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Jisungs Sicht
Der Bass dröhnte durch den Raum, und die Schritte meiner Bandkollegen hallten synchron auf dem harten Studioboden wider. Wir hatten heute eine neue Choreografie durchzugehen – und natürlich war Minho voll in seinem Element, jede Bewegung exakt auf den Punkt, jeder Schritt so mühelos, dass es fast unfair wirkte. Manchmal fragte ich mich, ob Perfektion einfach in seiner DNA steckte.Doch heute fiel es mir schwer, meinen Rhythmus zu finden. Während Chan und die anderen in voller Konzentration tanzten, driftete mein Blick immer wieder zu Minho ab. Es war, als ob mein Körper die Choreo tanzte, aber mein Kopf irgendwo anders war. Vielleicht lag es an der Müdigkeit oder an den endlosen Proben... oder daran, dass Minho in letzter Zeit irgendwie anders wirkte. Oder besser gesagt – dass ich ihn anders wahrnahm.„Jisung, du hinkst wieder hinterher!" rief Chan von der anderen Seite des Raumes, seine Stimme etwas erschöpft, aber geduldig. Ich schüttelte den Kopf, versuchte das Grinsen, das mir in die Mundwinkel kroch, zu unterdrücken und gab mir einen Ruck.„Sorry, sorry! Ich hab's gleich," murmelte ich und schloss schnell zu den anderen auf.Minho warf mir einen kurzen Blick über die Schulter, und in seinen Augen lag dieser typische Minho-Ausdruck – ein Hauch von Tadel, gepaart mit einem kleinen, neckischen Funkeln, das ich sofort erkannte. „Konzentration, Jisung," sagte er leise, aber ich sah das Grinsen, das er kaum verstecken konnte.„Jaja, ich bin voll da," erwiderte ich gespielt ernst und zwang mich, den Blick wieder auf meine Schritte zu richten.Wir liefen die Choreografie noch einmal durch, jeder Schritt sauber, präzise – so wie es sein musste. Aber dann kam die Stelle, an der ich und Minho in die Mitte rückten, Rücken an Rücken, als Teil der Formation. Ich spürte seine Präsenz, die Hitze, die von ihm ausging. Der Abstand zwischen uns war minimal, und selbst durch die Musik und das Chaos der Proben hindurch konnte ich ihn hören. Seinen Atem, den Rhythmus seiner Bewegungen. Es war seltsam beruhigend, wie er im Takt blieb und ich mich einfach darauf verlassen konnte, dass er da war.„Okay, das reicht erst mal," rief Chan schließlich und stoppte die Musik. „Pause für zehn Minuten, dann machen wir weiter."Erleichterung machte sich im Raum breit, und ich ließ mich auf den Boden sinken, schnappte mir meine Wasserflasche und trank einen großen Schluck. Die anderen verteilten sich in kleinen Grüppchen, und das Gespräch driftete schnell zu Alltäglichem – zur Musik, zum Essen, und zum nächsten Trainingsplan.Minho setzte sich neben mich, völlig entspannt, als ob wir gerade nicht zwei Stunden intensiv getanzt hätten. Er streckte die Beine aus und lehnte sich an die Wand. „Du wirkst heute abwesend," stellte er fest und warf mir einen Seitenblick zu. Seine Stimme war leise, damit die anderen uns nicht hörten, aber neugierig, wie immer, wenn er eine Beobachtung gemacht hatte.Ich zuckte mit den Schultern, versuchte, locker zu klingen. „Ach, es ist nur... lange Woche und so." Ich grinste und zuckte erneut mit den Schultern, als wäre es nicht weiter wichtig. „Nichts Besonderes."Minho zog eine Augenbraue hoch und musterte mich kurz. „Schon klar," murmelte er, schüttelte dann aber nur leicht den Kopf. „Pass einfach auf, dass du beim nächsten Durchlauf nicht in Gedanken abdriftest, sonst wird Chan noch verrückt." Seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen, das für einen Moment wieder dieses Funkeln in seinen Augen zeigte, und irgendwie brachte mich das zum Lächeln.„Ja, ja, ich bleib konzentriert," versprach ich und trank noch einen Schluck Wasser.Sein Blick blieb kurz an mir hängen, und ich konnte spüren, dass er noch etwas sagen wollte. Doch bevor er es tun konnte, rief Felix von der anderen Seite des Raumes laut: „Jungs, wenn ihr fertig gelacht habt, geht's weiter!"Minho verdrehte die Augen und stieß mich leicht an, als wir uns beide hochzogen. „Na los, Mr. 'Ich bin abgelenkt', zurück in die Formation."Die anderen standen schon bereit, und wir reihten uns wieder ein. Die Musik startete erneut, und ich zwang mich, dieses Mal voll und ganz bei der Sache zu bleiben. Doch immer wieder spürte ich diesen Blick in meinem Rücken, diesen kurzen, intensiven Moment, in dem sich Minho's und mein Blick trafen – fast wie eine Art unausgesprochenes Versprechen, das ich noch nicht ganz verstand.Wir tanzten die nächsten Schritte, und selbst als wir in der Choreografie wieder auseinander gingen, war sein Blick immer noch präsent.
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