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"Chloe?"
Ich zucke zusammen und schaue auf, geradewegs in Ivans Gesicht. Er zieht mit fragendem Blick seine Augenbraue an und lässt sich neben mir auf dem Bett nieder. Sofort rücke ich etwas zur Seite, um ihm mehr Platz zu lassen.
"Hi.",erwider ich leise. Mit einem schniefen wische ich über meine Augen und blicke ihn still an. Es sollte später Nachmittag sein und eigentlich hab ich erwartet, dass Ivan wie so oft in der kleinen Bar ein paar Straßen weiter arbeitet. Wobei es dafür wahrscheinlich einfach noch zu früh ist.
"Du hast geweint.",bemerkt er, weswegen ich mit meinen Schultern zucke.
"Halb so schlimm."
"Wegen Elena?"
Zögerlich nicke ich und werde sofort in eine Umarmung gezogen.
Natürlich wegen Elena. Ich meine, die letzten sieben, vielleicht acht, Jahre waren wir nicht länger als ein paar Wochen weg voneinander. Sechs Wochen. Nicht mehr als sechs Wochen. Abgesehen von jetzt. Die nächsten fünf Jahre wird sie in Madrid sein, knapp siebenhundert Kilometer weiter. Unseren Plan, irgendwann zusammen zu ziehen und gemeinsam Pädagogik zu studieren, haben wir vor einiger Zeit schon verworfen, dass sie so zügig weg sein würde, war mir nur noch nicht so wirklich klar. Wobei es das wahrscheinlich war, ich denke, dass ich bis vor ein paar Stunden nur noch nicht realisiert habe, dass es jetzt schon so weit sein würde. Jura hätte sie genausogut hier studieren können, aber andererseits sollte man doch seine Pläne über alles Andere stellen, richtig? Und genau das hat sie nunmal getan.
"Ich bin mir sicher, dass sie oft hierher kommen wird, Chloe."
"Sie wird erwachsen und neue freunde finden, ihre Familie wird nicht mehr so wichtig sein, wie früher und extra für uns wird sie nicht so lange fahren.",erläutere ich meine Gedanken. Natürlich wird sie das nicht. Und ich nehme nunmal jede Gelegenheit wahr, um Jackson zu sehen. Allein jetzt wieder zu Hause zu sein, macht mich verrückt. Also werd ich das auch weiterhin tun, einfach, weil es doch wichtig ist, sich zu sehen. Für mich, für unsere Beziehung. Ganz davon abgesehen würde ich mich ihr nicht aufdrängen wollen, beste Freundin hinter oder her. Die kuschelige Decke wird über mich gezogen und auch, wenn es draußen ganz schön heiß ist, erleichtert mich die Wärme wirklich. Mir entkommt ein seufzen.
"Ihr habt euch getrennt, oder?",frage ich leise und wische meine Tränen an dem wirklich weichen T-Shirt weg.
"Wir waren nicht zusammen.",widerspricht er sofort.
"Fast."
"Fast."
"Fernbeziehung ist- machbar."
"Du bist oft genug traurig."
Ich bleibe still. Das ist etwas ganz anderes. Ich meine, Jack und mich trennen über 1.500 kilometer, nicht nur siebenhundert.
"Sollte einfach nicht sein.",fügt er noch hinzu hinzu. Wer weiss. Vielleicht sollte es wirklich nicht sein. Ivan glaubt an dieses Schicksalszeug, ich hingegen nur so halbwegs. Dennoch passiert alles aus einem Grund, zumindest in den meisten fäZllen.
"Ich würd dich ja fragen, ob du mit mir nach London auswanderst, aber das wär wohl eine Nummer zu dramatisch.",merke ich an und ernte dafür ein leises Lachen.
"Wahrscheinlich ein bisschen, Chloe."
Ich seufze. Wahrscheinlich. Andererseits gehen alle irgendwo hin, ihrem Traum nach, wieso also nicht wir? Wieso nicht ich ? Mir entkommt ein seufzen. Wegen Mama und wegen Ivan, wegen der Angst, alles auf zu geben, ohne, dass es hält.
"Ich- ich will irgendwann rüber, denke ich."
"Nach England?"
Zögerlich nicke. Zu Jackson. Nicht jetzt, nicht bald. Aber vielleicht in ein paar Jahren. Immerhin kann man doch irgendwann genau genug abschätzen, ob es auf Dauer halten wird.
"Erzähl."
"Hm?"
"Was dich noch unglücklich macht."
Ich räuspere mich und zucke überfordert mit meinen Schultern. Ich vermisse Jackson. Natürlich tue ich das. Und die Tatsache, dass El jetzt auch noch fehlt, macht alles etwas schwieriger.
"Mir geht's gut."
"Sicher? Wir können reden."
"Weiß nicht worüber."
Langsam setze ich mich auf und fahre durch meine Haare, sehe aus dem Augenwinkel, wie Ivan es mir gleich tut. Nachdenklich schaue ich auf mein Handy und lasse Jacksons Bild kurz darauf aufblinken.
"Chloe?"
"Ich will essen, aber andererseits sollte ich auch langsam packen.",murmel ich und ernte dafür ein schmunzeln von meinem Bruder.
"Packen?"
"Ich brauch meine Woche, sonst vergess ich die Hälfte, das weißt du."
Er nickt:"immer."
Meine Mundwinkel zucken nach oben. Kurzfristig zu packen ist bei mir wirklich keine gute Idee. Und weil Jackson und ich nunmal in knapp neun Tagen los fliegen, und ich dafür eben genug einpacken sollte, wäre es wohl besser, jetzt schon an zu fangen.
"Du fängst an und ich bring dir essen?",schlägt er vor und rutscht aus meinem Bett, nachdem ich hastig nicke.
"Ivan."
Fragend blickt er mich an, nickt dann ebenfalls, wobei ich seins wohl eher als Aufforderung, weiter zu reden, deuten würde.
"Danke. Für alles."
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