Chapter Four
Monsters stuck in your head
Monsters under your bed
We are monsters
Stille. Nichts außer Stille, die nur von meinem nervösem Atem und meinen unruhigen Schritten unterbrochen wurde. Ich ging auf und ab in meinem Zimmer, die Hände hinter dem Nacken verschränkt. Ich konnte nicht einfach nur rumsitzen und nichts tun, das war Folter. Aber meine Mutter würde mich nicht aus meinem Zimmer lassen.
Ich lehnte mich an die Wand und schloss die Augen, nur um sie direkt wieder erschrocken aufzuschlagen. Ruben. Blut. Dunkelheit. Tod. Ich schüttelte energisch den Kopf. So konnte das nicht weitergehen, ich musste mit irgendwem reden. Egal, ob meine Mum etwas anderes behauptete, ich konnte nicht mehr länger allein sein.
Und ich wusste auch schon die Person, die ich jetzt unbedingt brauchte.
Die Haustür konnte ich nicht benutzen, das würde meine Mutter merken. Und das gleiche galt für die Tür zum Garten. Also musste ich hier irgendwie anders rauskommen.
Mein Blick glitt zum Fenster. So etwas hatte ich schon immer mal machen wollen.
Ich öffnete es und lehnte mich ein wenig vor, meine Hände stützten sich auf dem dunkelbraunen Fensterbrett ab. Mein Zimmerfenster ging zum Garten hinaus, von wo ich auf die Hecken und Gartenstühle schauen konnte. Er war nicht besonders groß, aber auch nicht der kleinste. Ich drehte mich um, öffnete die Tür und stieg leise bis zur Hälfte der Treppe hinab. Meine Mutter war in der Küche und kochte irgendetwas, wie mir die Geräusche und der kräftige Geruch der Gewürze verrieten. Jetzt war der ideale Zeitpunkt.
Ich eilte wieder zurück ins Zimmer und zum Fenster, drehte aber auf dem Absatz um und warf einen Blick auf mein Bett. Sie würde bestimmt irgendwann wieder in mein Zimmer schauen, vielleicht sogar, um mir das Essen zu bringen, was sie gerade kochte. Und ich plante nicht, in den nächsten paar Stunden schon wieder hier zu sein.
Also schnappte ich mir ein paar Kissen, die ich sonst nie benutzte, aus einer Schublade und stopfte sie unter die Decke, sodass es in etwa wie ein Mensch aussah, der unter der Decke lag. Dann zog ich die roten Vorhänge zu, damit das Zimmer abgedunkelt war. Es war zwar keine gute Attrappe, aber wenn sie nicht näher nachsehen würde, würde sie ausreichen.
Ich stellte mich hinter die Vorhänge und ließ einen Fuß aus dem Fenster hängen. Das zweite Mal, dass ich aus einem Fenster innerhalb von 24 Stunden kletterte, wie ich schwer schluckend feststellte. Eine Hand hielt den Fensterrahmen fest, die andere ruhte auf dem Fensterbrett. Der andere Fuß folgte und ich baumelte mit beiden Händen am Fensterrahmen hängend aus dem Fenster. Hoffentlich sah jetzt keiner der Nachbarn aus dem Fenster.
Es war nicht wirklich hoch, aber runterfallen wollte ich diese Strecke trotzdem nicht. Gottseidank befand sich nur ein paar Meter unter mir das Terrassendach, auf das ich klettern konnte. Nur dass das ein Schrägdach war und ich aufpassen musste, nicht runter zu rutschen. Meine Turnschuhe suchten nach irgendeiner Lücke in den Steinen und fanden schließlich auch eine. Ich zwängte einen Fuß in den kleinen Spalt, den anderen ließ ich ein wenig tiefer hängen und löste eine Hand vom Fenster, um Halt in den Steinen zu suchen.
So kletterte ich vorsichtig nach unten und kam mir wie in einem Teenie-Film vor. Aus dem Fenster klettern, um nicht von der Mutter erwischt zu werden. Sowasvon klischeehaft. Als ich endlich das Schrägdach erreicht hatte, atmete ich beruhigt auf und ließ mich wieder vom Rand aus hängen, damit ich dann springen konnte, da der Sprung aus dieser Position aus nicht so hoher Höhe war.
Ich ließ das Dach los und ließ mich fallen. Meine Füße knickten ein und ich landete auf meinem Rücken, rappelte mich aber sofort auf, da man mich vom Wohnzimmer aus sehen konnte. Eilig rannte ich zum Gartentor, was sich auf der Seite des Hauses befand, die nur ein Fenster hatte: das Küchenfenster. Ich öffnete den Zaun, der mir bis zu den Schultern ging, ging hindurch und schloss ihn wieder hinter mir. Wir schlossen ihn nie ab, jeder, der in den Garten wollte, könnte sowieso einfach darüberklettern.
Als ich am Küchenfenster vorbei kam, duckte ich mich, um nicht von der Person auf der anderen Seite entdeckt zu werden. Das Auto konnte ich aus offensichtlichen Gründen nicht benutzen, also musste ich wohl laufen. Da mein Ziel sich etwas weiter außerhalb befand, war der Weg ein wenig länger, aber nichts, was ich nicht hinkriegen würde.
Ich kannte eine Abkürzung durch den Wald, die mich erstens schneller dort hinbringen würde und zweitens mich vor unerwünschten Blicken schützen würde. Jedoch war der Wald war um diese Jahreszeit noch dicht bewachsen, bedeutete also, dass wenig Sonnenlicht durch die blätterreichen Kronen durchbrechen würde. Und ich hatte keine Ahnung, ob ich das packen würde, nachdem was mir passiert war.
Ich atmete tief durch und schlug den Weg zum Wald ein. Wenn ich meinen Freund sehen wollte, musste ich das wohl oder übel auf mich nehmen. Und ich war diese Strecke schon so oft gelaufen, mir würde schon nichts passieren. Gott, meine eigenen Gedanken klangen so, als würde ich mich in einem Horrorfilm befinden. Hastig schüttelte ich den Gedanken ab. Ich war nicht in einem Film. Also würde mir auch nichts passieren.
Der Waldboden war dunkel, die Bäume hielten alles Sonnenlicht ab. Nur an einzelnen Stellen drangen ein paar Strahlen durch und stellten darin schwebende Staubkörner zur Show. Obwohl ich schon seit Jahren öfters mal hier lang ging erschien mir der Wald immer irgendwie mystisch. Magisch. So als ob hier Feen oder Kobolde leben würden (was ich mir früher als kleines Kind ziemlich oft ausgemalt hatte). Und dieser Eindruck war seit Jahren kein Stück verblasst.
Keine Ahnung, wie viel Zeit verstrichen war, als ein knackendes Geräusch mich aus meinen Gedanken holte. Flashbacks erschienen vor meinem geistigen Auge, Szenen von der gestrigen Nacht. Der scharfe Schmerz in meinen Armen, als sie zerkratzt wurden, der Schock, als mich etwas von der Seite ansprang. Ich zuckte zusammen, verschränkte die Arme vor meiner Brust und drehte mich um.
Nichts war zu erkennen, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich konnte spüren, wie mein Herz anfing, schneller zu schlagen und meine Fingernägel sich in meine Haut pressten und die noch nicht verheilten Wunden aufkratzten. Meine Ohren warteten gespannt auf das raschelnde Geräusch, während meine Beine nur auf mein Kommando warteten, wegzurennen. Ich rechnete fest damit, dass ich gleich wieder angesprungen werden würde.
Und obwohl mein Verstand mir sagte, nicht erst auf den Angriff zu warten und gleich wegzurennen, konnte mein Körper nichts machen. Ich konnte mich nicht bewegen. Schockstarre. Wieder ein Geräusch, diesmal ein Knacken im Unterholz. Als ob jemand beim Laufen auf einen Zweig getreten wäre. Meine Atmung wurde schneller, beinahe schmerzhaft. Ich hätte nicht kommen und mein Glück so auf die Probe stellen sollen. Ich war dumm gewesen, mein Zimmer war der sicherste Ort für mich gewesen. Keine Ahnung, was das gestern Nacht gewesen war und wieso ich davon gekommen war, aber anscheinend hatte er, sie, es oder was auch immer, beschlossen, zu beenden, was es angefangen hatte.
Oh Gott. Ich würde sterben. Ich würde mich niemals von irgendwem verabschieden können. Mein Körper würde gefunden werden, zerkratzt und blutig, so wie der meines Onkels. Oder würde er überhaupt gefunden werden? Vielleicht-
Etwas kam aus dem Dickicht gekrochen und stellte sich ein paar Meter von mir entfernt hin. Sein Schatten wurde von der Nachmittagssonne lang gezogen.
Ein Eichhörnchen.
Ich atmete beruhigt auf und hätte mich gleichzeitig am liebsten selbst geschlagen. Ich hatte Todesangst vor einem Eichhörnchen gehabt.
Das Tier sah mich ein paar Sekunden lang an und kletterte dann auf einen Baum, ehe es zwischen den grünen Blättern verschwand. Mein Herz beruhigte sich langsam und ein kleines bisschen Scham stieg in mir auf. Ich kannte diese Strecke in- und auswendig und nach einem schlechten Erlebnis ließ ich mir auf einmal von allem möglichem Angst einjagen? Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Aber die Erleichterung, dass es nur ein Eichhörnchen gewesen war, war trotzdem größer als die Scham.
Die Arme noch immer vor meiner Brust verschränkt, ging ich weiter und kam nach ein paar weiteren Minuten endlich an meinem Ziel an. Ich war hier seit Anfang der Ferien nicht mehr gewesen, aber Aidens Haus war noch genauso, wie ich es in Erinnerung hatte: Groß. Beeindruckend. Früher hatte es immer bedrohlich auf mich gewirkt. Jetzt kam es mir wie ein zweites Zuhause vor. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Da die Abkürzung zum hinteren Teil des Hauses führte, musste ich erst über einen Zaun klettern, um in den großen Garten zu kommen. Es war eigentlich kein wirklicher Garten im klassischen Sinne, sondern mehr ein kleiner Teil des Waldes, der durch den Zaun zum Haus gehörte. Ein kleiner Fluss sammelte sich in einem Bach, über den eine hölzerne, romantisch aussehende Brücke führte. Ich hatte schon oft mit Aiden dort gestanden und den Sternenhimmel beobachtet, da die Bäume hier etwas mehr Blick auf den Himmel gewährten.
Ein paar Meter weiter standen ein paar Stühle um einen Tisch herum und eine Feuerstelle war nicht weit entfernt. Zwischen den einzelnen Grashalmen wuchsen Blumen mit bunten Blüten. Ich liebte diesen Garten. Er war groß und ungebändigt. Jeder Gärtner würde anhand der Wildheit der Blumen und des Grases die Nase rümpfen, aber ich fand es perfekt.
Da ich nicht wusste, ob die Haustür offen war und da ich nicht extra zur Vorderseite des Hauses laufen wollte, ging ich zu einer der Hintertüren, die meistens nicht abgeschlossen waren. Theoretisch könnte man hier sehr leicht einbrechen - und lohnen würde es sich auch -, aber hier in Downhill gab es wenig bis gar keine Straftaten. Deswegen wurden die Leute unvorsichtig und fahrlässig. Vielleicht würde sich das jetzt ändern.
Meine Vermutung war richtig gewesen - die Tür war offen. Ich ging hindurch und stand in einem der vielen großen Räume. Das Haus hatte zu viele Zimmer, als dass man sie alle einzeln benennen hätte können. Aber in diesem war ich schon oft drin gewesen. Ich hörte, wie die Tür hinter mir wieder ins Schloss fiel und ging ein paar Schritte vorwärts, lies meine Finger über den roten Stoff einer Couch gleiten.
Die Wände des Hauses waren in einem dunklen, warmen Holzton gehalten und die Tendenz zu Rot bei den Möbeln führte dazu, dass die Umgebung freundlich und einladend wirkte. Kalte Farben hätten das Gegenteil bewirkt und ich war froh, dass Aidens Eltern es so eingerichtet hatten. Bei mir zuhause dominierten die Farben Weiß und Grün, was auf Dauer sehr steril und unfreundlich wirkte. Das Haus hatte mich auch inspiriert, mir die roten Vorhänge in meinem Zimmer anzuschaffen, vorher hatte ich nämlich weiße gehabt, die mir nie wirklich gefallen hatten.
Ich ging durch die offen stehende Tür in den Flur. "Aiden?" Meine eigene Stimme kam mir lauter vor, als sie eigentlich war. "Aiden?", rief ich nochmal. Keine Ahnung, ob er überhaupt zuhause war, aber es war später Nachmittag. Er müsste eigentlich schon hier sein. Hoffentlich. Sonst hätte ich den Weg umsonst hierher gemacht.
Meine rechte Hand hielt sich an der Treppe fest, die ins Obergeschoss führte. Vielleicht war er oben. Das Haus kam mir immer größer vor, als es eigentlich war, obwohl ich noch nie im Dachgeschoss gewesen war und nur ein einziges Mal im Keller. Oder besser gesagt Kerker, weil ein klassischer Keller war das da unten nicht. Eine Treppe führte einen unter die Erde und dort musste man erstmal ein paar Gänge durchqueren, bevor man zu den einzelnen Räumen kam. In denen nichts drin war.
Das Haus war schon älter, ich wusste allerdings nicht, wann es erbaut wurde, nur, dass es ein paar mal renoviert wurde. Früher wurden die Kerker unten als richtige Gefängniszellen benutzt, dann zwischendurch mal als Abstellraum und jetzt für gar nichts mehr. Als ich einmal dort unten Verstecken gespielt hatte mit Aiden und damals noch Lydia waren wir von Aidens Eltern angemeckert und rausgeschickt worden, weil es da unten anscheinend nicht sicher sei.
Ich hatte die Kerker immer interessant gefunden, mich aber nie getraut, alleine dort runter zu gehen. Der Grusel war doch zu groß. Und Aiden fühlte anscheinend dasselbe und mit den Jahren wurde der Keller dann doch immer uninteressanter.
Ich hatte das Obergeschoss inzwischen erreicht und ging auf ein Zimmer zu, von dem ich wusste, dass es Aidens war. Hoffentlich war er dort drin, ich musste nämlich dringend mit ihm reden. Er fragte sich wahrscheinlich schon, was passiert war, wieso ich nicht in der Schule gewesen war, nicht an mein Handy ging, was es mit der Polizei auf sich hatte. Denn ich war mir sicher, dass das schon die Runde in der ganzen Stadt gemacht hatte.
"Du musst Jewel sein."
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