Chapter Twenty Nine
My body is shaking
My head is aching
My heart is breaking
It feels like I can't fix this mess
I'm making
Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, stand das Auto still und Kyle war gerade dabei, seinen Sitzgurt zu lösen. Ich richtete mich auf und fuhr mir durchs etwas zerzauste Haar, während meine Augen sich langsam an das Licht der Laterne neben dem Wagen gewöhnten. "Sind wir schon da?", wollte ich wissen und machte mich ebenfalls vom Gurt los. Schön wie ich jetzt einschlafen konnte, aber die ganzen Tage davor nicht. Zu meiner Enttäuschung schüttelte er den Kopf; seine Haare waren inzwischen getrocknet.
"Nope. Wir sind in Texas." Was? Ich hatte ja befürchtet, dass wir Oklahoma verlassen würden, aber nicht damit gerechnet, dass wir so weit weg fahren würden! "Texas? Also sind wir ungefähr... neun Stunden gefahren?"
"Sieben, die Straßen waren leer." Er stieg aus und ich griff mir meine Tasche, ehe ich es ihm nach tat. "Und was wollen wir hier?", stellte ich meine nächste Frage, als er eine graue Tasche aus dem Kofferraum zog. Da mussten dann wohl seine Sachen drin sein. "Eigentlich nur übernachten. Da ist ein Motel." Er nickte in meine Richtung und fokussierte seinen Blick auf etwas hinter mir, also drehte ich meinen Kopf, um einen besseren Blick über meine Schulter zu haben. Wir standen vor einem nicht allzu gut aussehendem Gebäudekomplex mit vielen Fenstern, in denen nur manche beleuchtet waren. "Und du hättest uns nichts besseres suchen können?" Ich sah ihn skeptisch an. Ich kannte genug Horrofilme, um zu wissen, wie die Nacht in einem schäbigen Motel ausgehen konnte.
"Nein, hätte ich nicht, weil das hier kein Urlaubstrip ist, Prinzessin." Er war zwar gut sieben Stunden durchgefahren, bekam aber langsam wieder seinen Humor zurück. Leider. Ich verdrehte die Augen, als er an mir vorbei und auf den Eingang zuging. Bevor ich ihm folgte, drehte ich mich noch einmal um. Die Stadt wirkte leer, was darauf schließen lies, dass wir uns entweder in einem ruhigen Stadtteil befanden oder in einer Kleinstadt. Keine Großstadt war um die Uhrzeit so ruhig.
Ich drehte mich wieder und folgte ihm schnell zur dunkelblauen Tür. Das letzte was ich wollte war, ihn zu verlieren in einer Stadt und einem Bundesstaat, in dem ich mich nicht auskannte. Er stand bei der Rezeption, an der ein blonder Mann saß und etwas in seinen Computer tippte. Ihre Stimmen waren leise und von meiner Position an der Tür aus konnte ich nicht verstehen, was sie sagten.
Meine Augen wanderten im Raum umher. Ein paar Blumenvasen, blaue und schwarze Stühle, ein paar niedrige Tische... alles etwas heruntergekommen. Ich wollte ja nicht eingebildet klingen, aber seit unserem Umzug war ich es gewöhnt gewesen, besser zu leben, als ich es in Mexiko getan hatte. Das bedeutete keine Second-Hand-Sachen (mehr) und Reisen an fremde Orte, ohne, dass man Angst haben musste, pleite zu gehen. Nicht dass wir jemals viel gereist waren, aber ein paar schöne Urlaube hatten wir schon gemacht.
Mexiko war anders gewesen. Unsere Wohnung war klein gewesen und stickig. Nicht unbedingt hässlich, aber auch nicht besonders schön. Wir hatten viele gebrauchte Sachen gekauft und benutzt und oft Reste gegessen. Nicht, dass wir arm gewesen wären oder so. Die Krankheit meines Vaters hatte eben nur viel Geld gekostet und meine Mutter hatte nicht gerade den bestbezahltesten Job gehabt. Außerdem hatte sie auch noch zwei Kinder zu ernähren gehabt.
Aber Mexiko war vielfältig und so sahen wir fast jeden Tag Menschen, die ärmer dran waren als wir. Menschen, die viel für unser Leben geben würden und das hatte mich immer daran erinnert, dass ich dankbar dafür sein sollte, dass wir niemals am Hungertuch hatten nagen müssen. Auch wenn es trotzdem traurig gewesen war und wie das Ende der Welt ausgesehen hatte, wenn meine damaligen Freunde mit teuren Spielzeugen ankamen, die wir uns nur hätten leisten können, wenn wir dafür wochenlang gespart hätten. Aber schlimmer ging es immer.
Die Umgebung erinnerte mich an diese Zeiten und ein Gefühl von Nostalgie kam über mich. Texas war so nah dran an Mexiko. Es fühlte sich fast wie zuhause an.
"Wo genau in Texas sind wir eigentlich?", stürzte ich mich auf Kyle, sobald der einen Schlüssel vom Rezeptionist erhalten hatte und sich zu einer Treppe drehte. "Laredo. Grenzt an Mexiko." Laredo. So weit im Süden waren wir? "Und wie geht es morgen weiter? Du meintest, dass wir noch nicht da sind." Wir erreichten das Ende der Treppe und gingen einen Gang entlang. "Wir fahren nach Tampico, machen dort Pause und fahren dann von dort aus weiter nach Catemaco. Das sind ungefähr 18 Stunden Fahrt."
"Wir fahren nach Mexiko?", meine Stimme klang ein wenig zu freudig, als ich es gewollt hatte. Ich hatte immer zurück nach Mexiko gewollt. Dort war mein Zuhause. Dort lebte Amaia. Ich würde endlich die Chance kriegen, wieder nachhause zu kommen! Die ungewöhnlichen Umstände, unter denen wir das Land verlassen würden, waren mir in dem Moment egal. Mexiko!
"Oh mein Gott, ich..." Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Kyle hätte mich überall hinfahren können. Und sein Ziel war ausgerechnet mein Heimatland? Was war das für ein Zufall? Vielleicht war die Sache mit Ruben doch nicht ganz so schlecht gewesen...
Kyle schloss die Tür auf, während mich mein kurzer Anflug von Euphorie auch schon wieder verließ. Natürlich war die Sache mit Ruben grauenhaft gewesen! Wie hatte ich auch nur für eine Sekunde so denken können! Ich hatte meine Mutter verraten, war meilenweit von meinem Wohnort abgehauen und war dabei, das Land zu verlassen, obwohl irgendetwas mit meinen Gedanken falsch war. Was war falsch mit mir?
"Und was dann? Was ist dann in Mexiko? Was machen wir da?" Ich überstürmte ihn mit Fragen, als ich unschlüssig bei der Tür stehen blieb und nicht wusste, ob ich das Zimmer betreten sollte oder nicht. Als er das Licht anschaltete, ließ ich meine Augen über das Zimmer wandern. Es war schlicht eingerichtete, mit zwei getrennten Betten, bei deren Anblick ich erleichtert aufatmete. Ich hatte nicht das Bedürfnis mit ihm in einem Bett zu schlafen. "Du hast versprochen, es mir zu erklären!"
"Würde ich ja, wenn du die Tür zu machen und endlich reinkommen würdest", antwortete er und schmiss seine Tasche auf ein Bett. Dann drehte er sich zu mir um und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als ich mich keinen Zentimeter bewegte. "Also? Kommst du jetzt oder nicht?" Schließlich beschloss ich, einfach nachzugeben. Anscheinend würde er mir das alles nicht zwischen Tür und Angel erklären, also blieb mir wohl keine andere Wahl.
"Ich weiß, dass das jetzt verrückt klingen wird und als ob ich dich reinlegen würde, aber versuch wenigstens, es zu verstehen, okay?" Ich verschränkte die Arme und lehnte mich an die Tür an, als ich ohne zu zögern nickte. Schließlich waren wir ja nicht umsonst hierhergekommen. "Das, was mit dir passiert, ist keine Krankheit", wiederholte er sich. "Du sagst, dass du einmal ein Wesen mit Eulenaugen und großen Löchern in den Ohren und all sowas gesehen hast, oder?" Ich stimmte ihm stumm zu. "Und dass du in deinem Traum ein kleines Haus aus mehreren Steinen geformt gesehen hast? Und dass du von etwas mit schuppiger Haut angegriffen wurdest?" Wieder nickte ich.
"Tja, das ist keine Schizophrenie, das ist ein Alux." Wie bitte? "Ein was?", fragte ich ihn verwirrt. Ich hatte noch nie von diesem Wort gehört. "Ein Alux ist ein übernatürliches Wesen, welches in Mexiko vorkommt und-"
"Warte, warte, warte", unterbrach ich ihn mit hochgehobener Hand. "Übernatürlich? Ist das dein Ernst?"
"Du dachtest doch nicht ernsthaft, dass es eine andere Erklärung für deine Halluzinationen gibt?"
"Ähm... ja? Eigentlich schon. Übernatürliches existiert doch nicht." Ich hätte ihm am liebsten an den Kopf geworfen, dass er zu viel Fernsehen geschaut hatte, aber ich hatte ihm versprochen, dass ich es nicht tun würde, also biss ich mir einfach auf die Zunge. Aber ein Alux-Ding sollte an meinem Verhalten Schuld sein? Wie sollte das denn bitte gehen? Gab es die Dinger überhaupt? Ich spannte mich an und wartete nur darauf, dass er gleich in schallendes Lachen ausbrechen würde.
Aber das tat er nicht. Stattdessen erklärte er weiter. "Aluxe kommen eigentlich ausschließlich in Mexiko vor. Es sind kleine Wesen, die meist im Dschungel leben oder auf Farmen und eigentlich niemandem etwas tun. Sie tragen oft Hüte und Stoffschuhe und einen kleinen Beutel, in dem sie Samen und Nahrung aufbewahren. Ihre Augen sehen oft aus wie die von Eulen, sie haben Hirschbeine und Echsenfüße. Ihre Anwesenheit wird oft von dem Geräusch raschelnder Blätter angekündigt." Er beschrieb ganz genau das, was ich gesehen und gehört hatte. "Mexikanische Bauern formen oft Lehmfiguren in ihrer Gestalt und das beruft dann einen Alux ein. Wird ihm Nahrung angeboten und ein kleines Haus gebaut, beschützt er Haus und Feld der Familie. Jedoch tun sie so ziemlich das Gegenteil, wenn sie schlecht behandelt werden. Sie tun all das, was ein Poltergeist auch tun würde - machen Krach, verstecken Sachen, zerstören die Ernte und sowas eben." Er ließ sich auf das Bett sinken.
"Allerdings sind sie meist unsichtbar und man kann sie nur loswerden, in dem man ihre Lehmfigur zerstört oder einen Schamanen hinzuzieht. Und das ist der Grund wieso ich nach Mexiko will, weil die Leute sich da damit auskennen." Mexiko war ein sehr abergläubisches Land, Feste und Traditionen wurden dort sehr ernst genommen und ich wusste, dass es dort viele Leute gab, die sich Schamanen nannten und behaupteten, sie würden von den Mayern abstammen, aber geglaubt hatte ich das Zeug nie. Und von Aluxen hatte ich auch noch nie gehört.
"Und was soll so ein Schamane dann bitte tun?", hakte ich nach und fuhr mir müde durchs dunkle Haar. Kyle zuckte die Schultern. "Weiß ich nicht. Sehe ich so aus, als hätte ich Ahnung von sowas?"
"Nein, aber du siehst aus, als würdest du mich auf den Arm nehmen." Er sah mich ein paar Sekunden lang stumm an und stand dann auf. "Und wieso sollte ich das tun? Ich fahre doch nicht hunderte Meilen, nur um dich reinzulegen." Er kam näher und stand schließlich ziemlich dicht vor mir. "Ich weiß. Aber das hört sich sowas von... ausgedacht an, dass ich die Geschichte hinterfragen muss. Übernatürliches, in welcher Welt leben wir denn bitte?"
"Du weißt schon, dass das jeder sagt, der in einer übernatürlichen Welt lebt?", antwortete er und legte den Kopf ein wenig zur Seite, seine Augen auf mein Gesicht fokussiert. "Ja, in Büchern und Filmen. Nicht... hier." Ich ließ meinen Blick durch den Raum wandern. "Nicht in diesem Raum, in dieser realen Welt in einem realen Sonnensystem. Das ist einfach... keine Ahnung, ich kann es einfach nicht glauben."
"Dann versuch es wenigstens. Niemand hat gesagt, dass du mir direkt alles abkaufen musst. Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich nicht anlüge."
"Okay, schön... aber was hat der Alux damit zu tun, dass ich in den letzten Monaten durchgedreht bin?"
"Ich bin mir auch nicht sicher, aber ich vermute, dass er deinen Onkel umgebracht hat. Keine Ahnung wieso, wahrscheinlich ist er ein besonders böses Exemplar oder so. Oder er hat zu viele Krimis gesehen." Diesmal zuckte er die Schultern, während ich meinen Gedanken erlaubte, kurz wandern zu gehen. Rubens Leiche, Blut... das Haus. Der Angriff. Keine Spuren. Das passte alles. Die Ereignisse dieser Nacht waren niemals aufgeklärt worden. Was kein Wunder wäre, wenn ein übernatürliches Wesen dafür verantwortlich gewesen wäre. Außerdem konnte ich noch genau die Schuppen und das Fell und die scharfen Krallen meines Angreifers auf meiner Haut spüren.
"Aber wieso? Wieso sollte er sowas tun?"
"Weil er wahrscheinlich besonders böse ist, wie ich bereits sagte. Und dann kamst du und er hat Besitzt von deinem Kopf ergriffen. Ist in deine Gedanken eingedrungen, hat dich halluzinieren lassen..."
"Sowas tun die?"
"Selten, aber ja. Sie tun sowas." Mir lief ein Schauer den Rücken herunter bei dem Gedanken, dass dieses Wesen Kontrolle über meine Gedanken haben könnte. "Und wie kommst du auf diese ganze Geschichte? Die Idee kann dir ja wohl schlecht im Traum gekommen sein."
"Erinnerst du dich noch daran, dass ich dir und deiner Mutter erzählt hatte, dass mein Vater mal in Mexiko gewesen war?" Ich nickte. "Er war da aus einem bestimmten Grund. Eine Freundin von ihm hat angefangen, durchzudrehen. So als wäre sie psychisch krank. Ohne irgendeinen richtigen Grund. Jahrelange Medikamente und Therapie haben nichts gebracht und man hat sie als hoffnungslosen Fall abgestempelt. Allerdings war sie sehr abergläubisch und wollte immer wieder nach Mexiko, um sich dort von Schamanen und Hexen helfen zu lassen. Sie war übrigens Mexikanerin, ist aber nach Frankreich ausgewandert", fügte er an. "Also hat mein Vater sie irgendwann dahin gebracht und sie hat ihm von ihrer Vermutung erzählt. Und sie hatte Recht gehabt. Ein Schamane half ihr - allerdings weiß ich nicht, wie - und sie wurde wieder ganz die Alte. Als du also angefangen hast, solche Symptome zu zeigen, nachdem dein Onkel getötet worden war, hatte ich schon den Verdacht, dass sowas auch mit dir passieren könnte", erklärte er.
"Und wieso hast du mit deiner Vermutung so lange gewartet?"
"Weil ich mir nicht sicher war", war seine Antwort. "Ich hatte ja nur die Story meines Vaters gehört und das nicht selbst erlebt. Hätte ja auch sein können, dass ich mich täusche und du nur traumatisiert bist. Aber dann kamst du in die Klinik und hast mir von diesem Haus und diesem Wesen erzählt..." Er zuckte die Schultern. "Da war für mich klar, dass du nicht verrückt bist. Zumindest nicht vollständig", fügte er schnell hinzu. "Also habe ich alles meinem Vater erzählt und der hat mir die Adresse von dem Schamanen seiner Freundin damals gegeben. Und jetzt stehen wir hier."
Okay... irgendwie klang das Ganze verrückt und wie aus einem Fantasy-Roman. Aber zur gleichen Zeit klang es logisch und mir passierte anscheinend genau das Gleiche wie dieser Frau damals. Und wenn ein Schamane ihr geholfen hatte... vielleicht konnte er dann auch mir helfen?
"Dann gehen wir wohl morgen zu einem Schamanen."
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