Chapter Twenty Eight
And I don't need your quick fix
I don't want your prescriptions
Just cause you say I'm crazy
So what if I'm fucking crazy?
Ich konnte nicht glauben, dass ich das ernsthaft getan hatte. Ich war ernsthaft aus der Psychiatrie ausgebrochen und saß jetzt mit Kyle im Auto. Na gut, als ausgebrochen konnte man es nicht bezeichnen. Wir waren einfach aus der Tür gegangen und hatten so getan, als wäre das unser Recht. Also seins war es auch, nur meins nicht. Regentropfen liefen die Scheibe hinunter und machten es in der Dunkelheit schwer, etwas zu erkennen.
Mein schlechtes Gewissen meldete sich zu Wort. Wie hatte ich das tun können? Wie hatte ich einfach so meine Mutter betrügen können? In spätestens ein paar Stunden würde mein Verschwinden auffliegen, vielleicht schon früher. Vielleicht wussten sie es schon jetzt. Oh Gott. Suchten sie nach mir? Würde jetzt eine landesweite Suchaktion gestartet werden, weil eine Irre aus der Anstalt abgehauen war? Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken. Das war definitiv eine schlechte Idee gewesen. Mit mir stimmte doch ernsthaft etwas nicht.
Wenn sie uns finden würden - was gäbe das dann für Konsequenzen? Ich würde doch nicht verhaftet werden, oder? Oder noch schlimmer - auf die geschlossene kommen? Bitte nicht! Ich war nicht wirklich scharf darauf herauszufinden, ob die Gruselgeschichten wirklich wahr waren. Außerdem würde meine Mutter mich umbringen, immerhin hatte ich ihr Vertrauen gebrochen. Sie würde mich mit diesem verletzten Blick ansehen, während sie mich anschreien würde und mich dann ignorieren und giftige Kommentare von sich geben, sollte sie doch noch einmal mit mir reden müssen. Und nach ein paar Tagen würde sie so tun, als wäre nie etwas gewesen, weil sie so immer mit schwierigen Situationen umging, allerdings würde eine eisige Stimmung in der Luft herrschen und Konversation für niemanden von uns einfach machen. Dann würden wir quasi zum Sommer zurückkehren, auch wenn ich gerade so stolz auf unseren Fortschritt war. Und all das machte ich kaputt, weil Kyle irgendeine seltsame Theorie hatte? Was war los mit mir?
Ich schüttelte den Kopf. Das war doch verrückt. "Halt an." Kyle reagierte nicht auf mich. "Kyle, halt das verdammte Auto an!", versuchte ich es weiter, diesmal mit schärferer Stimme. Endlich erhielt ich seine Aufmerksamkeit und er wandte mir den Kopf kurz zu. "Warum? Willst du laufen? Ist ja schön, dass du so sportlich sein willst, aber jetzt ist nicht die Zeit für deinen Traum als Marathonläuferin."
"Warum?", erwiderte ich und ignorierte den Rest des Satzes. "Weil das eine dumme Idee war! Ich kann doch nicht meine Mutter verraten und riskieren, dass mir dort drin geholfen wird, nur weil du irgendeine Vermutung hast für die es keine Beweise gibt! Ich weiß ja nicht mal, womit du das hier überhaupt begründen willst."
"Also hast du es dir anders überlegt?", wollte er wissen und ich nickte eifrig. "Ja!" Abrupt blieb das Auto stehen, sodass ich vor geschleudert wurde und nur der Sicherheitsgurt mich hielt. "Dann steig aus", bot er mir an. "Lauf zurück. Aber wir beide wissen, dass dir in dieser Klinik nicht geholfen werden wird. Du bist nämlich nicht krank."
"Und was bin ich, deiner bescheidenen Meinung nach, dann?"
"Das erkläre ich dir, wenn wir aus diesem Sturm raus sind." Ich konnte den Wind peitschen hören. "Ich bin mir immer noch nicht sicher", sagte ich nach ein paar Sekunden, was ihn dazu brachte, seinen Körper ein wenig weiter zu mir zu drehen. Seine dunklen Haare waren vom Wind und dem Regen zerzaust, sein dunkles Shirt wirkte unter der Jacke noch dunkler und war völlig durchnässt. "Ich erkläre es dir, wirklich. Ich muss uns nur erstmal aus diesem verdammten Sturm rauskriegen."
Ich ließ mir mit einer Antwort Zeit und drehte mich wieder der Frontscheibe zu. Es gab so viele Gründe nicht zu gehen. Zum einen würde ich das Verhältnis zu meiner Mutter völlig zerstören. Zum anderen würde ich Konsequenzen davon tragen. Ich weiß nicht, ob ich in die geschlossene kommen würde oder ob ich überhaupt das Recht verwirkt hatte, klinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Außerdem krampfte sich mein Magen bei dem Gedanken an Ronny schmerzhaft zusammen. Er hatte mir helfen wollen, indem er mir ein wenig extra Zeit mit meinem angeblichem Freund verschafft hatte. Und ich hatte das schamlos ausgenutzt. Und wenn das raus kam würde er vielleicht gefeuert werden. Über Ruby machte ich mir keine Sorgen, die kam alleine klar. Aber war ich wirklich zu so einer Person geworden? Eine Person, die Leute ausnutze und einfach allein ließ?
Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen flüsterte eine kleine Stimme in meinem Kopf, die ich da definitiv nicht haben wollte. Und was war mit Kyle? Konnte ich ihm vertrauen? Er hatte mich bisher angelogen und ausgetrickst und jetzt befand ich mich mit ihm allein mitten in einem Sturm im Nirgendwo. Ein Teil von mir wartete nur darauf, dass er aufsprang und "Überraschung!" schrie. Wundern würde mich das nicht. Aber er war bis auf den Kommentar eben ernst geblieben. Außerdem hatte er mich, bevor ich in die Klinik ging, Fragen über Sachen gestellt, die eigentlich nur ich wissen konnte. Wie zum Beispiel zu dem Haus in meinem Traum. Oder zum Aussehen der Kreatur. Und wieder war da diese kleine Stimme, die mir zuflüsterte, dass ich ihm vertrauen sollte. Wenigstens dieses eine Mal.
Nur wusste ich nicht, ob ich dieser Stimme Glauben schenken konnte.
Aber tief in mir rief etwas, dass er Recht hatte. Dass ich nicht psyschich krank war. Ich hatte jede einzelne Minute, die ich in der Anstalt verbracht hatte, das Gefühl gehabt, dass man mir dort nicht helfen könnte, dass ich dort falsch war. Und Kyle hatte dieses Gefühl genau beschrieben, ohne dass ich ihm ein Wort davon erzählt hatte. Also könnte da vielleicht wirklich mehr dahinter stecken, als ich eigentlich vermutete?
Wie hoch waren die Chancen, dass ich weniger starke Konsequenzen kriegen würde, wenn ich jetzt zurück kehrte? Wahrscheinlich ziemlich niedrig. Weggelaufen war weggelaufen, egal für wie lang. Es standen gefühlte hundert Gründe gegen drei, abgesehen von meiner Moral und meinem Gewissen. Aber diese drei waren aussagekräftig. Also musste ich Kyle wohl oder übel vertrauen.
Nach ein paar stillen Momenten, in denen nur das Geräusch von heftigem Wind und starkem Regen zu hören waren, drehte ich mich ihm wieder zu. "Fahr."
*
Wir fuhren ein paar Stunden und entkamen endlich dem Sturm. Die Wolken lichteten sich, Sterne kamen hervor, der Wind ließ nach und der Regen wurde schwächer. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren und betete nur, dass Kyle wusste, wo er hinfuhr. Mir war nicht wirklich danach, mich in der Wildnis zu verirren und dann womöglich auch noch im Auto übernachten zu müssen. Mein Handy hatte zweimal geklingelt und ohne hinzusehen hatte ich gewusst, dass es meine Mutter gewesen war. Meine Abwesenheit war also schon bemerkt worden.
Ich war nicht dran gegangen. Es war schwer gewesen, weil mein schlechtes Gewissen mich fast umgebracht hatte, aber ich hatte das Handy einfach liegen lassen und dem schrillen Klingelton zugehört, der sich mit dem stetigen Brummen des Motors und dem Geräusch der herunterlaufenden Regentropfen an der Fensterscheibe vermischt hatte.
Ich wollte sie zurückrufen. Ich wollte ihr erklären, was Sache war, aber dann würde sie mich für noch verrückter halten. Also musste ich mich zurückhalten und mit meiner Erklärung warten, bis ich wusste, was überhaupt los war, da ich es ja jetzt gerade selber nicht verstand. Außerdem musste ich erst mal in Erfahrung bringen, ob Kyle das alles ernst meinte oder das irgendein dummer Streich von ihm war.
Auch wenn das die Grenze definitiv überschreiten würde. Ein psychisch krankes Mädchen aus ihrer Klinik holen, um sie woanders hinzubringen und ihr währenddessen vorzugaukeln, dass sie gar nicht krank ist? Das wäre ziemlich geschmacklos, selbst für ihn.
Ich vertraute Kyle nicht. Oder zumindest nicht vollständig, denn die Tatsache, dass ich mit ihm in dieses Auto gestiegen war, bewies, dass ich ihm nicht komplett misstraute. Ich hatte kein Wort mit ihm ausgetauscht, seitdem ich in der Klinik gelandet war - der Grund dafür war offensichtlich - aber er hatte genau gewusst, wie ich mich dadrin gefühlt hatte. Ohne, dass ich irgendwem davon erzählt hatte, von dem er es hätte wissen können. Er konnte das doch nicht geraten haben. Und er war ernst gewesen, so ernst, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Und das war er immer noch. Die ganze Fahrt über hatte er kein Wort gesagt oder mir irgendeinen neckischen Blick zugeworfen. So als würde er es wirklich ernst meinen. Und das tat er besser auch, denn wenn nicht, würde ich ihm mit meinen Fingernägeln die Augen auskratzen. Und ich hatte lange Fingernägel.
Ein Teil von mir wehrte sich immer noch dagegen. Er schrie mich an, dass ich aussteigen und mit einem Taxi zurückfahren sollte - sofern wir in einer Gegend waren, wo es Taxis überhaupt gab, ich konnte ja nicht wirklich was sehen -, aber ein größerer schrie zurück, dass er gefälligst die Klappe halten sollte. Und seine Stimme war viel lauter.
Was hatte ich zu verlieren? Ich war bereits abgehauen und hatte die besorgten - und wahrscheinlich wütenden - Anrufe meiner Mutter ignoriert, das konnte ich nicht mehr rückgängig machen. Ich würde so oder so Konsequenzen davon tragen, ob ich jetzt gleich oder später zurückkehrte machte keinen so großen Unterschied. Das schlimmste was mir passieren konnte war, dass Kyle mich angelogen hatte und weiß Gott was jetzt vorhatte. Aber diese kleine, manchmal nervige, Stimme in mir beruhigte diese Sorgen wieder und dann fand mein Gehirn genug logische Argumente, um zu bleiben.
Also rutschte ich ein wenig auf meinem Sitz umher und machte es mir gemütlich für die Fahrt.
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