Kapitel 16 《Secrets》 Eliza
„Es ist doch scheißegal mit wem genau er jetzt gegangen ist oder wer ihn begleitet hat!", fuhr Aidan mich an. „Fakt ist, Tristan ist weg und es sieht nicht so aus, als würde er nochmal herkommen. Warum seid ihr nicht zuerst hierhin gegangen?! Er wäre jetzt vielleicht schon längst bei uns!"
Er fasste sich an die Stirn und versuchte seine feuchten Augen mit seinen Händen zu verbergen. Er holte tief Luft und sah uns voller Enttäuschung und Wut an.
Fynn schüttelte den Kopf und entgegnete: „Ich ignoriere jetzt einfach mal, was du gerade gesagt hast, Aidan, und schlage vor, dass wir überlegen, ob wir irgendwelche Anhaltspunkte haben, um zu bestätigen, dass Tristan bei Nero und oder bei Lucky Vi ist."
Er überkreuzte seine Arme und sah in die Runde, dabei gab er Aidan einen vielsagenden Blick. Der stieß nur erneut Luft aus und stopfte seine Hände angespannt in die Jackentaschen. „Wir sind blank, wir haben nichts", murrte er. „Das war's - wir haben ihn endgültig verloren und finden ihn nie wieder."
Linus verdrehte die Augen. „Seit wann so melodramatisch, Aid? Wir finden ihn schon. Ich mein, er kann ja nicht allzu weit weg sein, oder? Und in Luft auflösen kann er sich erst recht nicht." Aufmunternd klopfte er ihm gegen die Schulter und schenkte ihm ein aufbauendes Lächeln. Aidans Körperhaltung lockerte sich nun etwas und er seufzte: „Ich mache mir halt nur Sorgen, okay? Es tut mir leid, was ich vorhin gesagt habe, also, dass ihr daran Schuld habt, dass er nicht mehr hier ist. Ich bin einfach nur frustriert, sorry."
„Ich bin auch nicht glücklich; Linus und Eliza sind es bestimmt auch nicht", sagte dann Fynn, „aber wir müssen uns zusammenreißen. Es ist ja nicht so, als würden wir komplett ohne irgendwas dastehen." Aidan hob einen Mundwinkel und nickte. „Stimmt, wir haben 'nen Zettel."
„Zwei!", warf ich ein und hielt den anderen hoch. Linus nickte, grinste und machte auf das Offensichtlichste klar: „Und es besteht die Chance, dass Lucky Vi bei ihm ist."
Aidan nickte und lächelte nun ein wenig heiterer gestimmt.
„Wie gehen wir am besten vor?", fragte er, schon viel weniger demotiviert. Ich zuckte mit den Schultern. „Wo würdet ihr hingehen, wenn ihr sie wärt?" Eigentlich würde die Wohnung ja für drei reichen, insofern zwei bereit sind, sich ein Bett zu teilen oder einer von ihnen auf dem Sofa schläft. Allerdings wirkt es nicht so, als würden sie sich hier aufhalten.
„In der Gegend gibt es eigentlich nur Wohnungen in der Größe, mein ich", antwortete Aidan.
„Dann sollten wir irgendwo anders suchen und nach Vis Logo Ausschau halten", schlussfolgerte ich.
„Also einfach herumirren und aufs Beste hoffen?", hinterfragte Linus. Mir kam die Taktik ebenfalls seltsam vor, aber uns blieb nichts anderes übrig. Letztlich habe ich genau dasselbe mit dem Logo der „Young Rebellion" gemacht. Aber angesichts der Tatsache, dass das nicht so erfolgreich ausgegangen ist und ich die Jungs nicht demotivieren wollte, verschwieg ich dies lieber. Gerade Aidan schien sowas nicht zu hören brauchen.
„Wir können natürlich auch hierbleiben und Däumchen drehen", entgegnete Fynn auf Linus Frage. Dieser rollte die Augen. „Ich hab doch nur gefragt. Kein Grund gleich so bissig zu sein." Aidan schaltete sich ein, bevor sich die zwei weiter anzicken konnten: „Wir sollten bald losgehen. Wer weiß wo sie schon sind?"
„Ich würde vorschlagen, dass wir uns aufteilen", empfahl Fynn. „An sich 'ne gute Idee", meinte Linus, „aber wie teilen wir uns auf? Eliza kennt sich hier gar nicht aus und du und ich können auch nicht wirklich gut Auskunft geben."
Fynn erklärte sich: „Ich hatte auch nicht daran gedacht, dass wir alle jeweils alleine gehen. Du und Aidan suchen zusammen und ich suche mit Eliza." Linus und Aidan sahen sich misstrauisch an. Ich hätte erwartet, dass zumindest einer der beiden dagegen protestieren würde, aber es blieb nur bei dem Blick. Sie stimmten beide zu, auch wenn sie ganz offensichtlich nicht begeistert von der Idee waren. Wir vereinbarten, dass wir spätestens zur Dämmerung wieder in der Wohnung sind und machten uns auf den Weg.
Fynn und ich waren vielleicht zwei oder drei Straßen von der Wohnung entfernt, als er meinen Arm packte, eine 180 Grad Wende machte und eilig zurücklief. „Was zum- Was hast du vor?", fragte ich den Blonden, während ich meinen Arm aus seinen Griff löste. „Du hast die ganzen Zettel auf dem Tisch doch auch bemerkt, oder nicht?" Ich nickte, verstand aber noch immer nicht ganz. „Du hättest auch einfach die Zettel dort lesen können. Warum das hier?"
„Aidan benimmt sich einfach nur seltsam und vielleicht kommen er und Linus hinterher besser miteinanderklar", meinte Fynn. Er hatte recht, Aidan verhielt sich wirklich auffällig, aber ist es nicht ein bisschen link, ein Ablenkungsmanöver zu starten? Ich wies ihn darauf hin: „Na ja, deshalb die beiden anlügen und hinter ihren Rücken weiterzusuchen, ist nicht gerade so toll, meinst du nicht?"
„Irgendwie müssen wir ja an die Infos kommen; ich bin mir sicher, dass Aidan uns nicht so einfach alle Zettel hätte anschauen lassen. Außerdem ist das „Ablenkungsmanöver" ja auch hilfreich. Also, kommst du jetzt mit oder nicht?" Man merkte ihm die Besorgnis und zugleich auch die Neugier an und ich meinte auch eine Spur Verzweiflung aus seiner Stimme herauszuhören.
Ich seufzte und willigte ein. Die Aktion ist unfair Aidan und Linus gegenüber, aber was für eine andere Wahl hatte ich? Fynn würde auch ohne mich zurückrennen und ohne ihn würde ich mich hier nur verlaufen. Außerdem waren die Zettel auch vorhin da, wir hätten sie also eben schon lesen können. Aidan hätte sagen können, dass er möchte, dass wir sie in seinem Beisein lesen.
Stillschweigend gingen wir nebeneinander her. Ich fragte mich, was wohl Linus und Aidan gerade machten. Klar, sie suchen nach Lucky Vis Zeichen, aber sprachen sie miteinander? Stritten oder prügelten sie sich wieder? Womöglich klärten sie ihre Differenzen gerade. Vielleicht schweigen sie auch nur, so wie Fynn und ich.
Gerade, als ich das dachte, brach er die Stille zwischen uns: „Weißt du, es ist auf seltsame Weise komisch die beiden so zu sehen, aber auch irgendwie nicht. Ich kann es nicht beschreiben." Sein Körperhaltung war nicht so gerade wie sonst und er sah auf den Boden mit einen gewissen Hauch an Nostalgie in den Augen.
Aufmunternd legte ich meine Hand an seinen Arm. „Sie werden sich schon wieder verstehen. Beide sind letztlich wegen desselben Grunds wütend auf einander. Der eine hat vielleicht einen für uns nachvollziehbareren Grund als der andere, aber sie sind beide wieder da und sie wissen beide, was falsch gelaufen ist." Fynn stieß etwas Luft aus und nickte. „Ist ja auch richtig, aber beide tun so, als wäre der andere schlimmer gewesen und es fühlt sich einfach so an, als würden sie nicht verstehen, dass ich es war, der von uns dreien in Stich gelassen wurde. Also, ja, Linus wurde von Aidan auch in Stich gelassen, aber dann hat er mich in Stich gelassen, und das geht einfach nicht in meinen Kopf, verstehst du?" Er schüttelte sachte seinen Kopf. „Eigentlich finde ich das Verhalten von beiden gleich schlimm, nur - wie ich es ja schon mal gesagt habe - tat Aidan nicht so, als müsste ich ihn mit offenen Armen begrüßen. Aber das ist mal wieder typisch Linus. Er war schon immer etwas zu selbstbewusst und obwohl Aidans Ego auch zur Selbstüberzeugung neigte, war er sich über seine Fehler besser bewusst. Ach, ich weiß auch nicht... Sie sind sich so ähnlich und dann doch komplett anders."
Aufmerksam hörte ich ihm zu. Er musste sich wohl einiges von der Seele reden.
„Ich glaube, dass es an Aidans Eltern liegt", mutmaßte der Blonde nun. „Würde Sinn ergeben, immerhin erzieht jedes Elternpaar ihr Kind anders." Er nickte. „Aidans Eltern waren ziemlich streng manchmal und - wenn ich ehrlich bin - dann glaube ich, dass er selber nicht so zufrieden mit ihnen war. Zumindest mit seinem Vater nicht. Er hatte einige Vorstellungen von dem, was ein Sohn ist und wie er sich verhält."
Mittlerweile befanden wir uns schon im Hausflur und betraten gerade die Wohnung. „Gehst du in sein Schlafzimmer?", fragte mich Fynn. „Ich schaue in das seiner Tante mal nach."
Ich ging in Tristans Zimmer und griff nach den Zetteln auf dem Schreibtisch. Auf einigen standen ein paar Sätze, auf anderen bloß vereinzelte Wörter oder kleine Kritzeleien.
„Ich vermisse ihn", hatte er am häufigsten geschrieben und mir fiel direkt auf, wie zittrig er es geschrieben hat. Auf einen der Zettel waren einige Wasserflecken und viele Wörter waren mehrfach durchgestrichen, sodass ich sie nicht entziffern konnte.
„Manchmal", hatte er auf ein anderes Blatt geschrieben, „kann ich nicht aufhören, an ihn zu denken, einfach nur, weil wir so viel Zeit hier verbracht haben. Ich fühle mich in dem einen Moment an allen schuldig und im nächsten möchte ich einfach nur noch heulen, so wütend bin ich auf ihn. Ich habe einfach Angst, dass ich nicht doch zu hart zu ihm war. "
Er hatte die Zeilen mit wirren Kreisen und Strichen verziert, und auch auf dem dritten Blatt waren solche Zeichnungen, jedoch war die Tinte, sowohl von den Bildern, als auch von dem Text, durch Wasserflecken aufgeweicht und unleserlich gemacht worden.
„Ich hätte es ihm früher sagen sollen. Ich hätte es allen schon längst sagen sollen. Dann wäre das alles erst gar nicht passiert! Ich bin ein schrecklicher Freund! Ich hätte gar nicht erst mit ihnen gehen sollen, das alles ist ein einziger Fehler gewesen."
Alarmiert von dem, was ich gelesen hatte, rief ich nach Fynn. Sofort kam er zu mir. Wortlos reichte ich ihm die Zettel, auf denen Tristan seine Gedanken niedergeschrieben hatte. Während er sie las, dachte ich darüber nach, wie verzweifelt diese Worte klangen. Was auch immer da vorgefallen ist, es hat Tristan enorm psychisch belastet und es belastet ihn vermutlich immer noch.
Fynns Mine nahm immer besorgtere Züge an, je mehr er las. Er hielt sich die Stirn und nuschelte irgendwas Unverständliches. „Du denkst dasselbe wie ich, oder?", vergewisserte ich mich. Schlagartig war mir verdammt unwohl.
„Es muss ihm beschissener als beschissen gehen", murmelte er. Ich nickte und blätterte durch die noch ungelesenen Zettel. Auf dem einen war ein Portrait skizziert. Es war nicht herausragend und auch noch nicht fertig, aber die Haare erinnerten mich an Aidans. „Es tut mir so leid", stand neben einer Regenwolke, etwas weiter unter dem Kopf. Er hatte einige Songverse daneben hingeschrieben: „That cold black cloud is comin' down" „It's been so lonely without you here. Like a bird without a song. Nothing can stop these lonely tears from falling"
Ich zeigte Fynn auch dieses Blatt. Langsam kam in mir ein Verdacht auf. Er überflog es schnell.
„Weißt du", fragte ich ihn dabei, „wie nah sich die beiden standen?" Er zuckte mit den Schultern, schien noch etwas neben der Spur zu sein.
„Keine Ahnung. Sie waren halt befreundet und so, und sie haben auch ein paar Interessen geteilt, aber ich würde schon sagen, dass Aidan mehr mit Linus gemacht hat."
„Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass Tristan auf Aidan stand?" Fynns Augenbrauen zogen sich dezent zusammen und er kratzte sich am Kinn. Dann sah er auf den Zettel in seiner Hand und lächelte. Es wirkte zwiegespalten und ich konnte es nicht ganz deuten.
„Sieht danach aus, was?", meinte er. Seine Stimme klang irgendwie traurig und auch sein Lächeln wirkte nicht allzu fröhlich, aber es wirkte in keinster Weise aufgebracht.
„Alles gut?", fragte ich ihn. Er nickte eilig, sah aber noch immer nicht so aus.
„Ich- ich dachte nur", gestand er dann, „weißt du - wir kennen uns schon so lange - ich weiß nicht... Also, ich habe halt gedacht, ich weiß alles über meine Freunde, wenn du verstehst?" Ich nickte.
„Aber es hat sich eigentlich nichts verändert." Fynn stimmte zu: „Ja, stimmt. Ich frag mich halt nur, warum er nichts gesagt hat. Glaubst du, er hatte Angst, wie wir reagieren würden?"
Ich holte tief Luft. Das konnte ich nicht beurteilen, immerhin kannte ich sie damals nicht und auch heute kenne ich sie zu wenig, um eine Vermutung dazu zu äußern; aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Tristan es nicht böse meinte. Ich sagte das Fynn, er nickte und Stille breitete sich aus.
Auf einmal war seine niedergeschlagene Stimmung wie verpufft: „Vielleicht interpretieren wir auch nur zu viel hinein" Woher kam diese plötzliche Leugnung und neue Energie her?
„Nur Aidan und Tristan wissen, was genau passiert ist. Wir sollten da nicht zu viel herumschnüffeln." Er ging aus dem Zimmer raus und lief auf die Wohnungstür zu. „Ich sollte einfach Aidan hinterher gehen und ihn mal fragen." Sofort holte ich ihn auf und versuchte ihn davon abzuhalten. „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Wir sollten besser hier bleiben und warten, bis sie zurückkehren. Dann kannst du ihn immer noch fragen." Fynn ließ sich mit dem Rücken an die Wand fallen und fuhr sich durch seine Haare. „Ich will wissen, was passiert ist und wenn wirklich zwischen ihnen was war, dann würde ich gerne wissen, warum sie uns nichts gesagt haben. Ich verstehe es nämlich nicht ganz."
„Es könnte doch sein, dass sie einfach keine große Sache daraus machen wollten. Was auch immer es ist, du wirst es schon noch erfahren. Versuch einfach nicht mehr darüber nachzudenken."
Er schnaubte und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Wenn sie keine große Sache daraus machen wollten, dann hätten sie sich anders verhalten. Aber womöglich hast du recht... Ich bin nur nicht immer der Geduldigste."
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Wahnsinn, es fühlt sich schon so lange her an, dass ich das letzte Kapitel hochgeladen habe, dabei ist noch nicht mal ein ganzer Monat vergangen... xD
Was denkt ihr über Elizas Vermutung?
Wie inmer hoffe ich, dass euch dieses Kapitel gefallen hat und wünsche euch einen schönen Abend! :D
LG LMS
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