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Ein schriller Schrei lies mich aus meinem unruhigen Schlaf aufschrecken. Mein Blick blieb an meinem Wecker hängen, es war gerade 8 Uhr. Ich sprintete aus meinem Zimmer in Richtung der Stimme, die panisch meinen Namen schrie. Die Stimme meiner Schwester.
Emma stand tränenüberströmt im Wohnzimmer. Riesige Augenringe zierten ihr liebliches Gesicht. Ich ging zu ihr und nahm sie in den Arm. Meine Schwester weinen zu sehen brach mir das Herz. Denn ich fühlte mich hilflos. Konnte nichts dagegen tun. Konnte ihr nicht helfen. Alles was ich tun konnte, war ihr zu zeigen, dass ich da war. Dass sie nicht alleine war. Aber ich wusste, dass das nicht wirklich half.
„Heyy Kleines, was ist los?", fragte ich sie vorsichtig. Sie unterbrach ihr Schluchzen ein wenig und zeigte mit zitternden Fingern in eine bestimmte Richtung. Ich folgte ihren Fingern und bemerkte eine riesige Leinwand, die vorher noch nicht in diesem Raum stand. Was genau es damit auf sich hatte, keine Ahnung.
„Shh, alles wird gut.", versuchte ich sie zu beruhigen. „Du lügst.", ihre Stimme brach und sie fing an noch heftiger zu weinen.
Sie entzog sich meiner Umarmung und brachte Anstand zwischen uns. Was sollte das jetzt genau? Hab ich was falsches gesagt?
Ich war maßlos überfordert. Es war schwierig mit Menschen umzugehen, wenn sie traurig waren. Vor allem als eine Person, die Emotionen unterdrückt. Aber eigentlich wäre es mir bei allen anderen egal, wenn sie weinten, es war schließlich deren Problem, also was ging mich das an? Aber bei Emma war das anders. Sie war meine Schwester. Alles was ich auf dieser Welt noch hatte. Sie war alles, was mir jemals wichtig war. Jemals wichtig sein wird.
Und ich wollte sie immer beschützen, vor allem Bösen auf der Welt. Aber wie sollte ich das jetzt nur machen? Ich wusste ja nicht einmal, vor wem ich sie beschützen musste.
„Okay Emma, hör zu, versuch dich zu beruhigen und dann können wir über das Ganze hier reden und uns überlegen, wie wir damit umgehen.", schlug ich vor.
„Beruhigen? Ich soll mich beruhigen? Da draußen laufen Roboter rum und die haben auf Menschen geschossen. AUF MENSCHEN! DIE JETZT TOT SIND! Also sag mir eins, wie soll ich mich da BERUHIGEN?, schrie sie.
„Schrei mich nicht an. Ich bin nicht schuld daran, dass diese Menschen tot sind.", erinnerte ich sie wütend. Wenn ich eins hasste, dann war es angeschrien zu werden. Es frischte meine Erinnerungen an damals auf und lies meine Vergangenheit zurückkehren. Damals, wo er mich angeschrien hat. Mit Alkoholflaschen beworfen hat. Geschlagen hat.
Aber wie gesagt, es war Vergangenheit. Hatte keinen Einfluss auf die Person, die ich jetzt war. Und meine Vergangenheit wird mich nicht einholen oder schwach machen. Dafür bin ich viel zu stark.
Zumindest baute ich auf dieser Hoffnung gerade mein Leben auf.
Emma wischte sich Tränen aus ihrem Gesicht, aber wenig später liefen neue ihre Wangen herunter. „Es sind Menschen gestorben, Noah, und du tust so als wäre alles in Ordnung. Als wäre nichts passiert. Du hattet kein einziges Mal Angst oder Panik. Das macht mich krank. Nichts ist okay, verstehst du das? Du kannst nicht einfach deine Emotionen für immer unterdrücken.", schrie sie verzweifelt.
„Meine Emotionen und Gefühle gehen dich überhaupt nichts an. Und ich wiederhole mich nur ungern, ich will nicht angeschrien werden. Ach, und wenn ich dich krank mache, vielleicht sind wir dann ja besser alleine dran.", meinte ich emotionslos, ehe ich den Raum verlies. In mir drin sprudelte es aber nur so vor Emotionen, ich war verletzt, verletzt durch ihre Worte.
Ich mache sie krank?
Ich bin ein schlechter Einfluss für die einzige Person, die ich liebe?
Ist mein Verhalten falsch? Ich wollte doch stark für uns beide sein..
Ich war verletzt, deshalb hatte ich Sachen zu ihr gesagt, die ich niemals hätte sagen sollen. Sachen, die diese sowieso schon hoffnungslose Situation nicht gerade verbessert haben..
Aber anstatt die Trauer mich überwältigen zu lassen, fokussierte ich mich auf die Wut, die in mir nur so brodelte. In meinem Zimmer schlug ich auf das erstbeste ein, was ich sah. Die Wand, der Schrank, ich war so rasend vor Wut, dass ich nicht einmal mitbekam, auf was ich gerade einschlug. Aber das spielte auch keine Rolle. Nichts spielte eine Rolle. Denn das einzige, was mal wichtig war, habe ich verloren. Ich hab es vermasselt.
Der Schmerz, der langsam meine Hände durchdring, war seltsam beruhigend. Er lenkte mich ab von meinen Gedanken, die in meinem Kopf nur so tobten. Dennoch konnten sie nicht ganz verstummen.
Ich habe sie verletzt, die einzige Person, die mir wichtig ist, hasst mich jetzt. Ich bin ein Monster. Ein kaltes, emotionsloses Monster.
Nicht in der Lage zu lieben. Nicht in der Lage geliebt zu werden.
Ich schlug fester und fester, bis irgendwann meine Gedanken verstummten.
Emma POV.
Ich stand noch immer vor der Leinwand. Durch meine tränenverschleierte Sicht konnte ich nicht einmal sehen, was darauf stand.
Manchmal hasste ich mich dafür, so emotional zu sein. So schwach und hilflos zu sein. Aber ich konnte daran nichts ändern. Ich kam einfach nicht damit klar, was hier passierte. Schließlich wusste ich nicht mal genau, was überhaupt passierte.
Ich wusste nur, es war nichts Gutes, sondern etwas dunkles und tödliches. Etwas, was uns alle zerstören würde. Und ich wollte nicht zerstört werden. Niemand wollte zerstört werden.
Und doch war so leicht, Menschen konnten so leicht zerbrechen. Der Tod kann so schnell kommen, durch einen Schuss, eine Tablette, einen Stich. So schnell kann alles beendet werden. Die Freiheit, die Liebe, ein Versprechen, das Leben. Das alles konnte zerstört, gebrochen oder beendet werden.
Und uns ist das gar nicht bewusst. Wir wissen nicht, wie wertvoll unsere Leben sind. Wie kostbar sie sind. Und genauso vergänglich.
Ich hatte Angst vor der Vergänglichkeit. Angst vor dem Ende. Denn es würde kein Happy End werden.
Aber ich wollte doch nicht, dass alles so endet. Ich wollte dieses Ende doch nicht noch beschleunigen. Ich wollte die Angst nicht mich beherrschen lassen. Mich Dinge tun und sagen lassen, die ich besser für mich behalten hätte.
Ich hatte Noahs Namen aus Angst geschrien, aus Angst, da dieses bedrohliche Fremde nun in unser Haus eingedrungen war. Durch diese Leinwand. Nun war es real, aber ich wollte nicht, dass es real war. Es sollte ein Albtraum bleiben.
Ich dachte, vielleicht würde Noah endlich Emotionen zeigen. Mir zeigen, dass es okay war Angst zu haben. Dass es normal war in dieser Situation. Aber es war naiv von mir zu glauben, Noah würde Angst zeigen. Oder Schwäche. Denn das würde er niemals tun.
Und jetzt war alles eskaliert. Außer Kontrolle. War das jetzt das Ende oder konnte man noch etwas retten?
Müde setzte ich mich auf den Boden, mein Blick starr auf die Wand gerichtet. Ich hatte keine Tränen mehr, die ich weinen könnte. Ich war einfach nur noch erschöpft.
Von Zeit zu Zeit zuckte ich zusammen, als ich aus Noahs Zimmer Schränke brechen und Wände beben hörte. Er kannte wohl nur ein Gefühl, Wut.
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1149 Wörter, für alle die es interessiert ;))
Ja, das war Kapitel Nummer 3.
Wie fandet ihr's?
Denkt ihr die zwei vertragen sich wieder?
Und was hat es wohl mit der Leinwand auf sich..?
Wie immer freue ich mich über Votes und Kommentare <33
LG Franzi
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