34. hartes Herz
Ich liege auf meinem Bett in Nonnas Haus, die mir in einem Zimmer Unterkunft gewährt und denke darüber nach, dass ich mich langsam daran gewöhnen sollte, kein eigenes Zimmer zu besitzen. Besser wäre es, wenn ich endlich aufhören würde, in dieser Welt nach einem festen Platz für mich zu suchen, an dem ich willkommen bin und für immer bleiben kann. Am Ende bin ich eben doch zu anders und werde nur toleriert, weil man mich für irgendetwas benutzen will. Im Moment gibt es sehr viel zu tun für mich, aber dafür muss ich mich nicht vom Bett erheben. Alles, was ich zu erledigen habe, findet in meinem Kopf statt. Erinnerungen und Fähigkeiten müssen erkundet und Entscheidungen müssen getroffen werden, doch gerade jetzt möchte ich einfach nur hier liegen und an nichts denken. Nicht, dass mein Kopf das zulassen würde. Stattdessen laufen meine Gedanken regelrecht Amok. Ist Kiara wirklich eine Freundin? Ist sie zumindest Matts Freundin? Steckt ihr Vater allein hinter all dem? Und falls ja, wird sie ihm jemals Paroli bieten? Ich fühle mich verraten und verkauft, besonders, weil ich dachte, die perfekte Familie gefunden zu haben.
Verdammt, ich bin wirklich ein Idiot, denn im Grunde sind sie genau das, eine perfekte Familie, nur ich bin eben kein Teil davon. Ich hätte das kommen sehen müssen, oder nicht? Sie waren einfach viel zu freundlich zu einer fremden Kanalratte. Und in diesem Moment verhärtet sich etwas in meinem Herz.
Zwangsläufig wandern meine Gedanken jetzt weiter zu Matt. Er weiß, dass ich nicht gelogen und nichts absichtlich vor ihm geheim gehalten habe. Warum hat er überhaupt kein Vertrauen in mich? Der partielle Gedächtnisverlust war nichts, was ich beeinflussen oder bewusst provozieren konnte. Wird seine Mutter ihm dieses kleine Detail erklären? Sicher nicht, denn wenn er wirklich zu ihr zurück geht wird sie alles tun, um ihn von mir fern zu halten. Matt ist nicht so selbstbewusst und unabhängig wie ich und sie wird froh sein, ihn wieder unter ihrer Fittiche zu haben. Und Kiara? Sie ist eine Heilerin in Ausbildung, weiß darüber Bescheid, dass ich ein Trauma erlitten und dadurch einen Teil meiner Erinnerungen verloren habe und hat zweifelsohne bereits darüber recherchiert. Wird sie wenigstens für Matt eine Freundin sein? Oder wird sie den Keil zwischen ihm und mir nur noch tiefer treiben um ihrem Vater gerecht zu werden?
Letztlich bin ich nicht der Typ, der so einfach in Selbstmitleid versinkt. Es ist nun einmal wie es ist und ich werde mich davon nicht unterkriegen lassen. Als es an meine Tür klopft habe ich mich wieder einigermaßen beruhigt. "Ich komme!" Eryk ist da und ich begrüße ihn und Peter herzlich und wir gratulieren uns gegenseitig dazu, den Sturm überlebt zu haben. Bis in den frühen Morgen des nächsten Tages hinein sitzen wir vier zusammen und reden über die letzten Ereignisse. So erfahre ich, dass die meisten Mitglieder der Besatzung es wirklich in die Höhlen geschafft haben. Ein paar jedoch wurden mittlerweile tot geborgen und von einigen weiteren, darunter auch Lazy, fehlt bislang noch jede Spur. Als ich von meinen Erlebnissen und meiner Rettung berichte überrascht mich vor allem die aufrichtige Anteilnahme von Peter an meiner Gefühlswelt. "Du bist wirklich in Matthias verliebt, oder?" Ich seufze nur, nicke aber. "Dann gib nicht auf. Vertrauen ist ein schwieriges Ding und das schlimmste daran ist, wenn du glaubst, dir selbst nicht mehr vertrauen zu können." Ich sehe ihn überrascht an. "Denkst du dass es darum geht?" Er nickt. "Ich habe mit ihm gesprochen, als Eryk die Königsfamilie besucht hat. Er saß da und sah sehr verloren und verzweifelt aus, also bot ich mich als guten Zuhörer an und er brauchte jemanden, mit dem er reden konnte."
"Wusste er, wer du bist und dass du mit mir befreundet bist?" Peter hebt eine Augenbraue an und legt den Kopf schief. "Ist das so? Sind wir Freunde?" Das bringt mich dazu, über alle gemeinsamen Erlebnisse nachzudenken. Schließlich sehe ich ihm offen und freundlich in die Augen. "Ich glaube fest daran. Und obwohl ich in letzter Zeit sehr oft von meinem Glauben an die Freundschaft enttäuscht wurde, vertraue ich dir." Erkläre ich aufrichtig. An dieser Stelle mischt Eryk sich in unser Gespräch ein und erklärt: "Um einen Freund zu finden musst du vor allem erst einmal selbst ein Freund sein und das ist das Härteste daran, denn leider wird man dabei oft enttäuscht. Trotzdem ist es der einzige Weg." Ich löse meinen Blick nicht von Paul, auch wenn ich nicke um dem Kapitän zu verstehen zu geben, dass ich ihn verstanden habe. Erst nach einer kleinen Pause, die verdeutlichen soll, wie ernst es mir damit ist, fahre ich mit einer Einschränkung dieser Aussage fort. "Wie auch immer, deiner Familie vertraue ich nicht. Aus diesem Grund habe ich dir keine Verbindung mit mir angeboten. Bist du mir deshalb böse?"
Peter nickt ebenfalls, um sowohl Eryks als auch meine Worte zu bestätigen. "Meine Familie ist ein guter Grund mit mir keine Verbindung einzugehen und hättest du sie mir angeboten, hätte ich sie aus genau demselben Grund abgelehnt. Ich versichere dir aber, dass meine Loyalität zu einhundert Prozent meinem Kapitän gehört und du hast ihm die Chance gegeben, den Sturm zu überleben. Damit hast du dir meine ewige Dankbarkeit und Freundschaft gesichert, das versichere ich dir." Ich nicke erfreut, über dieses Geständnis, komme dann aber zu meiner Frage zurück. "Also wusste Matt davon?" - "Er hat mir erzählt dass seine Mutter ihn angelogen hat obwohl das unmöglich sein sollte, aufgrund seiner besonderen Fähigkeit. Sobald dein Name fiel habe ich ihn gewarnt und sofort fragte er, ob du mich geschickt hättest und ich ..."
*** Peters Bericht über sein Gespräch mit Matt ***
"Hat er dich geschickt?" Er wirkte alarmiert doch ich konnte ihn beruhigen. "Ich habe ihn noch nicht wieder gesehen. Hat er dich ebenso enttäuscht wie deine Mutter?" Er seufzte schwer und ließ den Kopf hängen. "Er hat etwas vor mir geheim gehalten. Er hat mir nicht erzählt dass er auch Linus ist, ein hochgeborener Sohn aus Alta." - "Aber das ist keine Lüge. Er hat dir nur einen Teil von sich erzählt, und nicht gelogen. Vielleicht will er diesen anderen Teil selbst lieber vergessen?" Er sah mich nur traurig an. "Ich hätte es trotzdem bemerken müssen." Da ich dich - Levi - als ehrlichen Kerl kennen gelernt habe und seine Fähigkeit eine Lüge unmöglich machen sollte, suchte ich nach einer anderen Erklärung. "Ich habe gehört, dass er fast gestorben wäre. Könnte seine Gesundheit etwas damit zu tun haben?"
Matthias runzelte die Stirn und für mich sah es aus als ober er sich an etwas erinnerte, aber dann schüttelte er den Kopf. "Ich kann meine Mutter nicht danach fragen und Kiara hat mir bereits erklärt, dass es ihr nicht erlaubt sei, über seine Gesundheit mit mir zu reden." - "Warum nicht?" - "Keine Ahnung, ich habe nicht gefragt. Privatsphäre eines Patienten?" Ich erkannte, dass er sich zu schnell mit diesen Tatsachen abfand und fragte deshalb nach dem für mich offensichtlichen Weg, dieses Problem zu lösen. "Hast du mit Levi darüber gesprochen?" Aus ihm sprach die pure Verzweiflung, als er mir diese Frage beantwortete. "Welchen Sinn würde das machen? Ich würde seinen Worten ebenso wenig vertrauen wie meiner eigenen Fähigkeit, die scheinbar fehlerhaft ist." Ich überdachte sein Problem und überlegte, wie ich damit umgehen würde. Dann gab ich ihm einen Rat von dem ich glaubte, dass er ihn brauchen und der ihm hoffentlich helfen würde. "Wenn ich du wäre, würde ich mit jemandem sprechen wollen, der sich mit diesen Fähigkeiten auskennt ohne sie selbst zu benutzten. So könntest du an neutrale Informationen kommen." Ich glaube, ich konnte ihm damit wirklich helfen, denn er nickte dankbar. "Gute Idee, ich werde es mir überlegen", waren seine Worte zum Abschied.
*** Ende von Peters Bericht ***
Ich stoße verärgert die Luft aus und schnaube wütend: "Ich wusste es, Kiara entscheidet sich für ihren Vater anstatt für ihre Freunde." Mit dieser Erkenntnis verhärtet sich mein Herz noch ein Stück mehr.
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