Morsecode
Die Blicke der Leute liegen auf ihr, kein Wunder! Und eigentlich wäre sie es gewöhnt, sie hatte sehr exzentrische Phasen mit bunten Haaren oder sehr... individueller Kleidung. Sollte sie den Kittel ausziehen, würde man sie mit ihren Tattoos auch für eine vom Meer oder eine aus dem Knast halten. War das nicht hier in dieser Zeit so? Es ist schon verwunderlich genug dass sie von Deutsch anscheinend einfach so auf Englisch wechseln konnte, normalerweise ist das jetzt nicht wirklich das Problem- vielleicht hat sie einmal Wortfindungsstörung. Aber sie kann sich komplett normal unterhalten, man scheint nicht nur die Dimension gewechselt zu haben, sondern auch noch die Sprache. Die grünen Augen wandern herum, wo könnte sich der Kerl eigentlich verstecken? Sie hat den Anime schon längere Zeit nicht mehr angesehen, solche Dinge bleiben einfach nicht mehr im Kopf! Wenn sie es überhaupt einmal wusste, wo genau sich in dieser Stadt das Bestattungsinstitut befand. Wobei... hier muss es sicherlich mehr geben als nur Undertaker, oder? Neben der Angst der unsicheren Zukunft, schleicht sich noch ein Gefühl des Beobachtet werdens hinzu und sie bleibt stehen, sieht sich mit einem beklemmenden Gefühl um. Dass sie angestarrt wird, das sollte ihr nun eigentlich wirklich bewusst sein. Aber das ist kein Starren, welches sie spürt. Oder wird sie paranoid? Toni versucht ruhig zu bleiben, dennoch sieht sie auch nach oben und presst die Kiefer aufeinander. Shinigami. Zwar ist Grell nicht zu sehen, doch auf dem einen Hausdach steht Ronald Knox und sieht mit einem amüsierten Schmunzeln auf sie hinunter. Auf einem anderen Dach rückt sich William T. Spears die Brille mit seiner Astschere zurecht und betrachtet sie emotionslos von oben. Zwei andere, ihr unbekannte Shinigamis stehen auf weiteren Dächern und ihr gefällt es gar nicht im Mittelpunkt zu stehen.
Unsicher, ob man nun irgendetwas mit ihr vorhat, sieht sie immer wieder zwischen den Shinigamis hin und her. Obwohl- Was bringt ihr das? Sie ist doch eh schneller tot als sie reagieren könnte, sie hat weder irgendwelche Kräfte noch kann sie kämpfen. Für einen Moment schließt sie die Augen, schnaubt und geht mit den Händen in den Kitteltaschen weiter. Solche Dinge sollte man einfach hinnehmen, man kann eh nichts tun. Die Sonne geht nun langsam komplett unter, der Weg in die Stadt hat ihr einige Zeit gekostet und sie war eh überrascht dass es so lange hell blieb. Die Menschen auf den Straßen kehren langsam aber sicher in ihre Häuser zurück und auch das wirft bei Antoinette wieder die Frage auf, ob es nicht einfach ein sehr komischer Traum war. IST! Ob das nicht ein komischer Traum IST. An sich hängt sie hier ja immer noch fest. Oder Koma. Wobei sie dann schon eher an eine schwarze Dunkelheit gedacht hätte, nicht an ein voll funktionsfähiges Universum in ihrem Kopf. Aber apropos Dunkelheit, die hat nun komplett eingesetzt und nur die Straßenlaternen erhellen die Straßen zum Teil. Wie sicher man sich hier doch fühlt, wow. „Eine ausländische Lady mitten in London und das auch noch allein in der Dunkelheit?" Im nächsten Moment hat sie einen Herrn Ende 30 an ihrer Seite, nach Alkohol riecht er nicht. Eine Pfeife ist in seinem Mund und er pustet den Rauch aber höflicherweise in die andere Richtung. Toni reagiert kaum, sie weiß nicht wie sie sich in so einer Situation verhalten soll! Noch nie wurde sie einfach so auf offener Straße angesprochen, geschweige denn im London des 19. Jahrhunderts.
Der Mann mustert sie mit hochgezogenen Augenbrauen und versucht es auch auf Französisch, aber auch da antwortet sie ihm nicht, auch wenn sie Teile versteht. Noch lange nicht alles, das war nie eine Sprache die sie lernen wollte! Aber ein paar Worte kann sie raushören. Ach, jetzt kommt auch noch Italienisch? Oh! Und Deutsch? Und- Ist das Russisch? Sie hat da so ein paar Probleme diese Sprachen der östlich von Deutschland gelegenen Länder auseinander zu halten. „Ein weitgereister Mann und ein Charmeur, was bringt mir die Ehre?", erwidert sie und hat dafür all ihren Mut zusammenkratzen müssen. Der Mann lächelt leicht. „Ich danke für diese Komplimente, Miss. Aber dürfte ich erfragen warum Ihr Euch zu solch einer Stunde ganz allein und mit dieser sehr... auffallenden Kleidung durch die Stadt begebt? Ihr könntet unerwünschte und gefährliche Begleitung einladen um Euch Gesellschaft zu geben." Toni sieht ihn nun endlich an und mustert ihn. Ein Schnauzer auf seiner Oberlippe ist an den Enden ein wenig nach oben gezwirbelt. Ein auffälliger Cut, aber schon vernarbt, ist links neben dem Auge zu sehen. Als hätte man ihn versucht mit etwas zu schlagen. Die ersten Falten schlagen sich nieder, die braunen Augen blitzen jedoch mit Witz, Raffinesse und Tatendrang auf. Sie wirken zu jung für diesen Körper. Ein sehr gepflegtes Aussehen hat er auch, er stinkt nicht und nur der Rauch kratzt in der Lunge. „Das gleiche könnte ich Euch fragen, werter Herr. Was macht so ein weltgewandter Gentleman hier draußen ganz alleine? Auch Ihr könntet Euch die Aufmerksamkeit gewisser Gruppen sichern." Er lacht leise, nickt dann aber. „Wohl wahr, Miss."
Sie gehen noch ein paar Minuten zusammen und aus der Entfernung sieht Toni nun endlich das Bestattungsinstitut. Und es ist noch beleuchtet! Undertaker würde sicherlich alle Schotten dicht machen wenn er schließt, oder? „Kann ich Euch irgendwohin begleiten, Miss? Es ist sehr unsicher zu dieser Uhrzeit." Toni nickt leicht, das ist es durchaus. Er hatte sie bis zum jetzigen Augenblick nämlich gelenkt und das überraschend problemlos. Bei Straßenecken hat er von vornherein die Richtung angegeben, sodass sie ihm einfach so gefolgt ist und das ist ihr auch erst nach einiger Zeit aufgefallen. Und er wird wieder so ein wenig aufdringlich um vor der Kreuzung bei Undertaker abzubiegen. „Keine Sorge, ich habe noch einen Termin mit einem alten Freund. Aber ich schätze Eure Gesellschaft, der Herr. Auch wenn wir uns nicht einmal mit Namen vorgestellt haben." Antoinette geht auf der Seite des Gehwegs, auf welchem die Häuser und Schaufenster sind. Der unbekannte Gentleman auf der Straßenseite. Auch wenn sie sich irgendwie wohl bei ihm fühlt, da er nichts anderes macht als seine Pfeife zu rauchen und mit ihr zu reden, will sie von ihm weg. Es ist ein zwiegespaltenes Ding mit ihrer Intuition, sie bräuchte einen ihrer Brüder. Ihr kleiner Bruder hat ein Gespür für Menschen das schon an übernatürliche Sinne grenzt, mag er einen nicht, dann stimmt was nicht. Toni ist da eher leichtgläubig, leider. Aber wie kommt sie am besten von ihm weg? Ihr Herz rutscht ihr in die Hose als sie Undertaker aus dem Gebäude gehen sieht um etwas nach drinnen zu holen und er blickt in ihre Richtung. Der Mann drängt sie schon wieder zum abbiegen und Toni macht das einzige, was ihr einfällt! Morsecode.
Der grauhaarige Mann bleibt kurz stehen und mustert das Pärchen, welches in ein wenig Entfernung ist und auf ihn zukommt. Er hat gerade seine letzte Arbeit erledigt und hatte vergessen die Angebote von draußen reinzuholen, was er nun nachholen wollte! Aber dass er um diese Uhrzeit noch Personen auf der Straße sieht? Und dazu noch so außergewöhnlich gekleidet. Unter seinem Pony kneift er jedoch die Augen zusammen als sein Blick auf die Hand der Frau mit dem weißen Kittel fällt. Sie öffnet ihre Hand drei Mal schnell, dann drei Mal langsam und dann erneut drei Mal schnell. S-O-S in Morsecode. Ihn sollte nicht interessieren was dort abgeht, aber zwischen den Haaren hindurch kann er Spears auf dem Dach sehen. Er will ihnen doch nicht zu viel Arbeit aufhalsen, das wäre ja eine Schande. Seine armen, ehemaligen Kollegen. Immer wieder geht die Hand auf und auch wenn sie aussieht als würde sie sich sehr gut mit dem Herrn neben ihr verstehen, ihr stummer Hilferuf sagt etwas anderes. Undertaker fängt an zu grinsen und geht auf das Pärchen zu. „Meine liebe, was für eine lange Zeit!", ruft er und kichert, während die braunhaarige Frau zu ihm sieht. Die Erleichterung ist ihr ins Gesicht geschrieben und ihre Mundwinkel gehen hoch. „Undertaker!" Sie läuft schon fast auf ihn zu und fällt ihm um den Hals, bevor sie ihn aber schnell wieder los lässt. Mit einem Lächeln dreht sie sich zu dem Gentleman um und nickt ihm zu. „Vielen Dank für die Begleitung, ich habe mein Ziel erreicht. Ich wünsche einen angenehmen Abend und ich hoffe auf eine ruhige Reise zu Eurem Bestimmungsort!" Der Braunhaarige neigt leicht seinen Kopf und lächelt ebenfalls. „Es war mir ein Vergnügen, Miss. Ich hoffe Ihr werdet Eure Sprachkenntnisse noch ein wenig ausbauen. Einen angenehmen Abend."
Als er sich abwendet, weicht Toni sogar noch einen Schritt zurück, obwohl er sich sogar schon entfernt und Abstand zwischen sie bringt. Kichernd dreht Undertaker seinen Kopf zu der Frau und geht dann an ihr vorbei in das Bestattungsinstitut, wobei er die Tür offen hält und sogar auf sie wartet. Draußen ist es dann doch ein wenig kalt und auch wenn er nicht weiß ob sie zittert weil sie Angst hatte oder weil die Kälte ihr zu schaffen macht- Ein wenig Gastfreundschaft gehört dann doch dazu. Hinter Antoinette schließt sich die Tür und erst jetzt lässt sie das zu was ihr Körper die ganze Zeit tun wollte, sie schüttelt sich als hätte einen kurzen Anfall. All die Anspannung und die Nervosität löst sich somit und auch wenn sie noch Angst hat und die Unsicherheiten da sind, es ist um einiges besser wieder in einem einigermaßen altbekannten Raum zu sein. Die Kasse rechts neben dem Eingang, die Särge, die Kerzenständer, der Sarg-Tresen und die Regale mit komischen und teils undefinierbaren Dingen. „Ein Morsecode... wenn ich mir diese Aussage erlauben darf- Das kennt nicht jeder! Vor allem nicht die Frauen dieser Gesellschaft." Undertaker wandert um sie herum, lehnt sich an den Tresen und tippt sich mit dem langen, schwarzen Fingernagel des Zeigefingers immer wieder auf das Kinn. Das Grinsen bleibt. „Ich frage mich nur was man wirklich unter diesem weißen Kittel verborgen hat... und wer die Hilfe eines Bestatters braucht." Toni atmet tief durch und schnaubt, bevor sie ihn nun ein wenig ruhiger ansieht. „Ich könnte mit der Tür ins Haus fallen oder die lange Geschichte erzählen, was wäre dem Herrn lieber?"
Das Grinsen ist ihm ganz schnell aus dem Gesicht gewischt worden als sie ihm nicht nur erzählte was sie hier macht, sondern auch ihn um Hilfe bittet um wieder nach Hause zu kommen. „Und Ihr meint das wirklich ernst. Und ich soll Euch das glauben." Der Grauhaarige mustert sie mit einem skeptisch verzogenen Gesicht, wobei Toni nur mit den Schultern zuckt. „Ciel hat mir auch schon nicht geglaubt. Und bei dem bin ich aus der Luft auf den Tisch gekracht! Der hat noch mehr beweise als du. Aber... ich brauche Hilfe, so viel steht fest. Ich brauche jemand der sich mit so etwas wie Portalen und okkultem Zeug auskennt und... spontan bist du mir eingefallen." Ruhig trinkt sie ihren Tee aus dem Messbecher und sieht ihn dann doch so ein wenig entspannter an. „Lassen wir einmal die Unhöflichkeit des Duzens außen vor, Miss...?" Die Frau sieht kurz auf die Seite und dann wieder zu ihm. „Toni reicht aus. Ist die Kurzform von dem Namen und bevor man besonders hier im englischsprachigen Raum einen Zungenbrecher hat... Einfach nur Toni." Also kommt sie nicht aus England oder Amerika, wobei ihr Englisch fabulös und akzentfrei ist. Dennoch fährt Undertaker mit einem leichten Nicken fort. „Und woher wollt Ihr die Kenntnis haben dass ich so ein spezielles Wissen besitze?" Ugh, sie kommt echt nicht daran vorbei. Aber sie muss ruhig bleiben! Ruhig bleiben ist die Devise, nicht austicken. Bringt niemandem etwas. „Ich sagte bereits dass ich aus einer anderen Dimension komme. Und... dort gibt es diese Welt als... Buch." Von Mangas wird der noch keine Ahnung haben und mit Animes fängt sie sicherlich nicht gleich an. Dann ist der letzte Glaube an das, was sie sagt, komplett hinüber.
Der ehemalige Shinigami lehnt sich interessiert nach vorn. „Und was könnte man mir sagen, was mich von dieser Sache überzeugen würde?" Antoinette schluckt, nickt aber. „Reicht es aus wenn ich sage dass ich weiß was Teufel, Shinigami und so sind? Death Scythe, Cinematic Records und so weiter? Oder soll ich bei dir spezifischer werden?" Seine Mundwinkel gehen nach oben. „Das andere könnte jeder behaupten. Ich kenne Euch nicht, Miss Toni. Wenn Ihr also einen Fakt über MICH habt den nur ICH wissen kann, dann habt Ihr mich überzeugt." Ein Fakt nur über ihn. NUR über ihn! Was wäre das am besten? „Uhm... gilt die Death Scythe? Oder ist das noch zu allgemein?" Schon fast gelangweilt winkt er ab, wartet aber neugierig und gespannt. „Ehemaliger Shinigami und rausgeflogen weil man illegale Experimente durchgezogen hat?" Nein, auch das ist zu allgemein. Ach du scheiße... da merkt man wieder wie lange sie sich nicht mehr so wirklich mit dem Thema beschäftigt hatte. War da nicht irgendetwas mit seinem Namen? Aber wie war der nochmal? Sie weiß nur noch dass der mit A beginnt. Andrew? Alexander? Nein, das hört sich alles falsch an. Aber mit dem Buchstaben fängt der sicherlich an, da ist sie sich zu 100% sicher! Wobei sie auch dachte dass Ciel und Sebastian ihr helfen würde und Grell ist ihr jetzt ziemlich sauer. Im Nachhinein gesehen auch so ein klein bisschen verständlich. „Dein echter Name..." Nun wirkt er wirklich interessiert. „Der fängt mit A an." Toni betet innerlich gerade dass sie nicht mehr aussprechen soll als den Anfangsbuchstaben, denn mehr weiß sie einfach nicht mehr. Undertaker sieht hinunter zu seinem Tee und dann durch den Pony zu ihr. „Gut, ich glaube dir." Erleichtert lässt sie den Kopf sinken, sie hat zumindest ein Ding geschafft! Zwar ist sie noch lange nicht soweit wie sie es haben möchte und sie steckt hier immer noch fest, aber das ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Nur langsam hebt sie den Kopf und sieht ihn mit einem leichten Lächeln an. „Hast du eine Ahnung wie sehr ich gerade losheulen will weil du mir wirklich glaubst? Ich war echt ein klein wenig geschockt weil Ciel und Sebastian mir das nicht abgekauft haben! Wobei- Sebastian glaubt mir. Der kleine Phantomhive nur nicht und auf den baut das alles auf."
Undertaker legt den Kopf leicht schief, das ist wirklich verwunderlich. Vor allem weil sie ja wie aus dem Nichts auf den Tisch gekracht ist und dann noch mit so einer auffälligen Kleidung? „Nun ja, der kleine Lord hat aber auch die ein oder andere stressige Aufgabe im Augenblick, steht das nicht in deinen Büchern?" Zum ersten Mal lacht Toni wirklich und lehnt sich nach hinten, trinkt noch einen Schluck des Tees. „Weißt du... Bücher enden irgendwann einmal. Das Leben geht weiter. Ich frage mich nur ob ich mitten in der Geschichte gelandet bin, oder schon darüber hinweg." Der Grauhaarige streckt seine Hand aus und grinst wieder, die Narbe verzieht sich ebenfalls als die Mundwinkel hochgehen. „Wenn du mir sagst was du weißt... kann ich dir sagen wo du bist." Die grünlichen Augen gehen auf seine Hand und auch wenn es verlockend klingt, sie presst kurz die Lippen aufeinander und sieht dann wieder zu ihm. „Undertaker, ich hoffe dir ist bewusst dass, sollten wir inmitten der Geschichte stecken, ich den Verlauf ändern werde wenn ich dir die Informationen weitergebe. Denn... so viel kann ich sagen! Du bist auch ein großer Teil von so manchen Szenen." Lachend zieht er die Hand zurück, nickt und grinst dann wieder breit. „Durchaus! Durchaus... aber änderst du die Geschichte und somit den Verlauf nicht eh schon, allein durch deine Anwesenheit?" Antoinette seufzt und neigt leicht ihren Kopf. „Und genau deswegen will ich weg. Wobei... ich will auch einfach nach Hause. In meine eigene Wohnung. In mein eigenes Bett. Meine eigene Welt! Wenn du verstehst."
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