Kapitel 32 - Unangenehme Informationen
Felicia
Nachdem ich alle unsere Werkstattkunden abtelefoniert hatte, war es früher Nachmittag und ich beschloss nun endlich Kate aufzusuchen, denn auch wenn es viel zu regeln gab, musste ich doch immer wieder an Arthur denken. Wie sah wohl das Leben eines Grafen aus? Und war er wirklich ein Anwalt? Oder hatte ich das falsch verstanden? Und was war mit der Leidenschaft für seine Sportmaschine? Das passte doch gar nicht zu solch einem feinen, adretten Leben, oder?
Schnellen Schrittes steuerte ich also Kates Tattoostudio an. Es lag auf halber Strecke zwischen ihrer Wohnung und unserem Clubgelände in einer ausgebauten Wohnung eines sonst sanierungsbedürftigen Hauses. Noch etwas völlig inakzeptables ... Kate sollte ihren Standort auch auf dem Clubgelände haben. Ich nahm mir vor, dieses Thema auf jeden Fall bei der Ankündigung ihrer Clubaufnahme anzusprechen.
Beim Studio angekommen, klingelte ich, da man nicht einfach so in den Laden spazieren konnte. Mein Vater war ein vorsichtiger Mann, der bei allem auf Nummer sicher ging und deshalb strengstens darauf achtete, dass keine Unbefugten unsere Etablissements betreten konnten.
,,Ich sehe dich'', kicherte meine Freundin in den Lautsprecher, sodass ich erheitert meine Zunge in Richtung der runden Kamera streckte, die klein und unscheinbar in der linken Ecke des Türrahmens platziert war. Es summte und ich drückte die Tür auf. Sofort befand man sich in einem kleinen Eingangsbereich, mit schmaler Empfangstheke und drei kleinen roten Ledersesseln um einen niedrigen Glastisch herum, auf dem haufenweise Tattoo -, Piercing- und Harley-Zeitschriften lagen.
,,Hey Süße'', rief Kate, die mit ihrer kleinen Schwester Dolly an der Theke saß.
,,Hey'', erwiderte ich und trat, die Hände in den Taschen meiner Lederjacke versunken, auf die beiden zu. ,,Hast du gerade keinen Termin?''
,,Nö, erst in ner' halben Stunde. Lerne gerade für den medizinischen Teil der Piercingprüfung.''
Ich lächelte. ,,Fleißig, fleißig, Frau Schubert. Es wird cool, wenn du offiziell Piercings stechen darfst und Dolly und ich nicht mehr als deine Versuchskaninchen herhalten müssen.''
,,Hey'', rief Kate belustigt, ''dein Bauchnabelpiercing ist ohne Komplikationen verheilt, genauso wie Dollys Nasenpiercing!''
,,Das stimmt'', erwiderte ich, während Dolly kicherte, allerdings nicht von ihrer Beschäftigung aufblickte. Neugierig betrachtete ich, was Kates kleine Schwester da machte und bekam große Augen, als ich einen großen, schuppigen und doch wunderschön filigran gezeichneten Drachen erkannte.
,,Wow, Dolly, dass sieht ja hammer aus!'' Schüchtern sah die Fünfzehnjährige mich an. Im Gegensatz zu Kate und mir war Dolly eher introvertiert. Zwar nahmen wir sie oft mit, wenn wir Clubkinder irgendwas zusammen unternahmen, doch kam sie nie so ganz aus sich heraus, was sicherlich daran lag, dass wir alle ein ganzes Stückchen älter waren als sie und sie niemandem in ihrem Alter besaß. Und nun waren auch noch Packs und Tommy weg, sodass es nur noch uns drei gab, denn viele unserer alten Member hatten sich gegen eine Frau und Kinder in ihrem Leben entschieden.
,,Findest du?''
,,Ja! Du hast wirklich Talent!", erwiderte ich beeindruckt.
,,Tja, das liegt wohl in der Familie'', meinte Kate stolz und strich ihrer kleinen Schwester durch ihr schulterlanges schwarzes Haar.
Ich lächelte breit, denn eine Erkenntnis schlich sich in mein Bewusstsein. Das hatte Karli mit 'neuer Geschäftsidee' anstelle der Bar gemeint! Er wusste, dass er zwei talentierte Kinder besaß. Kate die nun bereits schon einige Jahre tätowierte, sich schon einen beachtlichen Kundenstamm aufgebaut hatte und auch noch bald eine geprüfte Piercerin sein würde und Dolly, die mit ihren fünfzehn Jahren schon dasselbe Talent an den Tag legte, wie ihre große Schwester. Die beiden hatten es definitiv verdient ein Studio auf dem Clubgelände zu besitzen, ein Tattoo- und Piercingstudio. Und ich würde Karli bei diesem Vorhaben unterstützen, besonders jetzt, wo Kate bald ein vollwertiges Clubmitglied sein würde.
,,Was lächelst du denn so?'', fragte meine beste Freundin und sah mich amüsiert an.
,,Ach nichts'', entgegnete ich und erinnerte mich daran, weshalb ich eigentlich hergekommen war.
,,Sag mal, hast du vielleicht fünf Minuten um mit mir ein bisschen in deinem Handy zu stöbern?''
Kate quietschte vor Freude. ,,Wegen deinem sexy blaublütigen Rennfahrer?''
Ich verdrehte die Augen.
,,Uh ja! Komm her!'', rief sie aufgedreht und lief zu einem der roten Ledersessel hinüber. ,,Mal sehen, was wir so über ihn herausfinden! Weißt du noch, wie er heißt? Ich meine, sein voller Name? Haben Adlige nicht immer so bescheuert lange Namen?''
Nachdenklich ließ ich mich neben Kate nieder. ,,Arthur, Frederik ... Graf von Münzberg?'', überlegte ich laut.
,,Okay'', meinte Kate und tippte konzentriert auf ihrem riesigen Handydisplay herum.
,,Du meinst, Arthur Frederik Ludwig Graf von Münzenberg, Süße'', zwinkerte Kate.
Ich spürte, wie sich meine Wangen rot färbten. ,,Sag ich doch!''
,,Da ist er! Wow, er sieht nicht schlecht aus im Anzug ...''
Aufgeregt starrte ich aufs Handy. Ja, das war er. Seine stürmischen, ozeanblauen Augen leuchteten so stark, dass ich beinahe feucht zwischen den Beinen wurde. Verdammt ... Seit unserem Sex wirkte er wirklich unwiderstehlich auf mich.
,,Hier sind ganz viele Bilder ...'', murmelte Kate. ,,Auch ziemlich aktuelle ... Die Presse scheint ihn zu lieben ... Aber ... Wer ist denn die Schnepfe?!''
Meine Augen weiteten sich, als Kate auf ein Bild tippte, auf dem sich eine große, brünette Tussi bei Arthur eingehakt hatte. Gemeinsam schritten sie durch eine ziemlich pompöse Räumlichkeit.
,,Warte, hier steht was ... Arthur Frederik Ludwig Graf von Münzenberg, Sohn des Frankfurter Spitzenanwalt im Strafrecht, Heinrich Benedikt Theobold Graf von Münzenberg, in Begleitung der gleichaltrigen Annabelle Elisabeth-Marie Gräfin von Pfeil, auf dem Familienanwesen 'Schloss Münzenberg'.'' Kate runzelte die Stirn. ,,Das Bild ist zwei Wochen alt ... Da warst du doch schon mit dem roten Baron unterwegs, oder?''
Ich schluckte zornig. ,,Was ist das da?'' Zitternd deutete ich auf ein kleineres Bild mit Text.
Kate tippte sofort darauf und das Bild wurde groß. Es zeigte Arthur mit derselben Tussy in einem kleinen, gemütlich aussehenden Kaffee. Wie versteinert ruhte mein Blick auf seiner verletzten Augenbraue.
,,Das Bild wurde vor drei Tagen aufgenommen ...'', murmelte Kate vorsichtig. ,,Lesen wir mal den Zeitungsartikel dazu ... :
Arrangiertes Eheglück?
Schon lange wird gemunkelt, dass der angehende Volljurist und Adelssohn Arthur Frederik Ludwig Graf von Münzenberg und die kürzlich aus England zurückgekommene Investmenttochter Annabelle Elisabeth-Marie Gräfin von Pfeil einander versprochen sind. Nun scheinen sich die vielen Spekulationen zu bestätigen, da dass junge Adelspärchen immer häufiger in vertrauter Zweisamkeit vorzufinden ist, wie vergangenen Freitag, in einem romantischen, französisch angehauchten Frankfurter Cafe.''
Unsicher sah Kate mich an, während mir der Atem stockte. Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte ich nach Luft, wie eine Schlange, hätte ich mich am liebsten aus meiner Haut geschält, wie ein Wolf, hätte ich das abgelichtete Pärchen am liebsten zerfleischt.
,,Ich ... muss gehen. Danke Kate.'' Mit verschwommenem Blick hastete ich zur Tür.
,,Feli, warte!'' Kate griff nach meiner Hand.
,,Nein! Bitte ... Lass mich einfach gehen'', forderte ich und konnte mit der ganzen Wut und Verletzlichkeit in meinem Innern kaum umgehen.
,,Was wirst du jetzt tun?'', fragte meine beste Freundin mit zusammengezogenen Augenbrauen, sogar Dolly musterte mich neugierig.
,,Das was Wölfe tun'', knurrte ich bedrohlich, ''ihn aufspüren, angreifen und anschließend das Herz aus seiner Brust reißen!''
Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf Kates Gesicht ab. ,,Das wollte ich hören!''
,,Ich werde nicht lange weg sein. Falls mein Vater mich sucht, sag ihm, ich habe alles dabei und er soll sich keine Sorgen machen!''
,,Was hast du denn alles dabei?'', fragte die Tätowiererin irritiert.
,,Pfefferspray, ein Taschenmesser und genügend Motivation, die ganze Männerwelt zur Strecke zu bringen'', erwiderte ich aufgestachelt.
Kate machte große Augen. ,,Glaubt dein Vater etwa Frankie und Packs könnten ...''
Weiter ließ ich meine Freundin nicht reden, denn ich musste unbedingt los und niemand sollte mich aufhalten, nicht mein Vater, nicht Kate, einfach niemand! Also schlüpfte ich eilig aus der Tür und spurtete zu meinem Elternhaus. Mein Vater war noch im Clubhaus, also war ich ganz allein. Völlig unter Strom schrieb ich mit meinem alten Nokia-Handy Arthur eine Nachricht.
Wir müssen reden! Sofort!
Wütend und angespannt wie ein Bogen, lief ich in meinem Zimmer auf und ab und wartete auf eine Antwort. Nach fünf Minuten ertönte mein Mitteilungssignal.
Ich habe keine Zeit. Ich bin auf der Arbeit.
Ein unangenehmer Stich bohrte sich tief in mein Herz. Naiv wie ich war, hatte ich tatsächlich gehofft, dass es für all das irgendeine einfache Erklärung geben würde, doch diese Hoffnung wurde mit der letzten Nachricht gnadenlos zunichte gemacht. Arthurs abweisende und desinteressierte Reaktion passte einfach zu gut ins Bild - oder, eher gesagt, zu den Bildern. Doch das machte mich plötzlich nur noch zorniger und stärkte meinen Entschluss, dem arroganten Adelssohn aufzulauern. Also zog ich mich rasch um, machte mich erneut auf den Weg zu Kate und klingelte Sturm.
,,Feli? Hast du's dir etwa anders überlegt?'', fragte meine beste Freundin im Eingangsbereich.
,,Wie heißt die Anwaltskanzlei dieser beschissenen Familie? Und wo ist sie?'', fragte ich aufgebracht.
,,Süße, ich weiß nicht, ob das so eine gute ...''
,,Sagst du's mir, oder sagst du's mir nicht?'', fragte ich wütend.
Meine beste Freundin seufzte, während Dolly uns interessiert, aber stillschweigend, beobachtete. ,,Natürlich sag ich's dir, aber ich habe Angst, dass ...''
,,Gut. Dann los. Dein nächster Kunde kommt doch gleich, oder?''
Kate machte einen unglücklichen Eindruck, zückte aber ihr Handy.
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