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Triggerwarnung: Hinweise auf körperlichen Missbrauch und selbstverletzendes Verhalten.
Völlig mit den Nerven am Ende liege ich in meinem Bett und starre die Zimmerdecke an. Stumme Tränen laufen meine Wagen herab und ich bin froh das niemand mich so sehen kann.
Als wollte man mir beweisen, dass es auch dafür keine Garantie gibt, klingelt es an der Tür. Abrupt setze ich mich auf.
Hoffentlich ist es nicht wieder Luca. Diesmal kann ich mir nicht einreden, dass er nur gekommen ist, um mir die Kündigung zu überreichen. Ich bin nicht sicher, ob es ein gutes Zeichen ist, dass ein kleiner Teil von mir sich darüber freut.
Parallel zum beharrlichen Läuten an der Tür, beginnt mein Handy zu klingeln. Bevor ich von Sias "Eye of the needle" einen Ohrwurm bekomme, stolpere ich in den Flur zum Schuhschrank, wo ich mein Handy abgelegt habe und drücke den grünen Hörer. „Hey Josy," begrüsse ich meine beste Freundin. Augenblicklich meldet sich mein Gewissen. Ich habe nicht auf ihre Nachrichten und Anrufe reagiert.
„Ich stehe vor der Tür. Machst du mir auf?" Hallt ihre Stimme sowohl im Handy als auch im Hausflur.
So ein Mist! fluche ich innerlich und leiste einen stummen Schwur, sie nicht in die Sache mit Jason einzuweihen. Schlimm genug, dass Audra davon weiß. Ich will einfach nicht, das Josy schlecht von mir denkt. Sicherlich würde sie mir Vorwürfe dafür machen, dass ich zugelassen habe, das Jason mich abfüllt. Sie wird mich für ein dummes kleines Mäuschen halten, das mit Jedem mitgeht.
„Fu** hab ich mir Sorgen gemacht! Ich dachte schon du wärst tot." Begrüsst mich meine beste Freundin, als ich ihr die Tür aufmache. Strinrunzelnd blickt sie auf die kleine Kette an der Tür. „Seit wann verrammelst du die Wohnung? Früher mußte ich dich daran erinnern, dass du überhaupt daran denkst die Tür zuzumachen."
„Sicher ist sicher, " erkläre ich und sende ein Stossgebet zum Himmel, dass ich nicht zu verheult aussehe.
Sekundenlang verharrt ihr skeptischer Blick auf meinem Gesicht.
„Komm erstmal rein," ich deute Richtung Küche, „ich mache uns einen Tee."
Josy streift ihre Pumps von den Füßen und spaziert voraus. Eine Duftwolke nach Maiglöckchen wabert durch die Wohnung. Es ist eine Eigenheit von ihr , das Parfum den Jahreszeiten anzupassen. Aber mit Maiglöckchen ist sie ein bisschen früh dran, es ist erst Anfang April.
"Ich habe sogar in der Redaktion angerufen. Eigentlich habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass überhaupt noch Jemand da ist, aber als bei dir immer nur die Mailbox ranging, hat mich hat die Panik gepackt." Haspelt sie.
„Hast..ähh..hast du...Jemanden erreicht?" hauche ich , entsetzt über ihre Worte.
„Ja, habe deinen Chef an der Strippe gehabt. So freundlich wie der war, dachte ich erst, der echte Blackwater wäre von Aliens entführt worden. Am Ende wurde er mir dann ein bisschen zu neugierig. Wahrscheinlich verbirgt sich hinter der Fassade des aalglatten Machos ein altes Tratschweib. Oder aber...,"nachdenklich verzieht sie den Mund..„er war selber ein wenig besorgt um seine beste Redakteurin." Sie zwinkert mir zu. Josy hat Luca ein paarmal gesehen, als sie mich bei schlechtem Wetter von der Arbeit abgeholt hat, damit ich nicht mit dem Fahrrad fahren muß. Damals dachte ich eigentlich, dass sie positiv von ihm überrascht sein würde, aber sie fand ihn von Anfang an zu perfekt, um wahr zu sein.So hat sie es zumindest formuliert.
Hastig drehe mich um und öffne den Wasserhahn um den Wasserkocher zu befüllen, so kann sie nicht sehen, wie mir wieder Tränen in die Augen steigen. Der Gedanke an Luca macht mich aus irgendeinem Grund nicht mehr wütend , sondern traurig. Vielleicht liegt es an der Art, wie wir uns vorhin voneinander verabschiedet haben. Da war etwas in seinem Blick, das ich noch nie so bei ihm gesehen habe. Naja, bis auf einen ganz bestimmten Moment vor drei Monaten. Aber ich will mir nicht wieder etwas vor machen. Deshalb scheuche ich den Gedanken daran so schnell es geht fort. Wortlos nehme ich zwei Tassen aus dem Küchenschrank und betätige den Knopf am Wasserkocher.
„Luna?"
Ich hole tief Luft und drehe mich um.
„Nee, oder?"
Josy rollt mit den Augen und legt den Kopf schräg. „Sag nicht du bist immer noch in dieses soziopathische Arschloch verknallt."
„Quatsch!" Rufe ich viel zu laut. An der Art wie Josy die Arme vor der Brust verschränkt, kann ich erkennen, dass sie mir kein Wort glaubt.
„Gut, dann kann ich dir ja ruhig erzählen, was er mir noch gesagt hat, als ich nach dir gefragt habe."
Augenblicklich beginnt mein Herz zu rasen.
„ Was meinst du?"stammle ich.
Der Teebeutel in meiner Hand zittert.
„Strawberry cheesecake?" Setze ich hinterher, und versuche meiner Stimme einen unbeteiligten Klang zu verleihen.
Josy nickt.
„Du weißt, dass ich längst der Meinung bin, du solltest kündigen," erinnert sie mich an die Worte, die sie mir jeden zweiten Tag mitteilt, „aber es ist dein Leben."
Schweigend giesse ich das heiße Wasser in die Tassen, stelle sie vor uns auf den Tisch, und setze mich auf den Stuhl gegenüber.
Mit einer Mischung aus Neugier und Angst blicke ich ihn ihr ebenmässiges Gesicht.
Die dunklen Augen funkeln beunruhigend. Das hat bei Josy nur Eines zu bedeuten. Es gibt Neuigkeiten, und zwar welche von der Sorte, die sie unglaublich amüsant und ich unfassbar schrecklich finde.
Sie senkt die Augenbrauen und stellt ihre Stimme ein paar Oktaven tiefer. Bei dem Anblick muss ich beinahe loslachen.
„ Luna ist soeben gegangen," äfft sie meinen Chef nach," ist denn alles in Ordnung bei ihr?"
„Ich habe ihm dann gesagt , dass ich dich nicht erreichen konnte, und Oh Mein Gott! Der Typ wurde ganz aufdringlich. Wollte mich aushorchen. Aber nicht mit mir."
Mit tauben Fingerspitzen beginne ich mit meinen Haarspitzen zu spielen. „Inwiefern aushorchen?" Als hätte sie mit dieser Frage schon gerechnet, setzt Josy ein süffisantes Lächeln auf.
„Wie immer kam er sich furchtbar schlau dabei vor. Hat versucht ganz unbeteiligt zu klingen , als er wissen wollte , ob du mir etwas von diesem bescheuerten Date erzählt hast, auf das dieser sadistische Blödmann dich geschickt hat.
„Er hat dich nach meinem Date gefragt?"
Josy nimmt die Teetasse und pustet in die dampfende Flüssigkeit.
„Jop."
Ich habe dann auflegen wollen, aber er hat mich noch aufgehalten.
„Es gäbe da noch etwas, meinte er und ab dem Moment klang er wieder wie der eiskalte Businessman."
„Worum ging es?" Hake ich nach, doch ich ahne bereits was kommen wird.
„Die Hazelwood Kampagne. Und siehe da, er schickt morgen einen Kerl vorbei, der sich meinen Laden ansehen will, um ihn in eurer wehrten Zeitung zu erwähnen. Und auch wenn mein Stolz Alarm schlägt, bin ich gewillt diese Chance zur kostenlosen Werbung zu ergreifen."
„Spinnst du?" Vor Empörung hätte ich beinahe meine Tasse umgeworfen, als ich mit den Händen in der Luft herum fuchtele.
„ Der Hazelwood Chronicle ist ein Haifsichbecken. Er wird dir einen Typen schicken, der nur die Fehler entlarven will, um dann von mir zu verlangen, dass ich einen humorvollen Artikel darüber schreibe, wie viel Mühe du dir gibst und wie gewagt dein Schritt in die Selbstständigkeit war. Noch dazu in diesen unsicheren Zeiten. Sicherlich wird er nichtmal davor zurückschrecken, den Tod von Thomas zu erwähnen!"
Verdammt! Erschrocken senke ich den Blick und kaue auf meiner Unterlippe herum. Ich hätte nicht auf Josies Verlobten zu sprechen kommen sollen.
„Sorry."
Schweigen hängt in der Luft. Draußen bellt ein Hund und lässt mich an Lucky denken.
„Ich werde ihm natürlich nichts von Thomas erzählen, auch wenn wir das Corners damals zusammen gegründet haben," erwidert Josy. Es schmerzt mich, dass meine Worte ihr Lächeln vertrieben haben. „Aber Thomas würde nicht wollen, das ich mich verkrieche. Das weißt du. Er würde mich ermuntern, die Chance zu ergreifen. Und wenn Blackwater von dir verlangt, einen leutseligen Artikel über mich und meine Arbeit zu verfassen, ist das deine Gelegenheit ihm endlich mal die Zähne zu zeigen. Du vergeudest in dem Laden dein Talent, Luna. Jede andere hätte den Job längst geschmissen und zwar direkt in seine selbstgefällige Visage!"
Immer noch schuldbewusst , weil ich Thomas erwähnt habe , spiele ich mit dem Schildchen an dem Teebeutel herum.
Josy hasst es , wenn ich sie an Thomas' Tod erinnere. Zumindest kommt es mir so vor. Dabei weiß ich im Grunde, dass sie niemals darüber hinwegkommen wird. Und wer könnte ihr das verübeln? Seit seinem Tod haftet ihrer fröhlichen Art etwas Aufgesetztes, Gezwungenes an, das mich schmerzt, wenn ich an unsere glücklichen Zeiten denke. Die Zeiten, in denen Thomas noch lebte und ich Nichts von einem Luca Blackwater ahnte, dem ich bald begegnen würde, nur um mir in Rekordzeit das Herz von ihm brechen zu lassen.
„Du hast Recht. Ich sollte kündigen." Höre ich mich sagen und versuche mir einzureden, dass die Faust, die sich bei meinen eigenen Worten um mein Herz schliesst, mit dem Hundegebell zusammenhängt, das noch immer zu hören ist.
Josies Augenbrauen schnellen in die Höhe. „ Du hast es endlich begriffen?" Das Lächeln ist zurückgekehrt. Doch ein Schatten liegt auf ihrem Gesicht, wie eine Wolke, die ich vor die Sonne geschoben hat.
„Es wäre das Beste," krächze ich.
Josy nippt an ihrer Teetasse.
„Mein Reden."
Ich nehme ebenfalls einen Schluck von meinem Tee. Er schmeckt bitter und ist noch viel zu heiß.
„Aber ich will erst was Anderes finden."
Über den Tisch hinweg greift Josy nach meiner Hand. „Das wirst du , Süße. Denk nur an deine Noten."
Ich nicke. Josy hat Recht. Mein Ex-Streberdasein wird sich hoffentlich bei meiner Jobsuche auszahlen.
„Aber vorher bringen wir die Kampagne hinter uns." Verkünde ich voller Entschlossenheit.
Der Schatten auf Josies Gesicht löst sich langsam aber sicher auf und die Sonne kommt wieder zum Vorschein. Sie bringt ihre dunklen Augen zum Strahlen.
„Und wenn die Kampagne gedruckt ist , wirfst du ihm die Kündigung vor die Quadratlatschen!"
„ Ich dachte in seine selbstgefällige Visage," grinse ich. Josy winkt ab. „Wirf sie ihm wohin du willst. Hauptsache er bekommt sie !"
Falls ich bis dahin was Neues gefunden habe, wende ich ein und mein Grinsen verschwindet.
„Das wirst du!"
Ich bin ja mal gespannt, was für einen Fatzke er da morgen vorbei schickt. Sicherlich genauso einen Fiesling wie er selbst einer ist. Er hat ihn nämlich als einen Freund von sich bezeichnet."
Angewidert kräuselt Josy die Oberlippe.
Eilig nehme ich einen weiteren Schluck von dem Tee, um die Übelkeit zu vertreiben, die der Gedanke an Jason in meinem Magen auslöst.
„Er hat absolut gar nichts mit Luca gemeinsam."
Verdammt! Warum denke ich nicht nach, bevor ich den Mund aufmache?
Josies Augenbrauen senken sich. „Du kennst den Kerl, den er mir morgen vorbeischickt?"
„Aus der Redaktion. Er war heute kurz da." Überfordert streiche ich mir mit einer Hand über das Gesicht.
In meinen Schläfen macht sie das verhasste Pochen bemerkbar. „Ich...mag ihn nicht besonders."
Ein trauriges Lächeln umspielt Josies Mundwinkel. „Du siehst ziemlich fertig aus, Süße."
Ich winke ab. „Alles gut. Schätze ich muß nur etwas Schlaf nachholen, oder so."
„Sag mal Luna, wann wirst du mir erzählen, was bei dem Blind Date," Josy setzt unsichtbare Anführungszeichen in die Luft, „passiert ist?"
Die Faust, die mein Herz noch immer umschlossen hält, hindert es zunehmend daran, die Blutbahn mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen.
So sehr ich etwas antworten will, mir fällt nichts ein. Stattdessen prasselt eine Flut von Bildern auf mich ein, und plötzlich erkenne ich eines, das vorher nicht da war. Wie die Berührung einer eiskalten Hand, die ich um meinen Hals schliesst. Ich bin einem dunklen Raum , der nur vom Schein einer kleinen Lampe erhellt wird. Jemand zerrt an meiner Strumpfhose und ich bitte ihn darum mich gehen zu lassen. Ich will aufstehen aber zwei Hände drücken mich zurück auf die Matratze. „Ich ziehe dich nur aus, das ist alles," murmelt Jason mit gehetzter Stimme, als wäre das ein Grund , die hilflose Panik zu dämpfen, die von mir Besitz ergriffen hat.
„Luna?" Erst als ich den Kopf hebe, sehe ich, dass Josy neben meinem Stuhl kniet. Besorgt legt sie die Hände an meine eikalten Wangen.
„Du bist total blass, Süße. "
Verwirrt blicke ich auf ihre von Sommersprossen übersäte Nase. Ich blinzle ein paarmal und das Bild von Jason dringt wieder in den Hintergrund.
Es war nur ein Bild, rede ich mir ein. Doch ich weiß, das es mehr ist als das. Ich fange an mich zu erinnern. Langsam zerreißt der Schleier und legt die Facetten meiner bisher unbekannten Seite frei. Panisch ringe ich um Atem. Ich will diese Seite nicht sehen. Will nicht das hilflose Dummchen sein, das zu schwach war für sich einzustehen. Wie kann man sich selbst nur so sehr verachten?
Das Gefühl beschmutzt zu sein, kehrt schlagartig zurück.
„Ich gehe mal eben kurz duschen," erkläre ich geistesabwesend und springe vom Küchenstuhl. „Du kannst hier warten, wenn du willst. Oder mach es dir vor dem Fernseher bequem." Ohne eine Antwort abzuwarten, schiebe ich Josy zur Seite und laufe ins Bad.
Ein resignierter Seufzer dringt aus meiner Brust, als ich erkenne, dass ich kein Duschgel mehr habe. Kurzerhand greife ich nach der Flasche mir dem Erkältungsbad , das ich vollkommen aufbrauche. Sicherheitshalber benutze ich auch noch die Wurzelbürste , die ich sonst manchmal zur Hautmassage nach dem Duschen verwende. Dabei schrubbe ich meine Haut so fest, dass der Schaum welcher im Abfluss verschwindet, sich mit Blut vermischt . Ich beiße die Zähne zusammen, als das heiße Duschwasser auf die wunden Hautstellen trifft.
Als ich die Dusche verlasse und in Jogginghose und T Shirt geschlüpft bin, atme ich ein paarmal tief durch um die brennenden Schmerzen meiner Haut unter Kontrolle zu bringen . Josy sitzt mittlerweile auf dem Sofa, allerdings ohne den Fernseher eingeschaltet zu haben. Schweigend betrachtet sie mich, bevor sie den Mund aufmacht und die Frage aller Fragen stellt.
„Was ist an dem Dating Abend passiert?"
"Ein Mann um die Fünfzig," seufze ich. „Er hatte eine Spinne dabei. Die hat er mir gezeigt. Dann bin ich abgehauen." Okay, der letzte Satz ist gelogen, aber was solls'? Ich kann einfach nicht über die Sache mit Jason reden. Schlimm genug, dass ich ihn morgen wiedersehe, und das er sogar den Laden meiner besten Freundin unter die Lupe nehmen wird.
Vielleicht sollte ich morgen früh einfach versuchen, meine Angst vor ihm irgendwie zu betäuben. Nur habe ich keine Ahnung, wie ich das anstellen soll. Alkohol dürfte jedenfalls keine sonderlich gute Idee sein.
Der wissende Ausdruck in Josies Augen tut weh. Er ist fast so schmerzhaft, wie der Gedanke daran, dass Lucky bald nicht mehr da sein wird.
„Thomas hat immer gesagt, wenn jemand lügt, weil er über etwas Bestimmtes nicht sprechen kann, wird die Wahrheit von selbst ihren Weg finden. Früher oder später. "
Sie öffnet die Arme und ich schlüpfe dankbar hinein. Mit einem leisen Schluchzer lege ich den Kopf an ihre Brust. Ich sollte erleichtert darüber sein, dass sie nicht weiter nachbohrt, stattdessen bin ich von mir selbst nur umso enttäuschter, weil ich Audra mehr anvertraut habe, als meiner besten Freundin, die ich seit der ersten Klasse kenne.
„Du riechst wie eine Tüte Pfefferminzbonbons," scherzt Josy und schafft es selbst in diesem Moment, mir ein winziges Lächeln auf das Gesicht zu zaubern.
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Luca
Wie gerne hätte ich Luna einfach nur in den Arm genommen. In dem Moment, als meine Hand ihre Taille berührte, hat mein ganzer Körper gekribbelt.
Ich wollte mir so sehr einreden, dass sie mir egal ist. Das sie nur ein kleines verliebtes Mädchen ist, dass in mir den coolen EX- College Fotballtypen sieht, der Jede kriegen kann und sich ausgerechnet dazu entschlossen hat, sie zu küssen.
Ein dämliches Grinsen breitet ich auf meinem Gesicht aus, wenn ich an den Moment vor drei Monaten denke, als ich ihr das Foto von mir gezeigt habe. Ich mußte das einfach tun, weil sie behauptet hat, sich nicht vorstellen zu können, dass ein Anzugträger wie ich jemals ein Football Trikot getragen hat.
Verdammt. Wie haben wir an diesem Abend miteinander herumgealbert. Dabei war es doch eigentlich nur ein lächerlicher Betriebsausflug in Marcios Pizzeria. Alle anderen waren schon gegangen, und aus irgendeinem Grund sind wir ins Gespräch gekommen. Mir ist von Anfang an aufgefallen, das Luna der übliche Small Talk nicht liegt. Vielleicht bin ich deshalb so schnell in die Tiefe gegangen und habe ihr Sachen über mich erzählt, die nur meine besten Freunde wissen. Aber mein Herz kennt den wahren Grund. Und genau diesen Grund wollte ich nicht akzeptieren. Aber mein Herz hat mich verraten, in dem Moment als ich Luna zum ersten Mal in der Redaktion gesehen habe. Ich wollte sie nicht einstellen. Sie war zu sanft, zu zerbrechlich für diesen Laden hier. Ich wollte ihre Zurückhaltung als Arroganz abtun und ihr von Mara eine schöne förmliche Absage tippen lassen.
Aber ich war zu egoistisch, um sie abzulehnen. Und noch egoistischer war ich an jenem Abend. Als ich den Regen als Vorwand nahm, sie nach Hause zu bringen und wir dann lieber zu mir gefahren sind, weil sie meinte, dass ihre Wohnung zu unaufgeräumt sei, um sie ihrem Chef zu zeigen. Wie ungezwungen sie war. So fröhlich. Und wie sie mir ihr Vertrauen geschenkt hat. Einfach so.
Ich wollte ihr nur das bescheuerte Foto zeigen und sie dann nach Haue fahren. Stattdessen habe ich ihr Gesicht in die Hände genommen und sie geküsst. Zuerst war sie überrascht und ich wollte den Kuss schockiert über mein eigenes Verhalten abbrechen, aber dann wurden ihre Lippen ganz weich an meinem Mund und ich war verloren. Zum Glück ist es mir gelungen, die Reissleine zu ziehen, als unsere Hände ein Eigenleben entwickelten. Beinahe hätte die Wärme ihrer zarten Haut unter meinen Fingerspitzen, alle guten Vorsätze zu Nichte gemacht.
Die ganze Nacht, nachdem ich sie nach Hause gebracht habe, schwor ich mir, nie wieder derart nah an den Abgrund heranzutreten. Ich bin ihr Chef verdammt. Sie ist sieben Jahre jünger als ich. Mit ihren 21 Jahren hat sie keine Ahnung davon, was es bedeutet , wenn wir die Grenze überschreiten . Ich habe einen ähnlichen Fehler schonmal gemacht, nur das mir die Frau damals nichts bedeutete, und ich das Spiel gewissenlos auf die Spitze trieb. Solange, bis die Spitze sich wie eine Waffe in meinen Rücken bohrte. Ich werde diesen Fehler nicht nochmal begehen, das habe ich mir geschworen.
Mit der Kaltherzigkeit, die ich Luna seit jenem Abend gezeigt habe, wollte ich ihr und vor allem mir selbst irgendwas beweisen. Doch alles was ich bewiesen habe ist , dass ich ein Riesenarschloch bin. Und das hat Luna nun endgültig eingesehen. Ich sollte mich freuen, denn genau das war es doch schliesslich, was ich mit meinem miesen Handeln und vor allem dem Dating Abend erreichen wollte.
Lunas Nervosität mir gegenüber hat sich in Gleichgültigkeit verwandelt, und der Schmerz, den sie mir damit antut, hat mich dazu gebracht, meine guten Vorsätze nicht nur zu vergessen, sondern mich dafür zu hassen. Ich werde lernen müssen, mit diesem Hass zu leben. Doch vorher will ich versuchen, dieses schüchterne Lächeln zurückzubringen, von dem mir jetzt erst klar geworden ist, wie sehr ich es an ihr mag.
3080 Wörter
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