9. Wandertag
> Real Life <
Als nächsten Tag wache ich mit einem mulmigen Gefühl auf. Echt ätzend. Ich will die Schule einfach schnell hinter mich bringen und dann ab nach Etir.
Als ich das Klassenzimmer betrete, verhalte ich mich wie immer sehr unauffällig, begrüße keinen, schaue keinen an und setze mich auf meinen leeren Platz in der letzten Reihe. Nicht mal einen Sitznachbarn habe ich, ist mir aber auch egal. Schließlich bin ich es mittlerweile gewohnt in der Schule alleine zu sein. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr, wenn es endlich keine Klassen mehr gibt und ich dann zusammen mit Linus in den Unterricht kann.
In der ersten Stunde haben wir Deutsch, zusammen mit unserem Klassenlehrer, der uns an die Exkursion erinnert, die morgen am Wandertag stattfindet. Richtig unnötig. Wofür gibt es solche Tage überhaupt? Wir werden einfach sinnlos irgendwelche Feldwege entlang laufen, macht bestimmt unheimlich viel Spaß. Am liebsten würde ich mich einfach krank stellen und schwänzen, aber das würde Linus nicht zulassen. Er ist schon die ganze Zeit der Meinung, dass ich mich meinen Mitschülern gegenüber endlich öffnen sollte, um mich mit ihnen anzufreunden. Aber wie spricht man denn jemanden an, mit dem man das ganze Jahr über noch kein Einziges Wort gesprochen hat? Wir sind erst dieses Jahr in die Gegend gezogen, aber Linus hat schon etliche neue Freunde gefunden. Wie macht er das nur?
- Nächster Tag -
Mies gelaunt sitze ich in der Luftbahn, während alle um mich herum aufgeregt aus dem Fenster starren oder sich laut unterhalten. Die Fahrt dauert ca. 45 Minuten. Lohnt es sich ein Nickerchen zu halten? Die Frage ist, ob sich irgendjemand die Mühe machen wird, mich zu wecken. Ich seuftze und packe mein Essen aus, um die Langeweile etwas erträglicher zu machen, als sich plötzlich jemand neben mich setzt.
"Hey." Ein Mädchen mit langen braunen Haaren und einer Brille lächelt mich freundlich an. Ich glaube es ist unsere Klassensprecherin. Wie heißt sie noch gleich? Melanie? "Hi.", gebe ich knapp zurück und starre auf mein Brot in meiner Hand. Wieso setzt sie sich neben mich? Gibt es etwa keine freien Plätze mehr? Ich sehe mich kurz um. Doch, sogar neben den anderen Mädchen ist noch frei.
"Wie geht es dir?", fängt sie Smalltalk an. Ich hasse solche Fragen, was soll man darauf antworten? "Gut.", murmel ich kurz. Wow, ich bin echt ein Konversationskiller. Ich weiß, dass ich mich gerade ziemlich unhöflich und abweisend verhalte, aber ich weiß einfach nicht was ich antworten sollte. Kann sein, dass ich ziemlich schüchtern bin, was ich mir aber nicht anmerken lassen will.
Melanie scheint es gewohnt zu sein, viel zu reden, zumindest lässt sie sich nicht so leicht abschütteln. "Du bist immer alleine, oder? Wieso eigentlich?" Was ist das denn bitte für eine Frage? Vielleicht weil ich keine Freunde habe? Weil ich keine Lust habe zu reden? Nein, das stimmt nicht. Da ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, zucke ich kurz mit meinen Schultern. "Weiß nicht."
"Scheinst ja nicht besonders gesprächig zu sein.", sie grinst mich an. "Was soll ich denn sagen?", frage ich kleinlaut.
"Hmm..", sie überlegt kurz, "was machst du so in deiner Freizeit?" - "Ich bin die meiste Zeit in Etir.", antworte ich relativ schnell. "Etir? Ach, dieses Spiel da?" Dieses Spiel da? "Kennst du's nicht?", frage ich sie erstaunt. "Ich halte nicht wirklich viel von Spielen.", meint sie daraufhin. "Was?! Es ist nicht nur ein Spiel, es ist eine andere Welt, ein zweites Leben!", rufe ich empört, woraufhin sie leise prustet: "Du scheinst ja ziemlich begeistert davon zu sein." - "Natürlich. Wer ist das nicht?", ich sehe sie kurz an, "Außer dir vielleicht. Du bist echt komisch." Erschrocken halte ich mir die Hand vor den Mund. Das ist mir nur so raus gerutscht.
"Ach, nur weil ich nicht mit der Flut schwimme bin ich gleich komisch?"
Auch nachdem wir die Bahn verlassen haben, weicht sie nicht von meiner Seite. Ich habe die ganze Zeit damit zugebracht sie von Etir zu überzeugen, indem ich ihr alles mögliche darüber erzählt habe.
"Du siehst wirklich genauso aus wie dein Bruder, wenn du von etwas begeistert bist.", meint sie aufeinmal. Überrascht sehe ich sie an. "Linus?" Sie nickt lächelnd. "Liegt viellecht daran, dass wir Zwillinge sind.", lache ich, "Kennst du ihn persönlich oder wie kommst du plötzlich darauf?" - "Naja, er spielt im selben Verein wie mein Bruder. Ich komme manchmal zum Zuschauen. Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich sogar er wäre du, bis ich gemerkt habe, dass er sich ganz anders verhält und Linus heißt. Dann habe ich ihn auch in der Schule bemerkt.", erklärt sie mir. Verstehe. "Wieso spielst du eigentlich nicht Basketball?", fragt sie dann interessiert. Ich zucke mit den Schultern: "Liegt mir irgendwie nicht. Wir sind zwar Zwillinge, aber ich bin noch lange nicht so sportlich wie Linus."
Heute ist das erste Mal seit langem, dass ich gut gelaunt von der Schule komme.
"Ist etwas Gutes vorgefallen?", fragt mich Linus beim Mittagessen erstaunt. Auch meine Mutter scheint zu merken, dass ich mich anders verhalte. "Ich denke ich habe mich mit jemandem angefreundet.", verkünde ich stolz. Linus scheint sich daraufhin ziemlich für mich zu freuen, während es Mum ein Rätsel ist, weshalb ich mich das glücklich macht. Immerhin habe ich ihr nie verraten, dass ich keine Freunde habe.
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Bis jetzt ist die Geschichte nicht spannend und es passiert kaum was, darum freut es mich, dass ihr sie trotzdem lest xD Danke dafür ^^
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