Kapitel 4 - Splitter und Scherben
- Jetzt -
Arman hätte nicht gedacht, dass er trotz Charlies Abwesenheit so gut gelaunt sein würde.
Die Hochzeitsvorbereitungen liefen wie am Schnürchen, was er vor allem der Hilfe seiner Mutter und Großmutter zu verdanken hatte.
Als Mick sich bei ihm gemeldet hatte, um mit ihm die ersten Details zur Zeremonie zu besprechen, hatte er auch gleich seine ganze Familie auf die Hüterburg eingeladen, damit Lore und Rona etwas durchschnaufen konnten.
Einzig Argos war zurückgeblieben, um sich während ihrer Abwesenheit um die Tiere zu kümmern.
Auf dem Rückweg ritt Arman voran und genoss die ausgelassenen Gespräche seiner Familie im Hintergrund. Es hätte nur noch perfekter sein können, wenn Charlie jetzt neben ihm reiten würde.
Als der Trupp am Liliental-Hof ankam, erwarteten sie Argos und Tarik am Tor.
Arman stieg ab und die zwei kamen mit ernsten Gesichtern auf ihn zu. Armans Laune sank augenblicklich, als Argos sagte: „Es ist etwas passiert."
- Zwei Stunden zuvor -
„Milena, was machen wir hier?" Nils packte Milena am Arm und zwang sie so, sich zu ihm umzudrehen.
„Was denkst du denn?", zischte sie ihn giftig an und schüttelte ihn ab. Wie konnte er es wagen, sie anzufassen?
Sie standen am hinteren Eingang des Wohnhauses am Liliental-Hof, der in die große Küche führte. Der Hof war wie ausgestorben gewesen. Offenbar war die ganze Familie fort.
Milena machte sich an der Türe zu schaffen, die kurz darauf mühelos aufsprang. „Rein da!", befahl sie forsch und schob Nils ins Innere. Sie selbst lief auf ein Nebengebäude zu.
Nils sah sich vorsichtig um. Es hatte sich rein gar nichts verändert, seit er vor drei Jahren das letzte mal hier gewesen war. Ronas Kräuter hingen an einem Metallreifen über dem Küchentisch, auf dem fein säuberlich einige frisch geschliffene Küchenmesser angeordnet lagen.
Er überlegte kurz, beschloss dann aber, dass er nicht mit einem Messer auf irgendjemanden losgehen würde - nicht mal auf Milena.
Nun betrat auch Milena die Küche und zog einen schweren Leinensack hinter sich her. Sie ächzte und bedeutete ihm mit einem Wink ihres Handgelenks, weiter ins Haus zu gehen.
Im Flur blieben sie stehen.
„Da!" Sie schob den Sack vor seine Füße. Nils hockte sich hin und öffnete ihn.
Erstaunt sah er sie an. „Was soll ich damit?"
Sie schnaubte. „Sehe ich so aus, als könnte ich dieses Ding da heben?"
Nils zog den schweren Schmiedehammer hervor, der sich im Beutel befunden hatte.
Mit einem Kopfnicken deutete sie auf das Möbelstück neben sich.
„Dein Ernst?", rief er ungläubig.
„Sieht so mein Spaßgesicht aus?", fuhr ihn Milena patzig an. „Mach das Ding kurz und klein, so dass kein einziges Teil ganz bleibt."
- Jetzt -
Fassungslos stand die ganze Familie im Flur des Hauses und starrte auf die Überreste der Standuhr und den schweren Hammer der als corpus delicti direkt daneben lag..
Wer auch immer das gewesen war, hatte sogar auf die kleinsten Zahnräder eingeschlagen, bis sie verbogen waren - die Brüche in den Bodendielen ließen keinen anderen Schluss zu.
Tarik kniete sich hin und hob nachdenklich den deformierten Stundenzeiger der Uhr auf.
„Ich bin gerade erst angekommen und habe mich mit Argos bei den Ställen unterhalten", erzählte er, was passiert war.
„Als wir 'was gehört haben, sind wir nachschauen gegangen", ergänzte Argos, „Und haben das hier so gefunden."
Richard schüttelte den Kopf. „Und ihr habt niemanden gesehen?"
„Die Küchentür stand offen", antwortete sein Sohn und schüttelte den Kopf, „aber wer auch immer das war, war schon weg."
Arman rieb sich die Schläfen und versuchte nachzudenken. Er wüsste nicht, wer oder warum jemand die alte Familien-Standuhr zerstören wollen würde. Das schiere Ausmaß der Zerstörung vor ihm erschien komplett zusammenhanglos.
„Irgendeine Idee?" Er sah Tarik fragend an.
Doch sein Freund zuckte ebenso ratlos mit den Schultern.
Rona kam mit einem großen Besen zurück. „Müsst ihr noch irgendeine detektivische Arbeit hier betreiben?", fragte sie Arman betrübt. Als dieser den Kopf schüttelte, begann sie stumm, die Holzsplitter und Metallteile aufzukehren.
Richard sah Argos an, der sich große Vorwürfe zu machen schien, dass so etwas unter seiner Aufsicht passiert war. „Mach dir keinen Kopf", sagte er und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Er seufzte. „Dann muss ich wohl eine neue Uhr bauen."
„Aber Papa", rief Tami, „das war doch keine normale Uhr!"
Erstaunt starrte er sie an. „Wie meinst du das?"
„Tami hat recht", warf Rona ein, „mit ihr gelangt man in den Raum der Erinnerung."
„Raum der was?" Richard hörte offenbar zum ersten Mal davon.
Tarik erklärte Richard und Armans Brüdern kurz, welche geheime Funktion die Uhr noch erfüllte. „Aber das ist doch.." Richard konnte nicht glauben, was er da hörte. Das war der Ort im Haus, an dem sich seine Mutter damals mit Tami und Adrian versteckt hatte? Und wieso hatten Rona und seine Tochter ihnen nie davon erzählt?
„Also mit dem Ding", wiederholte er noch einmal und deutete auf den zusammengekehrten Haufen, der einmal eine Uhr gewesen war, „konnte man in die Vergangenheit reisen?" Tami nickte.
Richard musste sich eingestehen, dass er die Uhr längst zerlegt hätte, hätte er davon gewusst.
„Also im Prinzip kann es nur jemand gewesen sein, der davon wusste", stellte Tarik fest. Aber außer den Anwesenden wussten nur Mick, Adrian, Charlie, Patrizia, Dajana und Nils von der Uhr.
Arman seufzte. „Und Milena wahrscheinlich. Als Gelehrte in der Hüterburg musste sie es eigentlich wissen" - „Ja, aber Milena ist nicht da. Sie kann nicht zurück nach Namra", erwiderte Tarik.
Die beiden sahen sich an und teilten den selben Gedanken.
Tarik und Arman beschlossen, zum Portal zu gehen. Tarik wollte Patrizia anrufen, die dankenswerterweise die Aufgabe übernommen hatte, ab und zu nachzuforschen, was Milena so trieb. Alle wollten auf Nummer sicher gehen, dass sie ruhig blieb und nicht neues Unheil ausheckte.
Als sie am Tor ankamen, stand es einen Spalt offen. Der Türgriff schien abgefallen, war aber nirgends zu finden.
Als beide durch die Öffnung schlüpften, begrüßte sie ein taunasser Herbstmorgen.
„Oh, das andere Teil liegt hier!" Tarik hob das Gegenstück zum fehlenden Griff auf und reichte es Arman. „Ich werde meinen Vater bitten, das später zu richten", sagte er und steckte ihn in die Hosentasche.
Tarik zog sein Smartphone aus der Tasche seines Hoodies und schaltete es ein. Er wanderte ein bisschen herum, bis er Netzempfang hatte und wählte dann Patrizias Nummer.
Kurz bevor er in die Mailbox weitergeleitet wurde, hob sie ab. „Mann, Tarik, hast du irgendeine Ahnung wie spät es ist?", blaffte sie ihn ungehalten an.
Er entschuldigte sich reumütig und erklärte dann, warum er anrief.
„Keine Ahnung", Patrizia gähnte, „Das letzte Mal, als ich irgendwas von ihr gehört habe war, als sie in einer Facebook-Gruppe nach einem Aufsperrdienst gefragt hat. Das war vor zwei Wochen. Wohnungsschlüssel verloren, oder so was in der Art."
Tarik gab an Arman weiter, was er erfahren hatte. Dieser zuckte mit den Schultern.
Das klang jetzt nicht weiter verdächtig.
Er wollte sich gerade bedanken, als Patrizia weitersprach. „Echt blöd, das mit Charlies Familie, was?"
Tarik stutzte. „Hä, was meinst du?"
„Hat sie euch das gar nicht erzählt, dass ihre Familie mit der Polizei nach ihr suchen lassen hat?"
Tarik schüttelte den Kopf. „Wann ist das denn passiert?" - „Vor ein paar Tagen. Frag sie danach. Wenn ihre Eltern zur Hochzeit kommen sollen, müssen wir das irgendwie lösen."
Er verstand kein Wort von dem, was Patrizia ihm da sagte. Arman, der das Gespräch nicht mitbekommen hatte, sah ihn fragend an.
„Oh, und Tarik?" - „Mmmhh?" - „Sag Garwin bitte, er soll sich nicht zu lange Zeit lassen, wir haben Kinokarten für Freitag."
Tarik gab, auf.
Was Patrizia sagte, machte keinen Sinn. War es, weil er sie so früh aufgeweckt hatte?
„Patrizia! Was redest du? Wieso sagst du es ihm nicht selbst? Habt ihr gestritten?"
Patrizia am anderen Ende der Leitung schwieg kurz. „Ist er nicht mit Charlie mitgekommen?" Sie klang auf einmal besorgt.
Auch Tarik war plötzlich alarmiert. „Wohin mitgekommen?"
Irgendwie hatte er aber schon befürchtet, was Patrizia jetzt antworten würde. „Na nach Namra? Gestern?"
Tarik wurde kurz schwarz vor Augen und das Handy wäre ihm beinahe aus der Hand gefallen. Arman trat einen Schritt vor und fasste ihn an den Schultern.
Was ist los? , bedeute er tonlos mit den Lippen.
Tarik starrte ihn an. Er zuckte erschrocken zusammen, als Patrizia durch das Telefon laut seinen Namen rief: "Tarik! Was ist verdammt nochmal los?"
Er atmete tief durch. „Alles in Ordnung, Patrizia! Mach dir keine Sorgen! Ich ruf dich zurück." Und mit diesen Worten legte er auf.
Seine Unterlippe bebte leicht, als er in Armans verwirrtes Gesicht blickte.
„Bro, ich glaube, wir haben ein riesengroßes Problem."
***
Ok, wow, ich habe es tatsächlich geschafft und das Kapitel pünktlich fertiggestellt.
Ich denke, es ist jetzt schon klar, was passiert ist ;-)
Vielleicht ist es euch aufgefallen, dass die einzelnen Kapitel diesmal wieder etwas kürzer sind, als im letzten Buch. Ich glaube, über 2000 Wörter pro Kapitel waren etwas anstrengend, zu lesen. Jetzt sind es immer so 1300 - 1500 Wörter, so wie vorher schon in "Die Quelle der Wünsche".
Oh, und wie immer die Erinnerung, mir für dieses Kapitel doch bitte ein Sternchen dazulassen, wenn es dir gefallen hat :)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro