28. Proximity
Niall nahe zu sein war das Beste, was ich mir vorstellen konnte. Wenn er mich küsste und mich berührte konnte ich einfach alles vergessen. So auch, dass ich eigentlich sexuell noch eher unerfahren war und das auch so schnell nicht ändern wollte oder konnte. In diesem Moment dachte ich aber einfach nicht nach und strich fast beiläufig mit meiner rechten Hand über seine Arme, seinen gesamten Oberkörper und insbesondere die Beule in seiner Hose.
Ups. Für einen kurzen Moment war ich etwas erschrocken und löste den Kuss. Etwas unsicher sah ich Niall an. Wollte er denn so berührt werden? Und wollte ich ihn eigentlich so berühren?
„Entschuldige Lena, mein Körper reagiert einfach auf dich", er lächelte dabei etwas verhalten. „Ich hoffe das stört dich jetzt nicht. Wir können auch kurz eine Pause machen." Er wollte schon von mir wegrücken, aber das wollte ich ja nun wirklich nicht.
Ich wusste erst nicht so recht, was ich sagen sollte, da es mir doch etwas unangenehm war, aber dann überwand ich mich: „Alles okay Niall, das ist ja ganz normal und ich finde es auch irgendwie schön. Darf ich ein bisschen was ausprobieren?"
„Klar, mein Körper steht zu deiner Verfügung", witzelte er ermutigend.
Ich antwortete darauf nicht und begann stattdessen wieder, ihn zu küssen. Dabei begab sich meine Hand erneut auf Wanderschaft und ich begann, ihm vorsichtig über die Hose zu streichen. Das fühlte sich sehr ungewohnt, aber auch irgendwie gut an. Ich genoss vor allem, dass es Niall zu gefallen schien.
„Was hältst du davon, wenn wir gleich nach oben ins Bett gehen und es uns da ein bisschen gemütlich machen?", wisperte er nach einiger Zeit mit rauer Stimme. „Da haben wir auch mehr Platz als auf dem Sofa."
Ich stimmte ihm zu, und gemeinsam machten wir uns auf den Weg nach oben, nachdem er den Fernseher ausgeschaltet hatte.
„Ich muss nochmal kurz ins Bad", sagte ich und Niall nickte mir zu.
Als ich mich beim Händewaschen im Spiegel betrachtete, fielen mir meine roten Wangen auf und das Strahlen meiner Augen. Es war wirklich kaum zu glauben, was Niall mit mir machte. Ich fühlte mich richtig gut, weil ich es gewagt hatte, einen Schritt weiter zu gehen. Und die Schmetterlinge in meinem Bauch stimmten mir dabei zu.
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, wollte ich mich überhaupt nicht von Nialls Umarmung trennen. Durch seine Arme um mich fühlte ich mich unglaublich geborgen und sicher. Dieses Gefühl hatte ich bei niemandem sonst so sehr, nicht einmal bei meinen Eltern. Es war diese Art von Gefühl, die man nie mehr missen möchte.
Leider sah mein Wecker, der nun schon zum dritten Mal klingelte, das anders. Der war scheinbar der festen Überzeugung, dass ich jetzt endlich aufstehen musste, um nicht zu spät zur Uni zu erscheinen.
Mit dem Gedanken an das gestrige Vorlesungsdebakel musste ich meinem Wecker in Gedanken zustimmen und löste mich vorsichtig aus Nialls Armen. Der war noch etwas verschlafen und nuschelte ein etwas unverständliches: „Nee, nicht gehen!"
„Ich muss jetzt duschen, sonst kann ich nicht mehr frühstücken bevor ich zur Uni muss", versuchte ich mich zu rechtfertigen.
„Ah, Dusche und Frühstück wird überbewertet", bekam ich nur zurück. Niall war definitiv noch nicht ganz wach.
Möglichst leise, damit Niall noch ein bisschen liegen bleiben konnte, sammelte ich mir meine frischen Klamotten aus meiner Tasche zusammen und bewegte mich ins Bad. Ich hatte dort inzwischen mein eigenes Handtuch hängen und fühlte mich richtig wohl, als ich unter die warme Dusche trat. Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen.
Als ich aus der Dusche kam war Niall auch schon halb aufgestanden. Da er heute keinen Termin hatte, machte er sich nichts aus frischen Klamotten oder einer Dusche und begleitete mich sofort nach unten in die Küche. Vor allem nach dem gestrigen sehr heißen Abend konnte ich nicht anders, als ihn die ganze Zeit anzuschauen. Warum musste er auch immer nur in Unterhose herumlaufen? Das machte mich ganz verrückt.
So konnte ich auch gar nicht darüber nachdenken, was ich denn nun zum Frühstück haben wollte. Niall schien das Ganze eher witzig zu finden. „Also ich kann dir Müsli oder Toast anbieten, für mehr hast du denke ich nicht die Zeit. Naja, außer du isst einfach mich auf. Deine Blicke fangen ja schon an damit." Peinlich berührt lief ich mal wieder tomatenrot an, aber Niall lachte nur.
„Dann eher Müsli." Ich ignorierte seinen Kommentar und nahm mir eine Schüssel und einen Löffel aus den Schubladen. Niall schien sich erst einmal nur mit Kaffee versorgen zu wollen und schmiss seinen Automaten an.
Nachdem wir uns an die Kücheninsel gesetzt hatten und ich bereits am Essen war, begann Niall zu reden.
„Ich habe übrigens inzwischen mit meinem Anwalt geredet. Er hat sich die E-Mails von Lukas alle durchgesehen und ist auf jeden Fall der Meinung, dass wir vorsichtig sein sollen, aber bisher kann man da wohl nichts machen."
Ich schluckte etwas. „Das heißt wir müssen einfach abwarten, ob noch etwas passiert?"
„Genau." Niall nickte. „Er hat dir ja in letzter Zeit nicht mehr geschrieben, oder?"
„Nein, das stimmt. Ich hoffe einfach, dass er das Interesse verloren hat." Tatsächlich hatte ich gar nicht mehr so viel an Lukas gedacht. Niall war einfach so viel wichtiger als dieser Vollidiot. Was ich Niall allerdings auch nicht erzählt hatte, war dass ich Lukas geantwortet hatte. Und das hatte ich eigentlich auch nicht vor, weil Niall mir vorher geraten hatte, das nicht zu tun. Im Nachhinein fühlte ich mich deshalb ziemlich unsicher und hatte auch ein bisschen schlechtes Gewissen. Eigentlich wollte ich vor Niall keine Geheimnisse haben, aber mir war es irgendwie peinlich, dass ich nicht auf seinen Rat gehört hatte.
Niall fuhr mich wieder zur U-Bahn-Station High Barnet, damit ich nicht den Bus nehmen musste. Er gab mir einen kurzen Kuss zum Abschied und wünschte mir einen schönen Tag in der Uni.
„Danke, den habe ich bestimmt. Ich melde mich dann nach meinen Vorlesungen bei dir", verabschiedete ich mich. Dann stieg ich aus dem Auto, warf ihm noch einen Handkuss zu und schloss die Tür.
Heute hatte ich zwei Vorlesungen und ein Seminar mit einer kurzen Pause zwischendrin. Dabei hatte ich endlich die Gelegenheit, einige der anderen Studierenden aus meinem Semester kennenzulernen. Bei uns hatte es keine wirkliche Orientierungswoche für die Erstsemester gegeben, und deshalb fand ich es umso schwieriger, Kontakte zu knüpfen. Während wir uns alle beim Imbiss um die Ecke ein Mittagessen holten, entstand eine kleine Gesprächsrunde, bei der auch Olivia dabei war.
„Wart ihr eigentlich schon mal so richtig in einem der Clubs hier?", wollte ein hochgewachsener Brünetter wissen, dessen Namen ich dummerweise direkt nachdem er sich vorgestellt hatte wieder vergessen hatte.
Ich musste das mit einem Kopfschütteln verneinen. Die meisten anderen taten es mir gleich, aber es gab auch zwei oder drei die nickten.
„Ich hab mir das mal angeschaut, ich bin nämlich hier in einem Vorort aufgewachsen", erwiderte ein anderer, der aussah, als hätte er pakistanische Wurzeln.
„Und, lohnt es sich?", wollte der Brünette wissen.
„Naja, ich finde die Pubs ehrlich gesagt besser. Ich stehe halt nicht so auf die Elektro-Mucke", zuckte der vermutliche Pakistani mit den Schultern. „Aber das muss jeder für sich entscheiden. Mir ist das da auch zu voll und es sind zu viele merkwürdige Gestalten unterwegs."
„Was haltet ihr denn davon, wenn wir alle zusammen ein bisschen die Pubs unsicher machen?", schlug Olivia vor. „Das wäre doch cool, wenn wir uns ein bisschen kennenlernen und durch London ziehen. Du kannst uns ja ein bisschen was zeigen, Zack." Damit sprach sie den Pakistani an.
„Klar", nickte der. „Wenn ihr Bock habt, habe ich in einer Woche Zeit. Freitagabend klingt doch gut, oder?"
Da das für alle in Ordnung war, wir hatten schließlich alle noch keine wirklichen Hobbys oder so in London, verabredeten wir uns für Freitagabend bei einem Pub ganz bei mir in der Nähe. Ich wollte das unbedingt noch mit Niall abklären, ansonsten sprach aber nichts dagegen. Und ein bisschen freute ich mich auch darauf, etwas Neues zu erleben, auch wenn das hieß, einen Abend weniger mit Niall verbringen zu können.
Als ich am Nachmittag nach Hause in die WG kam, wartete Lilly bereits auf mich. Wir hatten uns zum gemeinsamen Einkaufen verabredet, damit sie dies nicht alleine tun musste und ich freute mich darauf, dass wir auch mal wieder ein bisschen quatschen konnten.
„Und, wie läuft es bei dir so?", erkundigte ich mich, während wir gemeinsam nach den Einkaufsbeuteln kramten.
„Ach, nichts weiter besonderes", kam es zurück. „Aha, den habe ich gesucht", fügte sie an und zog einen pinken Stoffbeutel aus der Truhe im Eingangsbereich.
„Super, dann können wir los." Gemeinsam gingen wir nach draußen und schlossen die Wohnungstür hinter uns ab. Da Peter gerade nicht zu Hause war, war das dringend notwendig. Gerade vor kurzem war zwei Häuser weiter eingebrochen worden, und das brauchten wir nun wirklich nicht mit all den Musikinstrumenten in der Wohnung.
„Woran arbeitest du denn gerade? Nimmst du ein Album auf?", wollte ich wissen.
„Ach ja, wir arbeiten gerade an der Single von einem Newcomer, das geht so in Richtung Ballade", antwortete sie. „Leider ist es pianistisch nicht sonderlich anspruchsvoll. Ich wünsche mir manchmal irgendwie eine Herausforderung, das soll ja nicht alles sein, was ich musikalisch in meinem Leben erreicht habe. Ich finde dafür bin ich noch viel zu jung." Da musste ich Lilly wirklich zustimmen.
„Glaubst du denn bei Sony bekommst du so etwas noch, oder schaust du dich eher nach etwas anderem um?"
„Ich bin mir noch nicht sicher. Sony ist halt ein sicherer Arbeitsplatz, daran muss ich ja auch denken. Aber so richtig erfüllend ist das nicht, jeden Tag die gleichen vier Akkorde zu spielen." Ein wenig übertrieb sie natürlich, aber im Großen und Ganzen hatte sie Recht. Ich wusste schließlich, dass Lilly eine großartige Pianistin war, und mit ihrer klassischen Ausbildung könnte sie sicher auch ganz andere Jobs meistern.
Als Antwort nickte ich nur, denn irgendwo gab mir das auch selbst zu denken. Natürlich wollte ich einen sicheren Arbeitsplatz haben, aber ich wollte mich mindestens genauso sehr selbst entfalten, mich musikalisch und kreativ ausleben und nicht nur täglich mit Leuten wie Jean und Jane in einem kleinen Tonstudio eingesperrt sein.
„Das Problem ist aber auch, dass ich kaum noch mehr machen kann. Ich meine ich habe diesen Job eigentlich viel zu früh angenommen. Ich hätte lieber noch auf ein Konservatorium oder das Royal College of Music gehen sollen. Stattdessen habe ich im Grunde mein Talent genommen und mit Schwung weggeworfen." Ich war überrascht, wie frustriert sie klang. „Andere in meinem Alter lernen gerade erst richtig, ihr Instrument zu beherrschen, und bereiten sich auf Solistenkarrieren vor. Aber ich musste ja unbedingt gleich Geld verdienen. Manchmal bereue ich das wirklich."
Es war mir gar nicht bewusst, wie weit man sich als Musiker noch verbessern konnte, denn eigentlich kam mir Lilly vor, als könne sie schon perfekt Klavier spielen. Ich hatte aber natürlich auch keinen guten Vergleich. Selbst hatte ich es schließlich nie lange mit dem gleichen Instrument ausgehalten.
„Das ist ja echt heftig, irgendwie habe ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht", gab ich zu. Wir betraten den Supermarkt gleich bei uns um die Ecke und begannen nebenbei, mit den ersten Artikeln unsere Einkaufstaschen zu füllen. Dabei fiel mir auf, dass es etwas voller war als sonst, die Leute standen recht gedrängt an den Kassen. Vermutlich kamen gerade viele Leute von der Arbeit und wollten noch schnell ein paar Einkäufe erledigen.
„Musst du ja auch nicht." Lilly hatte wohl bemerkt, dass ich nun etwas unsicher klang. „Bei dir ist das ja auch etwas ganz anderes. Ich denke im Tontechnik-Bereich ist es vor allem wichtig, praktische Erfahrung zu sammeln, und nicht ständig Einzelunterricht zu haben und sieben Stunden am Tag zu üben, wie das bei mir wäre."
„Sieben Stunden?" Ich konnte nicht anders, als meine Augen aufzureißen. „Ist das ein Scherz?"
„Nein." Sie lachte. „Ich würde sagen fünf Stunden täglich ist das absolute Minimum."
„Das ist ja Folter!" Leicht grinsend musste ich an die Zeit denken, in der ich selbst noch regelmäßig Instrumentalunterricht gehabt und geübt hatte. „Ich war schon stolz, wenn ich einmal die Woche außerhalb vom Unterricht mein Instrument in die Hand genommen habe."
„Dann siehst du ja, was dir das gebracht hat", scherzte sie und ich musste lachen.
„Das ist wohl wahr." Mit einem einzelnen Instrument war ich wirklich nie weit gekommen, aber immerhin hatte ich einen ganz guten Gesamtüberblick bei verschiedensten Instrumenten. Ich wusste sowohl, wie ich ein Blasinstrument bedienen konnte, als auch wie man eine Gitarre oder Geige stimmte.
„Hast du Lust auf ein paar Donuts?" Lilly deutete auf die Packung.
„Klar, können wir ja mitnehmen", antwortete ich. Peter, Lilly und ich aßen eigentlich gerne süße Teigwaren, allerdings war niemand von uns begeistert, wenn es darum ging selbst zu backen. „Wie kriegst du eigentlich so dein Gehalt bei Sony? Also was für einen Vertrag hast du?"
„Ich bin inzwischen fest angestellt. Also ich kriege monatlich ein festes Gehalt, das sich aus einem bestimmten Stundentarif berechnet. Du hast doch einen Honorarvertrag, oder?"
„Ja genau, deshalb frage ich. Ich wundere mich ein wenig, weil ich immer noch kein Geld bekommen habe. Oder meinst du das dauert immer etwas länger?"
„Ich hatte auch mal einen Honorarvertrag, und das kann sich tatsächlich manchmal verzögern. Du solltest dir also noch keine Sorgen machen. Du kannst aber trotzdem mal mit deinem Chef sprechen, vielleicht ist ihm ja einfach nur etwas dazwischengekommen." Lilly warf noch einen Blick auf ihre Einkaufsliste. „Ich glaube wir haben jetzt alles."
Da ich diese Meinung teilte, machten wir uns auf den Weg zu den Kassen, bei denen man alles selbst einscannen konnte. Es war dort immer noch ziemlich voll. In Deutschland hätte ich mich gefragt, ob es hier wohl etwas umsonst oder deutlich reduziert gab, aber hier in London war das normalerweise nicht der Fall. Wir begannen damit, unsere Artikel zu scannen, und ich hatte gerade die Donuts in der Hand, als ich spürte, wie mich jemand von hinten leicht grob an der Hüfte berührte.
Hallo zusammen, ich hoffe dieses Kapitel hat euch gefallen! Ihr seid jetzt sozusagen live beim Schreibprozess dabei, ich habe es nämlich eben fertig getippt und plane, auch die weiteren Kapitel hochzuladen, sobald sie fertig sind.
Was haltet ihr davon, was gerade so in Lenas Leben passiert? Habt ihr schon eine Vermutung, was als nächstes geschieht? Darüber würde ich mich sehr freuen!
Und was hat es wohl mit dem letzten Satz in diesem Kapitel auf sich?
Liebe Grüße
Catrifa xx
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