9: Merry Vishmas (1)
Ich schlug vollkommen verwirrt und orientierungslos die Augen auf, als ich von einem nervtötendem Klingeln geweckt wurde. Das es meine Haustüre war, realisierte ich jedoch erst, nachdem das Klingeln nach ein paar Sekunden immer noch ertönte.
Gähnend drückte ich mich also mit aller verbliebenden Kraft aus dem Bett und stolperte zur Tür. Genaugenommen zum Hörer, da ich nicht halbnackt in das kalte Treppenhaus wollte.
Und bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, erklang eine mir all zu gut bekannte Stimme.
"Na endlich! Was soll das denn? Ich erfriere hier halb, jetzt lass mich rein!"
"Oh man, du bist schon da?", murmelte ich entsetzt, rieb mir die Stirn und drückte den Knopf, damit die Tür aufging. "Treppe hoch, rechts", fügte ich noch an und öffnete die Wohnungstür schonmal, durch die schon bald ein verschneiter, nasser Vishous trat, der seine eiskalte Winterjacke mit einer Umarmumg gänzlich an mir abrieb.
"Iehh!" Ich gab den unmännlichsten Ton von mir, den meine Sprachbänder zu bieten hatten und zuckte unter sofortigem Zittern und reiner Gänsehaut zusammen. Gott!
Erst nach einigen Sekunden, schaffte ich es, ihn von mir zu schieben. "Fuck, ist das kalt!", beschwerte ich mich lauthals.
"Ich würde mich ja entschuldigen, aber das hast du davon, mich fast zwei Stunden warten zu lassen!", gab Vishous nur zurück. Er schloss die Tür hinter sich und zog nun endlich Winterjacke und Schuhe aus.
"Zwei Stunden?", fragte ich, nun eindeutig mehr als wach, "Ist es denn schon spät?", murmelte ich eher zu mir selbst.
Ich ließ Vishous im Gang stehen und holte mein Handy aus dem Schlafzimmer, ließ es fast wieder fallen, als all die Nachrichten vibrierend und mit lautem Klingelton mein Handy bestürmten. 08:12.
23 neue Nachrichten von Vishous.
"Du erwartest von mir, dass ich an einem freien Tag, um sechs Uhr wach bin?" Ich stand inzwischen wieder bei ihm und war sichtlich entsetzt. Und das auch zu Grund. Ich kannte niemanden, der freiwillig zu so einer Zeit wachsein wollte. Oder würde.
"Ich wollte eben den ganzen Tag mit dir nutzen können. Beziehungsweise hast du ja nichts dagegen wenn ich noch ein paar Tage bleibe, oder?"
Das war zwar nicht vereinbart gewesen, doch würde ich ihn auch wohl kaum aus dem Haus schmeißen können. "Du kannst von mir aus auch bis Neujahr hier bleiben, wenn du zu Hause nichts zu tun hast."
Obwohl das immerhin 8 Tage wären. Vielleicht musste er ja so wieso zurück nach Hause und Kleidung besorgen. Oder arbeiten.
"Super. Übrigens - süße Wohnung hast du hier.."
Ohne Umschweife begann ich gleich mit einer kleinen Tour durch meine Wohnung; winzige Küche mit einem Plastik-Tisch, ein Wohnzimmer mit einer Couch und Bücherregalen; die vollgestopft bis zur Decke hoch trohnten; ein kleines Bad mit eher normalgroßen Badewanne und mein wirklich kleines Schlafzimmer, welches eindeutig nicht aufgeräumt war. Vishous schien begeistert. Doch nicht von den Zimmern.
"Läufst du eigentlich absichtlich so rum?", summte er neben meinem Ohr und ich drehte mich schnell zu ihm um. Vishous grinste mich an.
"Ich bin gerade erst aufgestanden, da ziehe ich mich doch wegen Klingel-beantworten noch nicht an."
"Also hättest du dem Postboten genauso aufgemacht?", fragte er und legte eine Hand an meine Seite. Die Gänsehaut kam bei dieser sanften Berührung wieder zurück.
"Ja, warum nicht?"
Vishous schien mit dieser Antwort nicht zufrieden, beschwerte sich jedoch nicht weiter, sondern schweifte ab und fragte, wann wir losfahren würden. Ein ganz anderes Thema, ihn meiner Familie vorzustellen.
Normalerweise fuhr ich immer mit der Bahn, da ich kein Auto besaß. Doch da Vishous ja mit Seinem fahren konnte, hatte sich der Weg von drei, auf etwa einanhalb Stunden verkürzt.
"Nach dem Frühstück", beantwortete ich endlich lächelnd die Frage und zog mir nun eine Hose und einen Pulli an, damit er mich nicht weiter so anstarrte. Und dabei auf falsche Gedanken kam.
"Darf ich solange duschen? Mir ist noch immer ziemlich kalt", fragte er. Seine Hand striff wieder meine Seite.
Ich tat nichts dagegen, aber wich zurück als ich mich zu einem Schrank wand.
Nickend gab ich ihm gleich ein Handtuch mit, ehe ich mich in die Küche aufmachte. Für das Frühtück entschied ich mich auch relativ schnell; French Toast.
Vishous hatte das einige Male im Hotel gegessen und immer nur so davon geschwärmt. Das könnte ich bestimmt auch schaffen. Dachte ich schon wieder über ihn und seine Vorlieben nach?
Das Haus meiner Tante war durch die ganzen Lichterketten schon von Weitem sichtbar. Kein anderes Haus war so erhellt und so festlich geschmückt, wie Ihres.
Als die Tür sich öffnete ertönte ruhige Weihnachtsmelodie und es folgten einige Umarmungen; Zuallererst meine Tante, ihr Mann, meine zwei Cousinen, meine Großeltern; alle mütterlicherseits.
Vor allem meine Tante, freute sich, Vishous zu sehen und kniff kichernd in meine Wangen. "Ich wusste doch dass unser kleiner Lynel vom anderen Ufer kommt! Du hättest sich beim Anruf nicht so anstellen sollen!" Sie boxte mir in die Schulter.
Etwas, dass sie noch nie zuvor gemacht hatte.
"Uh.. wir sind nicht-", begann ich doch meine Tante kümmerten meine Worte nicht. Sie tänzelte sich durch das beengte, vollgestopfte Wohnzimmer, in die Küche.
Kopfschüttelnd ließ ich mich auf der Couch nieder und klopfte neben mich, um Vishous anzudeuten, sich auch zu setzen.
"Hey, sogar deine Tante shippt uns schon. Vielleicht sollten wir es hier und jetzt offiziell machen?" Sein Arm schlängelte sich meinen Rücken hoch.
Dieser Typ war unmöglich.
Ich drückte seinen Arm weg und sah ihn seufzend, leicht grinsend, an.
Vishous lehnte sich beleidigt zurück und sah schweigend weg.
Dass ich ihn mochte, konnte ich so wieso nicht mehr leugnen. Jedoch, wann ich mehr daraus machen wollte, wollte ich immer noch dann entscheiden, wenn ich mir sicher war. Wenigstens damit, wollte ich mir sicher sein, wenn es mit meiner Sexualität nicht mehr so ganz stimmte.
Plötzlich klatschte meine Tante in die Hände und machte die Musik etwas leiser. Das Essen war fertig.
Praktischerweise saß ich nun zwischen ihr und Vishous, so dass ich mit niemandem eine private Konversation über Vishous halten musste. Zumindest schon einmal nicht am Esstisch.
"Ihr solltet unbedingt den Weihnachtsmarkt hier ansehen, es ist wirklich schön", schlug meine Tante vor. Ich wusste, dass es nur ein Vorwand war, uns länger hier zu behalten - aber warum nicht?
"Lasst uns doch morgen einfach zusammen gehen, wir übernachten hier." Vishous war allen schon voraus und ich warf ihm nur einen skeptischen Blick zu. Er hatte wirklich vor sich bei allen einzuschleimen, damit sie ihn als festen Teil der Familie anerkannten und ich ihn nie wieder los wurde. Dagegen wusste ich jedoch etwas.
Ich setzte ein breites Lächeln auf und legte meine Hand unter dem Tisch auf Vishous' Bein. "Wollen wir nicht lieber zu zweit gehen? Du warst doch bestimmt schon da?", fragte ich mit den Wimpern klimpernd und wand mich dann zu meiner Tante. Ich spürte nur wie Vishous einfach seine Hand auf meine legte. Mission Failed! Abort Mission! Abort Mission!
Ich entwich ihm noch gerade so und grinste ihn dann zuckersüß an. Vishous Mundwinkel zuckten etwas wütend, aber er behielt tapfer sein Lächeln meiner Tante gegenüber, die meiner Aussage nur zustimmte und uns beiden etwas mehr Tee in die Tassen goss.
Als wir fertig mit dem Essen waren, klebte ich besagten Typen direkt an meiner Oma ab. Es reichte schon, ihr zu erzählen, dass es sein erstes Weihnachten sei und schon zog sie ihn zu sich, bemitleidete ihn und fing dann an zu erzählen. Etwas was ich nicht bedacht hatte war, dass sie ihm vorschlug, Fotos zu holen. Wieso nur Oma, wieso?
Statt Geschenken gab es also eine zweistündige Dokumentation inklusive neuster Diashow-Technik über die vergangenen Weihnachten und mehr. Zum Glück packte sie nicht gleich Babyfotos aus, aber da ich diese Bilder schon eintausend-millionen-milliarden-mal gesehen hatte, war ich kurz vor dem Einschlafen, als die Diashow endete.
Und dann fielen meine Augen tatsächlich zu, als jemand seinen warmen Arm um mich legte.
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