Twelve
F A I T H
Drei Tage war mein letzer Besuch bei Harry nun vorbei, drei elend lange Tage, die einfach nicht vorbei gehen wollten. Eigentlich wäre ich am liebsten direkt losgestartet und hätte meinem Lockenkopf aus der Vergangenheit einen Besuch abgestattet, jedoch brauchte ich erst einmal ein wenig Zeit, um mir über einige Dinge klar zu werden. Auch Nathan hatte mich in den vergangenen Tagen dutzende Male angerufen, ich hatte diese Anrufe jedoch nie entgegen genommen. Selbst meine beste Freundin mied ich momentan. Ich verkroch mich den lieben langen Tag unter meiner Bettdecke oder in der Badewanne und wollte am liebsten nie wieder aus meinem Versteck herauskommen.
Meine Gefühle waren eine reinste Achterbahn momentan. Der Heiratsantrag von Nathan kam eigentlich nicht einmal so plötzlich, wie ich anfangs angenommen hatte. Wir waren schon einige Jahre lang ein Paar und hatten schon das ein oder andere Mal über eine Hochzeit nachgedacht, doch dann kam Harry und veränderte mein Leben schlagartig. Ich als Psychologie-Studentin war natürlich besonders interessiert an seinem Fall, aber auch musste ich zugeben, dass es mir auch seine Persönlichkeit angetan hat. Seine Locken und seine Grübchen brachten mich jedes Mal um den Verstand. Doch konnte ich wirklich meine jahrelange Beziehung mit Nathan aufs Spiel setzen, für einen vielleicht verrückten Jungen aus der Vergangenheit?
Ruckartig wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, da mir mein Smartphone einen eingehenden Anruf ankündigte. Seufzend warf ich einen Blick auf den Bildschirm und stellte fest, dass es sich bei dem Anrufer um meine beste Freundin Tessa handelte, wieder einmal. Lange zögerte ich und war ziemlich unentschlossen über meine weitere Vorgehensweise, entschloss mich dann allerdings doch dazu, den Anruf anzunehmen.
"Hallo", begrüßte ich sie vorsichtig und machte mich bereits auf eine Standpauke ihrerseits bereit, immerhin hatte ich tagelang nichts von mir hören lassen und darauf reagierte sie besonders allergisch. "Faith oh mein Gott, geht es dir gut? Ich habe mir schon solche Sorgen um dich gemacht. Nathan meinte er hat auch schon lange nichts mehr von dir gehört", plapperte sie drauf los und ich musste zugeben ich war überrascht. "Es tut mir leid", war alles was ich zustande brachte, denn was sollte ich ihr schon sagen? Immerhin wusste ich ja selber nicht was gerade in meinem Kopf vor sich ging. "Soll ich vorbei kommen?", fragte sie mich mitleidig.
Eigentlich wusste ich keine Antwort darauf, jedoch erwartete sie eine und deshalb antwortete ich ihr: "Ja." Danach war unser Gespräch auch schon wieder beendet. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, ich hatte die richtige Entscheidung getroffen.
Es dauerte kaum eine halbe Stunde, da klingelte es auch schon an meiner Tür. Schleppend setzte ich mich in Bewegung und öffnete die Tür, vor der sich meine Lieblingsblondine befand. "Du siehst schrecklich aus", sagte sie zur Begrüßung und ging an mir vorbei in meine Wohnung. Leicht verdrehte ich die Augen und schloss die Tür hinter mir. "Es ist auch schön dich zu sehen", lachte ich. Tessa entledigte sich ihrer Schuhe und ihres Mantels und platzierte sich danach auf die Couch meines Wohnzimmers. "Tee?", fragte ich sie automatisch und wartete gar nicht mehr auf ihre Antwort, sondern steuerte schon die Küche an. "Gerne, Kirsche bitte." Auch ohne eine Antwort ihrerseits hätte ich ganz genau gewusst, nach welcher Geschmacksrichtung sie sich sehnte, nicht umsonst war sie meine beste Freundin. Ich blieb meinem Geschmack ebenfalls treu und nahm mir einen Teebeutel Apfeltee aus der Schachtel, um ihn danach schwungvoll in meiner Tasse voll mit heißem Wasser zu platzieren.
Mit zwei dampfenden Tassen in den Händen ging ich wieder zurück ins Wohnzimmer und überreichte dem blonden Mädchen eine der beiden. "Also, jetzt erzähl schon, was liegt dir am Herzen", forderte sie mich auf. Zuerst seufzte ich, eigentlich wollte ich das Thema vermeiden, jedoch war sie extra deswegen hergekommen. "Wie läuft es so in der Uni? Habe ich etwas Wichtiges verpasst?", wollte ich vom Thema ablenken, doch Tessa durchschaute mich sofort. Sie war zwar blond, aber bei Weitem nicht dumm. "Ich hab dir alle Unterlagen mitgenommen, aber vom Thema wirst du mir jetzt garantiert nicht ablenken meine Liebe." Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sie sich so leicht hätte ablenken lassen.
Ich kam ja doch nicht drum herum, also begann ich zu erzählen, ganz von Anfang an. Über meinen Besuch bei meiner Mutter, wie ich Harry zum ersten Mal gesehen hatte und über seine Erzählungen bezüglich seiner Herkunft. Ich lass kein einziges Detail aus und Tessa lauschte meinen Erzählungen, ohne mich auch nur ein einziges Mal darin zu unterbrechen. Ebenso erwähnte ich, dass ich mich nun in einer Art Zwickmühle befand und meine Gefühlte Achterbahn fahren. Momentan sagte mir mein Verstand, dass ich mir endlich einen Ruck geben sollte und den armen Nathan endlich von seiner Qual erlösen sollte, indem ich seinen Antrag endlich annahm. Mein Herz hingegen drängte mich immer weiter von diesem Pfad ab und lenkte mich Richtung Harry und ich konnte absolut nichts dagegen machen.
"Wow, da steckst du aber ganz tief in der Scheiße Faith", war alles was sie anfänglich dazu sagte. "Danke Schwester, wusst ich schon", schnaubte ich, ein klein wenig mehr Hilfe ihrerseits hatte ich doch erwartet. "Eigentlich sollte ich dir jetzt ins Gewissen reden und dir sagen, dass du dich auf jeden Fall für Nathan entscheiden solltest, immerhin hast du mit ihm bereits eine jahrelange Beziehung, diesen Harry hingegen kennst du knapp eine Woche", begann sie. "Aber", fragte ich unschlüssig nach, da ich der Meinung war, dass sie ihren Satz noch nicht komplett beendet hatte.
Sie begann zu grinsen. "Aber", begann sie und richtete sich nun komplett auf, um mich mit ihren strahlenden Augen zu mustern. "Ich würde genauso reagieren wie du, wenn mir plötzlich ein Typ über den Weg läuft, der vorgibt aus einem anderen Jahrhundert zu stammen. Das ist so abgefahren und aufregend, kein Wunder, dass du davon angetan bist!" Das war zwar nicht die Hilfe die ich erwartet hatte, jedoch hatte ich wenigstens ihr Verständnis, was mir auch schon sehr viel Wert war.
"Ich muss Harry einfach besser lernen, auch wenn dies nun heißt, dass ich Nathans Gefühle verletzten muss", seufzte ich und fasste einen Entschluss.
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