Kapitel 41 - Eiskaltes Herz
Felicia
Der Van rumpelte ungemütlich den ungeteerten Weg zum Main hinunter. Alle waren still und hingen ihren ganz eigenen Gedanken nach. Ich war nervös und fühlte mich scheußlich. Was würden die verstörten Mamas nur denken, wenn sie eine junge Frau bei der Übergabe sahen?
Die Umgebung war stockdunkel, denn es gab keine Straßenlaternen, die diesen inoffiziellen Weg ans Wasser beleuchteten.
,,Nur noch wenige Meter, dann sind wir da'', erklärte mein Vater ruhig, während Ulfi den Wagen um eine kleine Kurve steuerte. ,,Ihr lasst ausschließlich mich reden und haltet eure Hände stets in der Nähe eurer Waffen. Schließlich kann man nie wissen ...''
Wir nickten und spähten konzentriert aus der Windschutzscheibe, als plötzlich mehrere Gestalten im Licht unserer Scheinwerfer erschienen.
,,Das kann doch nicht wahr sein ...'', knurrte mein Vater augenblicklich, als Frankies Silhouette in der Gruppe zu erkennen war. Genauso wie die von Ohnezahn, Björn, Malte und Packs. Nur Tommy war mal wieder nicht dabei. Dieser verdammte Feigling!
,,Was suchen diese Arschlöcher hier?'', brummte Fritzi.
,,Dasselbe wie wir'', entgegnete Karli verbittert.
,,Los, park hier links'', meinte mein Vater zu Ulfi, die Hand schon an der Tür. ,,Ihr sagt keinen Ton! Lasst euch von diesen Idioten da draußen nicht provozieren! Vor allem nicht du, Felicia!''
Ich konnte gar nichts entgegnen, so schnell stieg mein Vater aus dem Auto.
Rasch folgten wir unserem President. Mein Herz schlug wild, als wir zu der Gruppe von Männern stießen. Grimmig huschte mein Blick zu Packs, dessen Augen vor Überraschung so groß wie Teller wurden, als er mich entdeckte. Seine Iriden funkelten gefährlich in der Dunkelheit.
,,Mit so vielen Abnehmern haben wir ehrlich gesagt nicht gerechnet'', meinte da ein älterer Typ mit Dreitagebart und südländischem Akzent. ,,Was hat das zu bedeuten?''
,,Und was soll das Mädchen hier?'', fragte sein Partner. Er war etwas kleiner, hatte eine auffällige Narbe in seinem glattrasierten Gesicht und sprach mit demselben Akzent.
,,Das Mädchen ist meine Tochter und gleichzeitig mein Vice-President, weshalb sie nun jedem unserer Treffen beiwohnen wird'', erklärte mein Vater bestimmt.
Natürlich ertönte sofort das tiefe, dreckige Lachen von Frankie durch die ansonsten unheimliche Stille der Nacht, die nur von einem leisen Plätschern des Mains begleitet wurde.
,,Ist das dein Ernst, Wolfgang? Du hast sie wirklich zu deinem Vice-President gemacht?''
Abrupt wandte Frankie sich mir zu.
,,Also hatte ich tatsächlich recht und du intrigante Hexe, hattest es von Anfang an nur auf die Spitze abgesehen! Zu schade ist nur, dass der Club unter diesen Voraussetzungen nicht mehr lang genug existieren wird, als das du dich in irgendeiner Weise an dem Posten bereichern können wirst.''
Ich musste mich wirklich beherrschen, auf meinen Vater zu hören und den Mund zu halten, anstatt diesem arroganten Penner irgendeinen vor Hass triefenden Kommentar ins Gesicht zu feuern.
,,Was schwafelst du hier unsere langjährigen Geschäftspartner mit deinen Eifersüchteleien voll, Frank?! Erzähle uns lieber, was du hier zu suchen hast? Das Nali-Kartell hat einen Vertrag mit den Direwolves, nicht mit den ... Wie heißt ihr nochmal? Ach spielt auch keine Rolle ... Euer Name steht nicht auf dem Papier, also zieht euch zurück und lasst uns in Ruhe unser Treffen abhalten.''
Die beiden Männer des Kartells warfen sich eigenartige Blicke zu, während ein dritter gerade fünf Frauen aus ihrem Wagen führte, von denen zwei wie junge Mädchen, wie Minderjährige, aussahen. Ich schluckte, als ihre vom Weinen geschwollenen Augen mich unsicher musterten.
,,Was ich hier zu suchen habe? Ganz einfach, Wolfgang ... Du sagtest, du willst den Frauenhandel cutten, weshalb ich mich freundlicherweise als Abnehmer bereit erklärt habe, damit unsere Geschäftspartner keinen plötzlichen Verlust erleiden und du nicht noch in eine unangenehme Auseinandersetzung mit deiner ambitionierten Tochter gerätst.''
Ich bemerkte, wie der Kiefer meines Vaters zu zucken begann, doch noch immer mischte sich niemand in dieses Wortgefecht ein.
,,Du weißt ganz genau, dass wir lediglich gegen den Handel mit den Minderjährigen gestimmt haben, von den volljährigen Frauen war nie die Rede!''
,,Heißt das, ihr wollt nur die drei Frauen, und nicht die beiden Mädchen mitnehmen?'', hakte der Typ mit dem Dreitagebart nach.
,,So ist es'', bestätigte mein Vater mit kühlem Blick, doch ich wusste, dass er angespannt war, denn er rieb seine beringten Finger kaum merklich aneinander - eine Angewohnheit, die er meist in stressigen Situationen an den Tag legte.
Nun begannen auch die drei Kerle vom Kartell zu lachen, was mich zornig meine Fäuste ballen ließ. Niemand hatte sich über meinen Vater lustig zu machen!
,,Na wenn das so ist, dann tut es mir leid um unsere jahrelange Partnerschaft, verehrter President der Wölfe, aber selbstverständlich bekommt der Mann die Frauen, der auch bereit ist, alle auf einem Schlag zu nehmen.''
Verbittert sah ich unsere alten Clubmitglieder an. Mit einem selbstgefälligen Grinsen standen sie da und wälzten sich in der Pein meines Vaters. Alle bis auf Ohnezahn, der anscheinend einfach nur wollte, dass dieses unangenehme Aufeinandertreffen ein Ende hatte. Von der angespannten, als auch erheiterten Stimmung unserer Gegenspieler abgelenkt, bemerkte niemand, wie eine der älteren Frauen sich langsam einige Schritte von ihren restlichen Begleiterinnen entfernte. Vorsichtig begab sie sich auf die Höhe des Fahrzeughecks, aus dem sie gekommen war. Eine klitzekleine Chance witternd, drehte sie sich um und ergriff, wie ein aufgeschrecktes Reh, mit ihren gefesselten Händen die Flucht. Dürre Äste knackten unter ihren rennenden Füßen, ein Geräusch, das ausreichte, um die Kartell-Männer fluchend in ihre Richtung blicken zu lassen.
,,Santo cielo!'', rief der mit dem Dreitagebart und forderte seine beiden Partner dazu auf, der Flüchtenden hinterherzujagen. Doch dann knallte es auf einmal laut und meine Augen erstarrten, als die Frau in vielen Metern Entfernung auf dem kalten Erdboden zusammen sackte. Fassungslos fiel unser aller Blick auf Frankie, der völlig entspannt seine Waffe sinken ließ.
,,Was schaust du so?'', blaffte er meinen Vater an, der entsetzt seinen ehemaligen besten Freund betrachtete. ,,Glaubst du wirklich, ich jage nochmal so einer dreckigen Hure hinterher?!''
Unser Ex-Vice-President richtete seine Aufmerksamkeit an die Männer des Nali-Kartells.
,,Das Miststück ist selbst schuld. Selbstverständlich zahle ich den vollen Preis.''
Die drei Kerle nickten und packten die übrigen Frauen an den Armen, während Packs ihnen einen schwarzen Koffer entgegen streckte. Noch immer geschockt trat ich an meinen Vater heran und flüsterte:
,,Wir sollten gehen ... Auch wenn es dich wütend macht, ist dies der beste Zeitpunkt um auszusteigen. Wir werden gemeinsam eine neue, legale und vor allen Dingen menschlichere Geldeinnahme finden!''
Karli zu seiner Rechten nickte zustimmend.
,,Sie hat recht, Wolfgang. So sind wir nicht!''
Mein Vater zögerte zwar einen Moment, kehrte der Zusammenkunft zu meiner Erleichterung dann aber den Rücken.
,,Wolfi, warte!'', ertönte plötzlich Ohnezahns Stimme hinter uns, als wir die Wagentüren des Vans öffneten. Verdutzt sahen wir unser altes Clubmitglied an, das nervös auf uns zukam. ,,Es tut mir leid, dass ich dich hängen gelassen habe ...'', sagte er mit belegter Stimme. ,,Würdet ihr ...'', entschlossen straffte er seine Schultern, ''Würdet ihr mich wieder aufnehmen?''
Mein Vater runzelte bei diesen Worten die Stirn, nicht sicher, ob er ihm die überraschende Entschuldigung und den Sinneswandel abkaufen sollte.
,,Was soll das Ohnezahn?'', rief da Frankie erzürnt, ''Kaum fällt ein Schuss und du wirst zum Weichei?!''
Wütend drehte Ohnezahn sich um, streifte sich die lächerliche Ghosthunters-Kutte von seinem, für sein Alter noch recht muskulösen Körper, und warf sie Frankie vor die Füße.
,,Mir tut es zwar leid um die arme Frau, die für ihre Freiheit ihr Leben gelassen hat, doch bin ich trotzdem froh, dass dieser Schuss gefallen ist, denn er hat mir gezeigt, dass ich mich für die falsche Seite entschieden habe!''
Mit einer gehörigen Portion Schadenfreude lächelte ich Frankie und Packs an, deren Gesichter rot vor Zorn wurden.
,,Björn und Malte, packt die Nutten in den Wagen!'', befahl unser Ex-Vice-President seinen beiden Handlangern, bedachte Ohnezahn und uns Übrige noch mit einem letzten, hasserfüllten Blick und drehte sich um.
,,Komm, du alter Idiot'', sagte mein Vater daraufhin zu Ohnezahn und deutete mit einer Kopfbewegung zu unserem Fahrzeug. Dankbar und mit einem kleinen Lächeln, dass seine fehlenden Zähne entblößte, schritt Ohnezahn auf den Van zu.
So hatten wir unsere beste Einnahmequelle verloren, aber einen alten Freund wiedergewonnen.
Ich sollte noch lange an die niedergestreckte Frau und die anderen Opfer denken, die in Frankies und Packs Hände gelangt waren, doch eines hatte dieser grausame Tod gebracht, er hatte meinem Vater die Augen geöffnet.
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