Bittere Vorwürfe
Der Besuch auf der Susenburg am folgenden Tag verlief nicht so, wie von Arno von Draburg beabsichtigt.
Ritter Martin von Bukstatin wurde von Arno als Gefährte von Thilo von Susenburg dessen Vater, Burgvoigt Gero von Susenburg, vorgestellt.
Arno legte hierbei dar, dass Herr Martin - wie Thilo auch- dem Befehl von Graf Gunther von Merseburg unterstand. Unter dessen Kommando haben die Ritter in der Schlacht bei Kap Colonna in Italien gestanden. Arno betonte, das Ritter Martin von Bukstatin ein Mann von Ehre und Erfahrung sei- selbst Burgvoigt in den nördlichen Landen. Dies tat Arno deshalb, weil von dem einstmals stattlich erscheinenden Mann nur noch wenig übrig war. Martin wirkte wie ein Schatten seines alten Daseins.
Herr Gero von Susenburg bestand darauf, das die Frauen der Familie der Unterredung nicht mit beiwohnten. Obwohl dies auf Arno befremdlich wirkte- und ihm auch nicht entgangen war, dass die Burgherrin Hildegard interessiert schien, an dem, was Ritter Martin zu erzählen hatte- akzeptierte man diese Entscheidung.
Wie bereits vor Arno, so schilderte Herr Martin von Bukstatin auch vor dem Burgvoigt Gero sein Erleben im Feldzug und auch in der Schlacht.
Martin ging in seinen Schilderungen viel auf den Mitstreiter Thilo ein und beschönigte seine Darstellungen des jungen Ritters.
Doch als er beschrieb, wie Ritter Thilo von Susenburg in der Schlacht vor vier Feinden in sumpfiges Gebiet gelangte und dort niedergestreckt wurde- beendete Burgvoigt Gero die Unterredung mit einem überraschenden Faustschlag auf den Tisch.
"Es reicht, was ich gehört habe! Arno- ihr bringt diesen Mann in mein Haus! Ihr und dieser Ritter gebt vor, in guter Absicht zu erscheinen und uns Kunde von meinem geliebten Zweitgeborenen zu bringen. Und nun verbreitet dieser Herr hier, dieser Ritter Martin, Lügen über den Tod meines Sohnes? Geht bitte! Geht - auf der Stelle!"
Martin von Bukstatin war tief gekränkt. "Guter Mann. Bezichtigt mich nicht der Lüge! Ich kann Euch nur sagen, was ich selbst gesehen habe!"
"Lügner!", schrie Gero lautstark- so das es in der Halle des Palas lautstark wieder hallte.
Arno sah sich veranlasst, dem Ritter Martin von Bukstatin beizustehen.
"Voigt Gero. Bitte mäßigt Euren Ton und Euer Wort! Ritter Martin ist ein Mann von Ehre und ein Mann, der mein volles Vertrauen hat. Wenn er diese Schilderung kund tut, so wird es auch so gewesen sein."
"Mein Sohn Thilo ist nicht in Italien gefallen. Sicherlich wird er schon bald auch wieder zu uns zurückkehren! Und dann wird es Eure Lüge sein, die ich überall kund geben werde, Arno!"
"Gero! Nun kommt zu Sinnen! Welchen Grund sollte Ritter Martin haben, euch falsche Dinge vorzutragen?"
"Sagt mir nicht in meiner Burg, wem ich mein Vertrauen zu geben habe. Arno- das steht euch nicht zu! Und nun nehmt euren Lügner mit und verschwindet von hier! Auf der Stelle! Bevor ich Euch davonjagen lasse oder durch meine Knechte festsetzen lasse!"
Arno war entsetzt. So wenig Bereitschaft, den Tod des Sohnes zu akzeptieren? So viel Starrsinn?
Gero war aufgestanden und hatte sich aufgebaut, als wolle er selbst Hand anlegen, um die beiden Ritter aus dem Haus zu werfen. Dies war für Arno der Punkt, wo ein gehen ratsam schien.
"Kommt, Voigt Martin. Wir gehen. Ich denke, die Wahrheit ist hier in diesem Hause heute nicht willkommen."
"Die Wahrheit? Die Wahrheit sagt ihr? Die Wahrheit ist, dass ihr - Ritter Arno- im Angesicht der Feinde aus Feigheit nach Hause geflohen seit! Aus Feigheit, jawohl! Ihr habt die anderen Ritter im Stich gelassen- damals in Italien! Erzählt mir nicht, was wahr und was gelogen ist! Ihr Feigling!"
Die Verleumdungen, die Burgherr Gero von Susenburg, schienen Arno die Luft zu nehmen. Obwohl er den Ritter Martin schon beim Aufstehen geholfen hatte und man sich zum Ausgang der Halle begeben wollte- Arno hielt nun abrupt inne.
Es gährte in Arno. Er fuhr herum, war mit einem kurzen Schritt ganz nahe an Ritter Gero.
"Jeder Mann hatte dort seine eigene Entscheidung zu treffen. Meine Entscheidung stand mir frei- und ich hatte meinen Dienst im Heer abgeleistet. Ich entschied mich, zu meiner Familie zu gehen! Zu Leben! Thilo hingegen gierte es nur nach Beute und Ruhm! Daher war seine Entscheidung die, dort zu bleiben! Für die Befriedigung seiner Beutegier! Und das ist die Wahrheit, die Euch schmerzt- HERR GERO! Dennoch spreche ich Euch mein Beileid aus, auch wenn ihr dies nicht wahrhaben wollt!"
Gero's Stimme hatte nun etwas böses, bedrohliches: "Verschwindet aus meiner Burg, Arno! Und seit gewiss- das letzte Wort ist nicht gesprochen!"
Arno löste sich mit einem festen Blick auf Burgherr Gero.
"Kommt, Martin!" - Arno hackte den schwach wirkenden Mann unter und half ihn, die ersten Stufen im Treppenhaus zu nehmen, um die steile Felsentreppe zur Vorburg nehmen zu können.
Gero kam hinterher- schäumend vor Wut. "Verschwindet! Ihr Lügner- Brut!"
Arno ließ Gero gewähren. Dennoch gab er Widerworte: "Wenn ihr die Zeit für eine Entschuldigung als reif anseht? Ihr wisst, wo ihr mich zu finden habt!"
Die edle Burgherrin Hildegard kam Arno und Martin hinterher gelaufen, als die beiden Ritter im Innenhof der Vorburg die Pferde besteigen wollten.
"Herr Arno? Bitte! Auf ein Wort?"
"Frau Hildegard?"
"Mein Gemahl war laut genug- ebenso Euer Gespräch mit ihm!" , gestand die Frau Hildegard, deren Gesicht von Tränen bedrückt war. "Verzeiht mir, edle Herren. Aber ich habe gelauscht- wollte auch wissen, was Ritter Martin über meinen Thilo zu berichten hatte. Ist es wahr, Herr Martin? Habt ihr meinen Thilo fallen sehen?"
Martin war aufgeregt durch das Geschilderte und auch über das Geschehene, die Vorwürfe und Vorhaltungen, die Beschimpfungen gegen ihn und Arno. Doch im Angesicht der weinenden Mutter von Ritter Thilo brachte er Ruhe in seine Stimme.
"Edle Frau. Ich habe ihn fallen sehen! Und seht mich an- ich lag lang auf einem Krankenlager und bin wohl einer der letzten Überlebenden, die nun nach Hause zurückkehren können. Thilos Leichnam habe ich nicht gesehen. Doch vertraut mir- ich denke, er wird nie wiederkehren. Mein Beileid zu Eurem großen Verlust."
Die Tränen von Frau Hildegard von Susenburg tropften auf den Burghof. Obwohl ihr Kinn zitterte- brachte sie gegenüber Arno und Martin einen gütigen Blick an.
"Danke. Nun hab ich Gewissheit für meine unruhige Seele. Verzeiht dem Gero. Beide Söhne zu verlieren- dies ging ihm nah."
Ob der Beleidigungen und Vorwürfe musste Arno jedoch seine Meinung offenlegen: "Frau Hildegard. Als Vater verstehe ich Eure Sorgen, kann auch Eure Trauer verstehen. Doch Gero ist heute zu weit gegangen. Ich muss auf seiner Entschuldigung bestehen. Sagt ihm dies, wenn seine Wut und Trauer gewichen ist. Mein Beileid zu Eurem Verlust."
Damit ritten die zwei Ritter aus der Susenburg heraus.
Arno und Martin ritten das erste Stück des Rückweges in Stille neben einander her. Auf dem Langweg nach der großen Drogfurth über den Fluss Bode konnte Arno nicht anders- fragte den guten Ritter Martin.
"Martin? Hast du meine Entscheidung als feige empfunden? Als Unehrenhaft? damals, als ich in Tarentum meine Abreise verkündet habe und den Kuno mit mir genommen habe?"
"Nein. Ich habe deine Entscheidung verstanden- auch weil wir uns kennen gelernt haben. Ich denke, bei vielen- sogar bei mir selbst- war es damals die Beutegier, die mich in Italien im Heer hielt- nichts anderes. Auch ich war geblendet, von den Vorstellungen, Gold, Silber, Stoffe und Gewürze mit nach Hause schleppen zu können- auf vollen Karren in meine Burg daheim zu ziehen. Manche jedoch im Lager hatten diese Meinung von den heimkehrenden Rittern. Manche hielten es für Unehrenhaft- ja auch Feigheit. Doch ich nicht- und keiner deiner Gefährten."
"Hmmm. Martin, wir haben auch noch bei Leno's Familie zu berichten."
"Arno, auch wenn ich es dir damit nicht recht mache- ich werde mich morgen allein dorthin begeben. Mit deiner Schilderung des Weges werde ich es finden. Ich werde Leno's Frau auch dein Beileid ausrichten. Ich werde dann von dort weiterziehen, um auch endlich nach Hause zu gelangen."
"Nun gut. Ich habe heute schon viel Unmut erfahren, obgleich ich gute Absichten hegte."
"Für wahr! Der Mann ist sehr verbittert. Ich kann ihn verstehen."
"Ich auch. Doch sollte man nicht andere, gute Männer beleidigen. Dies war unangebracht von Voigt Gero."
Die Männer ritten weiter- zur Draburg hin.
Am nächsten Morgen verabschiedete sich Ritter Martin- setzte den Heimweg nun allein weiter fort.
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