19. Three Days
Nialls Geburtstag rückte näher. Einen Tag vorher kam endlich sein Geschenk an, sodass ich gerade noch genug Zeit hatte, es einzupacken und eine kleine Karte zu schreiben.
Ich hatte mich extra vorher angekündigt, damit Niall auch wirklich zuhause sein würde, bevor ich mich auf den Weg nach Hertfordshire machte. Dementsprechend verwirrt war ich, als Willie, Nialls Cousin, mir die Tür öffnete.
„Nanu, dich kenne ich doch", sagte er und umarmte mich spontan.
„Hi. Ja, wir haben uns im Winter zweimal gesehen", antwortete ich ihm. „Ist Niall gar nicht da, oder warum machst du die Tür auf?"
„Doch, er ist da. Komm erstmal rein." Ich trat über die Schwelle und entledigte mich meiner Jacke und Schuhe, da erklärte Willie mir auch schon den Sachverhalt. „Ich bin die nächsten Tage hier, während Niall mal wieder in LA rumhängt, deshalb ziehe ich schon heute hier ein. Er ist gerade in seinem Zimmer und packt, du kannst ja einfach kurz hochgehen, den Weg kennst du offensichtlich."
Ich betrat also die Treppe mit meinem verpackten Geschenk in der Hand, meinte Handtasche hatte ich im Flur abgelegt. Bisher war ich noch nie in Nialls Zimmer gewesen, dementsprechend gespannt war ich darauf. Irgendwie war es einfach nicht dazu gekommen, dass ich eine Chance gehabt hatte, es zu sehen, obwohl ich vor fast einem Dreivierteljahr zum ersten Mal hier gewesen war.
„Niall?" Vorsichtig klopfte ich an der Tür.
„Komm rein", kam es von drinnen.
Damit öffnete ich die Tür und betrat den Raum. Dafür, dass ich so gespannt gewesen war, sah es hier ziemlich unspektakulär aus. Niall stand an dem großen Bett, auf dem ein Koffer lag, und hinter ihm befand sich ein schlichter Schrank. Neben den Nachttischen und zwei Bildern an der Wand gab es hier nichts Besonderes zu sehen, das musste ich feststellen. Die Tapete war weiß und der Boden wie in den meisten anderen Zimmern aus hellem Laminat. Der einzig richtig Besondere in diesem Raum schaute mich gerade erwartungsvoll an.
„Alles Gute zum Dreiundzwanzigsten!", ging ich auf ihn zu und küsste ihn.
„Psst, sag's nicht zu laut." Er grinste. „Das ist so ultra-alt."
„Das macht mir überhaupt nichts aus." Ich zuckte mit den Schultern und hielt ihm mein Geschenk hin.
„Du hättest mir wirklich nichts besorgen müssen", wollte er sich beschweren, aber ich schüttelte mit dem Kopf.
„Habe ich gern gemacht. Und du wirst dich sicher nicht davon abbringen lassen, mir ebenfalls etwas zu schenken."
Er schüttelte nur den Kopf und nahm das Geschenk.
„Mh, klappert nicht", stellte er fest, nachdem er es geschüttelt hatte.
„Dann könntest du es vielleicht auspacken, um herauszufinden, was es ist", schlug ich ihm vor.
„Das wäre einen Versuch wert." Er grinste schon wieder, dann riss er das Geschenkpapier ab. „Nein." Ungläubig hielt er den Pfannenwender vor sein Gesicht. „Ist das das, was ich glaube, was es ist?"
„Wenn du vorhast, es in der Küche zu verwenden, glaubst du richtig. Ansonsten eher nicht", antwortete ich.
„Wow." Er hielt das Ding weiter vor sein Gesicht und betrachtete es von allen Seiten. „Das ist wirklich, wirklich cool!" Mit diesen Worten umarmte er mich kräftig. „Vielen Dank, Lena, das ist echt ein tolles Geschenk. Wir können es ja gleich mal ausprobieren!"
Mit diesen Worten ließ er den Koffer Koffer sein und zog mich mit sich in die Küche, wo Willie sich gerade an der Kaffeemaschine bediente.
„Oh, wollt ihr etwa doch wieder die Kücheninsel ...?", wollte er einen Scherz machen, verschluckte sich dann aber. „Niall, was zum Teufel ist das?" Dabei zeigte er ein bisschen angeekelt auf den Pfannenwender in seiner Hand.
„Das sieht man doch?", wunderte ich mich.
„Ich will sowas nie wieder in deiner Hand sehen, Niall, wenn ich das Mädel dazu kenne." Mit diesen Worten verschwand Willie schnellstmöglich aus der Küche.
„Nanu, was ist denn mit dem passiert?", wunderte ich mich. „Man sieht doch, dass das ein Pfannenwender in Gitarrenform ist, oder etwa nicht?"
„Nun ja, im ersten Moment dachte ich auch es sei etwas anderes, um ehrlich zu sein, aber ich weiß ja, dass du mir sowas nicht schenken würdest. Willie weiß das nicht." Niall grinste ein bisschen.
„Also ich sehe da nur einen Pfannenwender." Ich zuckte mit den Schultern. „Was seht ihr denn, wenn es offensichtlich nicht dasselbe ist, was ich erkenne?"
„Nun ja." Das schien Niall unangenehm zu sein. „Ich will dir jetzt keine Angst machen, aber du weißt doch, dass es Menschen gibt, die das mögen, also beim Sex ..."
„Okay, Niall. Ich bin zwar noch Jungfrau, aber durchaus aufgeklärt", machte ich ihm bewusst und wurde gleich darauf tomatenrot. Den ersten Teilsatz hätte ich mir auch sparen können, auch wenn das Niall wahrscheinlich eh bewusst war. Er schluckte nur und beantwortete mir meine Frage dann innerhalb eines kurzen Satzes.
„Es gibt Teile, die ähnlich aussehen und dazu genutzt werden, andere Menschen zu schlagen, denen das gefällt."
„Danke. Das war schon wieder voll das Fettnäpfchen von mir, oder?", seufzte ich dann.
„Nein. Willie ist jetzt zwar verschreckt, aber ich weiß ja, wozu es wirklich da ist, also mach dir keine Sorgen. Stattdessen kannst du gern das Mehl aus dem Schrank nehmen, damit wir wirklich noch Pancakes machen können, bevor ich nachher wegfliege."
Das taten wir dann auch und der neue Pfannenwender funktionierte fabelhaft, sodass Niall ganz begeistert war.
„Das war echt eine tolle Idee", lobte er mich beim Essen. „Außerdem bin ich jetzt nochmal zum richtigen Essen gekommen, bevor es das altbekannte Flugzeugessen gibt."
„Wann bist du denn wieder da?", erkundigte ich mich, weil wir darüber noch gar nicht gesprochen hatten.
„Freitagabend lande ich in London Heathrow", antwortete er.
Heute war Dienstag, es waren also wirklich nur wenige Tage, in denen ich mich nochmal anders beschäftigen musste. Vielleicht konnte ich endlich mal planen, wie ich meinen Geburtstag feiern wollte.
Nachdem wir das Geschirr gemeinsam abgewaschen hatten, machte ich mich wieder auf den Weg zur Wohnung, da Niall jetzt noch ein bisschen packen musste und außerdem vorhatte, Willie in die Pflege seiner neuesten Pflanzen im Garten einzuweisen. Das würde ein Weilchen dauern, wie ich in den vergangenen Wochen hatte feststellen dürfen. Niall mochte seine Pflanzen nämlich ziemlich gern.
Ich verbrachte die fast drei Tage ohne Niall damit, kräftig mit ihm zu chatten, Lilly im Haushalt unter die Arme zu greifen und endlich einmal bei Aoife im Rennstall vorbeizuschauen. Diese freute sich riesig über meinen Besuch, wenn ich auch mit den Pferden nichts anfangen konnte. Sie dagegen rasselte mir sämtliche Informationen über jedes Pferd, dem wir begegneten, herunter und schaffte es, das Ganze so freudig zu tun, dass ich wenigstens das Gefühl hatte, sie erzähle mir etwas wirklich Interessantes. Trotzdem machte es mir richtig Spaß, Aoife in ihrem Element zu sehen, weil sie eben darin so begeistert war. Schließlich gingen wir auch auf die Rennbahn, wo ich ein paar Pferde in Action sehen konnte, was wirklich beeindruckend war. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass diese Tiere wirklich so schnell werden konnten. Und Aoife versicherte mir glaubhaft, dass das nur ein Übungstempo gewesen sei.
Freitagmorgen schrieb Niall mir schließlich, dass er jetzt gleich in den Flieger steigen würde. Was dann allerdings hinter dieser Nachricht zu finden war, ließ mein Herz schneller schlagen und die Schmetterlinge erwachen.
„Wenn du magst, würde ich mich freuen, wenn du heute Abend auf mich wartest und über die Nacht bei mir bleibst."
Aufgeregt warf ich fast mein Handy durch die Gegend und kriegte mich erst wieder ein, als ich ein bisschen wild in der Wohnung herumgelaufen war. Zum Glück waren Lilly und Peter momentan noch auf der Arbeit und konnten sich das nicht ansehen.
Ich hatte noch fast den ganzen Tag vor mir, aber trotzdem begab ich mich sofort in mein Zimmer und packte eine kleine Tasche.
Da ich zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr wusste, was ich noch tun sollte, rief ich Aoife kurzerhand an. Tatsächlich nahm sie sogar ab, womit ich nicht gerechnet hatte, weil sie vormittags eigentlich immer arbeitete und beschäftigt war.
„Hey, warum bist du denn drangegangen?", begrüßte ich sie deshalb auch sofort.
„Ich stehe gerade mit einem Pferd auf einer Wiese, ich glaube das Tier kann ich auch beim Telefonieren noch gut beobachten", antwortete sie mir.
„Entspannter Job", grinste ich und dachte für einen kurzen Moment daran, dass ich wirklich langsam anfangen sollte, mich ebenfalls nach einem solchen umzuschauen. Aber momentan war Niall definitiv wichtiger. „Der Grund warum ich anrufe, ist dass ich kurz jemanden zum Reden brauche."
„Dann hau rein", forderte sie mich auf.
„Niall kommt heute aus LA wieder und er hat mir geschrieben, dass er sich freuen würde, wenn ich über die Nacht bei ihm bleibe." Ich wartete auf ihren begeisterten Zwischenruf, der aber nicht kam.
„Oh, ich soll jetzt was sagen, richtig?", merkte sie. „Gut, also das ist schön, oder?"
„Ja schon, aber ..." Ich wusste nicht genau, wie ich meine Gefühlswelt ausdrücken sollte.
„Oh, das ist eine große Sache, weil du noch nie bei ihm übernachtet hast, ja?", schlussfolgerte sie.
„Naja, prinzipiell schon", murmelte ich. „Als ich vierzehn war habe ich mit ihm in seinem Bett geschlafen und im Winter habe ich ja auch da übernachtet. Aber jetzt ist es anders." Das letzte Wort betonte ich extra, damit Aoife eine Chance hatte zu verstehen was ich meinte.
„Jetzt seid ihr zusammen, meinst du", fasste sie es in Worte.
„Ja, genau", sagte ich, erleichtert, dass sie mich verstand. „Ich fühle mich einfach ..."
„Ich glaube du suchst das Wort verliebt", riet meine Freundin.
„Das passt tatsächlich ziemlich gut", musste ich ihr zustimmen. „Wie überbrücke ich denn jetzt die Zeit bis heute Abend? Wenn ich da gleich schon aufschlage, guckt mich Willie bestimmt komisch an, weil der das Haus hütet. Aber ich will auch nicht nur hier rumsitzen."
„Ach, mach dir keine Sorgen", beruhigte sie mich. „Pass auf, die Zeit geht bestimmt ganz schnell rum. Und ansonsten hast du nochmal wie viele Musikinstrumente in der Wohnung rumstehen? Erzähl mir nicht, dass du nichts zu tun hast, ihr Musiker habt immer was zu tun."
Da hatte sie wohl oder übel Recht, sodass ich mich nun von ihr verabschiedete und mir meine Gitarre schnappte. Die wollte sowieso mal wieder gespielt werden.
Mit der Musik verging die Zeit bis zum Abend tatsächlich schneller als gedacht. Als Lilly und Peter die Wohnung gemeinsam betraten, war ich gerade dabei, diese zu verlassen.
„Oh, gehst du aus?", wunderte Peter sich und Lilly entdeckte meine Tasche.
„Ich glaube sie hat ein Date mit Übernachtungsmöglichkeit." Die Pianistin zwinkerte mir zu. „Viel Spaß und grüß ihn mal."
Peter schaute zwischen uns hin und her. „Muss ich das jetzt verstehen?" Er schien von Niall und mir noch nicht so viel mitbekommen zu haben.
„Ich erklär's dir später", beschwichtigte Lilly. „Mach, dass du wegkommst, Lena." Sie schenkte mir noch ein liebevolles Lächeln, das ich erwiderte, dann verließ ich die Wohnung und stieg die Treppen hinunter. Die Northern Line fuhr nicht gleich von hier aus, sodass ich vorher einmal umsteigen musste, was mir aber keine Schwierigkeiten bereitete. Die Hauptlinien des Londoner U-Bahnverkehrs waren mir inzwischen gut geläufig.
Während der Fahrt wurde ich immer nervöser, was ich auch daran merkte, dass meine Hände zu schwitzen begannen. Außerdem freute ich mich schon, Niall wiederzusehen.
Wie erwartet war er noch nicht zuhause, als ich dort ankam, dafür machte Willie mir die Tür auf.
„Du schon wieder." Er grinste. „Tut mir leid, dass ich deinen tollen Pfannenwender letztes Mal verkannt habe. Kommt nicht wieder vor." Mit diesen Worten ließ er mich ins Haus.
„Ich bin auch gleich schon weg, muss mich nur um die Blumen kümmern", rief er mir über die Schultern hinweg zu, als er in die Küche verschwand.
„Tu dir keinen Zwang an", antwortete ich und wusste erst nicht so richtig, wo ich hingehen sollte, um auf Niall zu warten. Um diese Entscheidung zu verschieben stellte ich meine Tasche im Flur ab und bot Willie meine Hilfe an, schließlich hatte ich mich auch schon um die Blumen gekümmert.
„Das wäre natürlich super lieb", bedankte er sich bei mir. „Ich bin die Tage kaum hinterhergekommen mit dem Verpflegen. Da hätte ich lieber einen Hund zu versorgen, der ist definitiv pflegeleichter als diese blöden Blumen."
Wir gossen also gemeinsam ein paar der Blumen, die Willie bisher noch nicht geschafft hatte, dann verabschiedete Nialls Cousin sich.
„Du weißt ja, wo alles ist, und Niall kommt bald nach Hause. Sollte noch irgendetwas sein, kannst du einfach anrufen, meine Nummer hängt am Kühlschrank", informierte er mich liebenswürdig und umarmte mich. „Viel Spaß mit Niall." Er konnte es allerdings nicht verhindern, seinen letzten Satz leicht anzüglich klingen zu lassen.
Ich beschloss schließlich, mich auf das Sofa zu setzen und den Fernseher für ein bisschen Unterhaltungsprogramm anzuschalten. Vorher brachte ich allerdings noch meine Tasche nach oben, und zwar gleich in Nialls Zimmer.
Es fühlte sich ein wenig komisch an, so allein in Nialls großem Haus zu sein, aber zum Glück leistete mir der Fernseher Gesellschaft und es dauerte nicht lange, bis ich hörte, dass ein Auto vorfuhr. Genau in diesem Moment fiel mir ein, dass ich ja auch hätte kochen können, denn Niall hatte bestimmt seit einigen Stunden nichts Richtiges mehr gegessen. Das war jetzt natürlich zu spät. Stattdessen schaltete ich den Fernseher aus und stand vom Sofa auf, um zur Haustür zu gehen. Genau in diesem Moment öffnete diese sich und ein offensichtlich total übermüdeter Niall fiel fast in meine Arme. Vielleicht war es doch eine gute Idee gewesen, nichts zu kochen.
Lena hat diese drei Tage offensichtlich erfolgreich überstanden. Niall scheint das eher weniger getan zu haben. Woran liegt das wohl?
Wie findet ihr eigentlich Lenas Geburtstagsgeschenk für Niall?
Ich würde mich freuen, eure Meinung zu diesem Kapitel zu hören!
Das nächste Kapitel erscheint am Dienstag in zwei Wochen, und zwar am 29. August.
Liebe Grüße, Catrifa x
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