Kapitel 34
Es waren Tage vergangen, seit sie vor dem dunklen Spiegel gestanden hatten.
Die Zeit schien seither in einer seltsamen Unwirklichkeit zu schweben. Der Spiegel, dieses unheimliche Artefakt, hatte keine gewöhnlichen Reflexionen gezeigt. Er hatte die Wahrheit offenbart, nackt und ungeschönt. Für Tom war es, als hätte der Spiegel ihn entwaffnet. Das Bild, das er dort gesehen hatte, war nicht die stolze, unantastbare Gestalt, die er sich selbst so oft vorgemalt hatte. Es war ein Bild der Zerbrechlichkeit, ein Riss in der makellosen Fassade, die er sich mit unermüdlicher Präzision aufgebaut hatte.
Dieser Riss ließ ihn nicht los. Er nagte an ihm wie ein unaufhörliches Flüstern in der Dunkelheit. Tom Riddle war ein Mann, der sich nie erlaubte, Schwäche zu spüren, geschweige denn zu zeigen. Doch nun hatte er sie gesehen, mit eigenen Augen, und es gab keinen Weg zurück. Es war kein bloßer Gedanke, den er verdrängen konnte. Nein, es war ein unauslöschliches Bild, das sich in seine Gedanken eingebrannt hatte, ein Mahnmal seiner Endlichkeit – seiner Menschlichkeit.
Und dann war da Saphira.
Für sie hatte der Spiegel etwas anderes gezeigt. Nicht ihre eigene Schwäche, sondern die Tiefe dessen, was sie in Tom sah – und was sie an ihm liebte. Sie hatte nicht nur Dunkelheit in ihm gesehen, sondern auch das Licht, das er so verzweifelt zu verbergen versuchte. Dieses Licht, das für ihn selbst eine Bedrohung darstellte, war für sie das, was ihn menschlich machte. Es war der Grund, warum sie geblieben war, warum sie ihn trotz allem, was er war und was er getan hatte, nicht verlassen konnte.
Doch dieses Licht, so schön es auch war, kam mit einem Preis. Saphira wusste, dass es zerbrechlich war, verborgen hinter Schichten von Macht und Kontrolle. Und genau deshalb fürchtete sie, dass er es irgendwann verlieren könnte – oder, schlimmer noch, dass er es bewusst zerstören würde, um nie wieder an seine eigene Zerbrechlichkeit erinnert zu werden.
Tom hatte in diesen Tagen geschwiegen.
Die Stille, die ihn umgab, war schwer und beklemmend. Es war keine Leere, sondern ein Sturm, der unter der Oberfläche tobte. Saphira konnte es spüren, jedes Mal, wenn sie ihn ansah. Sein Blick war abwesend, doch nicht verloren. Nein, Tom Riddle verlor sich nie. Stattdessen baute er in dieser Stille etwas auf, formte Gedanken wie Klingen, bereit, sie im richtigen Moment einzusetzen.
Er war kein Mann, der über seine Ängste sprach. Doch diese Stille, die er mit sich trug, war lauter als jedes Wort. Saphira spürte, dass sie Teil seines Denkens war, dass sie in den unzähligen Schichten seiner Pläne eine zentrale Rolle spielte. Sie wollte ihn fragen, was ihn so beschäftigte, was er so verzweifelt versuchte, zu kontrollieren. Aber sie wusste, dass er nicht antworten würde. Nicht direkt.
Und doch war da etwas, das in ihm zu brechen schien, wenn er Damon ansah. Tom hatte nie erwartet, Vater zu sein, nie daran gedacht, dass er jemals etwas so Reines, so Lebendiges in seinem Leben halten würde. Damon war ein Teil von ihm, ja – aber er war auch ein Teil von Saphira. Und jedes Mal, wenn Tom in die Augen seines Sohnes blickte, wurde er daran erinnert. Es war ein merkwürdiger Cocktail aus Stolz und Angst, der ihn durchströmte, etwas, das er niemals laut aussprechen würde.
Familie. Das Wort allein war für Tom eine Herausforderung. Es bedeutete Verantwortung, etwas, das er immer als Bürde gesehen hatte. Doch jetzt war diese Verantwortung mehr als nur eine Last. Sie war etwas, das ihn fesselte, ihn zugleich stärkte und lähmte.
Als Saphira die Tür zum Arbeitszimmer öffnete, war der vertraute Raum fast unheimlich in seiner Stille. Die Regale mit den Büchern und Artefakten wirkten wie stumme Zeugen, ihre Schatten dehnten sich unter dem warmen Licht der Kerzen aus. Der Duft von altem Pergament, geschmolzenem Wachs und einer leichten Note von Gewürzen lag in der Luft – ein Duft, der normalerweise beruhigend wirkte, sie an Sicherheit und Beständigkeit erinnerte. Doch heute trug er eine Schwere in sich, eine unausgesprochene Spannung, die sie nicht greifen konnte.
Das leise Kratzen der Feder auf Pergament war ein Geräusch, das sie seit Jahren kannte. Es hatte etwas Meditatives, etwas, das die Zeit verlangsamen konnte. Doch an diesem Abend war es anders. Sie konnte nicht genau sagen, warum, aber das vertraute Geräusch trug eine seltsame Note von Unruhe in sich, als würde jede Linie, die Tom schrieb, ein Teil von etwas Größerem sein, etwas, das unausweichlich war.
Und dann verstummte das Kratzen.
Die Stille, die folgte, war beinahe ohrenbetäubend. Für einen Moment blieb Saphira in der Tür stehen, als würde sie die Schwelle zu etwas Endgültigem überschreiten. Ihre Augen wanderten durch den Raum, blieben schließlich an Tom hängen.
Er saß an seinem Schreibtisch, wie immer in perfekter Haltung, sein schwarzes Haar makellos, kein einziges Strähnchen fehl am Platz. Doch etwas war anders. Seine Hände, die sonst so kontrolliert über das Pergament glitten, ruhten still. Die Tintenfeder lag ordentlich zur Seite gelegt, und vor ihm lagen Pergamente, die unberührt schienen.
Es war nicht der Anblick des Raumes, der ihre Aufmerksamkeit fesselte. Es waren seine Hände – oder besser gesagt, das, was sie hielten.
Etwas Kleines. Rundes. Schimmerndes.
„Saphira," begann er schließlich, ohne den Kopf zu heben. Seine Stimme war ruhig, so ruhig, dass sie ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Es war diese Art von Ruhe, die sie bei ihm immer am meisten beunruhigte – eine Ruhe, die etwas Unerbittliches ankündigte.
Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken, ließ sie innehalten, bevor sie langsam den Raum durchquerte. Ihre Schritte auf dem hölzernen Boden waren leise, fast zögerlich. Ihr Blick wanderte zu seinen Händen, die etwas hielten, das im warmen Kerzenlicht funkelte. Ein Ring.
Schlicht und doch unbeschreiblich schön. Der tiefgrüne Stein in der Mitte schien lebendig zu sein, als würde er das Licht der Kerzen einfangen und zurückwerfen. Für einen Moment hielt Saphira den Atem an. Es war nicht nur die Schönheit des Rings, die sie berührte. Es war die Bedeutung, die er trug.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Der Stein erinnerte sie an ihre eigenen Augen. Ein Detail, das ihr Herz zum Stolpern brachte, weil sie wusste, dass es kein Zufall war. Tom überließ nichts dem Zufall.
Tom erhob sich langsam, jede Bewegung war kontrolliert, fast bedächtig.
Es war, als hätte jede seiner Bewegungen ein Gewicht, eine Bedeutung, die den Raum einnahm. Es gab keine Hast in ihm, keine Spur von Unsicherheit – nur die unveränderliche Entschlossenheit, die ihn so auszeichnete. Seine Augen, dunkel wie die Nacht, ließen sie nicht los. Sie hatten eine Tiefe, die so viele Geheimnisse barg, und dennoch war es heute anders. Sein Blick war nicht nur durchdringend, sondern auch schwer, als würde er etwas mit sich tragen, das unausgesprochen bleiben musste – oder vielleicht einfach zu schwer war, um es in Worte zu fassen.
Die Schwere seiner Präsenz war fast greifbar. Saphira spürte, wie sie sich in ihrem Inneren ausbreitete, wie sie die Luft zwischen ihnen verdichtete, bis sie das Gefühl hatte, nicht mehr tief einatmen zu können. Es war die Art von Schwere, die nicht von Angst herrührte, sondern von Erwartung. Sie konnte spüren, dass etwas kommen würde, etwas, das größer war als Worte, das größer war als der Moment selbst.
„Setz dich," sagte er, wobei sein Ton keine Bitte war, sondern eine ruhige, unmissverständliche Anweisung.
Es war nicht die Schärfe eines Befehls, sondern die Art von Autorität, die keine Widerrede duldete. Saphira fühlte den Impuls, zu widersprechen, einfach aus Trotz. Aber sie wusste, dass es nichts ändern würde. Tom Riddle war kein Mann, der verhandelte, und schon gar nicht in Momenten wie diesem.
Sie runzelte die Stirn, suchte in seinen Augen nach einem Hinweis, nach etwas, das ihm seine Ruhe nahm. Doch sie fand nur diese tiefe, unverrückbare Entschlossenheit. Es war, als hätte er bereits alles entschieden, als wäre sie nur ein Spieler in einem Schachspiel, dessen Züge er schon längst vorweggenommen hatte. Dennoch ließ sie sich, wie von einer unsichtbaren Kraft gelenkt, in den Sessel sinken. Ihre Bewegungen waren langsam, vorsichtig. Sie wusste nicht, ob sie ihn herausfordern oder ihm einfach vertrauen sollte.
Ihr Blick wich nicht von seinem Gesicht, während sie spürte, wie die Luft um sie herum dichter wurde.
Es war, als würde sie in eine Blase gezogen, einen Raum, den nur sie beide teilten. Jeder andere Gedanke, jede andere Realität verschwand. Die Spannung in der Luft war fast erdrückend, und doch konnte sie nicht anders, als zu spüren, wie sie sich von dieser Intensität angezogen fühlte. Es war nicht nur die Macht, die von ihm ausging – es war die Kontrolle, die er über jeden Moment, jede Bewegung, jedes Wort hatte.
„Du weißt, dass ich kein Mann bin, der leicht Schwäche zugibt," begann er.
Seine Stimme war klar, und doch trug sie eine Schwere in sich, die sie nur selten gehört hatte. Es war, als ob jedes Wort sorgfältig ausgewählt worden war, nicht um zu gefallen, sondern um zu treffen. Dieser Unterton, der in seiner Stimme mitschwang, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Es war nicht Furcht, die sie spürte – zumindest nicht in der herkömmlichen Weise. Es war vielmehr das Bewusstsein, dass dieser Moment unausweichlich war, dass seine Worte eine Wahrheit in sich trugen, die sie nicht ignorieren konnte.
Er trat vor sie, hielt den Ring hoch, und seine dunklen Augen suchten ihre.
Die Bewegung war so ruhig, so präzise, dass sie fast hypnotisch wirkte. Der Ring in seiner Hand funkelte im warmen Licht der Kerzen. Der grüne Stein schien ein eigenes Leben zu führen, als würde er all das Licht des Raumes in sich aufnehmen und dann zurückwerfen, konzentriert und intensiv. Doch es war nicht der Ring, der ihre Aufmerksamkeit fesselte – es war der Ausdruck in seinen Augen.
Da war eine Tiefe, eine Aufrichtigkeit, die sie selten bei ihm gesehen hatte. Tom war ein Meister der Kontrolle, ein Mann, der Masken trug, ohne dass irgendjemand sie bemerkte. Doch jetzt war da keine Maske. Sein Blick war roh, ungeschützt, und genau das machte ihn so überwältigend. Es war, als würde er sie einladen, hinter all die Fassaden zu blicken – und sie wusste, dass er das nur für sie tat.
„Aber das hier..." Er hielt inne und zeigte auf den Ring. „Das ist keine Schwäche. Es ist ein Versprechen. Eines, das ich dir geben will, weil ich weiß, dass du der einzige Mensch bist, der mir jemals wirklich etwas bedeutet hat."
Die Worte trafen sie wie ein Schlag, und für einen Moment fühlte sie, wie die Welt um sie herum stillstand. Es war nicht die Art von Liebeserklärung, die man sich erhoffte, kein weiches, romantisches Geständnis, das von blumigen Worten und Poesie begleitet wurde. Es war viel mehr. Es war ehrlich, unverblümt, und gerade deshalb fühlte es sich so echt an.
Für Tom war Liebe nie etwas Einfaches gewesen. Sie war kein Gefühl, das sich mit Leichtigkeit ausdrücken ließ, keine schwärmerische Emotion, die ihn übermannte. Für ihn war Liebe eine Wahl, eine bewusste Entscheidung. Und genau das machte seine Worte so kraftvoll.
Saphira spürte, wie ihre Brust sich zusammenzog, als sie den Ring betrachtete. Das Versprechen, das er ihr gab, war nicht leichtfertig. Es war nicht nur ein Symbol – es war eine Verpflichtung. Und doch war da diese Dunkelheit, die immer mit ihm kam.
„Tom, ich..." begann sie, doch er hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
Seine Bewegung war sanft, aber endgültig. Sie konnte sehen, dass er nicht bereit war, sich unterbrechen zu lassen, nicht in diesem Moment.
„Lass mich ausreden," sagte er sanft, aber bestimmt, und ging vor ihr auf ein Knie.
Die Geste nahm ihr den Atem. Es war nicht die romantische Geste, die sie überraschte, sondern die Tatsache, dass er, der immer so stolz war, der sich niemals beugte, tatsächlich vor ihr kniete. Es war, als würde er in diesem Moment alles beiseiteschieben, was ihn definierte, alles, was er jemals über sich selbst geglaubt hatte, um ihr zu zeigen, wie viel sie ihm bedeutete.
„Ich habe dich von dem Moment an gebraucht, als ich dich zum ersten Mal gesehen habe," sagte er leise, und seine Stimme hatte einen Ton, den sie nur selten hörte. „Damals war ich zu jung, um zu verstehen, was das bedeutet. Aber jetzt weiß ich es. Du bist mein Licht, Saphira, und in einer Welt wie meiner bedeutet Licht Macht. Bedeutung. Leben."
Die Worte schnitten tief, so ehrlich und roh, dass sie beinahe schmerzten. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, wie ihre Gedanken sich überschlugen. Sie hatte gewusst, dass sie ihm etwas bedeutete, aber dies? Diese Art von Offenbarung war mehr, als sie erwartet hatte.
Tom sprach von ihr nicht wie von einer Geliebten, sondern wie von einem Anker. Ein Licht in einer Welt, die so oft von Dunkelheit verschlungen wurde. Und doch wusste sie, dass diese Worte nicht nur eine Liebeserklärung waren. Sie waren auch ein Anspruch, ein Versuch, sie an ihn zu binden – für immer.
Ihr Herz zitterte unter dem Gewicht seiner Worte.
Es war keine leichte Empfindung, kein Moment reiner Freude oder überwältigender Glückseligkeit. Stattdessen fühlte es sich an wie ein inneres Beben, eine Mischung aus Schmerz und Sehnsucht, Hoffnung und Furcht. Seine Worte trugen eine Schwere in sich, die tief in ihre Seele drang, sie mit einer Ehrlichkeit durchbohrte, die sie fast erschreckte. Es war keine Liebeserklärung, wie sie es sich jemals vorgestellt hatte. Kein sanftes Flüstern von Versprechungen, kein warmer Hauch von Romantik. Es war Tom, in seiner reinsten und ungeschöntesten Form – ein Mann, der nicht wusste, wie man bedingungslos liebt, aber es trotzdem auf seine Art versuchte.
Diese rohe Echtheit war das, was sie an ihm liebte, und gleichzeitig das, was sie fürchtete. Sie wusste, dass er unfähig war, sich ganz zu öffnen, dass es immer einen Teil von ihm geben würde, den er vor ihr verschloss. Doch gerade diese Dunkelheit, diese Komplexität, machte ihn aus. Tom Riddle war kein Mann für einfache Gefühle oder einfache Beziehungen. Er war kompliziert, getrieben, und in seiner Liebe – oder dem, was er darunter verstand – lag die gleiche Unnachgiebigkeit, mit der er alles in seinem Leben behandelte.
Doch sie spürte auch die Schatten hinter seinen Worten.
Seine Augen, so intensiv und doch voller Geheimnisse, waren wie ein Abgrund, in den sie schon so oft geblickt hatte. Sie wusste, dass er sie nicht nur aus Liebe wollte. Es ging um mehr – um Besitz, um die Sicherheit, dass sie zu ihm gehörte, dass sie ein Teil seiner Welt war, den niemand ihm entreißen konnte. Es war keine bedingungslose Hingabe, sondern eine Art von Kontrolle, die sich in der Macht spiegelte, die er über alles und jeden anstrebte.
Doch war das nicht genau der Grund, warum sie ihn liebte? Warum sie überhaupt bei ihm geblieben war? Es war nicht die Vorstellung einer perfekten, romantischen Liebe, die sie an ihn band. Es war diese unerbittliche Ehrlichkeit, die Art, wie er niemals vorgab, etwas zu sein, das er nicht war. Tom versprach nichts, was er nicht halten konnte. Und selbst wenn seine Liebe nicht rein oder ideal war, war sie echt. Sie war echt, weil sie von ihm kam, weil er sich entschied, sie zu lieben – trotz allem, was in ihm dagegen sprach.
„Tom," begann sie schließlich, ihre Stimme leise, aber fest. „Ich liebe dich, das weißt du. Aber..."
Das Wort blieb in der Luft hängen, ein einsames Hindernis zwischen ihnen. Sie wusste, dass es wie ein Stachel war, dass es ihn verletzte, auch wenn er es niemals zugeben würde. Es war nicht leicht, das Wort auszusprechen, weil sie wusste, was es bedeutete. „Aber" war ein Zweifel, ein Bruch in der perfekten Kontrolle, die er über sie ausüben wollte.
Doch bevor sie ihre Gedanken aussprechen konnte, unterbrach er sie.
„Aber du traust mir nicht," beendete er für sie.
Seine Stimme war ruhig, fast resigniert, doch darin lag eine Sanftheit, die sie nur selten bei ihm hörte. Es war keine Wut, kein Ärger über ihren Zweifel. Es war Akzeptanz – eine widerwillige, aber ehrliche Akzeptanz, dass Vertrauen nicht von heute auf morgen wachsen konnte.
„Und das ist in Ordnung, Saphira. Vertrauen wächst. Aber Liebe? Liebe bleibt."
Seine Worte hingen schwer im Raum, und Saphira spürte, wie ihr Atem stockte. Sie wusste, dass er recht hatte. Vertrauen war etwas, das sich über Zeit aufbauen musste, ein fragiles Band, das nur durch unzählige kleine Gesten genährt werden konnte. Aber Liebe... Liebe war anders. Sie war nicht zerbrechlich, sondern mächtig. Und auch wenn sie manchmal das Gefühl hatte, in seiner Liebe zu ertrinken, wusste sie, dass sie immer da war – konstant, unverrückbar, und in ihrer Intensität überwältigend.
Sie sah ihn an, suchte nach einer Lüge in seinem Gesicht, aber sie fand keine.
Es war immer schwer zu sagen, ob Tom die Wahrheit sprach. Er war ein Meister der Manipulation, ein Mann, der die Welt mit Worten formen konnte, wie es ihm beliebte. Doch in diesem Moment war da keine Maske, keine Fassade. Es war nur er – roh, ehrlich, und für einen winzigen Augenblick fast verletzlich.
Er kämpfte um sie. Nicht mit Macht, nicht mit Zwang, sondern mit dem, was er hatte: seiner Hingabe, seiner Bereitschaft, sie in seinem Leben zu halten, egal zu welchem Preis. Und das allein reichte, um sie zu überzeugen.
Schließlich nickte sie, langsam. „Ja, Tom. Ich werde deine Frau."
Die Worte kamen mit einer Ruhe über ihre Lippen, die sie selbst überraschte. Es war keine impulsive Entscheidung, keine Kapitulation vor seinem Willen. Es war eine bewusste Wahl, die sie traf, weil sie wusste, dass sie ihn liebte – mit all seinen Fehlern, seiner Dunkelheit, seinen unausgesprochenen Plänen.
Die Erleichterung in seinem Gesicht war kaum sichtbar, doch sie war da.
Tom zeigte seine Gefühle selten offen, doch in diesem Moment konnte sie die leichte Veränderung in seinen Zügen erkennen. Es war kein Lächeln, keine überschwängliche Freude, sondern etwas viel Subtileres – eine Erleichterung, die ihm von den Schultern fiel, als hätte er für einen Moment die Last der Welt abgelegt.
Vorsichtig schob er den Ring auf ihren Finger, seine kalten Hände hielten ihre, und dann hob er ihre Hand an seine Lippen.
Die Geste war so flüchtig und doch voller Bedeutung. Es war nicht nur ein Kuss, sondern ein Zeichen seiner Hingabe, seiner Bereitschaft, sie in einer Weise an sich zu binden, die er sich früher nie hätte vorstellen können. Der Ring fühlte sich kühl auf ihrer Haut an, doch die Berührung seiner Lippen war warm, fast zärtlich.
„Du wirst es nicht bereuen," flüsterte er, fast mehr zu sich selbst als zu ihr.
Saphira spürte die Worte in sich nachklingen. Es war weniger ein Versprechen an sie als eine Überzeugung, die er für sich selbst aussprach. Sie wusste, dass er es nicht leichtfertig meinte. Für Tom war Versprechen keine Sache von Worten, sondern von Taten. Und das war sowohl beruhigend als auch beunruhigend.
Saphira spürte, wie ihr Herz schwer wurde, doch zugleich auch hoffnungsvoll schlug.
Es war ein eigenartiger Moment, eine Mischung aus widersprüchlichen Gefühlen, die sich in ihr vereinten. Sie liebte ihn, das wusste sie. Und sie wusste auch, dass sie niemals einen anderen so lieben würde wie ihn. Doch diese Liebe war nicht einfach, nicht leicht. Sie war schwer, dunkel, manchmal erdrückend – und trotzdem konnte sie sich nicht von ihr lösen.
Doch sie wusste auch, dass Tom Riddle immer Geheimnisse haben würde.
Es war eine Wahrheit, die sie akzeptieren musste. Tom würde nie ein Mann sein, der alles von sich preisgab. Es gab Teile von ihm, die für immer verborgen bleiben würden, Schatten, die sie nie vollständig durchdringen konnte. Doch sie hatte gelernt, damit zu leben, weil sie wusste, dass er auf seine Weise alles für sie gab, was er geben konnte.
Vielleicht war das genug. Vielleicht nicht. Doch in diesem Moment, mit dem Gewicht des Rings an ihrem Finger und seiner Entschlossenheit, die in der Luft spürbar war, hielt sie sich an der Hoffnung fest – an der Hoffnung, dass ihre Liebe stärker war als die Dunkelheit, die sie umgab.
Und in diesem Moment, zwischen Schatten und Licht, hatten sie sich entschieden – füreinander, für das, was kommen mochte, und für die unausweichliche Dunkelheit, die sie umgab.
Saphira saß noch immer da, ihre Finger strichen zitternd über den Ring an ihrem Finger, während Toms Nähe sie einhüllte. Das Licht im Raum war gedämpft, weich, und es schien die Grenzen zwischen ihnen aufzulösen. Sein Blick ruhte schwer auf ihr, aber nicht erdrückend. Es war ein Blick, der all die Masken, all die Kontrolle, all die Strategien ablegte und nur eine Wahrheit offenbarte: Er war hier. Für sie.
Er hielt ihre Hand fest, beinahe so, als fürchtete er, sie könnte sich auflösen, wenn er sie losließ. Seine Finger waren kalt, doch sie zitterten leicht, kaum merklich, und das ließ sie ihn in einem anderen Licht sehen. Er war nicht der Mann, der die Welt dominieren wollte. Nicht der Mann, der immer alles unter Kontrolle hatte. Jetzt war er einfach nur Tom – zerbrechlich, verletzlich, aber auf eine Art und Weise, die ihn menschlich machte.
„Ich wusste nicht, wie du reagieren würdest," sagte er schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Es war eine Wahrheit, die er nur schwer aussprach, aber sie tat es trotzdem, weil sie in diesem Moment mehr zählte als alles andere.
Saphira hob den Blick zu ihm, überrascht von dieser entwaffnenden Ehrlichkeit. „Ich wusste es selbst nicht," gestand sie, und ihre Stimme brach leicht. „Tom, ich... ich war mir nicht sicher, ob du wirklich..."
„Liebte?" Er sagte es leise, fast vorsichtig, als wolle er das Wort nicht zu schwer auf ihre Schultern legen. Sein Blick traf ihren, und darin lag nichts von der Härte, die sie so oft an ihm gesehen hatte. Es war ein Blick, der flehend und verletzlich war, ein Blick, der sie aufforderte, ihm zu glauben.
Sie nickte stumm, ihre Kehle zu eng, um etwas zu sagen. Langsam hob sie eine Hand, legte sie an seine Wange, und spürte, wie er sich der Berührung entgegenlehnte, als würde er sie brauchen. Seine Augen schlossen sich für einen Moment, und sie wusste, dass er in dieser Geste etwas fand, das er nur selten zuließ – Ruhe.
„Ich weiß, Tom," sagte sie schließlich, ihre Stimme sanft und voller Überzeugung. „Ich weiß, dass du liebst. Und ich weiß, dass es für dich nicht leicht ist."
Er öffnete die Augen, und in ihnen lag eine Verletzlichkeit, die sie so selten sah, dass sie ihr fast den Atem raubte. „Es ist nie leicht gewesen," sagte er leise. „Nichts davon. Aber mit dir... fühlt es sich möglich an."
Die Worte durchbrachen etwas in ihr. Ein Lachen, zerbrechlich und ehrlich, entkam ihr, und gleichzeitig spürte sie, wie Tränen über ihre Wangen liefen. „Das ist das ehrlichste, was ich je von dir gehört habe," sagte sie, ihre Stimme zitternd.
Ein schwaches Lächeln – kaum mehr als ein Hauch – spielte um seine Lippen. „Vielleicht, weil ich nie jemanden hatte, der es wert war, ehrlich zu sein."
Diese Worte brachten sie dazu, ihn zu umarmen, fest und ohne Zurückhaltung. Sie fühlte seine Arme, die sich um sie schlangen, sie an sich drückten, und sie wusste, dass dies nicht nur ein Moment war. Es war ein Versprechen.
„Ich liebe dich," flüsterte sie gegen seine Schulter, ihre Stimme leise, aber voller Nachdruck. Es war keine leichte Aussage, sondern eine Wahrheit, die alles durchdrang.
Er hob ihren Kopf, hielt sie sanft an den Wangen, und sein Blick drang bis in die Tiefen ihrer Seele. „Ich liebe dich auch, Saphira," sagte er. Es war keine Floskel, kein Versuch, sie zu überzeugen. Es war so echt, dass es fast wehtat.
Seine Lippen berührten ihre, und der Kuss war nicht von Leidenschaft geprägt, sondern von einer Zärtlichkeit, die ihnen beiden fast fremd war. Langsam, ruhig, voller Gefühle, die zu lange verborgen geblieben waren. Es war, als würden sie einander in diesem Moment vollständig sehen, ohne Mauern, ohne Schutzmechanismen.
Als sie sich voneinander lösten, lehnte er seine Stirn gegen ihre. „Bleib heute Nacht bei mir," flüsterte er. Es war keine Forderung, kein Befehl, sondern eine Bitte, die so leise war, dass sie beinahe im Raum verloren ging.
Saphira nickte, und ohne ein weiteres Wort stand sie auf. Ihre Finger blieben mit seinen verschränkt, als er ihr folgte, und sie führte ihn sanft aus dem Arbeitszimmer. Der Gang war dunkel, doch es störte sie nicht. Sie spürte die Wärme seiner Hand, die Sicherheit, die seine Nähe ausstrahlte, und das genügte.
Als sie das Schlafzimmer betraten, blieb sie für einen Moment stehen. Der Raum war von einer ruhigen Dunkelheit erfüllt, die sich schützend um sie legte. Die Vergangenheit, die so viele Erinnerungen in diesen Wänden hinterlassen hatte, schien nicht mehr so schwer zu wiegen. Sie zog die Decke zurück, und Tom trat neben sie, seine Bewegungen ruhig und ohne Hast.
Gemeinsam legten sie sich ins Bett, und die Nähe zwischen ihnen war keine Herausforderung, kein Kampf. Es war einfach – so, wie es sein sollte. Sie schlang ihre Arme um ihn, legte ihren Kopf an seine Brust, und fühlte den gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlags unter ihrer Wange.
Seine Arme hielten sie fest, und er zog sie näher, seine Finger fuhren beruhigend über ihren Rücken. Kein Wort wurde gesprochen, und doch war die Stille voller Bedeutung. Es war ein Moment der vollkommenen Einheit, der keine Sprache brauchte.
„Es fühlt sich an wie früher," flüsterte sie schließlich, ihre Stimme kaum hörbar.
„Es ist besser als früher," antwortete er leise. Seine Stimme war rau, ehrlich. „Denn jetzt weiß ich, was ich fast verloren hätte."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber sie lächelte schwach, zog die Decke enger um sie beide und ließ sich in seine Umarmung fallen. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte sie sich wirklich sicher, wirklich zu Hause.
Seine Hände hielten sie, als könnte er sie vor allem beschützen, was die Welt ihnen entgegenschleudern könnte. Und als sie spürte, wie sein Atem gleichmäßiger wurde, sein Griff um sie etwas lockerer, wusste sie, dass er eingeschlafen war. Sie schloss die Augen, ließ sich von der Wärme seines Körpers und dem Gefühl seiner Nähe beruhigen.
Die Nacht war still, und sie waren einfach nur sie selbst – keine Rollen, keine Erwartungen, keine Barrieren. Nur sie beide, ineinander verschlungen, ihre Herzen im gleichen Rhythmus schlagend.
Saphira lag still in seinen Armen, ihre Finger umfassten schwach den Stoff seines Hemdes, während ihr Atem sich allmählich verlangsamte. Sie hatte sich an ihn geschmiegt, ihren Kopf auf seiner Brust, als hätte sie nie woanders hingehört. Tom hielt sie fest, seine Hände ruhten behutsam auf ihrem Rücken, seine Finger bewegten sich kaum merklich, als ob er sich nicht traute, diesen Moment zu stören.
Er spürte, wie ihre Atmung immer gleichmäßiger wurde, ihr Körper schwerer in seinen Armen lag. Sie schlief ein. Das erste Mal seit Jahren war sie in seiner Nähe, in seiner Umarmung, ohne Zweifel, ohne Abstand. Es war, als hätte sich die Zeit zurückgedreht – und doch war alles anders.
Tom starrte zur Decke, das schwache Mondlicht zeichnete lange Schatten an die Wände des Zimmers. Der Raum war still, bis auf die leisen Geräusche ihrer Atemzüge, die sich wie ein beruhigender Rhythmus über ihn legten. Doch in seinem Inneren war nichts still.
Er dachte an den Ring an ihrem Finger. An die Art, wie sie ihn angesehen hatte, als er ihn ihr ansteckte – nicht mit kindlicher Freude oder naiver Begeisterung, sondern mit einer Mischung aus Schmerz, Hoffnung und... Vertrauen. Ein Vertrauen, das er nicht verdiente, das er sich weder erklären noch vollständig akzeptieren konnte. Aber es war da.
Er senkte den Blick auf sie, betrachtete ihr Gesicht, das im Schlaf entspannt wirkte. Ihre Stirn war nicht mehr von Sorgenfalten gezeichnet, ihre Lippen waren leicht geöffnet, und ihre Wangen schienen unter dem sanften Licht des Mondes fast zu leuchten. Sie war wunderschön. Nicht auf eine offensichtliche Art, sondern auf eine Weise, die ihn jedes Mal aus dem Gleichgewicht brachte, wenn er zu lange hinsah.
Tom fühlte ein Gewicht in seiner Brust, etwas, das ihm den Atem raubte, weil es ihm zu nah ging. Er hatte ihr versprochen, dass er sie lieben würde. Dass er sie schützen würde. Doch er wusste, dass Worte nicht genug waren. Sie hatte ihm verziehen, hatte ihre Zweifel zurückgestellt, und sie hatte ihm vertraut. Aber würde er das jemals ganz rechtfertigen können?
Er dachte an alles, was er getan hatte.
An die Entscheidungen, die er getroffen hatte, an die Leben, die er zerstört hatte – für Macht, für Kontrolle, für das, was er immer geglaubt hatte, sei sein Schicksal. Und doch, in diesem Moment, in der Dunkelheit dieses Raumes, fühlte sich all das bedeutungslos an im Vergleich zu dem, was er jetzt in seinen Armen hielt.
Saphira war nicht nur sein Licht – sie war sein Anker, sein Kompass in einer Welt, die er so oft mit seiner eigenen Dunkelheit durchdrungen hatte. Doch genau diese Dunkelheit war immer noch da, lauerte in den Tiefen seines Seins. Er hatte ihr versprochen, dass sie es zusammen schaffen würden, aber in der Stille der Nacht fragte er sich, ob er das Versprechen halten konnte. Ob er stark genug war, all das zu bekämpfen, was ihn zu dem gemacht hatte, der er war.
Sein Blick wanderte zu ihrer Hand, die auf seiner Brust ruhte. Der Ring glitzerte schwach im Mondlicht, ein leises, stilles Versprechen, das er gegeben hatte – und das er sich selbst immer wieder ins Gedächtnis rufen musste. Er hatte sich gebunden. An sie. An diese Zukunft. Aber es war keine Macht, die ihn an sie band, kein Besitz. Es war sie selbst. Ihre Stärke, ihre Vergebung, ihre Liebe.
Tom schloss die Augen, und für einen Moment ließ er alle Gedanken los. Er ließ die Gefühle zu, die ihn überwältigten – die Angst, sie zu verlieren. Die Hoffnung, dass er es besser machen konnte. Die Liebe, die er in sich spürte, obwohl er sie so lange verdrängt hatte.
Er senkte den Kopf leicht, presste seine Lippen sanft gegen ihre Stirn. Es war eine flüchtige Geste, fast zaghaft, und doch sagte sie mehr, als er jemals in Worte hätte fassen können.
„Ich lasse dich nicht mehr los," flüsterte er, leise genug, dass sie es im Schlaf nicht hören konnte. Es war kein Versprechen, das er ihr machte. Es war eine Wahrheit, die er sich selbst eingestand.
Saphiras Atem war ruhig, ihre Wärme gegen ihn fühlte sich wie ein Schutzschild an. Und während die Nacht sich über sie legte, lag Tom da, hielt sie in seinen Armen und ließ seine Gedanken schweifen.
Er dachte an die Herausforderungen, die vor ihnen lagen, an die Schatten, die sie immer begleiten würden. Aber in diesem Moment, in dieser Nacht, war alles, was zählte, dass sie hier war. Dass sie sich entschieden hatte, zu bleiben.
Tom schloss die Augen, und zum ersten Mal seit Jahren erlaubte er sich, loszulassen. In der stillen Dunkelheit hielt er sie fest, und während der Schlaf ihn langsam überkam, war da nur ein Gedanke, der ihn begleitete.
Vielleicht konnte er das doch. Vielleicht konnte er lernen, wie man liebt.
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