39. Wettkampf
Es ist der Tag, an dem die Schüler meiner Klasse den Abschluss feiern und wie in Mittstadt üblich, werden alle erfolgreichen Absolventen zu einer heiligen Aufgabe herausgefordert. Gerade hat Ragnar diese Herausforderung zu einer Schicksalsfrage erklärt und sowohl mich als auch Kiara und Matt gefragt, ob wir seine Bedingungen annehmen. Natürlich meldet sich Kiara als erstes zu Wort. "Ich akzeptiere es wie du es wünschst." Helena zieht ihren Sohn zur Seite. "Bitte Matt, hör mich an." Dann beginnt sie damit, sich flüsternd mit ihm auszutauschen. Während ich mir ein Blickduell mit dem König liefere lausche ich den beiden, denn dank meiner trainierten Sinne verstehe ich jedes Wort."
"Du kannst es akzeptieren, denn du bist noch immer minderjährig und daher ist im Moment meine Entscheidung ausschlaggebend. Sobald du zum Erwachsenen erklärt wirst bist du nicht mehr an meine Entscheidungen gebunden und natürlich auch an keine deiner eigenen, die du als Minderjähriger getroffen hast." Matt runzelt die Stirn. "Also wenn es offensichtlich völlig egal ist, was ich sage, wieso fragt er mich dann?" Das ist eine wirklich gute Frage Matt. Doch seine Mutter ist nicht so schlau wie ihr Sohn. "Er will, dass du an seiner Herausforderung teilnimmst. Wenn du verlierst, verlierst du nichts. Aber wenn du gewinnst, dann könnte es die Lösung unseres Problems sein." Gott Helena, hast du es immer noch nicht kapiert? Matts wütendes Zischen macht sie auf ihren Fehler aufmerksam. "Du meinst dein Problem, oder?"
"Also? Wie sieht es aus?" Ragnar erhebt erneut seine Stimme während Kiara zu Matt geht und mit ihrer Magie auf ihn einspricht. Ich lasse den König das Blickduell gewinnen und gebe mich selbst unsicher. "In Ordnung, ja, ich bin dabei." Matts Aussage macht mich traurig. Er hat überhaupt keine Chance gegen die beiden. Im Moment beschützt seine Mutter ihn, denn sie ist so dagegen, den Splitter abzugeben, dass sie auch mit Kiaras Magie nicht vom Gegenteil überzeugt werden kann. Aber sobald er für sich selbst entscheiden kann werden sie sich einfach nehmen, was sie wollen. Das alles hier ist nur Show um mich einzufangen und ich bin sicher, Ragnar hat mehr als ein Ass im Ärmel. Als Linus bin ich erwachsen und meine Entscheidung zählt, deshalb habe ich hier nur eine Wahl.
"Als Levi, und nur als er akzeptiere ich die Herausforderung." Der König lächelt siegessicher und nickt zustimmend. Ihm ist natürlich klar, dass meine Zustimmung als Linus zu bekommen an dieser Stelle wohl zu einfach gewesen wäre. Ich spüre Matts Blicke auf mir aber wage es nicht, sie zu erwidern. Aus den Augenwinkeln bemerke ich seine Neugierde. Ob er wohl bemerkt hat, dass der König mit mir Katz und Maus spielt? "Wunderbar, möge das Schicksal den Gewinner bestimmen", erklärt der und klatscht in die Hände. Ich aber senke meinen Kopf und bete: "Möge die heilige Prinzessin der Aigua mit dir übereinstimmen sobald sie aufersteht." Ragnar lässt sich von meinen Worten nicht verunsichern doch sie beeindrucken spürbar Kiara. Matt hingegen wirkt eher verwirrt aber in mir breitet sich auf einmal ein warmes Gefühl von Zuneigung aus als ob er mir gerade seine unendliche Liebe gestanden hätte. Auf dem Weg zum Startpunkt des Wettbewerbs kann ich einen flüchtigen Blick auf eine strahlende Nonna werfen, die mir ein Scout-Zeichen macht dessen Bedeutung ich natürlich kenne: "Der Weg ist frei und alles ist gut."
Die Teilnehmer des Wettbewerbs werden in zwei Gruppen eingeteilt. Die Starken werden zu einem Platz am unteren Ende der Stadt geführt. Ihre erste Aufgabe ist es, gegen den Strom des Seitenarms anzuschwimmen, der dem See als Abfluss dient und das Wasser zurück in den Fluss leitet.
Diejenigen, deren Stärke eher auf Beweglichkeit als auf Kraft beruht, werden zu einer Stelle am oberen Ende der Stadt gebracht. Ihre Aufgabe ist es, mit dem Strom zu schwimmen, der den See mit Flusswasser füllt. Sie müssen mit einzelnen Biegungen und einigen Stromschnellen klar kommen.
Alle, die mit Matt und mir in der Gruppe der Beweglichkeit mitschwimmen, teilen sich weitgehend in zwei Gruppen auf. Diejenigen, die sich beeilen um schnell Abstand zu allen anderen zu bekommen, und diejenigen, die zurückfallen, weil sie sich gegenseitig bekämpfen. Matt und ich schwimmen mit wenigen anderen im Mittelfeld. Allerdings bemerke ich, dass Matt sehr abgelenkt und in Gedanken ist. Er schaut ziemlich oft zu mir rüber. Zwei mal habe ich ihn jetzt schon vor Verletzungen beschützt in dem ich Eryks Kraft verwendet habe um seine Schwimmroute zu korrigieren und einmal habe ich ihn mit dem Handzeichen für Hindernis gerade rechtzeitig warnen können.
Sobald wir den Fluss erreichen müssen wir zu einer Position schwimmen die ziemlich genau in der Mitte zwischen Zu- und Abfluss liegt und nicht all zu weit vom Seeufer entfernt. Dort liegen drei Tunnel tief unten im See und jeder führt auf einem anderen Weg in die Halle der Prüfungen. An diesen Eingängen treffen wir wieder auf die andere Gruppe, die mittlerweile genauso dezimiert ist wie unsere, und weitere Mitschwimmer fallen aus, weil sie den falschen Eingang erwischen. Mit einem schnellen Blick in die nahe Zukunft erkunde ich, welcher Gang für wen von uns am Besten ist. Kiara hätte ihren Eingang ebenfalls beinahe verpasst aber Axel greift nach ihr und zieht sie zurück. Diese Hilfe überrascht mich, aber ich habe keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Mit einer leichten magischen Anwendung auf das Wasser schubse ich Matt in den mittleren Gang bevor ich selbst den dritten Weg wähle. Dabei bitte ich Matt in Gedanken, mir zu vergeben, denn ich weiß, dass er ebenfalls meinen Gang wählen wolle, doch ich habe gesehen, dass der mittlere besser zu ihm passt.
Danach muss ich all meine Talente in Ausweichen, Verstecken und Geschwindigkeit nutzen, um die Unterwassertunnel und Höhlen zu durchschwimmen und mein Ziel zu erreichen. Ein einziger Mitstreiter ist mir am Ende geblieben und ich zwinkere ihm zu, als wir die Falltür erreichen, die uns den Übergang vom See zum trockenen Tempelraum über uns ermöglicht. Er öffnet sie und klettert in den kleinen Raum darüber, dann hilft er mir ebenfalls hinauf. Im Gegenzug halte ich ihm die Tür zur Halle der Prüfungen auf und lasse ihn vor mir durch. Und wieder überkommt mich dieses warme Gefühl geliebt zu werden.
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