Der Slawenaufstand- Und dann brach er los, der Sturm der Heidnischen
Ende Juni 983 zieht ein wütender Sturm auf.
Doch dieser Sturm ist keine launische Wettererscheinung- es sind tausende und abertausende von Slawenkriegern, welche an die Hochburgen und Bischofsitze in der Nordmark ziehen.
Ihre Absichten sind im Angesicht ihrer Waffen und Ausrüstungen jedem Betrachter klar und eindeutig- man will der unbeliebten Tributherrschaft des Markgrafen Dietrich von Haldensleben allerorts mit dem Aufbietbaren entgegentreten.
Doch nicht von Boten wurde in die Nachricht in das Harzgau getragen. Es war eine Bäuerin, die ihr nacktes Leben und das Leben von ihren drei zerlumpten Kindern zu retten hoffte. Fest behauptete die Frau, dass slawische Mannen in Vielzahl bei Havelberg ihre Siedlung überfallen hatten. Ihr Mann sei erschlagen worden, das Haus und auch die bestellten Felder seien vom Brande verheert worden. Nur durch Glück sei sie vom Felde weg mit ihren Kindern in die Wälder geflohen und habe durch Erbetteln eine Elbüberquerung geschafft.
Spottete man zuerst dieser Frau, so war einige Tage darauf der Spott verflogen. Ein Bote des Bischofes von Magdeburg erschien in Halberstadt und bestätigte das Bekundete- der Bischofsitz in Havelberg sei am 28. Junitag 983 durch Slawenkrieger der Lutizen genommen worden. Nach Plünderung haben die Slawen dort das Feuer wüten lassen und seien schnell nach Süden abgezogen- eine Spur von Tod und Feuer mit sich nehmend. Nur wenige Leute sind vor der mordlüsternen Kriegsbande in die Wälder entkommen.
Der Bäuerin wurde sodann eine neue Kate nahe Eilstedt zugesprochen worden, ob ihres Verlustes und Mutes mit Gottes Hilfe davon gekommen zu sein.
Noch als man sich Anfang Juli über das Ungeheuerliche zu Besprechungen beim Bischof Hildeward von Werl zu Halberstadt zusammensaß und auch Graf Kuno von Halberstadt im Rund zu finden war, kam erneute Kunde von einem Boten aus der Nordmark: Die Slawen stehen vor Brandenburg mit großem Heeresaufgebot. Über 30000 Krieger bedrohen auch dort den Bischofsitz und die Burg von Markgraf Dietrich von Haldensleben. Der Markgraf erbittet sofortige Unterstützung durch ein sächsisches Heer.
Kaum waren die hohen Geistlichen und Edlen des Harzgau zu ihren Sitzen zurück gelangt, so kam ihnen durch Halberstädter Boten neue Kunde nach. Markgraf Dietrich habe aus der Brandenburg mit kleinem Aufgebot nach der Verteidigung zur Elbe hin fliehen müssen, auch der Bischof von Brandenburg. Brandenburg ist gefallen und wird nunmehr ebenfalls durch die Slawen geplündert und gebrandschatzt. Der Domschatz sei zu beklagen und das Leben vieler guter Christen.
Wer zu dieser zeit noch über die Verlautbarungen aus der Nordmark und auch aus Gebieten der Billungermark gespottet hatte, dem war der Spaß ausgetrieben.
Es war die Angst, nackte Angst um Hab und Gut, die sich nun im ostfalischen Sachsenlande ausbreitete. Vom einfachen Mann bis zum Bischof selbst. Leute ritten in die Lande und forderten zu den Waffen.
Arno half einen gewaltigen Baumstamm auf dem Innenhof der Draburg von der Baumrinde zu befreien.
Der grade gewachsene Stamm war als einer der vier wichtigen Tragpfeiler am Eck des Bergfriedes vorgesehen. Allein den Stamm hierher zu wuchten und zu ziehen, hatte mit einem 4- Ochsen- Zuggespann einen ganzen Tag erfordert. An der Drogweg- Kreuzung zur Burg mussten zwei Bäume geschlagen werden, um den riesigen Stamm gut um die Kreuzung zur Burg hin zu bekommen. Nun lag das gute Stück hier und die Männer konnten sich daran schaffen.
Das Treiben und Arbeiten im Hof zog auch die Blicke von Stephan Masur darauf, der zum Wachdienst am Torhaus eingeteilt war. Emsig gingen alle zu Werke. Stephan war beeindruckt von Arno von Draburgs Zielstrebigkeit. Hatte Stephan auch anfangs an dem neuen Lehnsherren seine Zweifel damals, so wurde Stephan schnell hier eines Besseren belehrt. Voigt Arno war nicht wie die Susenburger, nicht selbstherrlich sondern freundlich im Umgang mit den Leuten, nicht nur bestimmend sondern selbst zupackend. Arno war ihm und den Leuten hier eher ein guter Freund, für den man gern den Dienst antrat. Sicher- Arno konnte auch murren, doch blieb er trotz seines Standes menschlich und trieb seine Herrschaft nicht mit Gewalt und Brutalität ein. Dies lobten hier die meisten Leute.
Im Hämmern und Schaben am Stamm ging für Waffenknecht Stephan Masur fast ein sich nähernder Hufschlag unter. Erst im letzten Moment, als der Bote unter den Farben des Bischofes von Halberstadt an der Brücke absaß und sein geschundenes Tier vor Erleichterung laut wieherte, wurde Stephan des Boten gewahr.
"Herr Arno, Herr Arno! Ein Bote ist an der Burg angekommen! Ein Bote!" schrie Stephan in den Hof lauthals hinein.
Arno ließ von seinem Tagwerk ab, rang um Luft nach der Erschöpfung. Der Voigt stemmte sich in das Hohlkreuz und rieb mit beiden Händen den vom Bücken schmerzenden Rücken.
Der Mann mit der Lederhaube führte schon sein Pferd in den Hof hinein und sah sich auf dem Innenhofe um, eine Gelegenheit suchend, sein Pferd anzubinden. Am Gatter fand er einen Haken für die Zügel.
Während Arno schon auf den kleinen Knecht zuging, hörten auch die anderen arbeitenden Männer nach und nach mit dem Werken auf und machten neugierig lange Hälse.
"Einen guten Tag. Was bringt Euch dazu, euer gutes Pferd so furchtbar zu schinden in dieser Tageshitze, guter Mann. So werdet ihr nur mäßig Freude daran ...."
"Die Slawen, Voigt Arno von Draburg!" unterbrach der Mann mit hastig gesprochenem Wort Arnos Maßregelungen über guten Umgang mit dem Tier. Der Botenknecht hatte dabei so schnell gesprochen, dass Arno nochmals nachfragte.
"Die Slawen? Was ist mit den Slawen?"
"Sie sind aufständisch! Ziehen mit großer Kriegsbande durch die Lande!"
"Die Slawen? Seit ihr sicher, guter Mann?"
"Ja Herr Voigt. Die Kunde kam aus Magdeburg. Die Slawen haben die Bischofsstädte Havelberg und Brandenburg mit einem Heer zerstört. Nun bewegen sie sich westwärts, sollen Magdeburg wohl bald bedrohen. Wo sie langkommen herrscht der Tod. Alle fliehen vor den Slawen in heilloser Unordnung über die Elbe, Herr."
"Die Slawen?" Arno konnte es nicht glauben. Seine Zweifel an der Botschaft waren in sein entsetztes Gesicht geschrieben.
"Voigt Arno von Draburg, ich habe für Euch die eilige Aufforderung, Euch mit allen entbehrlichen Waffenknechten nach Halberstadt zu begeben. Bischof Hildeward von Halberstadt fordert den Kriegsdienst von jedem Waffenfähigen schnellstens ein. Bereitet Eure eilige Abreise vor. Rüstet Euch für den Krieg gegen die Slawen. Auch eure Männer."
"Nochmal in Ruhe, guter Mann. Wir sind durch den Bischof Hildeward nach Halberstadt befohlen? Ich und die Waffenfähigen?"
"Ja, Herr Arno. Alle. Ich war schon auf der Treseburg und Susenburg in der Sache. Bitte gebt mir und dem Pferd kurze Rast und Kost. Ich muss alsbald weiter, um die Leute der Elendisburg noch heute zu erreichen."
"Menz? Konrad? Kommt und versorgt das arme Pferd! Und ihr, kommt in die Küche mit mir."
Arno ging voran, noch einen Blick zurück gebend, um zu sehen, wie Konrad schon zu dem Tier unterwegs war.
Der Bischofsknecht folgte Arno nach. Arno ging in die Küche und warf der Katharina am Herdfeuer einen Blick seiner Besorgtheit zu- die Augen groß machend und sich auf die Lippe beißend.
"Kommt und setzt Euch. Und berichtet mir nochmals das Aufgetragene! Katharina? Bitte etwas zu Essen und Trinken für den Boten des Bischofs."
Auch Katharina war etwas verunsichert, suchte jedoch erst eine Holzschüssel und dann etwas Essbares zusammen. Während sie dem Knecht und Arno zwei Becher zum Tisch brachte, spitzte auch Katharina die Ohren.
"Die Slawen haben Ende des Juni Havelberg erstürmt und verwüstet. Bereits drei Tage später war deren Heer vor Brandenburg aufgetaucht. Der Markgraf hat wohl am ersten tage noch die Verteidigung Brandenburgs geleitet, dann suchte er wohl lieber im Angesicht der feindlichen Übermacht die Flucht. Auch der Bischof von Brandenburg ist geflohen. Die ganze Nordmark stehe in Flammen und wird von den Slawen heimgesucht. Die Slawischen verbrennen alle Dörfer, Hütten und Äcker. Man plündere und brandschatze, wo man es kann. Doch das Schlimmste ist, das Slawenheer zieht gegen die Elbe. Wenn die Slawen über die Elbe setzen, so bedrohen sie Magdeburg, die Altmark und letztlich auch uns. Die Kirchlichen rufen alle Männer zu den Waffen- so auch Euch und Eure Knechte. Brecht morgen eilends nach Halberstadt auf. Das Halberstädter Aufgebot soll dort binnen zwei Tagen unter Waffen marschbereit sein."
"Viele Worte, guter Mann. Wie nennt man Euch?"
"Lorenz, guter Voigt. Man ruft mich Lorenz. Ich bin Knecht am Bischofsitz. Der Bischof selbst hatte uns gestern spät am Abend angewiesen, die Kunde zu den Burgen zu bringen."
"Schon gut, Lorenz. Wir werden alles veranlassen, brechen morgen auf!"
"Danke Euch, Herr Arno. Die Susenburger Herren waren weniger gastfreundlich zu mir. Danke, in Gottes Namen." Der Knecht Lorenz stürzte seinen Becher kühlen Bieres und machte sich über die Suppe und einen Runksen Brot her.
"Katharina? Bitte auf ein Wort."
Arno ging zum hinteren Ausgang in den Flur hinaus, wohin Katharina nachging, dem Boten einen freundlichen Blick - jedoch der Besorgnis und Zuversicht- gebend. Arno schloss hinter Katharina die Holztür.
"Kannst du für uns alle bitte Verpflegung zusammenbringen? Brot, Trockenfleisch, Getreide? Ein kleines Fass mit Bier? Bitte back nochmals für uns. Es wird wohl ein langer Tag der hastigen Vorbereitungen. Die Leute aus Drudenstein müssen im Hof auch versorgt werden. Und Menz soll Futter für die Pferde bringen. Wir nehmen nur den kleinen, leichten Karren und Pferde."
"Oh guter Gott. Diese Nachrichten sind furchtbar. Krieg? Mit den Slawen? Wie groß ist die Gefahr Arno, was denkst du?", fragte Katharina besorgt nach.
Arno öffnete kurz die Tür, rief zu dem Lorenz in die Küche hinein. "Lorenz? Ist über die Anzahl der Slawen etwas durchgedrungen?"
Lorenz, grade mit dem Brot im Munde, schluckte kurz, um reden zu können. "Man redet von weit über 20000 in loser Kriegsbande, die wohl zur Elbe ziehen. Vielleicht auch mehr. Die Wälder und Wege sind voll mit denen, sagt man."
"Danke!", sprach Arno kurz und schloss die Tür, um ungestört mit Katharina reden zu können.
"Das sind fürwahr viele Krieger." sprach Arno bleich.
"Tausende? Ich wage mir dies nicht vorzustellen. So viele.."
"Den Slawen liegt es sonst nur an kleineren Siedlungsstämmen. Wenn solche Anzahl in Unruhe ist... ? Doch kann ich mir gemeinschaftliche und einheitliche Führung nur schwerlich bei den Slawen vorstellen. Doch selbst wenn es nur 5000 Mann sind und sie über die Elbe gelangen ist Magdeburg, die gute Kaiserstadt Ottos des Ersten, in ernsthafter Gefahr. Man muss entschlossen entgegentreten!"
"Oh mein Liebster." gab Katharina ihrer Besorgnis Worte.
Arno gab Katharina einen kurzen, lieben Kuss. Dann ging er zurück in die Küche.
"Gut. Dann ist alles besprochen, gute Magd. Und ihr, Lorenz? Geht Eurer Wege. Ich werde alles zur Abreise weiter vorantreiben müssen. Lasst Euch nicht aufhalten."
"Danke, Voigt Arno!" gab Knecht Lorenz zurück. "Und berichtet in Halberstadt, dass ich Euch in Kenntnis gesetzt habe!"
Arno nickte dem Lorenz zu, ging dann sofort hinaus auf den Innenhof.
"Ich bitte alle Draburger Knechte, heran zu kommen." rief Arno lautstark über den Burghof. Aus allen Winkeln zeigten sich die Leute, die mitsamt am Arbeiten waren. Nur Tobias fehlte hier im Rund, da er nach der Nachtwache zur Ruhe daheim im Ort gekommen war.
"Hört alle zu! Wir alle, bis zum letzten verfügbaren Mann, sind zu den Waffen gerufen worden! In der Nordmark haben sich die slawischen Stämme erhoben! So die Kunde stimmt, haben sie Burgen, Bischofsitze, Häuser, Äcker und alles zerstört, was friedfertige Menschen- wie ihr und ich es sind- aufgebaut haben. Mordlüstern und brandschatzend ziehen sie an die Elbe, um auch vor Magdeburg- ja vielleicht sogar unserer Heimat- nicht Halt machen zu wollen! Um unsere Heimat, unsere Familien und Häuser nun zu schützen, hat uns alle der Bischof Hildeward von Halberstadt unter sein Banner befohlen. Unsere Aufgabe wird es sein, dem Feind entschlossen entgegen zu treten! Die Drudensteiner? Ihr folgt dem Menz hier und bringt das Tagwerk voran. Den Waffenknechten sage ich: Bereitet Euch mit mir vor- auch Du Konrad! Morgen früh ziehen wir mit Waffen von der Draburg ab! Als Besatzung der Burg bestimme ich .... Felix .... und .... Christian! Der Rest scharrt sich um mich! Und nun schnürt Eure Bündel und Waffen! prüft alles gut!"
Arnos Ansprache wurde von jedem in der Burg vernommen.
Betroffen sahen sich alle an, egal ob Mann im Frondienst zur Arbeit oder Waffenknecht. Bitter und beängstigend waren die Worte des Voigtes. Arnos Knechte ließen nun ab vom Schaffen, gingen in die Unterkünfte.
"Was sollen wir Einfachen machen, wenn die Slawen hierher kommen?" fragte ein dünner Mann aus Drudenstein.
"Guter Mann. Ich hoffe, wir können die Slawen zurück werfen! Sollten unsere Absichten misslingen- wovor Gott uns alle bewahren möge- so zieht hier zur Burg. Doch bitte, übereilt erst einmal die Dinge nicht." sprach Arno zurück und gab dem Mann einen beruhigten Schulterschlag. Arnos Sicherheit im Wort gab dem Manne Hoffnung.
"Konrad? Komm, mein Neffe. Wir wollen gehen, dich gut zu rüsten. Du sollst mir als Knappe zur Seite stehen."
Konrad und Arno verschwanden im Palas.
Katharina sah von der offenen Tür den Leuten nach, wie sie ihrer Wege gingen.
"Lorenz?" fragte Katharina den Überbringer des Halberstädter Aufgebotsrufes. "Was reden die Halberstädter? Sind sie guten Mutes?"
"Ja. Meinem Empfinden nach schon. Doch müssen wirklich alle jetzt zusammenstehen, wenn es gelingen soll!"
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