2) Immer wieder rot
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Ein ellenlanger Schultag und etliche Stunden sind vorüber.
Ich weiß nicht, wie oft ich mir anhören musste, dass ich unaufmerksam bin. Wie oft Beschwerden kamen. Doch ich hatte keine Kraft, mich darum zu kümmern.
Dieses Mädchen scheint mir alles zu nehmen, was ich habe.
Meine Familie mag mich nicht mehr, denn sie ist viel netter.
Meine Freunde lieben ihren Akzent, ihre witzigen Erzählungen und sogar ihre grünen Augen.
Mein Schwarm steht voll auf sie, was mich noch in Wahnsinn treibt.
Ihre tollen Augen, ihr schönes Haar, ihre Intelligenz, ihre wunderbaren Witze...
Niemand, der mir hier Glauben schenken würde.
Meine Lehrer lieben sie.
Sie ist klüger als ich, auch wenn ich trotz meiner mangelhaften Mathekenntnisse Klassenbeste bin.
Sie ist schöner als ich, auch wenn ich nicht hässlich bin.
Sie kann sich benehmen, nie flucht sie, auch wenn ich es dauernd mache.
Sie hat keine nervige Schwester, die immer auf schräge Ideen kommt und eine Bombe im Schulhof bastelt. Na gut, damit habe ich eigentlich was viel Cooleres als sie.
Doch das Wichtigste: SIE ist nicht ich. Immer besser, klüger, hübscher und witziger.
Und keiner bemerkt dieses Rot.
Rot.
Funkelnde Augen.
Gemeines Lächeln.
Wenn ich sie noch eine Sekunde länger ertragen muss, werde ich wahnsinnig!
Wenigstens kann ich in einer halben Stunde mit Dora videochatten. Sie wird mir bestimmt helfen. Sie ist die einzige, die mich niemals verlassen wird, wegen... wegen so jemanden!
Mein Tränen laufen haltlos, seit Beatrice da ist. Ich kann sie nicht mehr ertragen! Und dann noch dieser Name.... Pfui deibel! Beatrice. Das wird Beatrisz ausgesprochen. Wirklich seltsamer Name.
Und ihre blutroten Locken können doch nicht schön sein! Nein, sie sind abscheulich! Sie ist nie im Leben blond.
Rot. Werde ich diese Rottöne niemals los? Das Blatt ist ja schon von Tränen erfüllt! Wie gern würde ich mich einfach hinlegen, nichts tun und aufgeben. Beatrice gewinnen lassen. So wie sie es will. Doch Dora würde es nie wollen. Und allein für sie lohnt es sich zu kämpfen.
Unser Foto auf meinen Schreibtisch. Ich, die gerade im Matsch spazieren war und Dora, die sich über und über mit roter Farbe bekleckert hatte. Und trotz all der Farbe war das Bild nicht rot. Nein, es war das einzige, das Beatrice noch nicht ruiniert hatte, sie würde es niemals tun.
L&D
Dabei bin ich nicht Lissy und Dora nicht Dora.
E&T
So würde es richtig heißen, aber das habe ich niemandem jemals erzählt. Früher war ich immer Elisabeth und sie Theadora. Doch das weiß niemand mehr. Nur wir beide. Unsere Freundschaft wird ewig halten, selbst wenn Beatrice alles in meinem Leben zerstört. Das hoffe ich jedenfalls...
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Der Videochat mit Dora ist beendet.
Zehn ganze Minuten ohne das Rot sind vergangen. Die zehn beruhigendsten Minuten meines Lebens. Nie war ich so glücklich, eine Farbe los zu sein.
Dora ist natürlich über den Leichenfund überglücklich. Aber Dora ist eben Dora. Selbst eine Leiche macht sie fröhlich. Sie meint, wir sollten Detektive spielen. Ich bin ihrer Meinung. Ich bin immer ihrer Meinung.
"Besorg dir eine schwarze Hose, ein schwarzes T-Shirt und einen schwarzen Umhang. Oh, natürlich auch noch einen angespitzten Besenstiel!"
Das mit dem Besenstiel war typisch sie. Wenn ich schon Undercover war, sollte ich auch noch Vampirjäger spielen. Sinnlos aber lustig.
"Freunde dich mit dem hässlichen Biest an. Das macht es dir leichter, ihr die Haare abzufackeln" Bei jeden ihrer Sätze bekam ich einen Lachflash. Die schlechte Laune war danach wie weggeblasen. Doch ich befürchte, dass damit nicht alles beendet ist. Nein, der Kampf ist nicht vorbei, selbst wenn Dora es mit einem Lachen abtut.
Nach unserem Videochat musste ich dringend, was ich zwar nicht besonders empfehlenswert zum Niederschreiben empfinde, was aber etwas damit zu tun hat, was in meiner "Abwesenheit" geschehen ist.
B.
Ein schreckliches, hässliches B direkt über dem Foto von mir und Dora.
Etwas eindeutig? Ja.
Glaubt mein Vater, der endlich eine Assistentin zum Autoreparieren gefunden hat, denn ja, das kann sie auch, dass sie unschuldig ist? Wieder ja.
Es ist zum Ausrasten! Und genau das ist, was ich gerade tue.
"RUHE!" Die Stimme meiner Mutter ist manchmal sehr energisch, kann ich sagen. Besonders, wenn sie sich aufregt.
Seit Beatrice hier ist, gerät einfach alles aus dem Fugen. Ich hoffe, sie verschwindet. Sie MUSS verschwinden. Sowie auch dieses Rot.
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Ich weiß, ich sollte um diese Uhrzeit nicht wach sein, aber ich bin es. Eigentlich musste ich nur "ein Glas Wasser holen", der wahre Grund ist mir zu peinlich, um ihn zu nennen. Doch ein seltsames Kratzen hielt mich doch davon ab.
Ich brauchte nur eine Minute, um dem kratzenden Geräusch nachzugehen, doch das war schon zu viel. "Ist da wer? Ich bin bewaffnet!", schrie ich leise, damit nicht das ganze Haus mich hörte. Ich weiß, dass man eine Blumenvase mit Orchideen nicht als die idealste Waffe bezeichnen kann, aber sicherlich als die Originellste. Auch meine Nervosität war nicht ideal, aber ich konnte damit fertigwerden.
Das Schleifgeräusch hörte auf und es wurde still. Zu still, um ehrlich zu sein. Die Tür von Beatrices Zimmer war zu. Also konnte es ausnahmsweise nichts mit ihr zu tun haben.
Ich kratzte die letzten Fünkchen meines Mutes zusammen und öffnete die Tür. Das leise Knarren war beängstigend. "Nur nicht den Mut verlieren, Lissy!", redete ich mir leise zu, "Dora wäre stolz auf dich!" Doch die Panik nahm doch Besitz von mir, so dass ich kreischend in den ersten Stock rannte. Es war viel zu viel.
Es MUSSTE etwas mit Beatrice zu tun haben!
Das hatte es auch, unübersehbar.
Rot.
Blut.
Diese Albträume!
Werde ich eines Tages wieder normal?
Meine Mutter schüttelte mich, doch ich konnte nicht antworten. Ich zitterte nur, während Beatrice amüsiert nach unten kam und ihre grünen Augen mich förmlich zerfleischten.
"Was ist Schätzchen? Was ist los mit dir?", fragte Mutter. Ich deutete mit dem Kinn nach oben.
Zusammen liefen wir hoch. Endlich würde sie sehen, was für ein Biest Beatrice ist! Aber... wieso war sie unten? Was war nur los?
"Was ist denn? Hast du schlecht geträumt? Armes, ruh dich aus. Und bitte, bitte weck uns nachts nicht mehr, nur weil du Albträume hast."
Ja, diese Albträume kamen von Beatrice. Von dem Mädchen, das gerade eben noch auf meinem Teppich ausgeblutet dalag und danach seelenruhig neben mir stand.
Rot.
Blut.
Aufhören!
Ich wollte nur noch aufgeben, doch ich konnte nicht.
Nur der Teppich mit den Blutspuren war verschwunden...
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