Four
F A I T H
Als ich endlich die viel zu volle Universität verlassen konnte herrschte schon dichter Verkehr auf dem Campus. Aus allen Richtungen trudelten die Studenten ein, tummelten sich zum nächsten Hörsaal oder versuchten sich noch in den bereits überfüllten Bus zu drängeln. "Spinner", murmelte ich zu mir selbst und war sichtlich erleichtert, dass keiner meine abfällige Bemerkung gehört hatte, man konnte ja nie wissen wie fremde Menschen darauf reagieren würden.
Ich wollte gerade in die nächste U-Bahn einsteigen, als ich bemerkte, dass ich meine Schlüssel zu Hause vergessen hatte. "Mist", fluchte ich und schloss meine Tasche wieder, aus der ich gerade meine Bahnkarte herauskramen wollte. Mir blieb wohl oder übel nichts anderes übrig als meiner Mutter im nahe liegenden Krankenhaus einen Besucht abzustatten, um mir ihren Schlüssel auszuleihen, ansonsten würde ich vermutlich den ganzen Tag vor der verschlossenen Haustüre warten und in der Hitze schmelzen.
Leicht genervt schlängelte ich mich durch die anderen Passanten, die im Gegensatz zu mir in die Bahn einsteigen wollten und sich nicht wieder von ihr entfernten. Ein paar Rempler später war ich wieder auf dem Bürgersteig und konnte mich wieder frei bewegen. Wie ich diese Ansammlung von Menschenmassen doch hasste, aber selber schuld, ich musste ja unbedingt studieren gehen, allerdings nicht so wie meine Mutter allgemeine Medizin, sondern Psychologie. Es faszinierte mich schon immer, welch faszinierende Dinge unser Gehirn mit uns anstellen konnte.
Bereits als ich den ersten Schritt zur Tür herein machte wurde ich von etlichen Pfleger und Krankenschwestern begrüßt. Ich war hier bereits wohl bekannt, immerhin war meine Mutter eine vorzeige Ärztin, von der sich jeder hier ein Stück abschneiden konnte. Viele sahen zu ihr auf, wollten so sein wie sie, andere gingen ihr aus dem Weg und wollten jeglichen Kontakt vermeiden, allerdings nur weil sie neidisch auf ihre Fähigkeiten waren.
"Hey Lucy, hast du vielleicht meine Mutter gesehen?", fragte ich einer der Krankenschwestern, die gerade genüsslich an ihrem Kaffee schlürfte.
"Vor fünf Minuten war sie noch auf der Bettenstation vier, ziemlich weit hinten."
"Vielen Dank", antwortete ich der rundlichen Dame und schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Mit dieser Information begab ich mich zum Aufzug, der mich direkt in den vierten Stock befördern sollte. Auch wenn ich eigentlich ein sportlicher Typ war, so zog ich es nach einem anstrengenden, meiner Meinung nach auch noch viel zu heißem Tag dann doch vor, den Aufzug zu benutzen.
"Bettenstation vier. Gipszimmer. Ambulanz", erklang die eintönige Stimme einer Dame, die vermutlich vor weiß ich wie vielen Jahren dieses Band einmal aufgenommen hatte. Seit ich hier öfters mal vorbeischaute, vor allem aus dem Grund, da ich wieder einmal meine Schlüssel vergessen hatte, gab es dieses Band schon und würde sich vermutlich auch nicht mehr ändern. Meiner Meinung nach klang die Stimme viel zu unmotiviert und träge, keine gute Aufheiterung für kranke Menschen, aber wen interessiert schon die Meinung einer Psychologie-Studentin im zweiten Semester.
Bereits als die Tür aufsprang konnte ich meine Mutter am Ende des Flures erspähen, jedoch war sie nicht alleine. Sie war gerade in ein ziemlich energisches Gespräch mit zwei Polizisten beschäftigt, soweit ich dies aus meiner Entfernung anhand ihrer wilden Gestikulierungen deuten konnte.
Unauffällig nahm ich einen anderen Weg, der mich direkt hinter die drei Personen brachte und ich so heimlich lauschen konnte. Ich liebte es an fremden Gesprächen teil zu haben, auch wenn sie keineswegs für meine Ohren bestimmt waren.
"Ihr Patient hat uns eine Geschichte von einem Amoklauf aufgetischt, der bereits fast 100 Jahre lang zurückliegt", erzählte einer der Patienten und mit jedem Wort das über seine Lippen kam wuchs meine Neugier.
"Ich versteh natürlich, dass sie verwirrt und aufgebracht sind, aber vermutlich gibt es eine ganz einfache, medizinische Erklärung für die ungewöhnliche Aussage meines Patienten. Ich nehme an, aufgrund seines Alters, dass er eventuell noch eine Schule besucht und erst kürzlich diesen Amoklauf im Unterricht durch genommen hat. Sein Gehirn hat durch den Schock den er erlitten hat einige Dinge durcheinander gebracht und nun bildet er sich ein, dass er tatsächlich an diesen Amoklauf beteiligt war, der jedoch schon sehr viele Jahre der Vergangenheit angehört. Machen Sie sich aber keine Sorgen meine Herren, in spätestens einer Woche sollte er sich wieder an den tatsächlichen Tathergang erinnern können."
Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Die Erklärung die meine Mutter den ungeduldigen Polizisten hier auftischte war meiner Meinung nach eine blanke Lüge. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass sie keine Ahnung hatte was mit ihrem Patienten tatsächlich los war, doch ich würde der Sache auf den Grund gehen und das schon heute.
Meine Mutter war zu meinem Glück immer noch in ihr Gespräch verwickelt, sodass ich mich hinter ihrem Rücken ganz einfach in das Zimmer des Jungen, der anscheinend Harry Styles hieß, hineinschleichen konnte.
"Stör ich?", fragte ich freundlich und schenkte ihm ein Lächeln, immerhin wollte ich nicht gleich wieder aus seinem Zimmer geworfen werden.
"Nein, komm nur herein, allerdings ist deine Mutter im Moment nicht da, wenn du wieder nach ihr suchst", antwortete er mir sofort.
"Ich suche nicht nach ihr, ich bin deinetwegen hier." Man konnte genau sehen, dass ihn meine Antwort mehr als nur verwunderte.
"Ja, deinetwegen", lachte ich, schnappte mir einen Stuhl und platzierte ihn neben seinem Bett.
"Aber warum?"
"Ich habe von deiner Story gehört." Sofort verfinsterte sich sein Blick.
"In deinem Mund klingt es so, als hätte ich die Geschichte nur erfunden. Wenn du mir nicht glaubst kannst du gleich wieder gehen, ich musste heute schon genug merkwürdige Blicke der Polizisten ertragen, da brauch ich nicht auch noch die eines schönen Mädchens." Ich musste leicht kichern, da er verdammt schnell redete und mich soeben vermutlich unabsichtlich schönes Mädchen genannt hatte.
"Ich glaube dir, deshalb bin ich hier."
"Du glaubst mir?", fragte er schon wieder ziemlich perplex. Ich konnte es ihm auch nicht übel nehmen, anscheinend zweifelt hier so ziemlich jeder an seiner Geschichte.
"Hast du was an den Ohren?", lachte ich. "Ich meinte doch gerade, dass ich dir glaube." Ich wartete einige Zeit auf eine Antwort seinerseits, doch leider blieb diese aus. Ich hatte ihn vermutlich mit meinem Besuch ziemlich überrumpelt, sodass er momentan nur ein einfaches Nicken zu Stande brachte.
"Ich bin übrigens Faith", sagte ich dann, um die Stimmung ein wenig auf zu lockern.
"Schöner Name. Ich bin Harry."
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Ich habe das Kapitel gerade um halb elf Uhr abends geschrieben, weil ich in weniger als drei Stunden los muss zum Flughafen. Ich fliege mit meiner Klasse auf Sprachwoche nach Malaga :)
Eigentlich habe ich momentan kaum Zeit zu schreiben, weil ich in zwei Wochen meine erste mündliche Abiprüfung habe, aber ich wollte den heutigen Tag nützen, um euch ein Kapitel zu schenken.
Über Rückmeldungen würde ich mich sehr sehr freuen.
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