1- To be or not to be
George Pov:
Langsam ließ ich die mit zerronnenen Eiswürfeln schon verwässerte Flüssigkeit aus dem mühevoll verzierten Whiskey-Glas die Innenseite meines Rachens hinunterrinnen, während mich der brennende Geschmack des alkoholische Getränk auf meiner Zunge und meinen Lippen gennussvoll für einen Augenblick aus der Realität holte. Mit geschlossenen Augen ließ ich die Kühle des Glases in meiner Hand noch nahe an meinen Lippen und verharrte regungslos in dieser Position, bis auch der letzte Tropfen honigfarbenen Whiskys in meinem Mund verschwunden war und somit auch wieder die Realität über mir zusammenschlug, wie eine Welle, die mich am liebsten von dieser Erde gespült und unter sich begraben hätte. Ich stieß einen lautstarken Atem hervor, während ich meinen pochenden Kopf langsam zurück auf die breite lederne Lehne meines Bürostuhls gleiten ließ. Nichts als die Erschöpfung in meinen Gliedern und das Pochen meines Kopfes nahm ich in der mich umgebenden Stille wahr, die so erfüllt war mit dem Geruch nach Papier und Druckerschwärze, dass selbst meine Nase blind war vor dem sich aufdrängenden Geruch.
Die grelle pompöse Deckenlampe, die in ihrem modernen Stile ihre beigen Arme in den Raum unter sich streckte, gab alles, um jeden Winkel, von dem großen Tisch, dessen Arbeitsfläche man schon nicht mehr sah, da ich so viele Papiere in verschiedenen Stapel sortiert hatte, über die an den Wänden emporragenden dunklen Regale, die Bücher enthielten, die ich nie in der Hand gehalten hatte, bis hin zu der still um Wasser bettelnden Pflanze in der rechten Ecke des Zimmers, die tapfer neben dem Kleiderständer und dem hüfthohen Regal mit dem schlichten ebenfalls beigen Spiegel darüber um ihr Leben kämpfte, meines Büros zu erhellen und bemerkte dabei nicht, dass sie mir unangenehm in den Augen stach.
Übermüdet ließ ich meinen Arm mit dem ausgetrunkenen Whiskey-Glas von meinen nun gekühlten Lippen auf die Lehne meines Stuhls fallen und betrachtete in verwobenen Gedanken verloren die perfekten Hebungen und Senkungen des Glases, über die ich auch schließlich abwesend meinen Daumen gleiten ließ. Der Wunsch in mir, dass der Alkohol doch endlich seine alles in ein ungenaues Gemisch der Zufriedenheit verwandelnde Wirkung einsetzten sollte, obwohl ich mir nur dieses eine Glas von dem kleinen Silbertablett mit der alten stolz dastehenden Whiskey-Flasche genommen hatte, wurde immer größer, während meine Gedanken wie von selbst, zu den Zeiten zurücksprangen, an denen ein Tropfen dieses tückischen Getränkes genügt hätte, um mich in den höchsten vernebelten Wolken schweben zu lassen, in die ich mich hätte trinken können.
Mit einem bitteren Zusammenpressen meiner Lippen riss ich mich selbst aus diesem Erinnerungsstrudel und wandte meine Aufmerksamkeit nun wieder dem aus dunklem Holz bestehenden und den halben Raum einnehmenden Tisch entgegen, der sich auf eine perverse Art und Weise perfekt in das von einer Designerin erschaffene Büro fügte, in dem ich nun schon beinahe täglich Verträge, Angebote, Verbote, Aufträge, Bitten und seit neuestem auch Bewerbungen vor mich hinschob und bearbeitete. Mich selbst leise verfluchend, dachte ich an all die Arbeit, die gerade vor mir lag und die ich idealerweise noch heute erledigen musste und für einen kurzen Moment zog ich wieder die Überlegung in Erwägung mir noch weitere Sekretäre oder Sekretärinnen zu holen und ihnen diese gottlose und mich zu Tode langweilende Aufgabe aufzudrücken, doch wusste ich genau, dass allein der Gedanke daran mir schon zu viel Unbehagen bereitete. Dinge nicht selbst in der Hand zu haben, war schon immer etwas gewesen, dass ich verabscheut hatte, denn schließlich war ich nicht umsonst von klein auf immer derjenige gewesen, der den anderen Kindern gesagt hatte, was zu tun war oder immer mit einem Plan an alles herangetreten war und wie sagt man so schön: "Old habits die hard".
Ein verächtliches Schnauben bahnte sich seinen Weg durch meinen übermüdeten Körper in die Stille hinein und mit einem finalen Abstellen meines Glases auf dem einzigen noch freien Platz auf dem Tisch, gefolgt von einem Aufrichten und Geraderücken meines weißen aus feinstem Stoff bestehenden Hemdkragens, hatte ich den Moment der Ruhe und des Nichtstuns schon von mir abgeschüttelt und wollte schon zu dem nächsten Stapel an bedrucktem Papier greifen, als mein Blick auf die simple Armbanduhr fiel, die sich mit einem dunkelbraunen Lederband hartnäckig an meinem Handgelenk festhielt.
Viertel nach Zehn, las ich darauf ab und sofort brach eine Welle der Frustration über mich herein, als ich genervt feststellen musste, dass ich mit den ganzen Papieren vor mir heute definitiv nicht mehr fertig werden würde und mich morgen noch einmal hier einfinden musste, wobei dies noch alles Angelegenheiten waren, die vor zwei Wochen in unsere Agentur angekommen waren und täglich sich der Stapel an Unerledigtem erbarmungslos in den Himmel häufte. Das Dröhnen meines Kopfes, das sich genau an meinen Augen zu fokussieren schien, schrie mich jedoch nun schon seit Stunden an endlich aus diesem Büro zu verschwinden und es war eigentlich auch mein Plan gewesen, wie alle anderen um spätestens acht Uhr aus diesem Gebäude zu verschwinden, doch wie so oft in letzter Zeit hatte ich die Zeit aus den Augen verloren, umgeben und ertränkt in all diesem Bürokram.
Ich wusste genau, ich würde heute nichts mehr erledigen, dass ich morgen noch mit halbem Stolz einer Person präsentieren konnte, weshalb es wohl das beste war auf meine schmerzende Stirn zu hören und für heute Schluss zu machen. Langsam, unter dem hellen Strahl der Deckenlampe erhob ich mich und zog mir das blaue Anzug-Jacket, das ich achtlos über meinen Stuhl geworfen hatte an, bevor ich das Whiskey-Glas erneut anhob und zurück auf seinen Platz auf dem Silbernen Tablett, das wie immer rechts von meinem Tisch auf dem schiebbaren Tisch unter dem nun nur mit nächtlicher Dunkelheit gefüllten Fensters stand. Dann schritt ich um meinen Tisch herum auf die Tür zu, hob meinen dicken zu meinem Anzug passenden Mantel von dem Kleiderständer und steckte die Packung Zigaretten, die ich auf dem Regal mit dem Spiegel darüber, abgelegt hatte, in die tiefen weichen Satin-Taschen.
Dabei warf mir der stillschweigende im beigen Rahmen gehüllte Spiegel natürlich mein eigenes Spiegelbild entgegen. Scharfe Gesichtszüge, getaucht in dem üblichen weißlichen Ton meiner Haut, die einen starken Kontrast zu dem Tief meiner braunen Augen bildeten und von sanften zwischen braun und schwarz schwebenden gepflegten Haaren abgerundet wurden, blickten mir gepaart in einem Gesicht entgegen, das fast jeder Bewohner Londons schon einmal auf einem Magazin-Cover gesehen hatte. Ein Gesicht, von dem schon über Millionen Fotos geschossen worden sind und das sich selbst nur mehr völlig verfremdet die Augen entgegenrichtete.
Energisch schüttelte ich meinen Kopf, schwang mir meinen dicken Mantel um die Schultern und ließ das Büro, nun durch die Abwesenheit des Lichts der Deckenlampe in Dunkelheit gehüllt, hinter meinem Rücken mit der Tür in Vergessenheit verschwinden, während ich mich nun auf dem Gang, der gesäumt mit verschlossenen Türen war und mit einer milchigen Glastür, die hinaus in den Empfangsbereich führte, beendet wurde. Ich ließ meinen Blick kurz nach rechts und links den menschenleeren Gang hinaufwandern, während ich meine Hände in die Taschen meines Mantels steckte und in der einen die Zigarettenschachtel und in der anderen meine Lederhandschuhe und mein silbernes Feuerzeug spürte, bevor ich mich schließlich mit müden Schritten Richtung Glastür aufmachte.
Meine Schritte hallten, abgedämpft von dem am Boden ausgebreiteten Teppich, von den weißen Wänden wider und erfüllten die Stille meiner Ohren, die nur entfernt das Pochen meines Kopfes vernahm, der mit aller Kraft gegen meinen eigenen Schädel hämmerte und mich dazu zwang, meine Füße etwas schneller auf den Teppich auftreten zu lassen.
Die ganze Zeit über war ich fest davon überzeugt, an diesem Freitag Abend oder besser gesagt in dieser Freitag Nacht mitten im eiskalten und verregneten Winter von London, der letzte in meiner Agentur zu sein, weshalb ich für einen kurzen Moment perplex regungslos war, als ich die Milchgläser der Tür am Ende des Ganges aufdrückte und noch Niki an ihrem Platz hinter dem Empfangstisch sitzen sah. Sie hatte ihren Kopf erschöpft in eine Hand gestützt und ihre blonden Haare, die sie sonst so makellos zu einer komplizierten Frisur auf ihrem Kopf gesteckt hatte, lösten sich nun vereinzelt frech daraus hervor und hingen ihr ins Gesicht, was ihr einen etwas zerzausten Look verpasste, während ihr Blick fest auf einem Computer fixiert war, ihre freie Hand mit einem Kugelschreiber spielend.
"Was machst du noch hier?", fragte ich sichtlich überrascht und auch meine Stimme war unter der Müdigkeit mit Erstaunen erfüllt.
Niki fuhr erschrocken zusammen und wirbelte zu mir herum, doch als ihr Blick aus klugen warmen Augen mich traf, begann sie sich hektisch die gelösten Haare hinter ihre Ohren zu streichen und versuchte mit ihren Händen die Falten aus ihrer ausgefallenen roten Bluse zu bügeln, die ich gerade erst gestern in einem Prada-Geschäft gesehen hatte und ihr sofort empfohlen hatte. Und wie sich nun herausstellte, bestätigte sich meine Vermutung, denn das dunkle weinrot stand ihr wirklich hervorragend gut und unbemerkt schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen.
"Ich hatte noch etwas für Sie, George", erwiderte nun Niki, nachdem sie sich wohl für präsentabel genug hielt und schnell von ihrem Stuhl erhob, um einen Stapel brauner Akten auf den Empfangstresen zu hieven. Erneut ließ sie ihre Stimme erklingen: "Das sind alles Bewerbungen für ihren Schneiderposten. Sie waren so damit beschäftigt heute, die Akten und Angebote von den letzten Wochen durchzusehen, weshalb Jack und ich die Bewerbungen von gestern und heute einfach schon einmal für Sie vor sortiert haben. Das hier-" - ihre Hand ruhte mit gepflegten Nägeln auf dem braunen Einband des ersten Akts- "sind diejenigen, die uns am geeignetsten vorgekommen sind, doch natürlich können sie auch noch einen Blick auf die anderen werfen. Wir wollten Ihnen nur etwas Arbeit abnehmen"
Das entschuldigende Lächeln und die erwartungsvollen Augen von ihr gar nicht bemerkend, trat ich näher an den Tresen heran und hob meine rechte Hand aus der Tasche meines Mantels, um die Zahl der Akten kurz mit meinem Daumen, der ihre Rücken kurz anhob und sofort wieder auf den Tresen fallen ließ, festzustellen. Es waren mindestens 15 Bewerbungen und dabei war ich mir sicher, dass Niki und Jack sie schon nach den strengsten Kriterien erkoren hatten, weshalb es mich wunderte, dass es noch so viele waren. Und das nur von dem gestrigen und heutigen Tag. Wie viele waren es dann vor ihrer Aussortierung gewesen?
"Vielen Dank, Niki", entsprang meinen müden Lippen und mit einem bestätigenden Gefühl, dass die Wahl von Niki und Jack als meine engsten Sekretäre haargenau die richtige war, zog ich den Stapel näher zu mir und klemmte ihn unter meinen linken Arm, das einseitige Gewicht sofort spürbar, da mein anderer Arm ja durch nichts beschwert wurde. Auch wenn es mich vor weiterer Arbeit zutiefst grauste, so konnte ich doch die Neugierde, die in mir wuchs, welche nun von Niki und Jack als die besten Bewerbungen auserkoren wurden nicht tilgen und beschloss diese Akten so schnell, wie es mir möglich war, durchzugehen, denn normalerweise wusste ich schon beim ersten Anblick, ob jemand in Frage kam oder nicht.
"Sie nehmen sie mit?", fragte nun Niki mit weit geöffneten Augen und blickte mich mit Überraschung an und ich erwiderte kurzerhand mit einem Nicken, da die Müdigkeit schon an meinen Knochen zu zerren begann und der Schmerz in meinem Kopf auch nicht gerade weniger wurde und mich immer noch durchgehend anschrie endlich in den einlullenden Tiefen meines Bettes zu versinken.
"Ich werde mich zuhause gleich daran setzten. Noch mal, Danke. Das hat mir viel Arbeit abgenommen."
Sofort sah ich, wie sich Nikis Schultern etwas mehr aufrichteten und sie unter dem warmen einladenden Licht des Empfangsbereichs zu strahlen begann vor Freude, die durchzogen war mit Müdigkeit und schon die Augenringe unter ihren sonst so wachen blauen Iriden überdecken wollte. Doch ich hatte die eigentliche Erschöpfung an ihr schon erkannt, weshalb ich nun zu ihr meinte: "Schau, dass du auch bald Feierabend machst Niki. Du brauchst Erholung und hast sie dir schon lang verdient"
Wie auf Knopfdruck zeigte ihr Gesicht nun mehr von der von mir schon erkannten Müdigkeit und etwas resigniert antwortete sie: "Naja. Ich habe noch etwas Energie. Aber Ihnen schönen Feierabend"
"Ebenfalls", erwiderte ich und wandte mich mit einem Nicken und einem Lächeln von dem Tresen ab, um auf die Tür zuzugehen, die mich in den Winter, der London fest im Griff hatte, entlassen würde und all -nun ja die meiste- Arbeit hinter mir zurücklassen würde. Mit immer noch pochendem Kopf und einem Druck auf meinen Augen, legte ich meine Hand auf den kalten Eisengriff der Tür, bis mir plötzlich etwas einfiel und ich mich schnell zu Niki noch einmal umdrehte.
"Die Bluse steht dir übrigens hervorragend", ließ ich meine Stimme erklingen und sofort sah ich Nikis Kopf aufschnellen und mich erneut mit überraschten Augen ansehend, doch bevor sie zu einer vielleicht dankenden Antwort ansetzten konnte oder bevor ich sie vernehmen konnte, schlüpfte ich durch die Tür hinaus in die Kälte, die mich sofort wie eine Faust in mein Gesicht traf und ihren eisigen Atem durch meine Kleidung fahren ließ. Ich zog meinen Mantel, so gut es mit rund 15 Bewerbungen unter dem Arm geklemmt ging, enger um mich und blickte eine weiße Atemwolke ausstoßend auf die tintenschwarze Nacht, erleuchtet von einigen schwachen Straßenlaternen und wolkenbedeckten Sternen, die sich hoch über meinem Kopf den Himmel bedeckte, während ich trotz meines Mantels zu frösteln begann. Schon seit Tagen war es so kalt wie noch nie in London und es lag sogar eine dünne Decke an Schnee auf den Dächern und rauchenden Schornsteinen der dunklen teils mit erleuchteten Fenstern durchzogene Häuser.
Mit meinem Atem weiter in weißen Wolken in der kalten Nachtluft kondensierend, schritt ich beinahe gehetzt auf den schwarzen Chevrolet 1949 zu, der mit meinem Chauffeur darin verharrend schon mit eingeschalteten Lichtern auf der Straße vor dem Eingang wartete.
Von der Kälte dazu gezwungen, legte ich die letzten paar Meter zu dem Auto laufend zurück, bis ich schließlich mit meiner zitternden Rechten die Hintertür aufriss und mich mit einem lauten Seufzen auf die Rückbank fallen ließ, währen mein Chauffeur mich über den Rückspiegel belustigt musterte, was man nur an dem listigen Funkeln in seinen Augen entdeckte, da sein weißer Bart seinen Mund und somit auch sein Lächeln vollständig verhüllten.
"Nach Hause, Mr. Davidson?", fragte er hinter seinem Vorhang aus Bart hervor und ich nickte nur bestätigend, während ich den Stapel Akten neben mich auf den Sitz gleiten ließ, als wir uns schon langsam in Bewegung setzten und begannen über die schon leeren schwach beleuchteten Straßen Londons zu fahren.
Ich weiß jetzt schon, dass ich am Ende der Story den Anfang wieder hassen werden. Aber anyways, wie fandet ihr's?
Next chapter will be more action.
So, have a lovely time, greatest people of this planet!
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