Kapitel 11 《Little Lies》Eliza
Der nächste Morgen war etwas seltsam.
Als ich wach wurde, war Fynn noch am schlafen und Aidan war bereits wach. Er hatte ein Fenster geöffnet und saß auf der Fensterbank. Seine Beine ließ er nach draußen baumeln. Geistig abwesend blickte er nach unten. Wir befanden uns im zweiten Stock - er müsste nur unglücklich auf den Boden aufkommen und dann wär's vorbei mit ihm.
Um ihn nicht zu erschrecken und damit keinen Sturz zu riskieren, machte ich mit einem gespielten Gähner darauf aufmerksam, dass ich wach bin. Aidan drehte sich mit dem Kopf zu mir und nickte mir zu. „Morgen", murmelte er dabei. Ich grüßte ihn ebenso zurück und stand auf. „Ich dachte du wolltest früh gehen?", fragte ich den Braunhaarigen Jungen. „Nicht ohne mich zu verabschieden", antwortete er.
Und dann herrschte Stille. Es war eine unangenehme Stille, die sich da zwischen uns ausgebreitet hat und ich hoffte so sehr, dass Fynn bald aufwachte. Nicht, weil Aidan gehen soll, sondern weil er wüsste, ob und wie man ein Gespräch mit Aidan anfängt.
Glücklicherweise regte er sich nach einer kurzen Zeit der Stille. Grinsend sah ich ihn an. „Guten Morgen Schlafmütze!"
Er grummelte irgendwas, richtete sich dann aber auf. Aidan ging vom Fenster weg, zog seinen Rucksack über eine Schulter und strich sich ein paar seiner welligen Strähnen aus dem Gesicht. Wollte er jetzt etwa gehen? Direkt nachdem sein Freund aufgewacht ist?
Fynn kniff seine Augen zusammen und sprach meinen Gedanken aus: „Haust du jetzt ab?" Aidan zuckte mit den Schultern und nickte anschließend. „Bin dann auch früher wieder da", brummte er. Seufzend erhob sich Fynn und ging auf den Jungen mit Rucksack zu, um ihn zu umarmen. „Bis nachher." Aidan klopfte ihm auf den Rücken und erwiderte die Verabschiedung, nicht ohne leicht zu lächeln. Nachdem sie sich wieder gelöst hatten, verabschiedeten wir beide uns voneinander.
Fynn streckte sich und ließ sich danach wieder auf sein Sofa fallen. „He, was wird das denn?", rief ich. „Noch fünf Minuten bitte...", bettelte er. „Wir haben noch einiges vor uns", entgegnete ich kopfschüttelnd. Fynn gab nach und stand wieder auf. „Also, wo müssen wir noch alles gucken?" Er gab nachdenkliche Geräusche von sich und zählte dann das andere Lehrerzimmer über uns, ihre zwei alten Klassenzimmer und den Gemeinschaftsraum der Oberstufe auf. Nach einen kurzen Blick auf den Feuerschutzplan, auf welchem praktischerweise Bezeichnungen wie „Lehrerzimmer I" und „Lehrerzimmer II" standen, beschloss ich, dass wir zuerst dem anderem Lehrerzimmer einen Besuch abstatten und dann die zwei Aufenthaltsräume inspizieren. Die zwei Klassenzimmer von ihnen müsste mir Fynn zeigen, denn logischerweise waren diese nicht mit „alte Klasse von Fynn und Co." gekennzeichnet.
Ich erzählte Fynn von meinem Plan und er stimmte zu. „Unser Klassenraum von der Siebten bis zur Achten ist in einem anderen Gebäude, aber das, was wir eigentlich bis zur Zehnten behalten sollten, ist hier. Müsste nicht weit vom oberen Lehrerzimmer entfernt sein."
„Sollen wir dann nach dem Lehrerzimmer erstmal da vorbeischauen?" Fynn schüttelte den Kopf. „Wenn ich ehrlich bin, dann ergibt es eigentlich gar keinen Sinn in den Klassenzimmern zu schauen", entgegnete er, „weil: was ist denn schon groß dort? Außer Stühle, Tische und Schränke mit Kreide und langweiligen und veralteten Sachbüchern ist da ja nichts drin." Da hatte er zwar recht, aber vielleicht versteckte sich Tristan gerade deswegen dort? Ich schlug vor, dass wir ja zumindest im letzten Klassenzimmer kurz den Kopf reinstecken könnten, vorausgesetzt, die Tür geht auf. Damit war er einverstanden und schon gingen wir die Treppe im Flur hoch.
Wir waren vielleicht gerade mal eine halbe Stunde lang im Lehrerzimmer, als wir lautes Trampeln vom Flur hörten. Fynn legte seinen Finger auf seine Lippen und bedeutete mir, mich unter einen der Tische zu verstecken. Sofort tat ich, was er mir sagte, und auch er rutschte unter den langen Tisch.
Es wäre gelogen, würde ich sagen, dass ich mir keine Sorgen gemacht hatte, aber tatsächlich war ich nicht so ängstlich wie ich es früher gewesen wäre. Es muss daran liegen, dass ich Fynn bei mir hatte. Er ist echt wie ein großer Bruder, der auf mich aufpasst.
Vorsichtig zog ich meinen Rucksack aus und öffnete ihn leise. Fynn drehte sich augenblicklich zu mir und Ratlosigkeit lag in seinem Blick. Langsam holte ich die Pfanne, die ich vor einigen Tagen habe mitgehen lassen, hervor und umgriff sie. Fynns Augen weiteten sich, er grinste und zeigte mir einen Daumen hoch. Ganz dumm und naiv bin ich dann doch nicht; wenn ich schon eine Waffe dabei habe, kann ich mich ja zumindest mit ihr ausrüsten. Heißt ja noch lange nicht, dass ich sie benutzen werden muss.
Jedenfalls hoffte ich das inständig.
Zum Glück kam meine Pfanne nicht zum Einsatz, denn als wir ein lautes „Fynn? Mädchen?" vom Flur brüllen hörten, erkannten wir sofort, dass es sich um Aidan handelte, der so wahnsinnig geräuschvoll ging. Hatte er sich ernsthaft nicht meinen Namen gemerkt?
Voller Erleichterung seufzten wir und während ich meine Pfanne wieder wegsteckte, brüllte Fynn, wo wir waren. Vielleicht zwei Sekunden später wurde die Tür vom Lehrerzimmer aufgerissen und ein schnell atmender Aidan stand in ihr. Ihm war deutlich anzusehen, dass er geladen war, so wie seine Augenbrauen zusammengezogen waren und wie seine Augen funkelten. „Ihr glaubt nicht wem ich begegnet bin!"
Sein Blick fiel auf uns und die Wut verschwand. „Was zur Hölle macht ihr bitte unter dem Tisch und weshalb hat die eine Pfanne dabei?" Fynn krabbelte vom Tisch raus und stöhnte. Ich hatte noch mit der Pfanne zu kämpfen, die par tout nicht wieder zurück in meinen Rucksack wollte. „Lass die doch einfach draußen", riet mir Fynn nun, bückte sich zu mir und reichte mir seine Hand. Widerwillig nahm ich sie, kam auch vom Tisch hervor, stopfte die Pfanne in den Rucksack und machte diesen so weit zu, wie es eben ging, mit dem Griff in die Luft ragend.
„Wir dachten du wärst irgendeiner, der uns überfallen will", erklärte Fynn. „Erzähl, wer ist dir begegnet?" Aidan ballte seine linke Hand zur Faust und da war sie wieder, die Wut von vorhin. „Ich hab einen kurzen Abstecher zur Hütte von un- von dir gemacht und hab Linus dort herumlungern gesehen." Erstaunt riss ich die Augen auf. Na wenn das keine Überraschung ist. Fynns Miene verdunkelte sich, doch er wirkte nicht so aufgebracht wie Aidan. „Und dann?", fragte er den Braunhaarigen recht nüchtern. „Na was wohl? Er war supidupi gut gelaunt, sobald er mich entdeckt hat und fiel mir um die Arme, hat sich darüber ausgeheult, wie sehr es ihm Leidtut und dass er sich so schlecht fühlt und was weiß ich." Entnervt rollte er mit den Augen. „Dass ihr euch nicht direkt abgeknutscht habt is-" Aidan schnitt Fynn das Wort ab: „Jedenfalls hat er mich gefragt was ich denn hier tun will, woraufhin ich ihm antwortete, dass ich ihn das ja auch fragen könnte und warum er nicht bei seinen scheiß Peipmätzchen ist. Das hat ihn sehr getriggert. Versteht sich wohl mit seinen Artgenossen nicht mehr so gut." „Er hat sie verlassen", sprach ich rein. Aidan sah perplex zu mir, so als hätte er meine Existenz innerhalb der wenigen Sekunden schon wieder vergessen. „Wieso- Egal. Kannste ja nachher sagen-" „Eliza" „Ja, genau. Wie auch immer... Unser armer Lin hatte wohl einen blöden Tag, weil er sehr schnell gereizt wurde. Was fragt er mich auch wieso ich da bin?" Fynn schüttelte den Kopf und erinnerte Aidan daran, sich kurz zu fassen: „Komm zum Punkt, wir haben noch eine Menge vor."
„Wir gerieten aneinander: Du kennst ihn ja, er ist sturköpfig und fragte immer wieder, warum ich dort sei, wo denn mein Anhang wär und wo du bist." „Und was hast du ihm gesagt?", fragte Fynn neugierig. „Lass mich doch ausreden! Ich meinte nur, dass er mich mal kann und selber schön zu seinen Aasgeiern zurückflattern soll. Als ob ich ihm sage, wo ihr seid! Wir hätten uns fast geprügelt - Aber nur fast! Er hat dann doch irgendwann eingesehen, dass es keinen Sinn hätte."
Fynn ließ einen lauten Stoß Luft aus und fuhr sich durch die Haare. „Er war schon immer hartnäckig", murmelte er. Aidan nickte. „War immer ganz gut, wenn wir dich und" Er stockte kurz. „Wenn wir dich und Tristan zu etwas Spaß überreden mussten. Das hier ist aber nicht mehr die Schulzeit."
„Ahh, ich wünschte es wäre so", kam es vom Flur. Mein Herz zuckte so sehr zusammen!
Linus stieß sich von der Säule, an der er sich angelehnt hatte, ab und schlenderte auf uns zu. „Das Gebäude passt ja schon mal."
Aidan sah ihn so finster an, dass ich mir schon ausmalte, wie sie gleich vor uns liegen und sich einen Schlag nach dem anderen gaben.
„Ich hab schon mitbekommen, dass du ein Vollzeit-Arschloch geworden bist, aber ich hätte dir echt nicht zugetraut, mir zu folgen", fauchte Aidan. Linus verschränkte die Arme vor seiner Brust und schnaubte auf. „Sagt ja der Richtige!" Er sah jetzt zu Fynn und mir und fing an zu grinsen. „Hey, dich kenn ich! Du warst... Ella, oder?" „Eliza", korrigierte ich. „Ah, ein Alias, sehr clever. Scheint so, als wärst du hier die Intelligenteste. Aidan versteht sich von jetzt auf gleich nicht mehr mit Freunden, verschweigt alles und haut dann ab, Fynn nimmt keine ernstgemeinten Entschuldigungen an, verbündet sich aber dann mit dem, der nicht mal einen Grund für sein Verschwinden gibt. Irgendwie scheint da nicht mehr was zu stimmen, im Kopf." Ich wollte gerade etwas entgegnen und beide verteidigen, doch das konnten die Betroffenen selber gut: Der eine gab nur ein geschocktes „Was" von sich, der andere lachte verächtlich auf. „Und dein toller Grund war?" Fynn antwortete für Linus: „Er war verzweifelt und hatte Angst." Dabei versuchte er ihren Freund mit lauter Sommersprossen im Gesicht nachzuahmen. „Oh ja, das sind gute Gründe, seinen einzigen Freund in Stich zu lassen. So weise und tiefgründig."
„Ich hab mich dafür entschuldigt! Verdammt, ich weiß doch selber wie unfassbar arschig das war, aber was sollte ich denn sonst machen?" Linus erhob seine Stimme. „Ach ich weiß auch nicht", spielte Aidan unwissend. „Vielleicht einfach bei dem letzten Freund bleiben?! Aber warum nur? Gibt ja auch ganz tolle Leute da draußen, denen man sich anschließen kann. Ganz ehrlich, ich kann verstehen warum er dir nicht verzeiht. Einmal hast du ihn schon in Stich gelassen - Wer weiß, ob du es nicht ein zweites Mal tun würdest?"
„Haltet eure Klappen!", brüllte Fynn jetzt. „Ihr seid alles solche Vollpfosten! Nicht mal das beschreibt es, was ihr seid! Idioten! Dummköpfe! Deppen! Hirnamputierte Wichser! Der eine bleibt stumm, sagt nichts, lässt nichts von sich hören oder blicken, kommt aber dann zurück und will dann eine zweite Chance" Er zeigte jetzt mit seinem Finger auf Aidan. „Nebenbeigemerkt hast du dich kein einziges Mal entschuldigt! Und du" Jetzt zeigte er auf Linus. „Du bist einfach weggewesen! Dein Scheißzettel interessiert mich nicht! Denkst du ernsthaft, ich verzeihe dir sofort, nachdem du dich einfach über Nacht aus dem Staub machst, etwas Vorrat mitnimmst, auf 'nem beschissenen Zettel „Ich muss weg. Tut mir leid" schreibst, anderthalb Jahre später zurückkommst, so tust als wärst du nur kurz im Urlaub gewesen und erwartest, mit offenen Armen begrüßt zu werden? Wie sehr müssen diese Adler dein ohnehin schon viel zu großes und Ich-bezogenes Ego mit ungesundem Selbstbewusstsein gefüttert haben, dass du dir jetzt einfach erlaubst, mich anzubrüllen, ich solle dir verzeihen, Aid anzufahren, dass er ja der schlimmste Mensch auf Erden sei und dann noch gleichzeitig herum zu jammern, dass du ja keinen mehr hast und mein Vertrauen wieder haben willst?! Ich raff euch beide nicht! Wie-"
Fynn war in voller Fahrt und schrie, was das Zeug hält, doch Aidan unterbrach ihn, ehe ich einschreiten konnte: „Es ist einfach nur bemerkenswert, wo wir angekommen sind. So ehrlich waren wir lange nicht mehr zu uns. Danke, Fynn."
„Nein, ich-"
„Nicht dein verdammter Ernst! Schuldgefühle machen, um Zusammenhalt zu erschleichen? Hast du sowas echt nötig?" Aidan stürmte auf Linus zu und holte schon zum Schlag aus, doch Linus war darauf vorbereitet und stieß ihn wieder von sich. Jetzt wollte er ausholen und Aidan eine reinhauen, doch Fynn wollte auch ein Wörtchen mitreden: Er schubste erst Linus, dann Aidan, wollte wahrscheinlich damit bezwecken, dass es nicht zu einer Schlägerei zwischen den ehemals guten Freunden kommt, erreichte aber damit nur, dass sie sich auf ihn stürtzen.
Geistesgegenwärtig stellte ich mich zwischen die drei. „Dass man sich direkt die Köpfe einhauen muss!", schimpfte ich. „Seid ihr Kindergartenkinder oder was?!" Ich sah jeden der Jungs für eine kurze Zeit verärgert an und irgendwie rechnete ich damit, dass sie synchron „Er hat angefangen!", rufen würden, doch es kam nicht. Ein bisschen Vernunft besaßen die drei dann wohl doch.
Nachdem alle nicht mehr so angespannt dastanden und Aidan seine Fäuste senkte und seine Hand wieder öffnete, atmete ich tief ein und lockerte mich auch wieder. „Und jetzt nochmal ruhig", sagte ich.
„Er hat doch angefangen!"
Vergesst das mit der Vernunft...
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Hey hey!
Ein neues Kapitel auch diesen Monat, denn das nächste ist schon fertig und so kommen wir ein bisschen schneller mit der Story voran. ^^
Hoffe es gefällt euch. :D
Nächste Woche beginnt bei mir die zweite Klausurrunde und diesmal schreibe ich einige Fächer mehr, als bei der ersten Runde. 'xD
Aber das wird schon. :)
Einen schönen Abend euch!
LG LMS☆
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