8: Wie ein Teenager-Mädchen
Alleine schlafen war irgendwie komisch. Genaugenommen hatte ich auch nicht viel geschlafen.
Über die Tage hatte ich mich irgendwann daran gewöhnt, Vishous leise atmen zu hören und nun konnte ich plötzlich ohne dieses minimale Geräusch nicht richtig schlafen.
Hatte er mich wirklich so sehr beeinflusst?; Mich in der Hand, mich vollkommen abhängig von sich gemacht?
Mein Blick fiel auf den Wecker, der leise tickte und mir nach langem Blinzeln endlich vier rote Zahlen zeigte; 09:21.
Das war auch das einzige, was auf meinem provisorischen Nachttisch, der aus Welt und Gebiets-Atlanten bestand, trohnte.
Seufzend drückte ich mich mit den Unterarmen hoch und strich mir gähnend durchs Haar, während ich mich aufrappelte und barfüßig ins Badezimmer tapste.
Das Badezimmer war womöglich der einzige Raum, in dem sich keine Bücher befanden. Aber Wasser und Papier vertrug sich eben auch nicht gut.
Schon als ich dabei war, mir nun Frühstück zu machen - Spiegeleier - klingelte mein Handy. Und wie zu erwarten, war es Lisa.
Ich stellte sie auf Lautsprecher.
"Guten Morgen", grüßte ich sie und briet meine Eier weiter.
"Morgen! Komme gleich zu dir rüber - meine Mitbewohnerin hat Blaubeer-Pfannkuchen gemacht, willst du auch welche?", fragte sie und ich hörte im Hintergrund Stimmen, so wie das Klacken ihres Schlüsselbundes mit den vielen bunten Anhängern.
"Denkst du wirklich, ich würde jemals 'Nein' zu Pfannkuchen sagen?"
Lächelnd schob ich mein Ei auf einen Teller.
"Dann bis gleich!"
"Bis gleich."
Klick.
Sofort als ich die Tür geöffnet hatte, sprang mich schon eine wilde Lisa an und knuddelte mich durch.
"Ach komm, so lange ist es nun wirklich nicht her", hauchte ich ihr Schmunzelnd zu und umarmte sie fest.
Lisa fing an, eine dramatische Rede zu halten, doch war schnell dabei, mich mit Fragen zu durchlöchern.
"Erzahl mal, los!" Sie boxte mir in die Schulter.
"Es gibt nicht viel zu erzählen", entgegnete ich und nahm ihr die Box mit den Pfannkuchen ab. Sie war noch warm.
"Wirklich nichts erlebt? Was hast du denn die ganze Zeit gemacht? Geschlafen?"
Ich nickte.
"So zu sagen schon", lachte ich.
"Jetzt ernsthaft, Lynel." Sie kniff mir grinsend in die Seite und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
"Das war mein Ernst. Was hast du so erlebt solange ich weg war?", fragte ich zurück und stellte ihr eine Tasse Tee hin.
"Mh nichts besonderes - das gleiche Chaos mit meinen Mitbewohnerinnen wie immer. - Ah! Aber weißt du was? Isaac kommt noch vor Weihnachten zurück!"
Einerseits war ich glücklich für Lisa, da beide total verknallt waren, andererseits war ich nicht mehr so scharf darauf, eine neue Therapie für meine Phobie aufgezwungen zu bekonmen.
"Toll", murmelte ich also und nahm einen Pfannkuchen aus der Box.
Lisa rollte mit den Augen und nahm einen Schluck vom Tee.
"Wenn du dich anstrengen würdest, würdest du gegen deine Phobien auch ankommen!"
"Ich strenge mich inmer an", behauptete ich ebenso genervt. Zu einer erneuten Therapie brachte sie mich auf keinen Fall. Im Endeffekt hatte es mir so wieso kaum etwas gebracht.
Lisa seufzte. "Naja. Wie siehts aus mit Weihnachten? Wieder bei deiner Tante? Lass uns doch am 25sten zusammen feiern." Sie würde Thema Therapie später wieder aufgreifen.
Ich nickte, während ich mir den Pfannkuchen nach und nach in den Mund schob. "Klingt gut."
Sie lächelte und begann ebenfalls mit dem Essen.
"Und was hast du so die Tage ohne mich angestellt?", fragte ich, nachdem der letzte Bissen in meinem Mund verschwunden war.
"Nichts besonderes. Achja - Silvester bist du verplant."
"Nicht dass ich wüsste."
"Das war keine Frage."
Ich schmunzelte.
"Schön, dass du mein Leben für mich planst... - wohin gehen wir?"
Lisa streckte sich.
"Aly's Silvesterparty. Die ganze Uni und Nachbarschaft wird da sein. Und wenn ich dich mitbringe wird sie so abgelenkt sein, dass sie mich auch in Ruhe feiern lässt."
"Wir müssen doch nicht hin - lass uns Star Wars durchgucken, so wie jedes Jahr", schlug ich vor und bekam als erste Antwort gleich einen Schnipser an die Stirn.
"Sie steht total auf dich. Da wird es ihr doch als erstes auffallen, wenn du fehlst! Außerdem sind ihre Partys der Hammer, da kannst du mit ein paar Episoden Star Wars und Popcorn wirklich niemanden umstimmen."
Ich seufzte. "Wie's aussieht habe ich also keine andere Wahl", erkannte ich und Lisa nickte nur zustimmend. "Ich passe schon aus meinem Augenwinkel auf, dass sie dich nicht in ihren Folterkeller verschleppt und dort für immer festhält."
Ich schüttelte mich. Auf keinen Fall wollte ich irgendetwas mit Aly anfangen.
"Das hoffe ich."
Den restlichen morgen verbrachten wir wirklich nur in meiner Wohnung, blödelten herum und guckten Serien auf ihrem Laptop. Ich besaß nämlich keinen Fernseher. Irgendwie hatte ich nie einen gebraucht und es immer abgelehnt, dass mir Lisa einen schenkte. Lieber sah ich zusammen mit ihr auf dem kleinen Bildschirm etwas und hatte so ab und zu Spaß.
Egal wie sehr ich nun Vishous über den Tag vergaß - wenn ich so im Bett lag vermisste ich ihn irgendwie. Oder jemanden neben mir? Ich wusste gar nicht, was ich mit meinen Gefühlen anfangen sollte.
Hier lag ich also und starrte an die Decke, als mein Handy plötzlich aufleuchtete. Ich bekam selten Nachrichten, aber um diese Zeit wusste ich einfach, dass es Vishous war. Lisa wäre schon zu betrunken um mir eine ordentliche SMS schicken zu können.
>> Hey, noch wach? ;) <<
Ich konnte einfach nicht deuten, was er mir mit dem Smiley sagen wollte.
>> Ja, wieso schläfst du noch nicht?<<
>> Arbeite & du? Jeden Tag durchfeiern? <<
Ich schmunzelte. Ich und Partys. Das passte einfach nicht. Gerade heute wurde mal wieder bewiesen, wer der sozial-fähigere Bester Freund, beziehungsweise Freundin, war.
>> Davon hast du mir ja noch gar nicht erzählt. Wo arbeitest du? Eher im Bett rumliegen. Du kennst doch meine Beziehung zu Alkohol schon. <<
Ich ließ meine Gedanken nicht umschweifen. Es war vielleicht ein Fakt, aber ich konnte und wollte mich nicht daran erinnern, was ich betrunken mit ihm getrieben hatte. Also ließ ich es einfach. Ich sollte mich viel lieber darauf konzentrieren, was in der Zukunft mit diesem "uns" war oder passierte.
>> Fitness Studio. Hab ich doch erzählt, Erpsenhirn. Und ja, du wirst dann ziemlich geil auf mich ;)<<
Ich rollte mit den Augen, das war womöglich während dem Trinken geschehen - also konnte ich mich wohl kaum daran erinnern. Außerdem hatte ich ihn bestimmt nicht angesprungen. Es gehörten ja immer noch zwei dazu.
>> Erbsen mit b. Bist du nur am Handy so selbstbewusst oder werde ich mir das nochmal anhören müssen, falls ich dich je wiedersehe?<<
>> Je? Ich komme gleich Samstag zu dir rüber, also überleg dir schon einmal wie du mich unterhältst <<
Stimmt, er hatte schon angekündigt, gleich am Wochenende herzukommen. Unter anderem hatte ich ihm auch schon meine Adresse gegeben.
>> Es ist Weihnachten. Allein der Tag muss dich schon glücklich machen - und der Fakt, dass ich dich in mein Haus lasse.Pack dir auch einen Pulli und Weihnachtskekse ein. Meine Tante liebt essbare Geschenke. << Ich dachte nach. >> Nimm gleich ein paar Kekse extra mit. Meine Freunde sind hungrige Bestien. <<
>> Geht klar. <<
Mehr kam danach nicht mehr. Ich wüsste auch nicht, was ich antworten sollte. Und wenn er arbeitete, nervte ich ihn wahrscheinlich so wieso nur noch. Trotzdem wartete ich einige Minuten, tippte ein paar Worte und löschte den ganzen Text dann wieder. Nach einer halben Stunde entschied ich mich für ein einfaches 'Gute Nacht' und ich bekam den selben Wortlaut mit einem lächelndem Smiley zurück. Das erinnerte mich an diese ganzen romantischen Klischee-Filme, die ich mir mit Lisa angesehen hatte.
Doch sollte ich wirklich aufhören über ihn auf diese Weise, in diesem Rahmen, zu denken. Das ließ mich nämlich ganz komisch werden.
Ich schüttelte den Kopf und zog quiekend die Decke über den Kopf. Nun fühlte ich mich wirklich wie eines dieser total verknallten Teenager-Mädchen die hoffnungslos an ihrem Schwarm klebten und versuchten, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Vishous' Aufmerksamkeit hatte ich in diesem Fall jedoch schon. Vielleicht war Vishous ja das Teenager-Mädchen.
Ich atmete tief durch und zog die Decke wieder von meinem Kopf. Ich war gar nicht mehr müde; mein Herz klopfte wie blöd und alles an was ich denken konnte, war Weihnachten. Trotzdem zwang ich letztendlich meine Augen, sich zu schließen und wenigstens meinen Körper etwas auszuruhen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro