Roter Lippenstift
POV. Harry
"Wir haben es dir gesagt", sagte Zayn, der lässig an einem Metalpfeiler stand und dem Rauch von seiner Zigarette in die Luft pustete. Die Mädchen, die unter dem großen, alten, grünen Baum hockten kicherten heftig und tuschelten über uns. Ich verdrehte die Augen und musterte die beiden, die vor mir standen. Ihr gerde kotzte mich an - obwohl sie meine Freunde waren. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und biss mir in die Wange, um einen Spruch herunter zu schlucken.
"Spiel dich nicht auf, Harry", murmelte Liam, der den Kopf schüttelte und weiterhin auf seinem Handy herum tippte. Wahrscheinlich suchte er die nächste zum Abschleppen, die ihm wie jede andere zum Opfer fiel. Zayn hatte die Augen geschlossen, sah entspannt aus und wartete eigentlich nur darauf, dass die Mädels, die uns noch immer anstarrten, uns einen Besuch abstatteten. Er liebte die Aufmerksamkeit, die er von jedem bekam. Er liebte es angehimmelt zu werden.
Ich würde lügen wenn ich sagen würde, dass ich nicht verstand warum die Mädchen ihn anhimmelten. Er sah einfach gut aus - dies war eine Tatsache. Er sah aus wie aus einem hübschen Portrait gestohlen. Als hätte ihn irgendwer auf eine teure Leinwand gemalt, weil er sein Gesicht nicht mehr aus dem Kopf bekommen hatte. Zayn wusste das. Er wusste, dass alle ihm hinterher schauten und er genoss es - in vollen Zügen.
"Ich stelle mich überhaupt nicht an", stellte ich klar und schaute die beiden böse an. "Wir haben es dir bereits vor zwei Wochem gesagt, aber du wolltest nicht auf uns hören", erklärte der schwarzhaarige, schmiss die Zigarette zu Boden, trat sie aus und strich sich über das teure Hemd, welches wahrscheinlich noch nicht einmal auf dem Markt war. "Du hörst nie auf uns, Harry", teilte Liam mir abwesend mit, weswegen ich die Augen verdrehte.
Er hatte nur Augen für sein Handy und für die Frauen, die ihm dort schrieben. Er machte sich Gedankem darum wie er die nächste ins Bett bekommen würde - vielleicht würde er es auch gar nicht bis dahin schaffen, sondern würde wieder sein Auto für seine Bedürfnisse missbrauchen.
Beide bekamen überhaupt nicht mit was um sie herum passierte. Zu geblendet von der Aufmerksamkeit der Frauenwelt. Jede einzelne lag ihnen zu Füßen und Liam nutzte dies aus. War es verdrängen? Wollte er einfach nicht wissen was wirklich abging oder war er einfach so? Zayn dasselbe. Ließ sich von Frauen bewundern, während er nur sich selber sah. Zwar spielte er nicht mit ihnen, stieg nicht mit ihnen ins Bett und versprach ihnen die Welt, die scheinbar am nächsten Tag wieder unter ging, aber er wickelte sie um den Finger und ließ sie dann wie eine heiße Kartoffel fallen- machte es ihnen Spaß?
Die beiden waren einfach komisch - alle um mich herum waren komisch. Ob meine Eltern oder die beiden. Es wäre als hätte der Verstand, dass Geld etwas bei anderen Menschen auslöst, sie verändert. Ob meine Eltern oder Zayn und Liam. Seit ich denken konnte waren meine Eltern reich und von vielen Menschen hoch angesehen, aber sie haben nie etwas vor die Familie kommen lassen. Geld spielte nie die größte Geige, aber dies hatte sich verändert - gewaltig verändert.
Auch bei meinem Freunden, die liebend gerne die teuersten Marken trugen, die den teuersten Champanger kauften und sich die schlimmsten Zeitgenossen suchten. Menschen, die nur nach Geld betelten, die sie ausnommen wie Fischer einen stinkenden Fisch ausnahmen. Sahen sie es nicht? Badend in Diamanten, Geld, Gold, Autos und allem was sie sich vorstellen konnten, merkenten sie gar nicht wie ihre kleine Welt immer weiter ein kleines Stück ins Badewasser rutschte.
Es nervte mich - es störte mich.
Alleine wie sie da standen. Der eine starrte auf sein Handy, befreites grinsen auf den Lippen, welches mich nur ahnen lassen konnte, was heute Abend geschehen würde und der ander beobachtete sich selbst in der Spiegelung des Fensters. Er sah nur sich selbst.
Sie merkten gar nicht, dass ich mich mies fühlte.
Sie merkten vieles nicht. Beispielsweise die Affäre ihrer Eltern. Dafür musste man auch eins und eins zusammenzählen können, aber dies konnten sie nicht.
Liams Vater war ein berühmter Regisseur, der viele bekannte Filme produziert hatte. Er war wirklich gut in dem was er tat, hatte aber ein großes Problem. Immerhin musste er ständig Schmuck für Zayns Mutter kaufen, die es grinsend der Welt präsentierte und die beiden Vollidioten bekamen davon rein gar nicht's mit, weil es sie auch nicht interessierte.
Zayns Mutter war eine weltweit bekannte Schauspielerin, die alles im Leben drangegeben hatte, um eine goldige Karriere zu haben - selbst ihren eigenen Mann. Über was für Leichen die Menschen gingen, um Geld und Reichtümer zu haben, um ein Leben vor den Kamaras zu leben, welches an allen Seiten gefälscht war.
Ich erkannte Tragödien, wenn ich sie sah - immerhin war mein Leben eine.
Während alle Menschen, um mich herum nach Aufmerksamkeit und Ruhm betelten, Geld in alles steckten, was sie auch nur einen Menschen bekannter machte, stand ich lieber alleine. Weit ab von dem was die anderen liebten. Ich wünschte mir ein Leben in einer beschissenen Kleinstadt, in der nicht alles um Geld ging.
In New York ging alles um Geld.
Geld hier.
Geld da.
"Tue ich auch nicht, weil ich mache mir lieber ein eigenes Bild!", giftete ich die beiden genervt an. "Jetzt spiel dich nicht auf", meinte Liam, packte sein neustes Iphone in seine Designer Jeans und schaute mich genervt an," du verhältst dich ständig wie eine Diva." Ich schnaubte verständnislos, schüttelte den Kopf und machte mich auf den Weg zu meinem hässlichen, knallroten Lamborghini, den meine Eltern ausgesucht hatten.
Ich fühlte mich mies, hatte mir eigentlich nur etwas Beistand gewünscht, aber diesen hatte ich von denn beiden nicht bekommen. Mir war selber klar, dass die beiden sagten, dass Nick ein Arschloch war. Er benutzte Menschen - so wie Liam es tat, aber dort gab es einen kleinen Unterschied. Liam machte keine Bilder und verteilte sie überall - Nick schon. Ich weiß, ich hätte es besser wissen sollen, aber ich wollte keinen Gerüchten vertrauen, die in Wahrheit wahrer waren als ich mir eingestehen wollte.
Ich war kein Mensch, der Erzählungen lieber traute, aber dies hätte ich besser mal tun sollen. Am besten wäre es gewesen hätte ich mich von Nick gar nicht erst um den Finger wickeln gelassen. Einmal hätte ich auf die anderen hören sollen, aber dies tat ich nicht, weil sie sonst auch nur Schwachsinn redeten. Sie erzählten viel, aber sagten nicht's. Sie versprachen viel, aber hielten nicht's. Nick war auch so eine Art Mensch, wahrscheinlich war ganz New York so eine Art Mensch. Eine auf sich bezogene Spezies, die wirklich alles dafür tat, um bewundert zu werden oder um sich mächtig zu fühlen. Immerhin hatte Nick ein geschaft. Er hatte die Macht über mich bekommen.
Ich stolperte in seine Arme und fiel auf seine Lügen, Versprechen und gefälschten Wörter der Liebe herein. Ich war naiv, dies war mir klar, aber trotzdem hätte ich ein bisschen Beistand und Zustimmung gebraucht, was ich alles nicht bekommen hatte - wie immer. Es sollte mich nicht mehr herunter ziehen, dass sie so waren, immerhin waren sie schon seit einiger Zeit so. Um genau zu sein, seit sie den Wert mancher Gegenstände verstanden hatten.
Zayn und Liam trugen keine Schuld an ihrer Entwicklung. Es ist ganz alleine die Umgebung, in der wir aufwuchsen, die uns ruinierte, uns verdorb. Doch trotzdem hätte ich es wenigstens ein bissche geschätzt, wenn sie über das was sie sagten nachgedacht hätten. Man konnte in den Raum stellen ob sie es so meinten, ob sie mich wirklich so sahen, aber Tatsache war, dass es mich verletzte.
Die überfüllten Straßen machten mich nervös und alleine der Gedanke an den nächsten Tag, ließ eine fette graue Wolke über mich kommen. Aus diesem Grund passte es mir überhaupt nicht, dass die Sonne auf meinen Kopf knallte und mich schwitzen ließ. Fest umklammerte ich das Lenkrad und versuchte mich daran zu erinnern, dass er dies schon einmal gemacht hatte. Ich hatte die Bilder von dem Mädchen vor mir nie gesehen, weswegen ich meinen Freunden auch nicht geglaubt hatte. Doch irgendwann würde er jemanden anderes benutzen, dann hätten mich meine Mihschüler wieder vergessen. Dies klang hart - als würde ich mir genau dies für jemand anderen wünschen, aber in Momenten wie diesen ging es eben nicht anders.
"Hallo, Harry", sagte unsere Putzkraft mit einem sanften Lächeln, als ich das Haus betrat. "Hey", flüsterte ich nickend, so dass meine Locken mitwippten, legte meinen Schlüssel ab und zog meine Schuhe aus. "Deine Eltern sind im Wohnzimmer, sie werden gleich aufbrechen", teilte sie mir mit. "Okay, danke", erwiderte ich, lächelte leicht und gefälscht.
"Unmenschlich, wirklich unmenschlich", hörte ich meine Mutter aus dem Wohnzimmer gröllen. "Es ist mal was neues", meinte mein Vater gestresst und steckte einige Stecknadeln in die Kleiderpuppe, an die die beiden immer irgendwelche Stofffetzen hängten. Es sollte wohl was neues werden, was einzigartiges. "Inakzeptabel", kommentierte die Frau des Schreckens, die auch gleichzeitig meine Mutter war.
"Hallo", machte ich auf mich Aufmerksam, da sie mich bis jetzt noch gar nicht gemerkt hatten - wie immer. Ich war eben nur Luft. "Harry, wie war die Schule?", fragte mein Vater, ohne dass er mich begrüßte oder die Frage auch nur in irgendeiner Form ernst meinte. "Gut", antwortete ich wie immer. Auf eine gelogene Frage gab es eine gelogene Antwort - ganz Einfach.
"Wie geht's Nick?", fragte er und diese Frage hörte sich ehrlicher an, als die Frage in der es um mich ging. Wer konnte es ihm auch verübeln? Nicks Eltern leiteten ein Firma, die Stoff und all den Mist verkaufte. Meine Mutter hatte sich bereits das perfekte zusammenleben ausgemalt, in der wir auf perfekte Familie machen konnten und einen Haufen an Geld machen würden. "Wir haben uns getrennt", teilte ich ihnen mit, auch wenn ich glaubte, dass meine Mutter mir keinerlei Beachtung schenkte. Es war als würde das lila sie so extrem stören, dass sie überhaupt keinen Chance hatte mich wahrzunehmen. Fakt war einfach nur, dass sie sich nicht für mich interessierte. Sie sprach nur mit mir, wenn sie meine Klamotten wahl kritisierte oder mein Make-Up zu weiblich fand.
"Wundert mich nicht mal", sagte sie und schüttelte den Kopf. Sie schaute mich mit diesem Blick an, der Bände sprach und am liebsten hätte ich die Augen verdreht, aber ich schaute einfach nur zurück. "So wie du jeden Tag aussiehst", fügte sie noch hinzu und ließ ihren Blick ein letztes Mal über mich gleiten. Ich hörte die unausgesprochenen Worte, die mein pinkes Hemd verurteilen, welches leicht schimmerte und weich auf meiner Haut lag. Ich spürte wie sie meine enge, schwarze Jeans verurteilte und mich am liebsten eigenhändig gekleidet hätte - mir war dies alles bewusst, aber es interessierte mich nicht.
Sie hatte kein Intresse an mir, also hatte ich keins an ihr.
Ich schloss meine Zimmertür und schaute herunter auf meine Füße. Jeder Tag war schrecklich, ich hasste es jeden Tag mehr. Die Tatsache, dass Nick mich so bloßgestellt hatte, war noch viel schlimmer.
Ich legte mich auf mein Bett, umarmte das Kissen und ließ kleine Tränen des Kummers über meine Wange wandern. Ich konnte meinen eigenen Herzschlag hören und normalerweise beruhigte es mich, weil es mir zu verstehen gab, dass ich noch ein Mensch bin und mich dieses ganze Leben nicht schon längst verspeist hatte - wie ein leckeres Abendessen. Mir entfloh ein kleiner Schluchzer und ich hielt die Luft an, weil es sich in meinen Ohren so unglaublich laut angehört hatte. Ich zitterte, weil ich Angst hatte, dass mich jemand gehört haben könnte.
Man weinte eben nicht. Wahrscheinlich war es selbst falsch zu weinen, wenn man alleine war. Weinen war nur zeigen der Schwäche. Weinen war nicht's gutes. Dies hatte meine Mutter mir oft genug gesagt. Ich sollte aufhören herum zu flennen und endlich ein Mann sein.
Aus diesem Grund weinte ich nur noch Abends in mein Kissen. Dafür tat ich dies oft - fast jeden Abend, einfach weil es sich gut und befreiend anfühlte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es schlecht wäre, aber scheinbar war es das.
Ich presste mein Gesicht jede Nacht in das Kissen und schluchzte herein. So leise wie ich konnte, um niemandem zu zeigen wie schwach ich eigentlich war. Kein Ton drang aus meinem Zimmer, weil sie könnten es ja hören und mich auslachen. Warum konnte nicht einmal jemand sagen, dass es okay war? Eine Umarmung würde mir reichen. Einfach jemand, der mich fest an sich presst und sagt, dass es okay sei. Warum war Traurigkeit etwas, was man scheinbar nur in Filmen zeigte?
Der nächste Tag kam zu schnell und am liebsten wäre ich liegen geblieben, aber ich hörte schon meine Mutter über den Flur keifen. "...dann bestellen sie die Stoffe eben! Glauben sie das ist mein Problem?", rie sie und auf der einen Seite war ich froh, dass ich aus dem Haus konnte, aber auf der anderen Seite wollte ich gar nicht heraus.
Ich hatte Angst davor, dass mich nun alle auslachen würden. Dies sprach ich natürlich nicht aus, weil Angst haben war auch nur Schwäche zeigen. Warum war dies so? Warum akzeptierte es die Gesellschaft, wenn meine Mutter weinte, aber tat es mein Vater wurde er schräg angesehen? Ich verstand das nicht. Konnte man nicht dasselbe empfinden?
Ich verstand es nicht, aber dies konnte ich auch einfach nicht. Warum sollte ich es auch verstehen wollen?
Mit klopfendem Herzen und der Panik, dass mich das Lachen noch in meinen Träumen verfolgen würde, stieg ich aus meinem Wagen. Ich spürte bereits einige Blicke auf mir brennen, aber ich versuchte das zu ignorieren. Ich versuchte den tuschelnden Menschen aus dem Weg zu gehen und gar nicht darauf zu achten, wie sie ihr Handy ansahen und danach zu mit schauten, um zu Lachen.
Nick stand unter seinem Baum, tratschte mit seinen Freunden und würdigte mich keines Blickes. Er war so ein Arsch - ich hasste ihn. "Harry, wir dachten schon, du wärst Zuhause geblieben", sagte Zayn, lächelte perfekt und musterte mich kurz. "Ja, heulend und ängstlich", kommentierte Liam, der in seinem Handy vertieft war. Sein Hals schmückte ein fetter Knutschfleck und ich seufzte, da ich darauf gar nicht's antworten wollte. "Ist doch halb so schlimm", sprach Zayn daraufhin und folgte mir, da ich auf dem Weg zu meinem Spint war," ich meine du sahst auf den Fotos ja nicht hässlich aus." "Du hast sie auch gesehen?", fuhr ich ihn entsetzt an.
Das glaubte ich jetzt nicht. Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten, um sie danach wieder zu lockern, weil mich schon wieder viel zu viele Menschen schräg ansahen. Er regierte wieder über. Dies würde ich wahrscheinlich wieder aufschnappen, aber was sie sich nicht vorstellen konnten, war dass auch sie in dieser Position enden könnten.
"Harry, jeder hat die Fotos gesehen", teilte Liam mir mit, nachdem er die Augen verdreht hatte. Er sah mich an und schüttelte den Kopf. "Schieb jetzt kein Theater, es ist wie es ist", fügte er noch hinzu. "Ja, in letzter Zeit verhältst du dich wie eine Diva", erwiderte Zayn gleichgültig.
Noch mieser gelaunt öffnete ich meine Spinttür. Ein Spiegel hing an dieser und wütend schaute ich hinein. Mir stand diese Falte auf der Stirn nicht und direkt versuchte ich mich zu beruhigen. Was ich nun wirklich nicht gebrauchen konnte, waren die Wuttrännen, die ich in meinen Augen spürte. Die Fassungslosigkeit steckte tief in mir. Wie konnten diese beiden, die ich als meine Freunde betitelte, so denken? Machten sie sich überhaupt keine Gedanken? Ich verstand es einfach nicht und dies machte mich fertig.
Ich griff in meine Lippenstiftsammlung und zog einen knallroten heraus. Ohne auf die Blicke der anderen zu achten schmierte ich mir das Zeug auf die Lippen.
"Manchmal frage ich mich, warum du dir wie ein Mädchen die Lippen schminken musst", sagte Zayn und richtete seine Haare, indem er einen Spiegel in der Hand hielt und herein sah. "Und ich frage mich, warum du immer deine Haare richtest, obwohl du genau weißt, dass du wie ein Affe aussiehst!", erwiderte ich und schlug feste die Spinttür zu. Ich hörte Liam seufzen. "Ernsthaft?", hört ich ihn fragen und am liebsten hätte ich ihm ebenfalls meine Meinung gegeigt, aber zügig bewegte ich mich davon. In dem Moment hörte ich nicht einmal das Lachen meiner Mitschüler, weil es in meinen Ohren einfach nur rauschte. Ich war so unendlich wütend, dass ich es nicht hätte in Worte fassen können.
Ich hatte es so unglaublich Leid, dass alle mein Auftreten kritisierten. "Lächerlich", hörte ich ein Mädchen tuscheln, welches mich ansah und ohne ein Wort betrat ich einfach das Klassenzimmer. Ich wusste, dass sie über mich urteilten. Es war immer so. Jedes Mal, wenn etwas geschah, was nicht 'normal' war, dann tratschte die ganze Schule darüber. Ich wünschte mir einfach, dass ich New York verlassen könnte. Ich wollte irgendwo hin, wo es niemanden interessierte. Wo niemand dich komisch ansah, weil du nun einmal tatest, was du mochtest.
Mit dem roten Wagen kurvte ich durch die Stadt und hatte das Lenkrad fest umklammert. Ich hörte schon vor dem Haus das Keifen meiner Mutter, die sich mal wieder über irgendwas aufregte. Vielleicht über die Farbe des Stoffes oder die Hausfrau, die nicht mit dem richtigen Waschmittel die Wäsche gewaschen hatte.
"Hi", sagte ich schlicht als ich in den Flur trat. Mein Vater strich seinen schwarzen Anzug glatt und meine Mutter trat in einem grässlichen Kleid aus dem Wohnzimmer. "Harry, wie läufst du schon wieder herum?", fragte sie und verzog das Gesicht. Mein Vater schaute mich ebenfalls an und für einen Moment verweilten wir in der Stille. Sie sah schrecklich aus. Die knallbunte Farbe stach heraus, indem tristen, dunkel blauen Flur. Mein Vater verließ das Haus und ging wahrscheinlich schonmal zu seinem Wagen. "Ich fühl mich wohl, also lass deine Sprüche stecken", teilte ich ihr mit und strich mir durch die Haare. "Und du wunderst dich, dass Nick dich benutzt hat?", fragte sie, schaute in den Spiegel und hängte sich riesengroße, funkelnen Ohrringe an die Ohren. "Wie bitte?", fragte ich und sah sie eindringlich an. Sie grinste sich selber an und schaute einmal an sich herunter.
"Du siehst aus wie ein Depp, mein Sohn", sagte sie und schaute mich mit diesem ekelhaften Blick an, den ich ihr am liebsten aus dem Gesicht boxen wollte," du bist kein Mann und du benimmst dich auch nicht so. Du bist eine kleine Diva und eigentlich weißt du, dass du es verdient hast!"
Nun folgte sie meinem Vater und wie bestellt und nicht abgeholt, stand ich im Flur. Mein Blick traf mich selber im Spiegel und für einen Moment sah ich mich an. Ich schluckte schwer und prägte mir alles ein, was ich dort sah. Vielleicht hatte sie Recht, vielleicht versuchte ich mir das alles auch einfach nur schön zu reden. Das Nick die Schuld trug und nicht ich.
Das rote Hemd lag lose an meinem Körper und die schwarze Hose saß viel zu eng. Ich seufzte, fuhr mir durch die Haare und entdeckte Tränen über meine Wange laufen. Ich wollte doch gar nicht schwach sein, aber es war so unglaublich schwer stark zu sein. Ich hatte es so satt, dass ich jedem etwas vormachte, weil eigentlich konnte ich nicht mehr.
Eigentlich hatte ich das Gefühl am Boden zu sein, aber es schien niemanden zu interessieren. Merkte es keiner oder wollte es keiner merken?
Müde stieg ich die Treppenstufen herauf und betrat das Badezimmer. Ich schminkte mich weiter, mit allem was dazu gehörte. Ich sah Gemma immer ähnlicher, wenn ich dies tat. Dies beruhigte meistens die Selbstzweifel, aber an diesem Tag nicht. Der Gedanke, dass ich alleine Schuld daran hatte beschäftigte mich. Vielleicht war es einfach meine Schuld, dass Nick mich vor der ganzen Schule bloßgestellt hatte. Es lag einfach an mir und so öfter sich das in meinen Gedanken wiederholte, umso öfter glaubte ich es.
Es war mehr eine Kurzschlussreaktion nach den Schlaftabletten meiner Mutter zu greifen. Im Grunde genommen wollte ich es nicht, aber in dem Moment hatte ich es als einzigen Ausweg gesehen. Die Lösung für all meine Probleme. Der Ausweg, aus diesem ganzen Theater, welches mich von Tag zu Tag mehr ermüdete. War es bescheuert? War dies ein unglaublicher Moment der Schwäche oder ein Moment der Stärke?
Ich schluckte sie alle und für einen Moment glaubte ich daran zu ersticken, aber selbst das wäre mir in dem Moment recht gewesen. Ich wollte einfach das es vorbei war. Ich wollte die Blicke nicht mehr spüren, die sich immer in meine Haut bohrten. Ich wollte das Gelächter nicht mehr hören, welches durch die Gänge dröhnte, sobald ich einen Fuß herein setzte. Ich war es Leid die Diva aller zu sein, während ich einfach nur versuchte ich selber zu sein.
Ich glaubte daran, dass ich ein guter Mensch war. Ich wollte niemals auf Gerüchte hören, auf Erzählungen anderer, aber warum musste Nick mich so sehr enttäuschen? War ich wirklich so naiv gewesen? Es gab doch sicherlich Anzeichen, die mir seine Heuchelein bewusst gemacht hätten.
Meine Kehle war trocken und ich hustete, aber alle Schlaftabletten hatten ihren Weg bereits durch meine Speiseröhre gefunden.
Manche würden dies jetzt als übertrieben ansehen. Als Aufschrei nach Aufmerksamkeit, aber dies war es ja irgendwie auch. Ich wollte, dass mich jemand erhört. Doch im selben Moment hörte ich auch schon das Gelächter, dass mir wieder zeigen würde wie schwach und dumm ich doch war. Wie sehr ich mich aufspielte und so tat wie eine Diva. Vielleicht war ich eine, aber die Betonung lag auf war, denn nun war es vorbei.
Irgendwie erleichterte es mich, dass meine Augen immer und immer wieder zuvielen, dass mich diese Schwärze Stüch für Stück in beschlag nahm. Stille war zuhören und meine Eltern waren schon eine ganze Weile weg. Ich lag auch schon eine Weile auf meinem Bett und starrte gegen die Decke. So viele Nächte lag ich hier und weinte, weil niemand da war, der sagte, dass es okay sei.
Es war auch eben nicht okay traurig zu sein.
Ich schlief ein und dies war das erste Mal, dass ich mich nicht mies fühlte. Es war mir egal wie albern andere dies sehen würden, weil sie dachten, dass ich ja eigentlich glücklich sein musste. Würden sie alles wissen, würden sie es vielleicht verstehen, aber ich glaubte nicht daran.
Niemand würde es verstehen.
Niemand würde es jemals verstehen.
Und somit fiel ich in dem Schwarz einfach herunter. Als hätte mich jemand von einem Hochhaus geschubst, welches das Leben repräsentierte. Es fühlte sich gut an. Als wäre ich frei. Frei wie ein Vogel, der aus einem Käfig ausgebrochen war. Nun wurde ich nicht mehr schräg angesehen, nun war es vorbei.
Eine Last glitt von meinem Herzen und als würde jemand an meinem Körper rückeln, verschwand ich komplett. Einfach weg. Als hätte mir jemand den Verstand ausgeknippst.
War dies der Tod?
A/N: Das war Kapitel 2!!
Ich hoffe euch hat es gefallen. :)
Im nächsten Kapitel lernen sie sich auch schon kennen!!
Die Stimmung passt mal wieder perfekt zum heutigen Tag - sowie Gestern!
Happy Birthday Harry! ❤
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