14//Connor, die Wahrheit ist...
9.November 2038-19:03
Hank stellte den Motor ab und Connor wartete darauf, dass Viviane ihnen eine Gute Nacht wünschen würde und ausstieg. Die Fahrt war still von statten gegangen, als Connors Gedanken immer noch der Umarmung in Kamski's Vorgarten nachhingen.
Er riss seinen Blick von der Straße los, als sie zögerte.
Der Android konnte im Rückspiegel die Unsicherheit beobachten, die sich in ihren Augen bemerkbar machte. Sie kaute auf ihrer Unterlippe, als sie dabei war die Autotür zu öffnen.
,,Vivi? Alles Okay?" Hank drehte sich in seinem Sitz herum, um zu seiner Nichte zu sehen, nicht ohne Connor noch einen kurzen, bedeutungsvollen Blick zuzuwerfen. Sie nickte, ohne ihren Onkel anzusehen, immer noch aus dem Fenster starrend, wo dicke Schneeflocken zu Boden rieselten. Sie wirkte nachdenklich, melancholisch, traurig.
,,Hättet ihr zwei noch Lust mit rauf zu kommen? I-Ich könnte noch Hähnchen übrig haben." Ihre Stimme klang hohl, zur selben Zeit aber auch hoffnungsvoll, als ihre blauen Augen zu Hank blickten. Ein kleines, gequält wirkendes Lächeln huschte über ihre vollen Lippen. Connor drehte sich ebenfalls um, wobei er und Hank einen kurzen Blickkontakt hatten.
Connor erwägte, dass sie etwas bedrücken musste. Der Blick und Gesichtsausdruck des Lieutenants bestätigten seine Vermutung.
Und es musste etwas mit dem zu tun haben, was Kamski ihr erzählt hatte.
Verzweifelt blickte sie zwischen den beiden im Vordersitz hin und her.
Connor konnte sehen, wie ihre Lippen zu zittern begannen und sie ein zaghaftes 'Bitte' hervorbrachte.
Hank legte kurz nachdenklich den Kopf schief. ,,Klar, Hähnchen kling gut."
Sie nickte, als sie hörbar erleichtert ausatmete und die Autotür öffnete.
Als der Android ausstieg, zerrte der heftige Wind an ihm, während er seine Krawatte richtete.
Über das Heulen des Sturms hinweg knallte eine dritte Autotür, als Connor einen Fuß auf den Gehweg setzte.
Er wartete, bis Viviane mit zitternder rechter Hand die Schlüsselkarte durch den Scanner gezogen hatte, als er die State-Street hoch und runter blickte. Vereinzelt waren noch Menschen auf der Straße, die durch den Schnee eilten, um so schnell wie möglich ins Warme zu kommen.
Connor betrat das Gebäude, als Hank skeptisch die Stiegen betrachtete.
,,Sag mal Vivi, in welchem Stock ist deine Wohnung nochmal?"
Sie kicherte:,, Im 15. Hank. Aber zum Glück gibt es da so eine Erfindung namens Aufzug."
Die Aufzugtüren öffneten sich und der Prototyp folgte den beiden Ermittlern. Stille herrschte und automatisch griff der Android in seine Jackentasche, als der Aufzug sich langsam fortbewegte, seine Finger schlossen sich um die silberne Münze. Das klirrende Geräusch erfüllte die Luft, als er sie auf seinem Daumen drehte, bevor er sie in seine andere Hand springen ließ. Die ganze Situation wies für ihn viel zu viele Ähnlichkeiten mit dem Tag auf, an dem sie den Fall im Stratford-Tower untersuchten. Der Tag, an dem er Viviane fast verloren hätte.
Als eine weitere Fehlermeldung angezeigt wurde, fiel die Münze zu Boden, wo sie klirrend auf dem verchromten Boden des Aufzugs rotierte, bevor sie liegen blieb. Irritiert konnte der Android nur beobachten, wie Viviane sich beeilte die Münze aufzuheben, und ihm dann in die Hand drückte. Er blinzelte verwirrt.
Der RK800 trat in den vertrauten engen Gang und ging an den braunen Türen vorbei, bis zur Nummer 7 kam, wo er darauf wartete, dass Viviane die Tür ihrer Wohnung entsperrte. Hank hatte wieder die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben, als er sich umsah.
Als Vi die Tür offen hielt machte sie eine einladende Bewegung in das Innere der Wohnung.
,,Hereinspaziert. Es ist zwar nicht viel, aber es ist meins." Sie klang stolz, als sie sich in dem kleinen Vorzimmer umsah, in dem Connor schon einmal gestanden hatte.
Hank nickte anerkennend, als er eintrat, der RK800 folgte ihm und schloss die Tür, als er beobachtete wie Viviane fein säuberlich ihren Mantel auf den einzigen Kleiderständer aufhängte und sich die Schuhe auszog. Der Lieutenant folgte ihrem Beispiel und folgte dem Constable in den hell eingerichteten Wohnbereich mit Wohnzimmer, Küche und kleinem Esstisch für drei Personen.
Der Android sah sich interessiert um, als er dem Lieutenant folgte.
,,Setzt euch," deutete sie strahlend auf den Tisch. Connor sah ihr nach, während er sich immer noch Möglichkeiten ausrechnete, was der CEO ihr mitgeteilt haben könnte. Alles an ihr wirkte für ihn erzwungen, das Lächeln, die Freundlichkeit. Es war auf jeden Fall anders, anders als das eine Mal, als sie ihn gefragt hatte, ob er wüsste was Sarkasmus war. Da war ihr Lächeln echt gewesen, echter als jetzt.
Der Android setzte sich gegenüber dem Lieutenant auf den Stuhl, als er das gemütliche Wohnzimmer in Augenschein nahm. Musik begann leise im Hintergrund zu spielen, als sich Viviane sich leise summend in die Küche aufmachte.
,,Kann ich irgendwie helfen?" fragte der Android, als er zu Viviane sah, die halb im Kühlschrank hing und nach etwas zu suchen schien.
,,Neein," kam es von ihr. Es hörte sich mehr an wie eine Frage, als eine Antwort. Der Kühlschrank wurde zugeknallt.
,,Erstmal, Hank. Was willst du trinken? Ich hab Wasser, Wasser und, ach ja, Wasser da."
Der Lieutenant lachte kurz ungläubig auf.
,,Wasser," grummelte er kopfschüttelnd, als Vi lächelnd einen Wasserkrug auffüllte, sich ein Glas schnappte und beides auf den Tisch stellte.
Connors Blick folgte ihr, als sie erneut in den Kühlschrank sah. Frustriert knallte sie ihn erneut zu, bevor sie zu Hank sah, der sich gerade ein Glas Wasser einschenkte.
,,Ich habe doch kein Hähnchen mehr da," sagte sie, nachdenklich auf der Lippe kauend, als sie sich in der Küche umsah.
,,Mach dir keinen unnötigen Stress, Vivi."
Sie schüttelte den Kopf, als sie zu überlegen schien. ,,Ihr zwei schafft es, die Wohnung nicht komplett zu zerlegen, während ich kurz weg bin, um Hähnchen zu holen?"
,,Ist doch nicht nötig," wollte Hank ihr noch einmal versichern, als sie schon dabei war, den Mantel wieder anzuziehen.
,,Schafft ihr zwei das? Passt du auf, Connor?" Sie zog die Haare aus dem Mantelkragen, als sie ihnen zulächelte, nachdem der Prototyp ihr bestätigt hatte, er würde aufpassen. Die Wohnungstür schloss sich hinter ihr und Stille breitete sich zwischen dem Androiden und dem Lieutenant aus. Nur die Musik war zu hören, auf die sich der Android zu konzentrieren versuchte.
Hank stand auf und sah sich um, öffnete einzelne Schranktüren der Küchenschränke, die größtenteils vollgeräumt waren mit Geschirr und anderen Kochutensilien.
,,Hank?" Der Android beobachtete den Lieutenant, als er weiter Vivianes Schränke durchforstete, anscheinend auf der Suche nach etwas.
,,Aha!"
Als Hank zurücktrat hielt er eine ungeöffnete Flasche in der Hand. Whiskey. Ein vierzigprozentiger Jack Daniels. Stolz auf seinen Fund, knallte er die Schranktür zu, bevor er sich gegenüber dem Androiden wieder auf seinen Stuhl fallen ließ. Das Wasser schüttete er schnell zurück in den Krug, bevor er sich großzügig Whiskey einschenkte.
Connor beobachtete ihn genau und beschloss einzugreifen, falls Hank wieder etwas zu viel erwischen sollte.
Die herrschende Stille wurde nun gelegentlich unterbrochen, als der Lieutenant sein Glas immer wieder neu auffüllte, nachdem er es manchmal mit einem Schluck leerte, oder die Flüssigkeit aber auch erst einige Sekunden lang betrachtete, bevor er Schluck für Schluck trank.
Als der RK800 sich umsah, entdeckte er ein Bild, das auf einem niedrigen Regal stand und ihm sehr vertraut vorkam. Die eingerahmte Version des Bildes, das die junge Viviane mit ihren Eltern zeigte. Connor lächelte leicht, als er in das Gesicht des kleinen Mädchens sah, das so viele Ähnlichkeiten mit dem ihres erwachsenem Selbst hatte.
Interessiert stand er auf, als er den umgekippten Rahmen bemerkte, der neben dem Familienporträt lag. Der Android kniete sich vor das Regal und hob den Holzrahmen hoch, um das Bild betrachten zu können. Er wusste nicht, was er sich erwartete hatte. Ein Foto mit Hank, eventuell, aber nicht Zane, der ihm entgegenlächelte. Noch irritierender befand er aber die Tatsache, das Viviane dem Mann glücklich einen Kuss auf die Wange drückte, als er seine Hand um ihre Taille geschlungen hatte. Er verkrampfte sich bei dem Anblick und wandte den Blick ab, bevor er das Bild wieder zurück legte.
,,Sieis alles das ichh... noch 'abe."
Connor drehte sich zu Hank um, der niedergeschlagen auf die Tischplatte starrte. Er wusste nicht genau, was er damit meinte.
Der Lieutenant hob erneut das Glas an die Lippen.
,,Lieutenant, ich denke das reicht jetzt."
Der Android wollte ihm das Glas wegnehmen, aber der Mann schlug seine Hand weg, wobei er ein wenig von dem Whiskey auf Vivianes schwarzen Teppich verschüttete. Hank stellte das Glas ab und versuchte aufzustehen. Connor wollte ihm helfen, ihn stützen.
,,Sie mag disch," murmelte er betrunken.
Connor hielt inne, als er den Lieutenant ansah, und blinzelte, als er die Information verarbeitete, seine LED blinkte für eine Milisekunde gelb auf.
Im nächsten Moment erblickte er Tränen auf Hanks Wangen.
Software Instabilität++
,,Wenn du ihr das Herz brischst, ich schör, ich bringg dich um."
Der Lieutenant schwankte und Connor eilte an seine Seite, um ihn vor einem unsanften Fall auf den Holzboden zu bewahren. Der Android hiefte den Lieutenant auf das graue Sofa, wo er ausgeknockt liegen blieb.
Connor richtete seine Krawatte, als er zu der fast leeren Flasche blickte, die einsam auf dem Tisch stand. Nachdem er sie und das Glas in die Küche gebracht hatte, dachte der Android über Hanks betrunkene Aussage nach, als er, am Tisch sitzend, auf Viviane wartete.
Sie mag dich
Er mochte sie auch. Er blinzelte kurz, als ein erneutes Pop-up alles blockierte.
Wenn du ihr das Herz brichst...
Hm...
Jemandem das Herz brechen
-jemanden sehr unglücklich machen; jemandem sehr großen Kummer bereiten; jemanden, der einen liebt, verlassen
Connors System spielte verrückt, die LED war gelb, eine Millisekunde sogar rot.
Konnte Viviane wirklich romantische Gefühl für ihn hegen? Einen Androiden? Eine Maschine?
Software Instabilität++
Im nächsten Moment öffnete sich die Wohnungstür.
- - - - - - - - - - -
Ich seufzte erleichtert, als ich die Tür hinter mir schloss. Der Wind war stärker geworden, die Temperaturen waren weiter gesunken. Alles in allem, ich war ziemlich froh wieder zuhause zu sein.
Als ich meinen Mantel aufknöpfte, sah ich zu meinem kleinem Essbereich, wo zu meiner Überraschung nur Connor saß.
Eine ungute Vorahnung überkam mich, als ich meinen Onkel suchte und die Stirn runzelte. War es Panik? Panik die sich in meinem Magen festfraß?
,,Connor?" fragte ich unsicher, den Mantel achtlos auf die Ablage werfend. Mein schweifender Blick blieb bei der leeren Flasche Jack Daniels hängen, die auf meinem Küchentresen stand.
,,Er hat sich betrunken, nicht wahr?" fragte ich, als Connor gerade seinen Mund öffnen wollte, um mir die Situation zu erklären. Er schloss ihn wieder und nickte.
Hank lag auf meiner gemütlichen Couch, er schlief, tief und fest. Kurz entwich mir ein Lächeln, als er schnarchte.
Müde und niedergeschlagen rieb ich mir den Nacken, als Stille zwischen Connor und mir herrschte, die Musik das einzige das sie zu überbrücken vermochte.
Als ich mich an die breite Armlehne des Sofas lehnte durchzog erneut dieses ekelhafte Kribbeln meinen rechten Arm, das schnell der Taubheit in meiner rechten Körperhälfte Platz machte. Schmerzhaft verzog ich mein Gesicht, als ich eine Faust ballte, um das Gefühl loszuwerden.
,,Viviane?" Ich sah zu Connor, der bei dem Tisch stehen geblieben war und lächelte traurig. Er wirkte besorgt.
,,Hm? Oh, ja, geht schon, ich muss mich, denke ich, noch an die Biokomponente gewöhnen."
Genug Zeit habe ich ja dafür. Ich schluckte, als mich erneut dieses beklemmende Gefühl zu übermannen drohte.
Tränen brannten mir in den Augen und schnell wischte ich sie weg.
Ich sah zu dem Androiden und wollte mich am liebsten wieder seiner Umarmung hingeben.
,,Viviane, was hat Kamski dir erzählt?"
Ich schüttelte unmerklich mit dem Kopf, bevor ich meine Augen schloss und tief durchatmete. Die Erinnerung an seine genauen Worte waren weg und ich seufzte, als ich in Connors braune Augen sah.
,,Kamski fragte mich zuerst, wie es mir mit meinem 'neuen Körper' ginge," begann ich, nachdem ich mich kurz geräuspert hatte.
Ich überlegte mit zusammengepressten Lippen, und mit Schrecken musste ich feststellen, dass ich keine Ahnung mehr hatte, wie zur Hölle er das Thema angesprochen hatte.
,,Ohne um den heißen Brei herum zu reden." Ich hielt inne, meine Stimme zitterte als ich versuchte mich an die Worte des CEO's zu erinnern.
,,Thirium fließt durch meine Blutbahnen, durch die Blutbahnen der Biokomponenten." Ich flüsterte fast.
,,Sie mussten mir sogenannte Nano-Androiden injizieren, die die Krebszellen in meinem Körper ausfindig machen und zerstören."
Mein Herz wurde schwer, als ich daran dachte. Ein Schluchzer entkam mir, und die ersten Tränen flossen über meine Wangen. Ich schlang die Arme um meinen Körper.
,,Connor, die Wahrheit ist, ich werde nicht altern. Ich werde keinen natürlichen Todes sterben."
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