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F̲̅e̲̅l̲̅i̲̅x̲̅ P̲̅o̲̅v̲̅:
Sobald die Wohnungstür laut ins Schloss fällt, sacke ich elendig mit dem Rücken zu ihr schwach auf dem Boden zusammen. Mein Kopf dröhnt schmerzvoll, ein brennender Ozean fließt aus meinen geschwollenen Augen und der Körper, welcher mich normalerweise stützt, ist am Zusammenbrechen.
Ein blankes Wunder, dass ich es bis nach Hause geschafft habe...
„Aua. E-es schm...erzt", bringe ich unter keinen Umständen einen geraden, stabilen Satz heraus, so sehr nimmt mich das unkontrollierte Zittern ein. Meine rechte Hand wandert langsam an meine ziehende Brust zu meinem, vor Qualen pochenden, Herzen, während ich die abstrakten, blutbeschmierten Risse auf den Handflächen pulsierend einbrennen spüre.
Die Tränen rinnen unaufhaltsam in Strömen, als hätte ich unendlich viel Wasservorrat, tropfen achtlos auf den Stoff meines schwarzen Pullovers. Ich bin zutiefst verzweifelt. Was soll ich denn nur machen? Ich habe ihm mein verletzliches, fragiles Vertrauen geschenkt und er zerbricht es unachtsam im Handumdrehen!
Warum musste mir mein ehemaliger, bester Freund genau heute unter die Augen treten? Reicht es ihm nicht, dass er meinen Ex-Partner bereits auf seine diabolische Seite gezogen hat?
Am liebsten würde ich momentan lauthals schreien, jemanden bei mir spüren, welcher mich sanft in die Arme nimmt, mir optimistisch zuspricht, dass alles gut ausgehen wird, jedoch ist dieses Privileg keineswegs für mich bestimmt. Stattdessen sitze ich hoffnungslos zusammengekauert, kraftlos angelehnt an die Wohnungstür, während alles erdrückend schmerzt, ich keinen logischen Gedanken fassen kann. Die gesamte Schule weiß Bescheid, dass ich bisexuell bin, verspottet mich somit absolut reuelos. Wie soll ich je wieder dorthin?
Überfordert raufe ich mir in meine dunkelbraunen Haare, um wenigstens ein bisschen mit dem verstrickten Chaos in meinem Inneren klarzukommen, jedoch scheinen meine bemühten Versuche jedes Mal aufs Neue kläglich zu scheitern. „Hör auf! Hör auf in meinem Kopf, meinen Erinnerungen zu erscheinen!", entweicht mir ein schriller, bitterer Schrei, da sich der gesamte, folternde Rückblick vor meinem Auge zu präsent abspielt. Alles, was mir bis zum heutigen Tage widerfahren ist, bis ins kleinste Detail prägten sich all der Schmerz, all die aufkommenden, erneut zerteilten, blutenden Wunden in meinem empfindlichen Herzen ein, jene ich nun unter keinen Umständen mehr verdrängen kann. Die dornenreiche Vergangenheit holt mich rücksichtslos ein.
Es fühlt sich an, als hätte man meinen Körper schutzlos in eine Horde von hungergesteuerten Raubtieren geschmissen, schadenfreudig dabei zugesehen, wie ich Stück für Stück von ihnen gierig zerfleischt werde. So haben sich wahrscheinlich die armen Gladiatoren im alten Rom gefürchtet, während mit zunehmender Zeit, die brutale Qual ebenfalls wuchs. Einerseits verschleiert eine unfassbare Angst meine überreizten Sinne, andererseits hege ich vernarrt den hirnrissigen Wunsch, mich in den Armen der Person wiederzufinden, welche aus meiner einseitigen, instinktiven Sicht die Verantwortung für meinen fatalen Zustand trägt.
Plötzlich, ohne eine wirkliche Vorwarnung, überrollt mich eine viel schlimmere Welle meiner deprimierten Emotionen, weswegen ich so schnell es mir aktuell möglich ist, mit dem plagenden Druck, jeden Moment hochkantig kotzen zu müssen, fluchtartig ins Badezimmer torkle, ständig meine, vor stechenden Tränen, qualmenden Augen zusammenkneife, da das einnehmende Schwindelgefühl mich beinahe dazu veranlagt, bewusstlos auf den stabilen Boden zu knallen. Hastig stürze ich auf die Toilette, während sich mein Bauch mechanisch zusammenkrampft, ich mich wenige Sekunden später tränend und gewaltig übergebe, wobei mein dröhnender Schädel keineswegs stoppt, pausenlos Flashbacks aufblitzen lässt, das Zittern meinerseits nur verschlimmert, anstatt es verschwinden zu lassen. So dreckig ging es mir lange nicht mehr, dabei dachte ich, der Kleinere wäre meine Rettung, mein entlastendes Seil, jedoch sieht es danach aus, als würde dieses meine verletzliche Haut erbarmungslos zum Brennen, glatt zum Einreißen zwingen.
Wieso muss ich wieder leiden? Hat es Jongnim nicht gereicht, was er mir bereits angetan hatte?
Mittlerweile schleicht sich die unumgängliche Vermutung hoch, dass sogar mein eigener Körper gegen mich arbeitet. Wirklich wundervoll, kann man definitiv rund um die Uhr gebrauchen.
Sobald ich zu 100 Prozent sicher bin, dass keine Magensäure mehr nachkommt, spüle ich erschöpft meinen Mund aus, lege mich kurze Zeit später ausgelaugt mit einem Notfalleimer auf die wärmende Couch, ehe sich meine turbulenten Gedanken langsam klären, meine bleischweren Augenlieder konstant zufallen, ich einfach nur froh bin, endlich ein wenig Entspannung zu bemerken.
Auf der rechten Schulter liegend, um in das schlichte Wohnzimmer glotzen zu können, halte ich mir meinen brennenden Oberkörper, während ich mir vorsichtig eine flauschige Decke überwerfe, damit sich wenigstens ein paar, kleine Versteckoptionen anbieten. Eigentlich sollte ich meiner Erziehungsberechtigten Bescheid geben, aber mir fehlt dazu jegliche Kraft und schwindelig ist mir immer noch. Vielleicht richte ich später eine Tasse Früchtetee an, doch zuerst gönnen sich meine herausgeforderten Organe die friedliche Ruhe und ich isoliere mich in der Zwischenzeit vor meinen angestauten Problemen.
Mein Herz seht sich so sehr nach Changbin, obwohl mein Verstand ihn verabscheuen möchte. Ich könnte jeden auf dieser Welt hassen, nachdem mir die Person derartiges Leid hinzugefügt hat. Jeden, nur nicht ihn. Die unumkehrbare Liebe, welche ich für den Dunkelbraunhaarigen empfinde, ließ mich einst so schwerelos und sorgenfrei fühlen, davon ist jetzt jedoch kein Funke an Hoffnung mehr übrig. Obwohl, dieses Ausmaß an Pessimismus nimmt die Logik in mir keinesfalls an. Ein mikrokleiner Funke scheint in uns beiden stets präsent zu sein, auch wenn meine Sinne in solcherart bloß an Irrationalität denken können.
Kopfschüttelnd ändere ich enttäuscht meine Position, weshalb ich nun seufzend am Rücken verweile. Hoffentlich ist das Schlimmste bereits überstanden, denn ein schlimmeres Ausmaß an Schmerzen möchte ich dringlichst vermeiden. „Ah, das führt zu rein gar nichts!", klatsche ich mir genervt mit meiner linken Handfläche laut auf die freie Stirn, ehe ich mich dazu überwinden kann, meine Schultasche außerordentlich vorsichtig zu holen, nur um ein paar Minuten später den gemütlichen Stoff des Sofas unter meinem Oberteil zu genießen. Mein Rucksack steht uninteressant neben mir, nachdem ich endlich mein Handy aus diesem fische, schnell alle Anrufe von Changbin lösche, erfolglos daran scheitere, die aufkommenden Tränen zu unterbinden. Stumm entscheide ich mich, ihnen freien Lauf zu geben, weshalb meine Wangen einen Augenblick danach wässrig sind, meine Haut erneut pulsiert, somit die geschwollenen Augen unerwünscht zurückkommen.
Als ein regelmäßiges Piepen ertönt, lege ich meinen Arm über meinen Sehsinn, schalte die Gerätschaft lieber auf Lautsprecher.
„Geht es dir besser, Liebling?", sind die ersten besorgten Worte meiner Eomma, welche ich mit einem gefälschten, zustimmenden Brummen kommentiere. „Ja, ich wollte nur Bescheid geben, dass ich gut zu Hause angekommen bin. Dauert es bei dir heute wie immer bis 18 Uhr?", frage ich angespannt, ehe meine Ohren ein trauriges Seufzen vernehmen. „Es tut mir leid, ich werde heute Überstunden machen müssen, da es ein technisches Problem gibt. Ich werde mein Bestes geben, vor Mitternacht bei dir zu sein, falls sich etwas ändert, schreibe ich dir", informiert mich die Alleinerziehende zerknirscht. „Danke fürs Sagen, ich schaffe das allein. Fühle dich meinetwegen bitte nicht schuldig", erwidere ich schmollend.
„Pass auf dich auf! Hab dich lieb", verabschieden wir uns voneinander, ehe mir auffällt, dass während des Gespräches keine Träne mehr vergossen wurde.
„Felix?", ertönt ein sorgliches, geräuschvolles Klopfen gegen die Wohnungstür, weswegen sich augenblicklich jede Faser in mir verkrampft, ich alles in meiner Macht Stehende probiere, die aufkommende Panik in meinem überfordernden Inneren zu unterdrücken.
Bitte, ich konnte mich gerade eben ein wenig erholen...
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Ich war heute voll im Schreibfieber xD
Der Cut ist zwar nicht netter, als die zuvor, aber immerhin habt ihr nun ein neues Kapitel
Have a nice one!
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