Äbtissin. Ich entbiete Euch meinen herzlichen Gruß. Bitte kommt herein und so ihr Ruhe sucht- hier auf der Draburg sollt ihr die Ruhe finden, die ihr begehrt. Gute Herrin, guter Herr- ich bin Arno von Draburg, Vasall des Grafen von Regenstein. Seid mir willkommen."
Wernherr Rötlein und Andreas zeigten sich im Tor. Auch den Stephan hatte es rausgetrieben aus Neugier. Auf das Torhaus war er hochgestiegen, zeigte sich dort.
Arno erkannte seine Männer und rief ihnen laut zu. „Leute- bereitet im Hof den Tisch für die Gäste. Die gute Barbara soll die zwei Wildgänse fertigmachen zum Mittagstisch und auch sonst so gut es geht auftafeln."
Wernherr verschwand sofort mit diesem Auftrag, während der Andreas immer noch mit offenem Mund die Gesandtschaft der vielen Gäste bestaunte. Dann verschwand auch er schnell im Hof, vermutlich um zu helfen.
Arno trat an Graf Brun vorbei, der einen Knecht zur Versorgung seines Pferdes gemahnte, hin zur Kutsche. Auch Arno bot der älteren Äbtissin seine Hand zur Stütze an.
„Danke guter Voigt. Aber täuscht euch nicht in mir, ich bin guter Dinge. Nur die Fahrt hat mich erschöpft. Etwas Bewegung und dann ein wenig Ruhe ohne das Schaukeln des Wagens und ich bin wieder guten Mutes für die Weiterfahrt."
„Kommt, edle Eilsuit." sprach der edle junge Rittersmann. „Ich geleite Euch hinein in diese Burg."
Arno betrachtete den jungen Mann, der als Roland von Sachsenburg durch den Grafen Brun vorgestellt wurde.
Den Namen Brun von Asseburg hatte Arno schon bei verschiedenen Anlässen gehört. Ein sehr hochgestellter Graf in diesen Landen. Auch den Namen von Eilsuit hatte Arno schon vernommen, so in Quedlinburg und auch Gernrode am Stift. Auch dieser Name hatte einiges an Gewicht in den Marken hierzulande. Beide waren von sehr hohem und angesehenem Stand. Doch der junge Herr?
„Herr Ritter Roland? Wie steht es im Thüringischen? Die Sachsenburg an der Nadelöhr zum Nordthüringischen ist bestimmt dieser Tage auch gut besucht?"
Der junge Herr wirkte ein wenig irritiert. „Ihr kennt die Sachsenburg?"
„Sehr wohl, junger Herr. Ich hatte einmal die Gelegenheit, dort kurz zu weilen."
Graf Brun trat hinzu, er belauschte das Gespräch.
„Herr Ritter, kümmert Euch nicht um diesen Mann- sorgt bitte für die Äbtissin und schafft meinen Knechten etwas Futter für die Tiere heran!"
„Sehr wohl, Herr Graf." antwortete Arno dem Grafen Brun.
Dennoch besah sich Arno die gute Bekleidung des jungen Ritters. Edle und teure Stoffe mit guter Verarbeitung, geschmückter Schwertschaft, ein edles Wams mit einer hervorragenden Spange am Umhang.
Und mit einem Male traf es Arno wie ein Blitzschlag.
Auch wenn Arno des flüssigen Lesens nicht kundig war, kannte er zumindest ein wenig die Buchstaben, die auf der Spange abgebildet waren: O-T-T-O.
„Graf Brun, nehmt mir bitte nicht übel, wenn meine einfache Gastfreundschaft für einen kurzen Moment noch warten muss."
„Warum Mann, so redet!" fuhr es aus dem Grafen Brun schroff heraus.
„Seht es mir nach, Herr Brun, aber meine Knie sind im Moment ein wenig weich." Arno kniete sich vor den jungen Ritter hin, er lehnte seinen rechten Arm über sein rechtes Knie beim Abknien und blickte zu Boden.
„Was macht ihr da, Kerl?" fragte Graf Brun und sah sich irritiert und hastig nach allen Seiten um.
„Herr Graf, ich glaube in dem jungen Ritter hier mehr zu erkennen, als Andere es in diesem Landen zu sehen glauben. Ich bin nur ein einfacher Ritter, der vor einem anderen Ritter auf die Knie geht- und für sich behalten kann, was er glaubt zu erkennen!"
„Steht auf, mein Herr Ritter." sprach der junge Edle. „Mir scheint, das Verwirrspiel hat diesen guten Ritter nicht überzeugt, Brun. So lassen wir es dabei. Nun steht auf, denn es schickt sich für den Hausherren nicht, vor einem anderen Ritter aus der Fremde zu knien."
„Mein Herr?" sprach Brun entrüstet, blickte dem Kniefall von Arno vor dem jungen Ritter fassungslos zu.
„Schon gut, edler Herr Brun. Meinen Beinen geht es – wie es scheint- nun wieder besser, ich kann gleich wieder stehen!" sagte Arno und richtete sich schnell und gewandt wieder auf, sah den jungen Ritter stolz an. „Euer aller Anwesenheit ehrt meine Burg und meine Familie. Ich werde nachschauen, dass ihr zu Euer Zufriedenheit eine Pause von der Reise haben könnt."
„Aber?" Brun war immer noch überrascht. Der junge Ritter jedoch machte eine beschwichtigende Handgeste. Dann bedeutete der junge Ritter seinen bewaffneten Begleitern abzusitzen und zeigte zur Burg.
Arno ging derweil schon zurück zur Burg hetzte in den Wirtschaftsbau, um nachzusehen, wie die Vorbereitungen anliefen. Der Braten würde Stunden brauchen, wie Barbara mitteilte. Doch in Anbetracht der Eile wollte sie sehen, dass alles schnell voran geht und gut schmeckt.
In der Burg waren alle angehalten, schnell alles Erdenkliche zu richten, damit die hohen Herrschaften zufrieden waren. Eine große Tafel war in den Hof der Burg gebracht und so aufgestellt, dass sie nicht wackelte. Sogar ein Leinentuch wurde aufgelegt, bevor Becher mit Erfrischungen aufgetafelt wurden und Brot einen Platz fand- als erste Speise auf dem Tisch..
Bis der Braten zubereitet war, führte Ritter Arno den Grafen Brun und den jungen Ritter durch die Burg. Arno zeigte den Palas- Bauplatz, den alten Bergfried, die Unterkunft und Arno schilderte in hellsten Farben seine Absichten und Pläne zum Umbau der Burg.
Die Äbtissin Eilsuit von Gerbstedt besprach sich derweil mit Lisbeth und auch der Magd Barbara über verschiedenes. Sie hatte schon auf einem guten Stuhl im Hofe Platz genommen. Hier genoss sie die angenehme Tageswärme.
Die Waffenträger und Knechte bemühten sich um die Pferde, zwei der begleitenden Ritter waren auch schon an der Tafel. Die anderen und die Knechte hielten sich mit großer Aufmerksamkeit beim Andreas am Tor auf, die zwei Fremdländischen waren bei der Kutsche vor der Burg geblieben, auch die Knechte blieben dort mit.
„Ihr habt nur wenige hier, aber wohl gute Leute. Und was ich sehen kann, achtet man Euch sehr, Herr Arno von Draburg." sprach der junge Ritter.
„So ist es, junger Herr. Und ich achte das hartes Tagewerk der Leute. Auch für die Burg ist sich hier niemand zu schade, Dienst zu verrichten."
„Ihr seid ein guter Mann, Arno von Draburg, wie es scheint. Seid ihr hier zufrieden? Ich kann mich für Euch verwenden!"
Der junge Edle sprach offen. Graf Brun hielt sich mit einem Bewaffneten in Abstand bei der Seite. So wollte denn auch Arno offen sprechen.
„Mein Herr- und wie ich glaube in Euch erkannt zu haben- auch König. Ich lebe auf Draburg jetzt fast ein Jahr. Es wurde viel erreicht hier und ich bin es zufrieden. Doch der Bau stockt oft, da es an manchem mangelt. Wenn meine Familie hier ein gutes Haus hat, so reicht mir dies- dafür möchte ich nicht bitten. Doch für meinen Sohn möchte ich um Eure Fürsprache bitten. Er wird von mir selbst als Page gelehrt, hinzu bekomme ich noch einen anderen Jungen im nächsten Jahr. Beide Jungen werden alsbald in wenigen Jahren nach Dullide als Knappen gehen in den Dienst von Herrn Bodo von Sonneberg."
„So sei es, guter Voigt Arno. Der Ritter Bodo ist ein aufmerksamer Wachhauptmann dort. Schade, dass ihr nicht mehr verlangt, denn eure Bescheidenheit und Ehrhaftigkeit vor Gott ist ein seltenes Gut der Ritterschaft in diesen Landen. Ich werde auch auf Bodfeld für Euch bitten- auch wenn ihr es nicht verlangt. Und die Jungen? Ich weiß schon, womit ich Euch da einen Gefallen geben kann. Ihr könnt dessen gewiss sein."
„Mein Herr. Ihr beschämt mich." Arno machte eine kleine Verbeugung. Dann redete er lautstark und für alle im Hof vernehmbar.
„Junger Ritter Roland, edler Graf Brun, edle Eilsuit- bitte kommt nun zu Tisch. Die gute Magd Barbara ist für ihre gute Kochkunst hierzulande bekannt. Nun wollen wir uns anschicken, diesen Ruf zu bestätigen."
Die Gäste nahmen Platz und alle aßen. Nur Arnos Knechte mussten in der Küche speisen, die Edlen hatten alle Plätze am Tisch in Beschlag genommen. Man scherzte und man redete über belanglose Dinge.
Arno selbst begleitete die Gäste nach dem Mal zur Kutsche und den Pferden vor die Burg und verabschiedete die Reisenden zu deren Weiterfahrt. Wie Arno erfahren hatte, soll die Durchreise auch auf Bodfeld nicht groß besprochen sein. Eilsuit würde jedoch von dort aus den Weg nach Osten antreten, während Graf Brun und der junge Ritter nach Westen am Harz lang reisen wollten.
Doch im nächsten Jahr würde der junge, edle Ritter wiederkommen nach Bodfeld und dort auch länger verweilen. Vielleicht eine Gelegenheit zum Wiedersehen.
Auch hielt sich Voigt Arno ungewöhnlich lange mit Winken auf- und gab hinterher kaum Auskünfte an die Einfachen der Burg über die Gäste.
Das Verhalten war alles sehr ungewöhnlich für Voigt Arno.
Einige Tage darauf kamen von der Pfalzburg Bodfeld zwei Wagen mit verschiedenen Gütern- Werkzeugen und Eisenstangen, eine gute Säge und wieder einen Tag danach brachten dieselben zwei Karren noch einmal Holz zur Burg.
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