
90. Kapitel
Als wir das kleine Städtchen erreichen, muss ich zugeben, dass es gut tut, endlich wieder zuhause zu sein. Trotzdem kann ich die Zweifel, die an mir nagen, nicht aus meinem Kopf verbannen und auch das Gesicht von Adriana zeigt, dass irgendwas hier gewaltig schief läuft.
„Was ist los?", frage ich, während wir dem Städtchen immer näher kommen. Bis zur letzten Kreuzung sind wir mitgenommen worden, doch ab dann wollte Adriana gehen.
„Nichts", antwortet sie schnell, zu schnell, während sie wieder über ihr Alpha-Zeichen streicht. Ich bleibe stehen, sehe sie erwartend an und verschränke die Arme vor der Brust, da ich diese Lüge auf jeden Fall erkenne. „Es ist seltsam, wieder hier zu sein", rückt sie nach einigen Sekunden mit der Sprache raus, wobei ich sie voll und ganz verstehen kann, und nicke einfach nur, ehe wir unseren Weg fortsetzen. Schon bevor wir das Städtchen auch nur erreicht haben, erklingen aufgeregte Rufe zu uns und schon nach wenigen Sekunden scheint sich die Nachricht unserer Rückkehr überall verbreitet zu haben. Genau in dem Moment, als wir die Grenze überschreiten, sind wir schon von Menschen umringt. Während die meisten Adriana begrüßen, halte ich mich ein wenig zurück, gehe auf ein paar Schritte Entfernung und mustere das Schauspiel, das mir dargeboten wird. Selbst, wenn sie grade erst angekommen ist und förmlich überfallen wird, hat sie trotzdem genug Ruhe, jeden einzeln zu begrüßen, sich kurz nach dem Wohlbefinden zu erkundigen und dabei noch eine mächtige Ausstrahlung zu haben. Sie war schon immer die geborene Anführerin und unser alter Alpha wusste das ganz genau.
„Scott! Schön, dich wiederzusehen", werde ich auf begrüßt und drehe mich zu der Stimme hinter mir um.
„Niklas", begrüße ich ihn freudig und kann mein Grinsen nun nicht mehr verbergen. Nach einer kurzen Umarmung richten wir unsere Blicke wieder auf Adriana und die Menschenmenge. „Glaubst du, wir sollten wir helfen?", überlege ich nach einiger Zeit, da Adriana ein kleines bisschen überfordert wirkt.
„Nö", antwortet Niklas nach kurzem Zögern, dreht sich zu mir und schlägt vor, „Was hältst du davon, wenn wir zu mir nach Hause gehen und du mir erzählst, was passiert ist?" Ich werfe noch einen kurzen Blick zu Adriana und kann ein Grinsen nicht unterdrücken, als ich sein Angebot mit einem Nicken annehme. Zu zweit machen wir uns auf den Weg und gehen zu Niklas' Haus, in dem er wohnt. Zwischenzeitlich habe ich auch bei ihm gewohnt, aber irgendwann ist uns beiden klar geworden, dass wir nie zusammen wohnen könnten. Beste Freunde ja, zusammen wohnen nie im Leben. Schon direkt im Flur werden wir von seiner typischen Unordnung empfangen, wo er sogar noch schlimmer ist, als Adriana. Während Niklas kurz in die Küche geht, kämpfe ich mich vor bis zum Wohnzimmer und schaufel auf der Couch ein bisschen Platz.
„Wie kannst du hier drin leben?", frage ich ihn, als er mit einem Teller Süßem wiederkehrt.
„Ich tu's einfach", antwortet er mir mit einem Grinsen und lässt sich neben mir nieder, „Also, was ist besonderes passiert?" Ich zögere kurz, als ich seinen erwartenden Blick auf mir spüre und überlege, ob ich ihm wirklich die ganze Wahrheit erzählen soll. Aber andererseits wird er es wahrscheinlich irgendwann herausfinden.
„Sowohl Adriana, als auch ich haben unsere Mates gefunden", gebe ich ihm eine ehrliche Antwort, wobei ich die Worte sofort bereue, als sie meine Lippen verlassen. Wieder muss ich an Lenya, an ihre Stimme und ihr Lächeln denken.
Niklas' Gesicht hellt sich auf und mit einem freudigen Aufschrei erkundigt er sich: „Das ist ja super. Wann lerne ich deine Mate kennen? Sie ist wahrscheinlich atemberaubend."
„Nie, du wirst sie nie kennen lernen", antworte ich mit leiser Stimme und nehme all meinen Mut zusammen, „Sie ist tot." Erschrocken blickt er mich an, unfähig irgendwas zu sagen.
„Das tut mir so leid", meint er nach einigen Sekunden mitleidig. „Was ist mit ihrem Mate?", hakt er schließlich nach, wobei ich auch ein kleines bisschen froh über diesen Themenwechsel bin.
„Ich weiß nicht, wieso sie ihn dort zurückgelassen hat, aber in letzter Zeit erzählt sie mir generell weniger, wobei ich merke, dass sie mir irgendwas verheimlicht", erzähle ich ihm von meinen Sorgen, die mich in letzter Zeit immer öfters plagen.
„Du kennst doch Adriana. Entweder sie wird irgendwann zu dir kommen und dir ihr Herz ausschütten oder sie schafft es, alle Probleme zu lösen. Adriana dazu zu bringen, dir etwas zu erzählen, was sie nicht möchte, ist unmöglich. Das weißt du doch", erwidert Niklas, wobei er vollkommen Recht hat. Selbst, wenn ich manchmal am liebsten mehr für Adriana tun möchte, so weiß ich, dass es nicht gibt. „Aber dich beschäftig doch noch irgendwas", bemerkt er und ich finde es immer wieder erstaunlich, wie gut er mich kennt.
Ich zögere kurz, ehe ich ihm die Wahrheit von unserem Gespräch während des Fluges erzähle: „Sie will mit mir das Materitual vollziehen."
Erschrocken sieht Niklas mich an, bis er schließlich meint: „Sie will deine Mate werden? Aber für ihren Mate wird es sich dann doch anfühlen, als ob sie gestorben sei."
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