Kapitel 23: Nur einen einzigen Freund
Rye sieht mich geschockt an. Oh, ich glaube, das hätte ich doch nicht sagen sollen, doch sein Gesicht wird schon bald wieder weich.
"Ach, weißt du, Jin ... Alle Leute die Geld haben, wollen dein Geld auch, damit sie noch reicher werden. Egal, was du ihnen schenkst, sie freuen sich nicht wirklich darüber, sondern meckern meistens auch noch. 'Warum ist es nicht das teuerste Modell?' Und so einen Scheiß ..."
Er seufzt und beginnt traurig zu wirken ... Ich habe zwar keine Ahnung, worauf er hinaus möchte, aber irgendetwas in die richtige Richtung kann ich mir schon denken. 'Du bist nicht besser als die und die', bla bla bla eben.
Rye sieht zu mir und seufzt niedergeschlagen. Dank diesem Blick beginne ich mich schuldig zu fühlen .. Also hör auf mich so anzusehen, du Schnösel.
"Ich hab gedacht, wenn ich in meiner Nachbarschaft schon niemanden finde der mein Freund sein will, vielleicht finde ich ja in der 'untersten Schicht' einen, wie mein Vater immer zu Ärmeren sagt. Weißt du, Jin, alles was ich wolltr ist einen Freund zu finden. Einen einzigen Freund, bei dem man sich auskotzen kann und dem man zuhören kann, dem man auch mal eine Freude bereiten kann und er dich zu schätzen weiß, weil er sich nicht für was besseres hält, aber ganz ehrlich, du hast mich extrem enttäuscht, bist einfach genauso wie alle anderen."
Er erhebt sich von meinem Bett und zieht sich kurz sein Oberteil zurecht. "Du bist doch selbst schuld, wenn du keine Freunde hast, so scheiße wie du dich immer verhältst! Ist doch kein Wunder, dass dann keiner dein Freund sein will, außerdem scheinst du ja gut alleine klar zu kommen", ich kann leider nicht den Mund halten. Das klingt alles so vorwurfsvoll, was er zu mir sagt. Als wäre ich daran schuld, dass er anscheinend alleine ist, dabei ist es seine ganz eigene.
"Dann sag mir doch, wie ich mich verhalten soll?", zischt Rye plötzlich in einem Anflug aus Wut, aber selbst ich höre raus, dass dahinter bloß die Verzweiflung steckt. "Was muss man machen, um in dieser scheiß Welt auch nur einen einzigen Freund zu bekommen? Wenn ich nicht lache, sagen sie ich sei zu ernst, bin ich ruhig, so wie ich bin, labern die Leute davon, dass ich zu langweilig sei! Verstell' ich mich, tue so, als ob ich den ganzen Tag mit fröhlichen Sonnenschein durch das Leben gehen würde, mach ich auf lebensfroh, bin ich auf einmal nervig! Entscheidet euch doch mal! Sag mir doch, was ich falsch mache, Jin?"
Rye beginnt vor mir her zu laufen und gestikuliert weit dabei aus, als würde er mir den Vortrag seines Lebens halten, doch er fängt sich recht schnell wieder.
"Ach, weißt du was? Es tut mir Leid, dich so angemacht zu haben. Ich wollte doch nur dein Freund sein, aber ... Ich bin wirklich enttäuscht, aber nicht von dir ... Es ist schließlich nicht deine Schuld ... Aber Geld bekommst du von mir nicht dafür, mit mir befreundet zu sein. Es tut mir leid, dass ich dich belästigt habe ... Kommt nicht mehr vor ... Ich werd' hier nie mehr klingeln ..."
Ich neige den Kopf fragend schief, als ich bemerke, dass Rye das wohl wirklich ernst zu meinen scheint. Er fährt sich kurz über das Gesicht und verdeckt für eine Sekunde den traurigen Glanz in seinen grünen Augen.
"Leb wohl, Großer. Krieg' dein Leben auf die Reihe."
Das sind seine letzten Worte.
Er verlässt tatsächlich mein Zimmer, die Wohnung, das Haus und mit einem Blick aus dem Fenster kann ich seine Gestalt erhaschen, wie sie auch vom Hof verschwindet.
Es dauert zwar ein paar Minuten, aber langsam dämmert es mir, was er eigentlich wirklich zu mir gesagt hat, wie einsam er sich fühlen muss, dass Rye eigentlich selbst gar nicht weiß, wie er handeln soll. Aber durch Erpressung und mit Drohungen kommt man doch auch nicht an Freunde! Er muss ganz alleine sein ... Warum sonst sollte jemand wie er jemanden wie mich ansprechen?
Andererseits ... kann er mir doch auch total egal sein. Sicherlich wäre Rye ein treuer Freund, aber was habe ich davon? Was habe ich von jemanden, der immer zurückkommt, obwohl man ihn weg geworfen hat, wie einen Bumerang? Rye kann mir nicht helfen, ich kann mein Leben nur alleine auf die Reihe kriegen ... Ach, was denke ich denn da? Ich habe mein Leben auf der Reihe.
Jeder macht doch Fehler, jeder seine eigenen, deswegen ist es okay, dass ich auch ein paar habe ...
Aber warum ... habe ich dann plötzlich so ein schlechtes Gewissen?
Ich weiß, wie es sich anfühlt alleine zu sein.
Wenn man sich jemanden zum reden wünscht , aber keiner da ist.
Wenn man sich nach einer mütterlichen Umarmung sehnt, aber du nur weg geschubst wirst.
Ich weiß es ... Wie verbittert und schwarz das Herz werden kann, wenn man so einsam ist, dass man nicht mehr richtig von falsch unterscheiden kann.
Ich denke, nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem Rye mich aufgegeben hat ... Oder sollte ich viel besser sagen - sich selbst aufgegeben?
Wenn er wirklich das fühlt, was ich immer gefühlt habe ...
Aber das kann doch gar nicht sein, das passt doch gar nicht zusammen.
Er hat so viel Geld, er kann doch nur Eltern haben, die sich in aller Liebe um ihn kümmern. Ich bekomme nie mehr als das nötigste und er? Er bekommt alles!
Ich wollte immer meine Ruhe vor Rye.
Doch nun fühlt es sich plötzlich so falsch an, sich tatsächlich nicht mehr bei ihm zu melden ... Als würde man jemanden liegen lassen, der seine Hand nach deiner ausstreckt und um Hilfe bittet ... Ehrlich gesagt glaube ich, dass Rye genau das auch gerade tut.
Nur eben auf seine eigene, dumme Art und Weise.
Oh mann ... Was soll ich nur machen?
Warum bin ich nicht zufrieden, obwohl ich habe was ich wollte?
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