Die kleinen Dinge
»Also? Was hast du ausgeheckt?« Der Vampir sprach in Garretts Haare, der leise vor sich hin kicherte.
»Wie kommst du darauf, dass ich etwas vorbereitet habe? Ich dachte, dir reicht es, den ganzen Tag über meinen Körper verfügen zu können«, der junge Mann hob den Kopf und streichelte Henrys Kinn mit seiner Nasenspitze.
»Das ist ein wunderbarer Gedanke. Aber ich kenne dich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass das nicht alles ist«, brummte der Vampir, lächelte aber.
»Dein Name ist Hase, schon vergessen?« Garrett lachte und ließ von dem Unsterblichen ab, der ihn mit hochgezogener Augenbraue musterte.
»Du bist ja immer noch so frech.«
Zwinkernd machte der junge Mann ein paar Schritte rückwärts und musterte Henry unverhohlen. »Und du bist immer noch so verdammt sexy.«
»Tja ... was machen wir denn deswegen jetzt?« Der Vampir grinste und offenbarte die Spitzen seiner Fänge, was Garrett wohlig erschaudern ließ. Henry zeigte seine vampirischen Attribute nur sehr selten, weil es ihm unangenehm war, als Blutsauger gesehen zu werden. Er hatte sich in den vergangenen Jahren so sehr daran gewöhnt, wie ein normaler Mensch zu leben, dass diese andere Natur ihm fremd geworden war.
Die Notwendigkeit des Bluttrinkens war zwar nicht verschwunden, doch diese Dinge hielt Henry meist vor Garrett verborgen. Er ging nachts in den Wäldern rund um Gatwick jagen, wie er es immer getan hatte, während sein Freund schlief.
Es war schließlich nicht besonders sexy, jemanden zu küssen, der zuvor beim Frühstück eine Tasse mit Blut statt Tee zu sich genommen hatte.
Nicht dass Garrett sich je über diese Tatsachen beschwert hätte. Im Gegenteil kam er Henry in allen Dingen so weit entgegen, wie es ihm möglich war. Er sorgte stets dafür, dass immer genug Fleisch in der Kühltruhe war, weil er wusste, dass Vampire wegen ihres natürlichen Protein- und Hämoglobinmangels jede Menge davon verspeisten, verzog nie den Mund, wenn er doch einmal mitbekam, dass Henry Blut trank und bot ihm immer an, es abzulecken, wenn er sich mal verletzt hatte.
Ganz abgesehen davon, dass er es als Lustgewinn empfand, von dem Unsterblichen während des Liebesaktes gebissen zu werden und ihm jederzeit seine eigene Kehle anbot, wenn Henry keine anderen Nahrungsquellen hatte.
Der junge Mann schüttelte sich leicht, um die Gänsehaut abzulegen, während er den Anderen betrachtete.
»Ich weiß nicht? Willst du mich denn brav und anständig haben?«
»Aber nein«, knurrte der Vampir sinnlich. »Ich brauch' keinen prüden Ordensbruder in meinem Schlafzimmer.«
»Ach? Es geht nur darum?« Garrett lachte und zwinkerte ihm zu, worauf der Vampir dunkel brummte und die kurze Distanz zwischen ihnen überwand.
»Es geht einzig und allein um dich«, fast grob packte Henry den Anderen und zog ihn an sich, bevor er ihm die Lippen auf den Mund drückte. Garrett seufzte und schlang die Arme um die Schultern des Vampirs, um nicht den Halt zu verlieren.
»Gut«, nuschelte er, bevor der Unsterbliche ihm die Möglichkeit zum Sprechen nahm und den Kuss intensivierte.
Mit einer schnellen Bewegung hatte Henry Garrett auf das Bett geworfen, ohne ihre Verbindung zu unterbrechen und war nun über ihn gebeugt, während der junge Mann den Nacken des Vampirs noch immer mit den Armen umwunden hatte.
Das Handtuch, das Henry um die Hüften getragen hatte, war längst verloren gegangen und lag nun missachtet auf dem Fußboden.
Garrett ließ seine Fingernägel über den Rücken des Vampirs fahren und verursachte diesem eine wohlige Gänsehaut, was ihn seufzen ließ. Atemlos unterbrach Henry ihren Kuss und strich mit den Lippen über die seines Freundes.
»Wenn wir nicht aufhören, dann werden wir das Frühstück verpassen und was auch immer du ausgeheckt hast, wird umsonst gewesen sein«, flüsterte der Unsterbliche mit einem Lachen in der Stimme.
»Hmmm«, entgegnete der junge Mann, »schlecht. Aber wir haben noch genug Zeit für etwas Kleines«. Grinsend schob Garrett Henry von sich weg und drückte seine Schultern anschließend auf die Tagesdecke.
»Was wird das?« Der Vampir, der aufgrund der natürlichen Eigenschaften seiner Art selbst durch kleinste Intimitäten in Aufruhr versetzt werden konnte, hörte, dass seine Stimme zitterte.
Der junge Mann ließ die Augen über den Anderen wandern und schnurrte hörbar, bevor er seine Finger erneut über die Haut des Unsterblichen streichen ließ.
»Ich bin scharf. Für Sex ist keine Zeit, aber ich kann doch die Tatsache, dass du nackt bist, nicht einfach ungenutzt lassen. Oder das hier«, kicherte Garrett und stupste den Vampir an, dessen Erregung bereits sichtbar war.
»Oh«, machte Henry überrascht, bevor er zu grinsen anfing, »nein ... so bekomme ich ja keine Hose hoch.«
»Nein«, der junge Mann machte ein ernstes Gesicht, doch die Rötung seiner Wangen und das schalkhafte Glitzern in seinen Augen straften dieses Lügen. »Entspann' dich. Das haben wir gleich«, schnurrte er, bevor er sich hinunterbeugte und Henry seufzend den Kopf nach hinten fallen ließ.
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Mit einiger Verspätung verließen die beiden das Zimmer. Die Frühstückszeit hatte bereits begonnen und das leise Klirren und Klappern des Geschirrs aus dem großen Speisezimmer drang bis in den Flur.
Miss Cairns, die hinter ihrem Rezeptionstresen energisch auf die Tastatur einhackte, um Daten in den Computer einzugeben, hob den Kopf, als die beiden Männer in der Eingangshalle auftauchten. Sie nickte Garrett verschwörerisch zu, wodurch er wusste, dass das Essen im Privatzimmer bereit stand.
Schmunzelnd ergriff der junge Mann Henrys Hand und hielt ihn davon ab, den großen Speiseraum zu betreten.
»Wo willst du denn hin?« Verwundert hob er die Augenbraue und ihm schwante, dass all seine Befürchtungen sich bewahrheiten würden. »Was hast du gemacht?«
»Nichts, Darling. Nur etwas mehr Intimität«, sagte Garrett, als er die Tür öffnete.
»Noch mehr? Bekomme ich noch einen Blowjob, diesmal unter dem Esstisch?« Der Vampir grinste schelmisch. »So könnte mir der Geburtstag vielleicht doch gefallen.«
»Du bist ein Ferkel«, entgegnete sein Freund mit großen Augen, lachte dann aber. »Na, vielleicht.« Garrett zwinkerte und hielt Henry die Augen zu. Durch ihren Größenunterschied von einigen Zentimetern war das umständlich, aber der junge Mann wusste, dass der Unsterbliche nie die Lider geschlossen halten würde, wenn er ihn darum bitten würde. Dafür waren Vampire viel zu neugierig.
»Mann, hast du den König eingeladen?«
»Nach Irland? Wohl kaum, Schatz. Komm, beweg deinen Hintern, sonst muss ich dich zwicken«, lachte ihm Garrett in den Nacken und schob ihn in den Raum.
»Ich habe so viele englische Könige auf dem Thron erlebt, es wäre mal ein Highlight gewesen«, gluckste Henry.
»Seine Majestät lässt sich für den Fehltritt entschuldigen.«
Der junge Mann warf einen letzten prüfenden Blick in das Zimmer. Man hatte die Speisen unter silbernen Kuppeln verborgen, um sie warm zu halten, und die Platten auf dem Tisch angerichtet. Der Kuchen und eine Thermoskanne mit Kaffee standen auf einem Servierwagen. Der Duft der Gartenblumen drang mit dem Wind durch die geöffneten Fenster hinein, der die blütenweißen Gardinen sanft tanzen ließ.
»Hier riecht es gut«, murmelte der Unsterbliche. »Darf ich dann gucken?«
»Okay«. Garrett nahm die Hände von Henrys Gesicht und der Vampir wischte sich über die Augen. Dann lächelte er.
»Ich wollte ... ich dachte ... ich dachte, es wäre schöner, etwas privater zu essen ...« Der junge Mann rieb sich den Nacken, während Henry sich umsah und bei dem knallbunten Geburtstagsbanner die dichten Augenbrauen zusammenzog.
»Das ist eine schöne Idee.«
»Ich weiß ja, du wolltest keinen Aufwand deswegen, aber ich kann das doch nicht ignorieren. Immerhin ist es dein Geburtstag.«
Der Vampir zog seinen Liebsten an sich und küsste ihn auf die Stirn. »Nein. Nein, das musst du auch nicht. Wenn es dir Freude macht, dann mir auch.«
»Also darf ich nächstes Jahr eine Party für dich geben?«
»Untersteh' dich! Wenn, dann feiern wir eine für dich, immerhin ist es dann ein runder Geburtstag.«
Garrett drückte sein Gesicht gegen Henrys Brust. »Oh Gott. Ich bin älter als du.«
»Das glaube ich nicht«, schmunzelte der Vampir und streichelte den Nacken seines Freundes.
»Ich bin jetzt schon älter als du es je geworden bist. Bald werde ich grau sein und fett.«
»Ich werde jedes einzelne Silberhaar und jedes Pfund lieben. Mach' dir doch über so etwas keine Sorgen. Du weißt, wie die Alternative aussieht. Ich wäre nicht begeistert, aber wenn du mich bitten würdest, würde ich es tun. Für dich.«
Garrett schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nicht so stark wie du. Ich würde wahrscheinlich den Verstand verlieren, du würdest mich hassen und am Ende wären wir beide allein. Die Vorstellung, bis in alle Ewigkeit an deiner Seite zu sein, ist wunderbar und verführerisch, doch die Angst, alles zu verlieren, ist zu groß.«
»Du hast mich für immer. So lange ‚für immer' auch dauern mag.«
Mit den Händen auf den Schultern des Vampirs stemmte sich der junge Mann etwas von diesem weg, um ihm ins Gesicht schauen zu können. Einen sanften Ausdruck darin zu sehen, geschah selten, da allein die kräftigen Augenbrauen Henry immer etwas Grimmiges verliehen, doch er konnte so süß sein, dass Garrett manchmal am liebsten in ihn hineingekrochen wäre.
»Ich glaub' ja, ich liebe dich«, kicherte der junge Mann und drückte dem Unsterblichen einen Kuss auf den Mund.
»Na so ein Zufall aber auch. Ich glaub', ich auch.«
»Schön, dass wir uns da so einig sind.« Garrett machte ein zuckersüßes Gesicht, schob den Vampir zum Tisch und drückte ihn auf einen der Stühle.
»Ich wusste, dass du irgendetwas ausheckst«, brummte Henry.
»Du hast vermutlich Horrorvorstellungen gehabt, oder? Aber es ist nur ein privates Luxusfrühstück.« Der junge Mann hob die Kuppeln von den Platten und der Duft von Rührei, Speck, Würstchen, frischen Brötchen, Pfannkuchen und warmer Marmelade breitete sich aus.
»Und ein Kuchen ...«
»Ganz genau«, grinste Garrett, »Weil ich weiß, dass du nicht an Süßigkeiten vorbei kommst.«
Der Unsterbliche lächelte. Es fiel ihm auch nach vier Jahren noch manchmal schwer, Freude über Dinge zu zeigen, die der Andere für ihn getan hatte. Er war es so lange gewöhnt gewesen, dass sich niemand um ihn scherte, dass jede liebe Geste ihn verlegen machte. Henry hatte sich schon häufiger gefragt, ob sein Freund ihn wohl für undankbar hielt, weil er so oft knurrte, anstatt einfach Danke zu sagen. Doch offenbar kannte Garrett ihn bei diesen Sachen besser, als es dem Unsterblichen bewusst war.
»Kaffee?« Der Vampir erhob sich wieder, um die Kanne auf den Tisch zu stellen.
»Ja, bitte. Aber ich hab ... noch was für dich.«
»Du sollst mir keine Geschenke machen.«
Garrett machte einen Schmollmund, was Henry verführerisch knurren ließ. »Hör' auf damit. Das bringt mich nur auf Ideen.«
»Ach ja?«, der junge Mann grinste und kroch halb unter den Tisch, wo noch immer die kleine Tasche stand. Henry schenkte indes heißen und duftenden Kaffee in die bereitstehenden Tassen ein.
Er biss sich auf die Lippen, um nicht zu lachen, als Garrett sich beim Wiederaufsetzen den Kopf stieß und unflätig fluchte.
»Alles gut?«
Der junge Mann rieb sich brummend den Hinterkopf, nickte aber und schob dem Vampir ein kleines Päckchen hin, das in violettes Papier eingewickelt und mit metallic-türkisem Geschenkband verschnürt war.
»Gib' dein Geld nicht für mich aus, Schatz«, murmelte Henry, nahm Platz und ergriff das Präsent.
»Es ist unser Geld und zum Ausgeben da. Es bringt nichts, irgendwann der Reichste auf dem Friedhof zu sein.«
Der Vampir nickte leicht und löste das Band. Zum Vorschein kam ein kleines Schmuckkästchen, das eine schlichte Halskette enthielt. Für einen Moment hatte Henry fast befürchtet, sein Freund hätte den gleichen Einfall wie er gehabt und nur den Geburtstag des Unsterblichen abgewartet. Der wusste für eine Sekunde nicht, ob es nun gut oder schlecht war, dass es sich anders verhielt.
»Platin«, murmelte Garrett, »weil ich weiß, dass du Gold nicht magst und Silber nicht verträgst.«
»Danke schön«, lächelte Henry.
»Hätte ich gewusst, dass du gern einen neuen Siegelring haben möchtest, hätte ich danach geschaut«, grinste der junge Mann. »Die Kette hab' ich noch in England gekauft.«
»Nein, das ist toll.«
Vergnügt lächelnd nickte Garrett und die beiden begannen mit dem Frühstück.
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