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„Ich befürchte deine Lloyds mußt du nach diesem Spaziergang wegwerfen." Lachend deute ich auf Lucas schlammverschmierte Schuhspitzen. Er hält noch immer meine Hand während Lucky freudig vor uns herumtollt.
Manchmal streichelt er mit dem Daumen über meine Handfläche, als würde es ihm Spaß machen, meine Haut jedesmal auf Neue in Flammen zu setzen.
„Das macht doch nichts, " abrupt bleibt er stehen und richtet den Blick gen Himmel, wo es bereits unheilvoll zu Grummeln begonnen hat. „Was mir viel mehr Sorge bereitet, ist das aufziehende Gewitter."
Schon klatschen die ersten Tropfen auf uns herab. Dagegen war der Schauer heute Nachmittag ein lächerlicher Sprühregen.
„Wir sollten zurückgehen," ohne meine Antwort abzuwarten ruft Luca nach Lucky und leint ihn wieder an.
„Komm," er will mich mit sich ziehen, doch ich bin so perplex, dass ich stolpere und Luca mich im letzten Moment auffängt .
Ich spüre wie er den Atem anhält, als mein Gesicht sich an seine harte Brust schmiegt. Wie benommen von dem warmen Kribbeln das meinen Körper durchzieht, hebe ich den Kopf und sehe geradewegs in sein Gesicht. Wasser rinnt wie Tränen seine Wangen herab, als er auf mich herrablickt. Meine Finger streicheln die Bartstoppeln und ich merke kaum, wie er sich herunterbeugt und als seine warmen Lippen auf meine Treffen, kommt es mir vor, als würde mein Körper in ein unendlich warmes Gewässer gleiten. Er seufzt leise als unsere Lippen sich in einem Einklang bewegen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Als wären sie füreinander geschaffen. Sanft legen seine Hände sich an meine Taille. Ich ergebe mich ganz diesem federleichtem Gefühl, das alle guten Vorsätze bedeutungslos werden lässt.
Doch in diesem Moment zerrt Lucky so heftig an der Leine, dass wir ins Taumeln geraten.
„Schätze da ist jemand eifersüchtig," wispert Luca an meinem Ohr und deutet auf Lucky.
„Wir sollten jetzt wirklich zurückgehen," meint er dann und streichelt mein Gesicht, bevor wir Hand in Hand zurück zum Tierheim laufen.
Ohne Lucky vorher in seinen Zwinger zu bringen, hasten wir triefnass in den Aufentahltsraum.
„Zum Glück habe ich stets ein paar Wechselsachen in meinem Spind." Erkläre ich nicht ohne Stolz und tappse mit quietschenden Gummistiefeln zu dem Metallschrank um eine ausgebeulte Jeans und einen Pulli heraus zu nehmen. „Glücklicherweise hängen an dem Kleiderständer in der Ecke auch ein paar Männersachen." Dämlich grinsend reiche ich Luca ein riesiges Karohmed und eine Wachsjacke.
„Ich verzichte,"naserümpfend betrachtet Luca die speckigen Kleidungsstücke. „Dennoch bestehe ich darauf, das du was Trockenes anziehst." Er nickt zustimmend als ich meine Jacke ausziehe und nach dem Strickpulli greife. Augenblicklich weiten sich seine Augen, als ich meinen Pullover ausziehe. „Das T-Shirt lasse ich an. Es ist zwar klamm, aber für den kurzen Weg wird es reichen." verkünde ich. Als Luca mich immer noch wortlos anstarrt, bemerke ich meine Unachtsamkeit. „Was ist mit deiner...deiner ...Haut?" Stammelt er während sein Blick ungläubig über meine wundgescheuerten Arme flattert.
Sekundenlang ist nur Luckys Hecheln zu hören, der auf dem Boden sitzt und neugierig von Einem zum Anderen blickt.
„Das ist eine Allergie," eilig ziehe ich den kratzigen Pullover über und schaffe nur mit Mühe vor Schmerz nicht das Gesicht zu verziehen. „Neurodoermitis," füge ich hinzu.
Lucas Hand streift durch das regennasse Haar. Das schwarze Hemd klebt an seinem Oberkörper und betont die starken Schultern. Zusammen mit dem Funkeln seiner tiefblauen Augen könnte er ohne Probleme als Model für das neueste Armani Parfum werben.
„Raynaud Syndrom , Neurodermitis...deine Haut ist genauso kompliziert wie du," bemerkt er ohne eine Miene zu verziehen.
Ich schlucke und stopfe die nassen Sachen in meinen Rucksack. Da ist er wieder, Luca der kühle Chefredakteur. Sachlich und unumwunden spricht er die Dinge aus, die ihn stören. Sein Blick gleitet an mir herab und verharrt auf dem Boden. „Tut mir Leid, ich habs nicht so gemeint."
„Schon gut." Selbstbewußt recke ich das Kinn in die Höhe, während mein Hals so eng geworden ist , dass ich mich wundere das ich überhaupt noch den Atem finde, um die folgenden Worte auszusprechen. „ Komm wir bringen Lucky in seinen Zwinger und fahren dann, okay?"
„Okay, "erwidert Luca tonlos. Doch als ich an ihm vorbeigehen will, schlingt er seine Arme um mich. „Ich habs wirklich nicht so gemeint," raunt er direkt an meinem Hals und platziert dort einen federleichten Kuss.
„Schon okay." Seufze ich. Gerade will ich den Kopf heben um ihn zu küssen, als ich spüre wie er sanft mit den Händen meine Arme herauf streicht und sie auf meinem Dekolleté ruhen lässt.
Die Geste ist sanft und unaufdringlich. Trotzdem habe ich schlagartig Jasons Gesicht vor Augen.
„Alles okay?" Zwischen Lucas Augen hat sich wieder diese Falte gebildet. Ich nicke und weiche einen Schritt zurück.
„Ich wollte nicht...bin ich zu schnell?" Ein nervöses Lächeln zupft am linken Mundwinkel.
„Nein..alles gut." Ich greife nach seiner Hand. „Komm, lass uns gehen."
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„Ist das ein mieses Gefühl!" Flucht Luca. Wir sitzen inzwischen wieder in seinem Angeberauto und er ist dabei mich nach Hause zu fahren.„Wie der arme Lucky in dem Zwinger saß und uns hinterher geguckt hat." Seufzt er.
„Es hat sich angefühlt, als würde mein Herz ein zweites Mal brechen."
Ich war gerade dabei Josy eine Nachricht zu tippen, sie hat mir nämlich geschrieben, dass ich sie unbedingt zurückrufen soll. Mehr als einmal hat sie versucht mich zu erreichen.
Melde mich nachher, tippe ich und stopfe das Handy in den Rucksack zurück.
„Ein zweites Mal?" horche ich auf. Luca streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dieser nachlässige Look steht ihm, aber ich werde den Teufel tun, ihm das zu sagen. Sicherlich ist er sich dessen ohnehin vollkommen bewußt.
„Ach schon gut, vergiss es." Die Kiefermuskeln treten deutlich hervor, als er stirnrunzelnd auf die regennasse Fahrbahn starrt, die dabei ist im Halbdunkel zu versinken.
„Luca Blackwater, sie sagen mir jetzt sofort wer ihnen das Herz gebrochen hat," befehle ich, obwohl ich genau weiß, dass ich die Antwort nicht ertragen werde. Luca ist 28, okay. Natürlich weiß ich, dass es in seinem Leben breites einige Frauen gab, aber das eine davon fähig war, ihm das Herz zu brechen, lässt meine Brust eng werden vor Eifersucht.
„Ich selbst..."wispert er. „Ich wußte auch nicht, dass sowas möglich ist, aber ich habe es tatsächlich hinbekommen."
Zwar ist mir klar, dass Luca ein selbstverliebter Blödmann ist, aber das er sich selbst so sehr liebt, dass er sich sein eigenes Herz gebrochen hat, übersteigt selbst meine Vorstellungskraft seines überdimensionalen Egos.„Wie soll man sich denn bitte selbst das Herz brechen?" schnaube ich.
Eine zeitlang ist nur das Brummen des Motors zu hören, und Luca tut mir fast leid, wie er da mit malmenden Kiefern vor sich hinstarrt. Seit dem Moment kurz bevor wir den Aufenthaltsraum verlassen haben, hat die Falte zwischen seinen Augen sich nicht wieder geglättet.
Krampfhaft umklammern die großen Hände das Lenkrad.
„Darf ich vielleicht nochmal mit zum Tierheim kommen?" Weicht er mit schüchterner Stimme aus und lässt meinen Magen Saltos schlagen.
„Mr. Blackwater, ich verlange offiziell, das der echte Luca bleibt wo er ist und nie mehr zurückkommt. Denn ich werde seinen Surrogate garantiert nie wieder gehen lassen."
„Ich dachte, bis auf Star Wars kannst du Science Fiction nicht leiden?" Grinst er, doch der traurige Ausdruck in seinen Augen bleibt, als er mir einen kurzen Seitenblick zuwirft.
Wieder etwas das ich ihm vor drei Monaten erzählt habe und das er sich gemerkt hat.
„Wenn der Luca-Surrogate und ich die Hauptrolle in der Story spielen, will ich eine weitere Ausnahme machen" seufze ich.
Luca stösst hörbar die Luft aus. „Ich würde keinen anderen als mich selbst, den echten Luca Blackwater, an deiner Seite dulden."
Vorsichtig ergreift er meine Hand. „Der Nachmittag war schön, wispert er. Ich freue mich das du mir so sehr vertraust und einfach so mit mir zu dem Café gefahren bist."
Sein Worte jagen mir einen Schauder über den Rücken, als die Logik mich schlagartig einholt. Er denkt, dass ich leicht zu haben bin. Eine , die mit Jedem einfach so mitgeht. Und nach dem Kuss wird er das erst recht von mir denken. Schliesslich weiß ich doch, wie viel ihm ein Kuss mit mir bedeutet. Nämlich Nichts. Selbsthass flammt in mir auf und lässt mir Tränen in die Augen steigen. Dauernd nehme ich mir vor achtsamer zu sein, aus Fehlern zu lernen, nur um Feststellen zu müssen, dass ich Tag für Tag ins Leben hinauslaufe, um jeden einzelnen Fehler immer wieder aufs Neue zu begehen.
Ich weiß nicht, ob ich froh oder enttäuscht bin, dass wir in diesem Moment das Mehrfamilienhaus erreichen in dem ich wohne. Meine Reaktion könnte jedenfalls auf Letzteres schließen lassen. In Wirklichkeit aber ist es eine Mischung aus Beidem.
Hastig greife ich nach meinen Rucksack und lege die Finger an den Türöffner, noch bevor das Auto angehalten hat.
„Also dann Mr. Blackwater," haspele ich. "Bis morgen." Ich spüre Lucas Hand an meinem Rücken.
„Luna...warte!" Ruft er, doch ich habe die Tür bereits zugeschlagen und hebe die Hand.
Sekundenlang bleibt das Auto noch stehen, bevor Luca viel zu viel Gas gibt und der schwarze AMG vom Hof röhrt.
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Mit einem Seufzer lasse ich mich an der Wohnungstür herabgleiten. Mein Herz hämmert gegen den Brustkorb, der sich leicht und schwer zugleich anfühlt. Tränen laufen meine Wangen herab, während ich wie eine geistesgestörte vor mich hin kichere. Was war das für ein verrückter Nachmittag? Resigniert komme ich zu dem Schluß, dass ich den morgigen Tag entweder zuhause verbringen muß oder all meine Kräfte zusammenraffe, um mich auf den eiskalten Mr. Blackwater einzustellen, der mich wahrscheinlich fieser als je zuvor behandeln wird.
Das Klingeln meines Handyss reisst mich aus den Gedanken. Josy. Aber ich gehe nicht ran. Wenn ich jetzt mir ihr rede, wird sie meiner Stimme anhören wie aufgewühlt ich bin. Aber ich habe jetzt keine Lust Fragen zu beantworten, auf die ich selber keine Antwort weiß. Deshalb schreibe ich ihr eine Nachricht, dass ich bereits todmüde im Bett läge und lasse mir ein heisses Bad ein.
Nachdenklich starre ich in den einlaufenden Wasserstrahl. Ob Luca mir die Geschichte mit den Schrammen geglaubt hat? Ich kann es nur hoffen. Allerdings sah er nicht gerade so aus, als wäre meine Erklärung sonderlich plausibel.
Immer noch grübelnd ziehe ich mich aus und lasse mich mit schmerzverzerrtem Gesicht in das heiße Wasser gleiten. Immerhin lässt das Brennen nach ein paar Sekunden nach und ich kann das Bad einigermassen geniessen.
Als ich aus der Wanne steige, und auf mein Handy blicke, macht mein Herz einen Hüpfer. Luca hat mir geschrieben.
Mit zittrigen Fingern öffne ich den Chat.
Gute Nacht Luna. Bis morgen. Ich hole dich um 7:30 Uhr ab.
Luca.
Mist, ich habe ganz vergessen das ich kein Fahrrad mehr besitze. Sollte ich den Diebstahl nicht eigentlich auch der Polizei melden? Wo bekomme ich jetzt so schnell ein neues Fahrrad her?
Das Luca mich fährt, darf jedenfalls nicht zur Gewohnheit werden. Es ist kaum auszudenken, was Tim und Mara sich zurecht spinnen, wenn sie davon Wind bekommen.
Vor lauter Gedanken wird mir schwindelig. Das bevorstehende Wiedersehen mit Jason macht die Sache nicht besser. Was wenn Luca von der Nacht erfährt, auf die ich mich mit seinem Kumpel eingelassen habe, obwohl ich ihn gar nicht kenne? Es wird seinen Endruck, ich sei leicht zu haben, nur bestätigen.
Zwei Beruhigungstees und eine Netflix Doku über ein verschollenes Flugzeug später, liege ich endlich im Bett. Ich habe allen Grund zur Sorge. Ich sollte mich schämen, für die gebrochenen Vorsätze und mein albernes Verhalten heute. Doch als ich die Augen schliesse, sehe ich Luca vor mir, wie er Lucky unbeschwert und ohne eine Spur von Angst die Leine anlegt.
Grinsend ziehe ich mir die Decke bis ans Kinn und schliesse die Augen.
1887 Wörter
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