
Fourteen
H A R R Y
"Jetzt stecken wir dich erst einmal unter die Dusche, denn Krankenhausduft ist in meiner Wohnung strengstens verboten", lachte Faith und schob mich Richtung Badezimmer. Es war nicht sonderlich groß, aber es besaß alles, was man zum Leben brauchte. In ihren Schränken wühlte sie umher und gab mir schließlich ein großes, frisches Badetuch. "Warte einen Moment, ich glaube ich hab noch frische Sachen von Nathan hier, die kannst du dir vorerst ausleihen, bis wir dir selber etwas gekauft haben", informierte sie mich und bevor ich noch antworten konnte, war sie auch schon wieder aus dem Zimmer gestürmt.
Da war sie wieder, die Sache mit dem Geld. Schon in meinem Leben im vorigen Jahrhundert gehörte ich nicht gerade zu den Menschen, die Geld in Unmengen hatte, jetzt jedoch hatte ich gar nichts, keinen einzigen Penny. Was die ganze Situation nur noch zusätzlich verschlimmerte war die Tatsache, dass ich vom Geld des 21. Jahrhunderts nicht einmal Ahnung hatte. Für letzteres stand mir Faitz zu Verfügung, jedoch Geld von ihr annehmen wollte ich auf keinen Fall.
"Hab noch welche gefunden, hoffentlich passen sie dir, aber eigentlich müsste die Größe ganz gut hinkommen", riss sie mich aus meinen Gedanken und überreichte mir frische Klamotten. Im Schnellverfahren erklärte sie mir noch den Temperaturregler und dann lies sie mich auch schon alleine zurück. Das Wasser hatte eine herrliche Temperatur, am liebsten wäre ich gar nicht mehr aus der Dusche gestiegen. Früher war Warmwasser ein Privileg, welches nicht jedem vergönnt war. Nur die Reichen konnten es sich leisten jeden Tag Unmengen an Warmwasser zu verschwenden, meine Familie gehörte unglücklicherweise nicht dazu. Wir mussten an Holz sparen, um im Winter nicht zu erfrieren, da blieb immer nur Holz für den Sonntag übrig, an dem wir uns eine warme Dusche genehmigen konnten. Ich war es nicht anders gewohnt, deshalb machte mir eine kalte Dusche wohl auch nicht viel aus. Meine Eltern versuchten meiner Schwester und mir immer das beste Leben zu ermöglichen, wie sie nur konnten, jedoch waren ihren finanziellen Mittel sehr begrenzt. Mein Vater hatte nur eine billige Arbeitsstelle, bei der er nur einen Bruchteil verdiente, als er für seine verrichtete Arbeit eigentlich bekommen sollte. Meine Mutter wurde gekündigt, nachdem sie mit meiner Schwester schwanger geworden war und hat seitdem keine Arbeit mehr gefunden. Seit ich mit der Schule fertig war, hatte ich immer wieder Aushilfsjobs angenommen, nur um meinen Eltern unter die Arme zu greifen.
Bei dem Gedanken an meine Familie bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Vermutlich würde ich sie nie wieder sehen, denn sie waren wahrscheinlich vor Jahren bereits gestorben. Dies ließ mich stutzig werden. Tausend neue Fragen tauchten in meinem Kopf auf. Mir wurde schwindlig und ich hatte Schwierigkeiten mich noch auf den Beinen zu halten. Schnell griff ich nach dem Duschvorhang, doch es war zu spät. Mit einem lauten Knall landete ich quer in der Badewanne, die ebenfalls als Dusche benutzt werden konnte. "Oh mein Gott Harry, ist alles in Ordnung?", fragte Faith ziemlich besorgt und aufgeregt vor der Tür. War alles in Ordnung? Natürlich nicht, aber darauf war ihre Frage nicht ausgerichtet. "Ich denke schon", murmelte ich und begann damit meinen Körper nach Verletzungen abzuchecken. Schmerzen nahm ich in meiner Brust und an meiner Stirn wahr. "Fuck", murmelte ich, als ich sah, dass sich das klare Wasser leicht rot färbte. Ich blutete. Zuerst nahm ich an, dass meine Wunder an meiner Brust wieder aufgeplatzt war, doch zu meinem Glück war dies nicht der Fall. Langsam richtete ich mich auf, stieg vorsichtig aus der Badewanne und betrachtete mich selber im Spiegel. Da war der Ursprung des in der Badewanne angesammelten Blutes. Eine kleine Platzwunde schmückte nun meine Stirn und blutete immer noch ein klein wenig. Schnell band ich mir das Handtuch um die Hüften und bat Faith einzutreten.
"Harry! Um Himmels Willen was machst du nur für Sachen. Setz dich sofort auf den Rand der Badewanne, ich hole meinen Verbandskasten." Da jeglicher Widerspruch sowieso zwecklos wäre und ich mich außerdem nicht besonders gut fühlte tat ich wie mir befohlen wurde und nahm Platz. Es dauerte nicht lange, da kam Faith auch schon wieder herbeigeeilt und kniete sich vor mir hin. "Einen Heiratsantrag musst du mir aber nicht gleich machen", witzelte ich, doch Faith verdrehte nur die Augen. "Das könnte jetzt ein klein wenig brennen", sagte sie und biss sich dabei auf die Lippen, was sie verdammt attraktiv machte. Ich hatte gar keine Zeit mehr, um nachzufragen, was sie denn mit mir vorhatte, da sprühte sie auch schon mit irgendeinem Zeug auf meine Wunde. Ich zog scharf die Luft ein, da es wirklich verdammt brannte, aber Schmerz wollte ich vor ihr nicht zugeben.
Sie versorgte die Wunde ausführlich und klebte mir danach ein fettes Pflaster auf die Stirn. "Die Wunde ist nicht tief, deshalb sollte das Pflaster reichen, allerdings müssen wir es unter Beobachtung halten, denn sollte es sich entzünden, müssen wir sofort das Krankenhaus aufsuchen." Ich seufzte, von Krankenhäusern hatte ich wirklich genug. Einfach alles an diesen Einrichtungen brachte mir Gänsehaut. Der Gestank, das Ambiente, einfach alles. Noch dazu kam hinzu, dass mir keiner dieser tollen Ärzte auch nur ein klein wenig Glauben schenkte bezüglich meiner Herkunft und dem Schicksal, welches mir widerfahren war.
"Weißt du eigentlich, dass du ein ziemlich nachdenklicher Mensch bist Harry?", fragte mich Faith und riss mich erneut aus meinen Gedanken. "Wahre Worte meine Liebe", sagte ich etwas betrübt. "Doch würde es dir anders ergehen, wenn du eigentlich bei einem Amoklauf grundlos ums Leben gekommen bist, allerdings nicht wie erwartet im Himmel wieder aufwächst, sondern im nächsten Jahrhundert?", fragte ich sie betroffen und suchte immer noch nach Antworten, die ich womöglich nie bekommen würde. "Vermutlich nicht", antwortete sie ehrlich.
"Leider muss ich jetzt los, da mir noch eine langweilige Vorlesung bevorsteht, aber fühl dich einfach wie zu Hause. Deine Medikamente gegen die Schmerzen nehme ich dir auch gleich mit. In ca. 3 Stunden müsste ich wieder da sein."
Obwohl Faith schon spät dran war nahm sie sich noch kurz die Zeit und erklärte mir ihren Fernseher, der sich anscheinend Flatscreen-TV nannte. Er hatte hervorragendes Bild und war noch dazu in Farbe, ich war begeistert. Sie konnte ich mir die drei Stunden wirklich angenehm vertrödeln und einfach einmal abschalten, ohne tausend Fragen auf einmal beantworten zu wollen.
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Denkt ihr Harry wird noch Antworten bekommen?
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