Brief
Chase
Ich tippte mit dem Füller in meiner Hand immer wieder auf das Briefpapier vor mir und starrte aus dem Fenster. Tapp, tapp, tapp. Vor meinem inneren Augen lief der Film der letzten Wochen ab.
Da wäre die Show im Krankenhaus vor 14 Monaten. Shit Show. Der Tag an dem mir klar wurde, dass der Verrat von Britney nichts im Vergleich zu der Zurückweisung von Mer war. Sie hatte mir das Herz mit einem silbernen Löffel aus der Brust gerissen und diesen Löffel danach auch noch abgeleckt.
Was ich damit meinte? Ich hatte seitdem nicht mehr mit ihr geredet. Aber gesehen hatte ich sie. Sie ging bei meinen Geschwistern ein und aus. Und von Woche zu Woche musste ich mitansehen, wie die dunklen Ringe unter ihren Augen verblassten. Ich wollte nicht, dass sie litt. Aber zu sehen, wie sie ohne mich weiterlebte, zerriss mich. Gerade, weil ich jeden Tag darum kämpfen musste, aufzustehen. Ich war ein gebrochener Mann.
Das Schlimmste war, dass ich mittlerweile verstand, dass ich alleine an der Situation Schuld war. Ich hatte Britney verheimlicht, ich war ein Arschloch und ich war es, der ihr nicht vertraut hatte.
Ich seufzte und starrte weiter in die Nacht hinaus. Sie war sicher irgendwo da draußen. Vielleicht ging sie mit Jake essen? Ich hatte meine Chance schließlich verspielt.
Ich hatte noch keinen Brief von ihr bekommen. Jeden Tag rannte ich stündlich zum Briefkasten, nur um immer wieder mit gähnender Leere begrüßt zu werden. Leere im Sinne von nichtssagender Post. Werbung, Rechnungen. Dinge des alltäglichen Lebens. Mir waren diese Dinge egal. Die Frau, die ich liebte, hatte aufgehört an mich zu denken. Ich konnte meine Gedanken nicht davon lösen.
Ich kniff seufzend die Augen zusammen und begann dann zu schreiben:
Meredith,
Ich glaube, du hast unser Versprechen längst vergessen. Und kann ich es dir verübeln? Nein.
Aber ich halte mein Wort. Du verdienst die Wahrheit. Die brutale, ungeschönte Wahrheit.
Ich erwarte nicht, dass ich nach diesem Brief nicht mehr der Buhmann sein werde. Dafür war der Brief nicht gedacht. Wahrscheinlich ist es für mich der einzige Weg über meinen Schatten zu springen und dir alles schonungslos zu erzählen.
Es war an einem Samstagabend als ich Britney kennenlernte. Ich kam frisch von der Militärakademie und feierte mit meinen Freunden das Ende der Ausbildung.
Ich hatte in meinem Leben noch nie zuvor so eine hübsche Frau gesehen, wie sie es war. Alles an ihr zog mich in ihren Bann. Und ja, ich denke ich genoss es, dass mir jemand seine ungeteilte Aufmerksamkeit entgegen brachte. Ich war ihr Held in Uniform und mir gefiel diese Sicht der Dinge.
Zwischen uns ging es unwahrscheinlich schnell. Vier Monate nach unserem ersten Treffen in der Bar fand sie heraus, dass sie schwanger von mir war. Mit meinen 19 Jahren fühlte ich mich wie ein Kind. Ich hatte Zweifel. Ich zweifelte nicht daran, dass ich das Kind wollte und es lieben würde. Bedingungslos lieben würde. Aber ich zweifelte an mir. Würde ich ein guter Vater sein?
Für einige Tage waren Britney und ich wie ekstatisch. Oder ich glaubte, dass sie ebenso glücklich wie ich war. Mir war es egal, dass alles so schnell ging. Ich wollte für sie und mein Kind da sein. Allerdings bekam ich sechs Tage später den Befehl in den Irak auszurücken. Meine erste Mission. Ich darf dir nicht viel darüber erzählen, aber es war gefährlich und ich wusste, dass die Terroristen dort unten keines Wegs zu Späßen aufgelegt waren. Also machte ich Britney einen Antrag. Ich hätte damals schon die Warnsignale sehen sollen. Verdammt, sie schien sich nicht einmal für die Hochzeit zu interessieren. Für sie ging es nur darum, meinen Ring an ihrem Finger zu sehen. Damals habe ich es damit abgetan, dass ihr egal war wie wir heiraten, solange sie bei mir sein konnte. Aber das war nicht ihr eigentlicher Grund. Zwei Tage später heirateten wir standesamtlich. In der Hochzeitsnacht stritten wir über das Kind und meinen Job. Sie wollte, dass ich aus der Army austrat. Doch ich hatte mein Leben lang auf diesen Moment gewartet, an dem ich meinen Vater stolz machen konnte.
Als ich von der Mission nach Hause kam, es waren drei Monate vergangen, bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte. Da wo mein Kind heranwachsen sollte, hatte sich kein Babybauch gebildet. Britney sagte mir, sie hätte das Kind verloren. Für mich brach eine Welt zusammen, doch Britney schien es kalt zu lassen. Wir machten eine Paartherapie. Kannst du das glauben? Ich saß auf der Couch von irgendeinem Psychodoktor und schüttete mein Herz aus und Britney saß daneben, als ginge es nicht um sie. Nicht um uns.
Die nächsten Jahre waren hart. Ich war häufig unterwegs. Die Army forderte ihren Tribut. Jedesmal, wenn ich nach Hause kam, erkannte ich Britney weniger wieder. Nicht nur äußerlich sondern auch innerlich. Ich sah die OPs, aber emotional wurde sie distanzierter. Vor fünf Jahren ungefähr trat ich aus der Army aus, um mehr für sie da zu sein. Ich wollte sie überraschen und kam früher als gedacht nach Hause. Da fand ich sie mit unserem Nachbarn. Sie hatte nicht einmal den Respekt vor mir, es nicht in unserem Ehebett zu treiben.
Ich dachte damals, dass mein Herz zerbrach, weil sie fremdgegangen war. Doch eigentlich wusste ich, dass ich sie nicht mehr liebte und nur meinen Träumereien hinterher weinte. Während der ersten Gespräche die Scheidung betreffend, gab sie zu, unser Kind damals abgetrieben zu haben. Ich hatte fünf Jahre mit einer Frau zusammengelebt, die mich über den Tod unseres Kindes belogen hatte.
Von da an, ertränkte ich meinen Frust in Alkohol und Frauen. Und ich danke Gott, dass sie heute Mittag endlich die Scheidungspapiere unterschrieben hat.
Sie hat mich dazu benutzt um ihren Status aufzupolieren. Ich war ein Sullivan. Die Leute wussten um unser Vermögen, sie wusste um mein Vermögen. Ich hatte zu meinem 18. Geburtstag eine Menge Geld bekommen, doch an meinen eigentlichen Fond kam ich erst mit 21. Ein Grund mehr für sie, mich zu heiraten. Mich an sie zu binden. Ich würde ihr den Status einer Soldatenfrau geben und das Vermögen eines Sullivans. Sie hätte nie wieder einen Finger krumm machen müssen.
Anscheinend hat ihr das nicht gereicht, ich habe ihr nicht gereicht.
Und auch wenn du es nicht hören willst, ich muss dir sagen, dass du mir aus diesem Loch geholfen hast. Du hast mir Liebe gezeigt und dafür werde ich dich immer lieben.
Du musst mir auf diesen jämmerlichen Brief nicht antworten, Mer.
Ich wünsche dir alles erdenklich Gute.
In Liebe, Chase
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