Abschied von der "Weiberburg"
Die Zeit war heran.
Morgen heißt es Abschied nehmen.
Abschied von der Familie, den Leuten.
Ein Abschied auf ungewisse Zeit- auf ein Unterfangen in der Ferne mit ungewissem Ausgang.
Vor dem Osterfest gab es schon den Abschied von Lukas und Leonhardt, die Arno persönlich zur Kaiserpfalz Dullide begleitet hatte. Einen Tag hatte er dort verweilt, um es den Jungen nicht zu schwer zu machen. Nun lagen alle Wünsche und Hoffnungen bei den Jungen selbst.
Mit Glück wird Arno von Draburg jedoch seinen Sohn Lukas beim Versammeln der Truppen in Dullide alsbald noch einmal wiedersehen.
Die Draburg wird ab dem morgigen Tag eine Weiberburg werden.
Lisbeth ist dann auf sich gestellt, muss auch lernen die Verantwortungen wahrzunehmen. Seit Wochen hatte Arno mit ihr die Aufgaben und deren Umsetzungen besprochen.
Doch Lisbeth wird viel Hilfe haben, die guten Leute hier werden ihr zur Seite stehen.
Im Haushalt die Katharina, die Barbara und zum Teil auch die Gitte und ihre Enkeltochter.
In Baubelangen, Bevorratung und der Hofverwaltung sind der Verwalter Menz und der Wernherr eingewiesen, sowie einige aus dem Dorf bereits angesprochen worden.
Für die Wachknechte ist der Tobias der Ansprechpartner von Lisbeth, den Arno wegen der Vielzahl der auf ihn wartenden Mäuler nicht mitnehmen wollte.
Die Auswahl der Knechte fiel schwer, denn erfahren sollten sie sein.
Der Andreas bot sich aus freien Stücken an, mit in die Fremde zu ziehen.
Christian- auch einer der ältesten Begleiter in Arnos Dienst- erklärte sich dann doch bereit, jedoch eher unwillig.
Zwei neue Knechte, die schon ausgehoben waren, würden alsbald deren Platz und Lager nehmen.
Die Männer im Waffendienst hatten sich gestern bis zum Schlaf besoffen, wie lang schon nicht mehr. Heute jedoch standen sie ihren Mann beim Verladen. Jetzt am Abend jedoch saß jeder in sich gekehrt auf seinem Lager, war in seinen eigenen Gedanken.
Der große neue Karren stand schon auf dem Hof- mit Waffen und Ausrüstung bereits verladen- für den morgigen Aufbruch. Nur Arnos kleine Truhe musste noch oben aufgestellt werden, die große Truhe war verstaut.
Arno hatte um Fleisch und Braten für das Abschiedsmahl heute Abend gebeten, die Frauen haben dies gut vorbereitet- auch an kostbarem Gewürz war heute nicht gespart worden. Alle Leute der Burg und einige aus dem Dorf waren von Arno dazu gebeten worden. Doch es war eine schweigsame Runde gewesen.
Es herrschte an diesem Tag und Abend eine Ruhe und Bedächtigkeit unter allen Bewohnern und Bediensteten der Burg.
Einen Wunsch hatte Arno noch- ein heißes Bad. Man kann nicht abschätzen, wann es solch Wohltat wieder einmal zu genießen gab. Die Magd Katharina, Menz und Wernherr holten mit Arno gemeinsam das Wasser vom Brunnen für das Bad und auch für die Küche, auf das der Badezuber für Arno schnell gefüllt werde.
Lisbeth durfte zuerst in das Badewasser, danach Arno endlich selbst.
Arno genoss die entspannende Wärme, tauchte ab und an in dem engen Zuber mit dem Kopf tief ein.
Die Augen wurden müde. Das würde helfen, dann besser einzuschlafen.
Hinter dem zugezogenen Vorhang der Küche hörte man das Feuer im Herd knistern. Ab und an bewegten Barbara und Katharina Schüsseln, die nach dem Abendmahl dort hinter dem Vorhang ausgewaschen worden.
"Soll heißes Wasser eingegossen werden, Herr Arno?" fragte Barbara von der anderen Seite des Vorhanges.
"Vielleicht. Ja. Ein wenig heißes Wasser, wenn ihr habt."
Arno richtete sich ein wenig im Zuber auf.
Magd Barbara zog den Vorhang bei Seite. Dann ging sie zum Feuer, um heißes Wasser in einen Eimer umzuschöpfen.
Arno erwartete den Eimer, blickte in die Küche.
Barbara zwinkerte der Magd Katharina zu.
"Herr? Zwei Eimer? " schlug die Barbara vor. Die Frauen lachten sich zu.
"Ja. Warum auch nicht."
Katarina brachte den ersten Eimer zum Zuber und goss das heiße Wasser fast komplett auf. Den Rest gab sie in eine Schale.
Arno ließ sich wieder tief in den Badezuber rutschen.
Im Winter, beim Wasser holen war es, da hatte Arno einmal Katharinas Hand ergriffen. Katharina schien damals nicht überrascht. Mit einem Lächeln und etwas Schüchternheit hatte sie auch zugegriffen, auf das der Griff von Beiden fester wurde. Doch nur für einen Moment damals am Brunnen.
Beide hatten am Anderen das Gute und Liebenswerte entdeckt- schon davor- ja eigentlich schon ab dem ersten Tag, wenn sie es sich eingestanden.
Die Frauen schöpften den zweiten Eimer mit dem Wasser ein.
'Italien. Was wird uns erwarten?', dachte sich Arno. Im Frühjahr hatte Arno am Drogweg eine zufällige Begegnung mit einem Boten. Dieser brachte die überraschende Kunde, dass man beabsichtigte, mit dem Heer -vor dem Marsch nach Italien- vielleicht noch einen Schwenk gegen die Franzosen im Sommer führen zu lassen.
Was auch kommt und wohin sich der Heerwurm auch schlängelt- wenn Arno als Panzerreiter und seine Knechte im Tross marschierenund im Lager des Heeres ruhen zur Heerpflicht, dann sind sie in den Händen Gottes.
Katharina brachte den zweiten Eimer.
Erneut setzte sich Arno im Zuber hoch auf, damit der Eimer eingegossen werden konnte.
Das kühlere Wasser im Zuber vermengte sich mit dem heißen Wasser. Eine warme Wohltat.
Arno blickte in Katharinas Augen- Blicke trafen sich beim Einfüllen des Wassers. Katharina blinzelte schüchtern.
Christian kam in die Küche herein.
"Entschuldigung, dass ich so überhastet herein schaue - mir ist noch eingefallen, dass wir weder Schüsseln noch Löffel haben. Bitte sucht uns noch etwas heraus, ich will es noch schnell mitnehmen zur Karrenlast für uns, gute Barbara."
Schnell und behände hatte Barbara einige kleine, tiefe Schalen zusammen gesucht, auch drei Löffel.
Christian bemerkte den Herrn Arno im Zuber. "Das lässt man sich gefallen, Herr. Was?"
Arno strich sich die Haare auf die Seite. "Ja. Wird lang nicht wieder so gut sein, wie heute Abend."
"Hmm."
Barbara gab die Sachen an Christian. "Hier. Damit ihr unterwegs keine neuen Schalen schnitzen müsst."
"Danke. Wenn Gott will, geb ich Euch die Schalen in zwei Jahren wieder."
"Wenn Gott es will." sagte Barbara mit große Augen und leichtem Kopfnicken.
Das Bad tat gut. Auch wenn es belebte, hatte es Arno müde gemacht nach diesem Tag.
So ruhig der Tag war, so ruhig endete er- mit kurzen Gesprächen zwischen Lisbeth und Arno in der Kammer.
Am frühen Morgen begann das Leben mit der Sonne. Arno kontrollierte ein letztes Mal den Karren. Andreas war auch schon auf den Beinen.
Stephan hatte die Torwache, ging jedoch Wernherr und Menz beim Einspannen der Ochsen und beim Fertigmachen der Pferde zur Hand.
Ein letztes Mal saß Arno mit Lisbeth zusammen am Tisch und gab noch einige Ratschläge. Lisbeth beruhigte den Vater- es werde schon alles gut angegangen, wenn der Vater in der Fremde ist.
Die Tiere waren eingespannt und der Graue und der Schecke erwarteten Ihre Reiter. Andreas hatte den Karren zu besetzen.
Also war nun die Stunde des Abschiedes.
Arno suchte immer wieder Katharinas Blick. Sie hatte ihm gesagt, dass sie eine Kette aus Holz und Lederband gefertigt habe. Nun endlich, vor dem Wirtschaftsbau, ergab sich die kurze Gelegenheit.
"Sie soll Euch glückbringen, Herr. Und Euch auch an Uns- an mich- erinnern in der Fremde. Jedoch..."
"Eine schöne Arbeit. Bitte sorgt Euch nicht, Katharina. Steht meiner Lisbeth zur Seite und so sich Gelegenheit bietet- denkt an mich. Ich bin entschlossen, wieder nach Hause zurück zu kehren."
Arno legte die Kette sofort an, auch um der Katharina zu zeigen, wie wertvoll ihm dies Geschenk ist. So verschwand das Stück am Körper.
Fast wortlos schien dann der Aufbruch. Lisbeth wurde gedrückt. Fester Händedruck an die Knechte und den erschienenen Ademar, der Männer und Schwerter segnete.
Die Pferde waren herausgeführt, ebenso der Karren vor das Torhaus gebracht.
Die Männer saßen auf.
Ein letztes tiefes Durchatmen und Händeschütteln mit der Tochter, deren Augen von Tränen voll sind. Auch Barbara und Katharina schluchzen, umarmen einander und nehmen die Lisbeth zu sich. Stephan winkt vom Torhaus.
"Nun Leute. So haben wir Eure Hoffnungen auf unsere Wiederkehr bei uns und wünschen, Euch wieder zu sehen und Kaiser, Lehnsherr und Gott Ehre zu machen. Möge unsere Abwesenheit nicht zu lang sein. So machen wir uns auf."
Der kleine Draburger Tross kam in Bewegung.
Lange standen die Frauen eng zusammengekauert beieinander und schwenkten die Arme.
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