Vor ab einmal und ganz super mini kurz zum Thema Aesthetics. Ich bin kein Fan, wie in der letzten „Bewertung" schon intensiv erläutert. Ich glaub ich hätte gern die Möglichkeit das Vorwort zu lesen ohne gleich die Aesthetics mitzubekommen. Für mich persönlich wäre es ein Träumchen aus Vorwort und Aesthetics zwei von einander getrennte Kapitel zu machen's, damit ich die Aesthetics umgehen kann!
ABER das ist rein subjektiv! Ich habe von viele Meinungen gehört, gelesen, die pro Aesthetics sind und das ist auch gut so!
Dein Buch lässt sich extrem angenehm lesen. Es fühlt sich so natürlich und leicht an deinen Worten zu folgen. Du baust ein langsam wachsendes Bild und nimmst die lesende Person immer wieder mit in die Welt der Protagonisten. Fast schon beiläufig lässt du Informationen fallen, die die Welt rundherum um die Hauptperson malen. Auch die etwas „aufregenden" Szenen gefallen mir gut, wie das Volleyball Spiel in Kapitel 3. Noahs Gedankengänge sind klar nachzuvollziehen und das Spiel wird wunderbar bildlich dargestellt und durch die charakterspezifischen Formulierung, lässt sich ein guter Kontrast zwischen Avas und Noahs Sicht erkennen.
Ich muss aber sagen, dass es mir am Anfang sehr schwer fiel mich in Ava hineinzuversetzen. Ihre Vergangenheit mit Noah kam mir zu kurz, um wirklich verstehen zu können, warum es Ava so sehr trifft, dass Noah gegangen ist, dass er sie nicht wiedererkannt hat beziehungsweise abweisend war. Wenn dein Ziel war Avas Unklarheit über ihre Gefühle zu beschreiben, dann würde ich das klarer herausarbeiten. Später, erst in Kapitel 5 bekommt man aus Noahs Sicht einen ersten Rückblick. Ich denken, damit ich den Gefühlsausbruch besser verstehen und nachvollziehen kann, braucht es schon vorher einen Einblick in die Vergangenheit der beiden. Vielleicht ein ganz besonderer Moment für Ava oder der Moment, in dem sie feststellt das Noah weg ist. Das würde ihren Gefühlsausbruch sehr unterstützen.
In dem Zusammenhang finde ich die verschiedene Erscheinungsbilder von Noah, ohne dass diese von Ava angesprochen werden, eigenartig. Sie erzählt Sophie, dass Noah sie einfach links liegen gelassen hat, als sie sich nach 9 Jahren wieder trafen, aber diesen Noah erkenne ich nicht in der Turnhalle und auch nicht im ersten Gespräch. Ich nehmen ihn recht verspielt und zum Scherzen aufgelegt war, was mich durchaus amüsiert, erst recht wegen den zickigen Reaktion von Ava, dennoch ist es recht konträr zu einander und scheint von Ava unkommentiert zu bleiben. Die Situation des ersten Aufeinandertreffens nach 9 Jahren blieb auch von Noah bis zu einem bestimmten Punkt unkommentiert, wobei seine Gedanken später ja darauf hindeuten, dass ihn das Wiedersehen getroffen hat. Da ja aber schon weit vorher Noahs Sicht beschrieben wird hätte ich mir da schon einen Hinweis bezüglich seiner Gefühle beim ersten Wiedersehen gewünscht.
Weiter zum Charakter Ava. Meine Frage: Ist Ava nicht zu emotionsgeladenen für eine Journalistin? Und selbst wenn sie eine begeisterte, feurige "rasende Reporterin" ist, wie Noah es sagt, dann bräuchte sie etwas mehr Selbstsicherheit und Kompetenz. Im zweiten Kapitel aus Avas Sicht, ist sie schlicht weg nicht gut auf das Interview vorbereitet. Stellt falsche Fragen, macht es Noah einfach sie zu nerven, schwer eine konkrete Antwort zu geben. Sehr konkrete, sehr gezielte Fragen sind in einem Interview sehr wichtig. Wenn Ava so gern Journalistin werden möchte, und das voll ihrs ist, sollte sie sich dann nicht intensiver mit der Thematik Interview auseinandersetzten oder zumindest reflektieren, ob ihre Fragen gut sind? Denn ihre Fragen sind alles, aber nicht gut und die Ein-Wort-Antworten sind sehr verständlich, wenn man gar nicht weiß wohin es gehen soll, denn eigentlich leitet der Interviewer das Gespräch. Die Qualität eines Interviews ist extrem von der interviewenden Person abhängig nicht von dem Interviewten.
Mein Unverständnis wuchs in den folgenden Kapiteln, weil sie Dinge denkt wie, sie könne Noah bei seinem besten Kumpel nicht für seine inkompetenten Antworten in die Pfanne hauen. Sorry, aber Görl, du bist es die hier Fehler macht. Für mich wirkt Ava, aus ihrer eigen Sicht, extrem unsympathisch, engstirnig und unreflektiert.
ABER GOTT SEI DANK ändern sich Ava und ihre Sichtweise zum Ende des ersten Teils. Endlich fängt sie an sich und ihr Verhalten zu reflektieren und gesteht sich auch endlich ein, wie irrational und absolut daneben sie sich verhalten hat. Der Umgang mit Noah und seiner Situation ist auch sehr schön zu lesen. Ich beginne fast stolz auf Ava und ihre Worte zu sein.
Aufgrund von Avas Anfangsperson bin ich absolut bei Noah und seiner anfänglichen Unsicherheiten bezüglich Ava. Er scheint sie zu beginn auch nicht zu verstehen. Mir gefallen die Kapitel aus Noahs Sicht sehr viel besser. Du schaffst es meiner Wahrnehmung nach eher, schlüssige Gedankengänge zu beschreiben und auch Noahs Gefühlslage ist für mich sehr viel besser nachzuvollziehen. Noahs Perspektive scheint deutlich persönlicher und intensiver nicht so oberflächlich wie die von Ava. Ich finde auch gerade die Szenen in denen Noah sich in einem Dissoziation ähnelnden Zustand befindet sehr gut beschrieben. Die Flashbacks geben auch etwaige Hinweise auf Noahs Vergangenheit, ohne diese komplett ans Licht zu bringen.
Trotzdem erscheint mir die Offenbarung von Noahs Vergangenheit etwas plötzlich. Als lesende Person wird man zwar an das sich anbahnende Vertrauen zu Ava vorbereitet, was aber die Situation in dem Café nicht weniger unerwartet macht. Gerade dieses Thema, was auch seine Flashbacks zeigen, scheint für Noah sehr schambehaftet und er scheint generell nicht darüber reden zu wollen, was er wenige Kapitel vorher auch gegenüber seines besten Freundes deutlich macht, als es um eine Therapie ging.
Außerdem ist mir der Einblick in Noahs Vergangenheit zu "einfach" beziehungsweise wurde ich nicht gecatched. Noahs Entwicklung verläuft mir an dieser Stelle etwas zu schnell. Ich finde es toll, dass du ein solches Thema aufgreifst. Das ist extrem wichtig und gerade deswegen vermisse ich etwas Tiefe. Ich hab mich beispielsweise gefragt, warum wird er vom Jugendamt abgeholt? Eigentlich wird alles versucht, damit eben das nicht passiert, wie zum Beispiel mit dem Einsatz einer Familienhilfe, bestimmten Auflagen etc. und wenn das Jugendamt das Kind doch von den Eltern entfernt, dann muss eine akute Kindeswohlgefährdung vorliegen, mit 9 sollt man da schon so einiges intensiver mitbekommen. Da frage ich mich dann war die emotionale und körperliche Vernachlässigung so stark, das Noah sich als Kind in akuter Gefahr befunden hat, und wenn ja, warum erfahren wir kaum was davon? All das hätte ich mir in diesem ersten Gespräch zwischen Noah und Ava gewünscht. Es würde sehr helfen, wenn du dir für diesen Teil Zeit und Raum nimmst, der dem Thema sehr gut tun würde. Das 12. Kapitel ist ja auch nicht sonderlich lang, sodass man die Vergangenheit von Noah da vielleicht noch etwas ausbauen kann.
Beispielsweise gefällt mir das Kapitel 16 diesbezüglich besser. Die Atmosphäre wird der Schwere von Noahs Vergangenheit sehr viel mehr gerecht und es gibt sehr viel mehr Platz für unausgesprochene Emotionen und Gedanken. Ein weiterer Einblick in Noahs Elternhaus verschafft der lesenden Person eine neue Perspektive, aber auch hier, meiner Meinung nach, wieder etwas zu kurz. Ich würde mir etwas mehr wünschen, um die beschriebene Szene aus Noahs Vergangenheit etwas stärker erscheinen zu lassen. Für mich wirkt es etwas, wie eine Aneinanderreihung. Es ist das passiert, dann dies, dann jenes und dann erst spricht Noah über sich, darüber was er denkt. Es ist so schade, dass das zu kurz kommt, weil ich denken, dass du es doch eigentlich wunderbar beschreiben kannst, in den Momenten in denen du sie beschreibst, Gedanken, Gefühle. Du brauchst dafür auch gar nicht viele Worte, was auch sehr angenehm beim Lesen ist, aber ich wünsche mir davon mehr. Zeig uns doch deine feinfühlige Schreibkunst in ihrer ganzen Fülle, das würde mich sehr freuen.
Besonders gut gefällt mir aber die Beziehung zwischen Connor und Noah. Du schaffst es ihre Freundschaft auf eine sehr natürliche Weise sehr innig zu beschreiben. Connor wird hier als ein, wie ich finde, großartiger Charakter und sehr toller Freund beschrieben, der Noah und seine Eigenschaften gut unterstützt. Auch die Freundschaft zwischen Ava und Sophie finde ich gut dargestellt, auch wenn sie sich von Noah und Conner unterscheidet, wirkt sie echt und aufrichtig. Die freundschaftlichen Stichelein zwischen ihnen wirken sehr harmonisch und haben mir des öfteren ein Lächeln, meist auf Avas Kosten, beschert. Fast genauso engelhaft wie Connor ist Noahs Tante. Wie Noah sie selbst beschreibt, hast du sie wunderbar warmherzig und gut dargestellt, in den Szenen mit Noahs Tante wurde mir stets etwas wärmer, da die Aufrichtigkeit und wärmende Liebe schnell deutlich wurde.
Die letzten etwas actionreicheren Kapitel haben mir auch sehr gut gefallen. Das langsame Aufdröseln, was denn jetzt mit Connor ist, war sehr spannend und ich habe richtig mitgefiebert.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob mir das Ende so richtig zugesagt. Da die Geschichte ja nicht nur aus Noahs Perspektive sondern auch aus Avas Perspektive erzählt wird, fand ich ihren Gedankenwechsel am Ende sehr spontan. Der sich anbahnende Sinneswandel ist mir in den vorherigen Kapiteln nicht so bewusst geworden und selbst wenn, weiß ich nicht, ob ich es gut finde, dass sie da im Nachhinein so leichtfertig mit umgeht, weil alles davor sich wirklich nur um dieses eine Ziel gedreht hat. Aber vielleicht liegt es auch nur an meiner generellen Unzufriedenheit mit Ava als Charakter.
Der Anfang des Buches ist mir wirklich schwer gefallen, da ich mich in keiner Weise mit der Hauptprotagonisten identifizieren konnte. Umso mehr war ich dankbar für die Sicht von Noah, die dir meines Erachtens sehr gut gelungen ist. Hier und da hätte ich mir etwas mehr Einblicke gewünscht, besonders was das Verhältnis zwischen Noah und seinen Eltern betrifft. Aber es gibt ja auch noch einen zweiten (dritten) Teil.
Das Grundkonzept finde ich recht originell. Ich mag es sehr, dass es nicht so ein "mainstream" Problem ist, so grauenvoll das auch klingt. Zu meist wird ja mit anderen Formen der Misshandlung umgegangen und ich finde es nicht alltäglich, dass diese Art der Bedrohung für die Entwicklung der Kinder thematisiert wird.
Schlussendlich werden Ava und ich sehr wahrscheinlich nie Freundinnen werden, mir hat deine Geschichte aber trotzdem gefallen, gerade wegen deines angenehmen und fließenden Schreibstils.
Liebe awak-e ,
Danke, dass du mir die Möglichkeit gegeben hast, in die Welt von Ava und Noah einzutauchen und wieder etwas neues zu lernen. ❤️
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