Chapter Seventeen
Right down to the minute
Right down to the second
I can feel my every breath unfold
Right down to the minute
Right down to the second
"Sie standen also nicht direkt in der Turnhalle?", fragte der Polizist mich und fuchtelte mit seinem Stift herum. Ich nickte zur Bestätigung und hielt mich am Rand der Liege fest, auf der ich saß. "Nein, ich befand mich ein paar Meter von ihr entfernt." Die paar Minuten, die es die Ärztin gebraucht hatte, um einen Polizisten zu mir zu bringen, waren nicht viel gewesen und ich hatte mich nur schlecht konzentrieren können. Ich hatte keine Ausrede parat und hatte keine Ahnung, was ich ihm erzählen sollte. Er hatte mir schon ein paar Fragen gestellt und sich Notizen dazu gemacht auf dem kleinen Block, den er in der Hand hielt und bis jetzt hatte ich noch nicht erklären müssen, was ich ohne Kostüm dort getan hatte, sodass ein kleiner Teil von mir Licht am Ende des dunklen Tunnels sah.
"Ist ihnen sonst irgendetwas abnormales aufgefallen? Gasgeruch, eine fremde Person...?" Mich? "Nein." Ich schüttelte den Kopf. "Es war alles wie immer." Ich vermied es, ihm direkt in die Augen zu sehen und wenn ich es tat, dann nur für den Bruchteil einer Sekunde. "Gut", sagte er schließlich, nachdem er sich meine Antwort notiert hatte. "Dann hätten wir alles. Bis auf eine Sache", fügte er hinzu und musterte mich, während mein Magen sich schmerzhaft zusammenzog. "Wieso gehen sie auf eine Kostümparty ohne Kostüm?" Verdammt.
"Ich...", stammelte ich und versuchte, meine Maske zu wahren, obwohl mir eigentlich zum Heulen zumute war. Meine Gedanken rasten, ich konnte es förmlich spüren, als ich verzweifelt versuchte, mir irgendetwas glaubwürdiges auszudenken. Ich könnte auch einfach den Mund halten und nichts sagen. Ja, ich konnte die Aussage verweigern, weil ich zu verstört war, um darüber zu reden... nein, könnte ich nicht. Das wäre zu auffällig und würde den Verdacht nur noch mehr auf mich lenken.
"Ich wollte meinen Freund sehen." Das waren die ersten Worte, die mir eingefallen waren und ich verfluchte mich selbst für diese Klischee-Ausrede. Obwohl... meine Gedanken rasten weiter. Vielleicht war das doch nicht so schlecht gewesen. "Um die Uhrzeit? Sie sind extra kurz vor Mitternacht auf eine Party gegangen, um ihren Freund zu sehen?", wollte er misstrauisch wissen. Ich nickte und gab mir alle Mühe, ein paar Tränen zu erzwingen, was aufgrund des Umstands, dass ich Panik hatte, gar nicht mal so schwer war. "Ich musste ihn sehen." Das Geräusch meines Schluchzens übertönte fast mein letztes Wort, als ich den überdramatischen Teenager spielte. "Ich hab ihn betrogen..." Ich vergrub mein Gesicht in den Händen und schluchzte ein paar Mal auf, als ich mir das Gespräch mit Lydia in Erinnerung rief. "Ich wollte das doch gar nicht. Aber dann war es passiert und er war auf der Party... ich wollte doch nur einen ruhigen Abend haben!" Ich sah auf und wischte mir unter meinen Augen die verlaufene Mascara weg. "Also sind sie wegen ihrer Schuldgefühle zu ihm gegangen?"
Sein Tonfall war sachlich und neutral, aber in seinen Augen konnte ich erkennen, dass er nicht ganz wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Ich nickte. "Ja. Ich musste es ihm doch erzählen! Nein, ich muss! Ich hab keine Ahnung wo er ist oder ob er verletzt ist... ich kann nicht..." Ein neuer Weinkrampf kam über mich und ich sah zu Boden. "Okay... ich... danke, dass sie meine Fragen beantwortet haben." Als ich die Tür sich öffnen und anschließend wieder zugehen hörte, sah ich auf. Er war weg und ich war allein im Zimmer. Ich hörte auf zu weinen und rieb mir über die Augen. Ich hatte es überstanden.
*
Es war ruhig. Das einzige Geräusch war das ruhige Atmen von Aiden neben mir. Er atmete gleichmäßig und seine Züge hatten sich entspannt, also musste er schlafen. Ich drehte meinen Kopf wieder zum Fenster. Der Mond schien hinein und erleuchtete die Dunkelheit in einem silbrigen Licht.
Ich hatte keinen Schlaf finden können. Seit ungefähr zwei Stunden lag ich wach und starrte entweder die Decke an, schaute aus dem Fenster oder unterhielt mich mit Aiden, der jetzt jedoch ins Traumland abgedriftet war. Außerdem war er in keiner Rede-Stimmung gewesen und hatte mir die ganze Zeit seltsame Blicke zugeworfen. So als würde ich gleich durchdrehen, als ob irgendetwas falsch mit mir war. Ich hatte jedoch nichts gesagt. Er hatte allen Grund dazu.
Die Explosion war inzwischen zwei Tage her. Am Montag war die Schule ausgefallen, weil die Feuerwehrleute mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt waren und keine herumlaufenden Schüler gebrauchen konnten. Außerdem hatte niemand so wirklich Lust dazu, mit dem normalen Schulstoff fortzufahren so wie immer, so als wäre nichts gewesen, wenn einige Lehrer und Schüler im Krankenhaus lagen. Es waren nicht allzu viele und die meisten hatten nur leichte Verletzungen und mussten zur Beobachtung ein paar Tage dort verbringen, aber manche hatte es auch schwerer erwischt. Lydia zum Beispiel.
Direkt nach der Explosion hatte ich nur einen kurzen Blick auf ihr Gesicht erhaschen können. Es war blutig gewesen, aber mehr hatte ich nicht sehen können. Ich hatte gehofft, dass das schon wieder werden würde. Dass das nur ein paar Kratzer wären, die bald wieder verheilen würden. Aber anscheinend waren es nicht nur ein paar Kratzer. Ich wusste nicht genau, wie schwer sie verletzt war. Aber die Tatsache, dass sie keine Besucher empfangen durfte und angeblich auf der Intensivstation lag, ließ mich vermuten, dass es ernst sein musste. Ihre Eltern hatte ich mich nicht getraut zu fragen. Wir hatten seit Jahren nichts mehr miteinander zu tun gehabt und sie wussten nicht, was zwischen mir und Lydia in diesem Gang passiert war. Es sähe für sie nur seltsam aus und das brauchten sie jetzt nicht auch noch.
Ich kuschelte mich enger an Aiden. Er hatte nur ein paar Kratzer von den Glasscherben abbekommen, aber sonst ging es ihm gut, genauso wie Genevieve. Ich hatte die beiden noch in der Nacht erreichen und mich somit versichern können, dass ihnen nichts großartig fehlte.
Genevieve hatte mir die Geschichte mit der Jacke nicht geglaubt. Kein Stück, hatte aber nichts gesagt und nur misstrauisch die Augen verengt. Aber so wie ich sie kannte, würde sie mich morgen zur Rede stellen, wenn die Schule wieder begann. Die Feuerwehrleute und Freiwilligen waren so gut wie fertig mit den Aufräumungsarbeiten, die Turnhalle würde nur für einige Zeit lang abgesperrt werden, da aufgrund der Explosion die Wände beschädigt worden waren. Das Hauptgebäude hatte bis auf ein paar Fenster in der Nähe der Turnhalle nichts abbekommen und ich hatte gehört, dass die Bombe anscheinend nicht stark genug gewesen war, um fatalen Schaden anzurichten. Wie zum Beispiel Leute umzubringen.
Ja, richtig. Bombe. Jemand hatte sie unter einem Halloween-Tisch deponiert gehabt und niemanden war es bei der lauten Musik und ausgelassenen Stimmung aufgefallen. Die Polizei fahndete aktiv nach dem Täter, aber ich bezweifelte, dass sie ihn finden würden. Es gab keine Fingerabdrücke oder sonst irgendetwas, das auf den Täter hinweisen könnte - oder zumindest war es das, was ich gehört hatte.
Ich fühlte mich immer noch schuldig. Ich wusste nicht, was ich in diesem Klassenzimmer getan hatte. Ich hatte absolut keine Erinnerung daran. Aber das musste doch nicht zwingend bedeuten, dass ich an der Explosion Schuld gewesen war, oder? Es sah nur wirklich danach aus und das machte mir viel größere Sorgen. Was, wenn jemand mich im Verdacht haben würde? Das Mädchen, dass ihren Onkel gefunden und angegriffen worden war, deswegen verrückt wurde und am Abend der Halloween-Party ganz plötzlich im Gang stand, obwohl sie eigentlich gar nicht kommen wollte? Das war doch logisch.
Ich seufzte. Mein Leben war ein einziges Drama.
Aiden drehte sich ein wenig weiter zur Seite. Er hatte mich nicht gefragt, was ich an dem Abend in der Schule gesucht hatte. Aber anhand seiner Blicke hatte ich erkennen können, dass er genauso misstrauisch war wie Genevieve, wenn sogar nicht noch misstrauischer. Aber was sollte ich den tun? Ihn anlügen? Ihm die Wahrheit erzählen? Option eins würde, so wie ich mich kannte, nicht funktionieren, da er mir die Sache mit der Jacke bestimmt nicht abkaufen würde und ich die Geschichte, sollte ich mir eine neue ausdenken, mit der abgleichen müsste, die ich Genevieve erzählt hatte. Und das würde zu noch mehr Lügen führen und irgendwann würde ich von ihnen umzingelt sein. Das konnte ich nicht machen.
Aber die Wahrheit war auch keine gute Option. Damit würde ich ja praktisch eingestehen, dass ich die Kontrolle über mich verloren hatte. Konnte ich denn das tun?
Wieder ein Seufzter meinerseits. Es war kompliziert.
Langsam setzte ich mich auf und stieg aus dem Bett. Der Boden war kalt, als ich meinen nackten Fuß darauf absetzte. Leise schlich ich mich Richtung Tür, um den friedlich schlafenden Aiden nicht zu wecken. Denn wenn seine Augen geschlossen waren, musste ich nicht seinen Blick ertragen.
Das Haus war still, als ich in der Küche ankam, um mir ein Glas Wasser zu nehmen. Anhand der Uhrzeit war das auch kein Wunder, es war immerhin mitten in der Nacht. Das Rauschen des Wassers aus dem Wasserhahn war das einzige, was die nächtliche Stille unterbrach. Bis auf einmal ein Lachen aus dem vorderen Teil des Hauses ertönte.
Vor Schreck lies ich mein Glas fallen und sah zu, wie es klirrend auf dem Boden landete und in hunderte Scherben zersprang. Meine Hände hielten sich an der Küchentheke fest, während ich schwer atmend auf die Küchentür starrte, die nicht weit vom Wohnzimmer und somit der Haustür entfernt war. Und dieses Lachen jagte mir Schauer über den Rücken.
Es kam näher und ich spürte, wie sich mein Körper immer weiter anspannte und es mir schwer fiel, mich zu bewegen. Wo kam das her? Zu wem gehörte das? Ich biss mir auf die Lippe. Aiden war ein Stockwerk weiter oben und er hatte einen festen Schlaf. Aber bestand trotzdem die Chance, dass er das klirrende Glas gehört hatte? Oder dass es seine Eltern getan hatten? Oder überhaupt irgendwer, der mir helfen konnte?
Das Lachen war fast an der Tür und ich fühlte mich, als würde mein Kopf gleich platzen. Wieso musste das immer mir passieren? Wieso musste ich immer diese Horror-Szenarien durchleben? Dann ertönte ein "Pst!", gefolgt von einem weiteren Lachen. Ein weibliches und jetzt, wo es näher war, klang es ziemlich betrunken. Ich atmete auf. Nur jemand betrunkenes. Aber halt: wenn Aiden und seine Eltern schliefen, wer war dann...
"Jewel!" Kyle stand in der Tür und hielt sich am Türrahmen fest. "Ich wusste ja nicht, dass du noch wach bist." Er lallte und seine Fahne roch ich bis hierher. Dann erschienen helle Strähnen neben ihm und das Gesicht eines Mädchens tauchte neben seinem auf. "Hallo." Sie versuchte zu winken, doch endetet damit, dass sie sich an Kyle festhalten musste, damit sie nicht hinfiel. "Ups." Ihr Kichern verstärkte sich nur noch mehr, als ihr Blick auf die Scherben fiel. "Wollt ich nicht." Sie konnte kaum mehr reden, warf Kyle aber bedeutende Blicke zu, von denen mir übel wurde. "Kommst du?" Sie ergriff seinen Arm und wollte ihn dazu bewegen, mit ihr zu kommen, war aber zu schwach. "Ich komm gleich. Okay?" Jetzt wo ich den Vergleich hatte, lallte er deutlich weniger als sie, aber immer noch genug, um als betrunken durchzugehen. "Warte schon mal oben." Sie lachte wieder laut los, lallte ein langgezogenes "Okay" und verschwand dann im Flur.
"Sorry", nuschelte er, als die Blondine weg war und wir allein waren. "Wollt dich nicht erschrecken."
"Hast du aber." Ich nahm mir die Kehrschaufel aus der Ecke und kniete mich hin, um die Scherben aufzufegen. Ich ignorierte Kyle, der seinem Damenbesuch eh gleich nach oben führen würde. Er hatte mich zu Tode erschreckt. Auch wenn er mich vor ein paar Tagen nachhause gefahren hatte. Das war ziemlich nett von ihm gewesen, aber eine Nettigkeit hatte nichts zu bedeuten. Ich wollte ihn einfach nicht in meinem Leben haben, da gab es schon genug Drama.
Auf einmal spürte ich eine kühle Hand auf meinem Arm und sah auf. Er hatte sich neben mich gekniet und nahm mir die Schaufel aus der Hand. "Lass mich das machen. Ich war das schließlich." Er lehnte sich ein wenig vor, als er mit Kehren begann und ignorierte das Wasser, das die Hose an seinen Knien durchdrang. "Du bist betrunken", warf ich ein. "Du solltest nicht-"
"Lass mich das einfach machen, okay?", er unterbrach mich und warf mir einen kurzen Blick zu. "Ich krieg das schon hin."
"Wenn du meinst." Ich stand auf und nahm einen Lappen aus einem Schrank. Wenn er mich schon nicht die Scherben aufkehren ließ, dann konnte ich wenigstens das verschüttete Wasser wegwischen. Wir verbrachten ein paar Minuten damit, den Boden zu kehren. Ich war gerade dabei, den Lappen auszuwringen, als ich seine Stimme wieder hörte. "In der Schule gab es also eine Explosion?" Ich drückte den grünen Stoff noch einmal aus, ehe ich ihn neben das Waschbecken legte und mich dann zu ihm umdrehte. Kyle saß auf einer Theke gegenüber von mir und musterte mich. "Ja." Ich nickte. "Bombenangriff."
"Hm. Du wurdest aber nicht verletzt, oder?" Ich schüttelte den Kopf. "Sonst würde ich nicht hier stehen." Ich bekam nur ein weiteres "Hm" als Antwort, während sein Blick ins Nirgendwo abwanderte. Betrunken war er definitiv anders als nüchtern. Ich hätte damit gerechnet, dass er aggressiv wurde oder hyperaktiv, aber er schien er der nachdenkliche Typ zu sein. Hätte ich ihm nicht zugetraut. "Und wurde der Täter schon gefunden?", wollte er nach einer Minute wissen, die sich viel länger angefühlt hatte, als sie wirklich gewesen war. "Nein. Und ich denke auch nicht, dass sie ihn finden werden."
"Wieso das?"
"Weil es keine Fingerabdrücke gibt. Niemand hat etwas gesehen, Fußspuren sind bei der Menge Leute, die da waren, unmöglich zu finden."
"Und wie geht es dir damit?" Ich zuckte die Schulten und war ein wenig misstrauisch aufgrund seines Interesses daran. "Keine Ahnung. Ganz okay, denke ich. Lydia - eine Mitschülerin von mir - ist schwer verletzt, aber sonst geht es allen gut." Er wusste ja nicht, dass ich eigentlich gar nicht zu dieser Party gehen wollte, also musste ich mir auch keine Sorgen um eine Ausrede machen. "Aber ist das nicht traumatisierend oder so?" Wieder ein Schulterzucken meinerseits. "Ja schon, aber in der letzten Zeit sind viele Dinge passiert, weißt du. Das ist noch lange nicht das Schlimmste."
"Du meinst das mit deinem Onkel, oder?" Ich nickte. "Tja, das nenne ich Pech. Soll ja ein ziemlich seltsamer Kauz gewesen sein" Er stand auf, während ich ihm empört zusah. "Entschuldige mal? Du beleidigst da gerade ein totes Familienmitglied von mir. In Mexiko wird das ziemlich ernst genommen."
"Na und? Wir sind hier nicht in Mexiko, sondern in Oklahoma. Und außerdem sag ich nur die Wahrheit - dein Onkel war komisch. Punkt. Die anderen lügen dich doch eh nur voll, indem sie sagen, dass er ein guter Kerl war und dir ihr endloses Beileid bekunden."
"Du kanntest ihn nicht mal."
"Wer tat das schon?" Er sah einen Moment lang in die Augen, ehe ich weg sah. Er hatte Recht. Niemand hatte Ruben gekannt und trotzdem hatten alle so getan, als wären sie tief ergriffen und traurig gewesen. Nichtmal meine Oma war großartig traurig gewesen und immerhin war ihr Sohn gestorben. Hatten diese Leute also das Recht gehabt, Krokodilstränen über ihn zu vergießen? Nein. Kyle war wenigstens ehrlich. "Ich glaube... ich glaube du solltest hoch gehen. Da wartet jemand auf dich."
Er zuckte mit den Schultern. "Wenn du meinst." Er ging zur Tür, doch gerade als er die Küche verlassen wollte, rief ich ihn zurück. "Kyle?" Er drehte sich um. "Hm?"
"Ich mag dich betrunken lieber als nüchtern."
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