Das Bündnis | Tag 4
»Wir sind keine Karrieros, musst du wissen. Aber auch wir wollen das Ding hier gewinnen.«
Es war der Schrei, der sie weckte. Ein ferner Donnergroll bestätigte, dass es sich nicht um einen Traum handelte. Aufrecht saß Këila Moran auf ihrer Übernachtungsstätte. Schwer atmend lauschte sie, ob eine Kanone folgte. Tatsächlich wurde sie nicht enttäuscht. Hektisch packte sie ihr Zeug zusammen und eilte aus der Höhle, in welcher sie am Vortag Unterschlupf gesucht hatte. Wieder einer tot. Wer das wohl sein mag?, dachte sie und entfernte sich, so schnell ihre Beine sie nur trugen von ihrer Höhle. Ob da jemanden war? Oder ein Tier?, ging es ihr durch den Kopf. Doch den Gedanken stritt sie noch im selben Moment ab. Das Donnergrollen war bestimmt am Tod des Tributes beteiligt gewesen. Es wäre schon ein verdammter Zufall, wenn es nicht so wäre. Zufälle sind hier in der Arena ungefähr so häufig wie ein Fisch in der Wüste.
Erst als sie sich sicher war, genug weit vom Donnergrollen weg zu sein, liess sie sich nieder und trank einen Schluck aus ihrer Flasche, die sie beim Fülhorn erbeutet hatte. Auf dich Elaine. Auf dich und deine Kletterkünste, dachte sie und konnte sich ein hämisches Lachen nur schwer unterdrücken.
Die Kanone hatte alle wach gerüttelt. Wie ein Kübel eiskaltes Wasser war es über sie hergefallen. Nun konnte kaum einer mehr die Augen schließen.
„Wer denkt ihr war das?", fragte Joshua Lohe standhaft.
„Hoffentlich einer der Karrieros", antwortete Paula. Zweifelsohne sollte dies als Scherz gemeint sein, doch niemand konnte wirklich darüber lachen.
Luna Baker stand abrupt auf. „Wasser holen", nuschelte sie und ging mit den Literflaschen davon. Paula legte die Stirn in Falten.
„War mein Witz so dumm?", fragte sie.
„Ja", sagte Joshua. „Aber sieh's positiv: Gute Witze erzählen ist eine schwere Kunst."
Während Paula eine handvoll Kieselsteine nach ihm warf, eilte Lenja Luna besorgt hinterher.
„Alles in Ordnung?", fragte sie, als sie Luna erreicht hatte. Diese saß schweigend vor dem klaren Wasser und füllte die Wasserflaschen auf.
„Klar", sagte sie knapp und lächelte. Doch das Lächeln sah gequält aus. Lenja beschloß, nicht weiter nachzufragen und half, die restlichen Wasserflaschen aufzufüllen.
Als sie wieder bei den anderen waren, kniete sich Luna neben Gwen nieder und gab ihr eine der Wasserflaschen. Durch das kalte Wasser fühlten sie sich gekühlt an.
„Das kannst du dir an die verletzte Stirn halten", riet sie. Noch immer konnte man die Folgen des vorletzten Tages erkennen. Gwen wusste nicht was oder wer sie bewusstlos geschlagen hatte, doch irgendetwas musste es gewesen sein. Ihr Kopf schmerzte noch immer und ihre gesamte linke Stirn war blau verfärbt. Dankbar hielt sie sich die kühle Flasche an den Kopf.
„Was steht heute auf dem Programm?", fragte Paula in die Runde.
„Abwarten. Viel mehr bleibt uns auch gar nicht übrig", antwortete Joshua und hob einen der Kieselsteine auf, die Paula nach ihm geworfen hatte.
„Also sind wir uns einig, dass wir nicht weiter nach Norden gehen?", erkundigte sich Lenja und blickte in die Runde. Alle nickten zustimmend.
Andernortes sorgte die Kanone keinesfalls für bedrückte Stimmung.
„Und dann waren's nur noch neunzehn", summte Senn Farhawke vor sich hin.
„Wer das wohl war?", fragte Chaos und seufzte.
„Bis Sonnenuntergang werden wir es erfahren haben", sagte Senn. Chaos gluckste leise. „Sonne? In den letzten vier Tagen hat die Sonne kein einziges Mal geschienen."
„Da hast du recht. Allerdings..." Senn verstummte, als Chaos eine Hand hob.
„Sei still. Hörst du?", flüsterte sie und schlich hinter einen der Felsen. Senn folgte ihr. Vorsichtig lugte Chaos hinter dem Fels hervor.
„Ist das nicht die aus Distrikt 3?", fragte Senn. Kaum drei Handbreit vom Fluss entfernt lag das Mädchen aus Distrikt 3. Chaos konnte ihr Gesicht nicht erkennen, sie hatte ihnen den Rücken zugewandt. Gerade überfiel ein Hustenanfall sie. Chaos warf Senn einen fragenden Blick zu. Senn nickte und sie kamen hinter dem Fels hervor. Langsam liefen sie zum Mädchen aus Distrikt 3.
Als diese sie bemerkte, wich jegliche Farbe aus ihrem, ohnehin bereits bleichem, Gesicht. Sie schien bereits eine Weile hier gelegen zu haben, ihre Kleidung war kaum mehr nass. Das Mädchen hatte keinerlei Waffen bei sich.
Chaos zückte ein Messer. Der große Rucksack, den sie beim Füllhorn ergattert hatte, erwies sich mehr als nützlich. Genug Nahrung, mehrere Messer, zwei Literflaschen, Jod Tropfen, ein Seil und ein Erste Hilfe Set waren darin zu finden gewesen.
„Wartet, bitte, wartet!", flehte das Mädchen. Ihre Stimme klang rau und trocken.
Senn warf Chaos einen fragenden Blick zu. Chaos kniete sich zum Mädchen hinunter.
„Wir sind keine Karrieros, musst du wissen. Aber auch wir wollen das Ding hier gewinnen. Also, was willst du?", fragte sie und hielt ihr das Messer an die Kehle.
„Zu weit werdet ihr die Karrieros nicht bezwingen", keuchte sie. Chaos versteifte den Griff an ihrem Messer.
„Das haben wir auch nicht vor", sagte Senn. „Töte sie."
„NEIN!", schrie das Mädchen, so laut wie es ihr möglich war. „Ich kann euch helfen. Zwar werde ich euch beim kämpfen nicht behilflich sein, aber ich bin schlau. Ich kann rennen, bin klein und schnell zu übersehen. Ein bisschen kenne ich mich auch in der Natur aus. Vielleicht kommen wir weiter, wenn wir zusammen arbeiten."
Chaos lockerte den Griff an ihrem Messer und blickte etwas unsicher zu ihrem Verbündeten hoch. „Was sagst du?"
Senn legte den Kopf leicht schief und musterte das Mädchen. „Wie heißt du?", fragte er barsch.
„Talvi. Meine Name ist Talvi. Talvi Romanova", stellte sie sich vor.
„Sie könnte uns wirklich behilflich sein", sagte Senn schließlich. Chaos nahm das Messer von Talvis Kehle. „Gut. Ich bin Chaos, und das ist Senn."
Talvi betastete ihre Kehle, ein roter Abdruck hatte sich dort breitgemacht, wo ihr Chaos das Messer an den Hals gehalten hatte. Es schien, als ob ihr die Worte fehlten. Wahrscheinlich hatte sie nicht damit gerechnet, Chaos und Senn überzeugen zu können.
„Aber dass das klar ist: Wenn du Dummheiten begehst, töten wir dich", drohte Senn und steckte sein Messer wieder ein.
Mehrere Stunden vergingen. Lee Veeres blickte zum Himmel hoch. Noch immer hatte die Sonne keine Lust auf sie. Wahrscheinlich würde sie in diesen ganzen Spielen nie auftauchen. Lee vermutete, dass es sich um Nachmittag handeln musste. Gemeinsam mit den anderen Karrieros streifte sie nun bereits seit mehreren Stunden durch das Gebirge. Ihre Füsse schmerzten. Endlich deutete Azula Blue nach vorne. Tatsächlich hockte das Mädchen aus 6 am Fluss und trank gierig. Als sie die Karrieros erblickte, sprang sie erschrocken auf und rannte davon. Unter lauten Rufen nahmen Crystal Woodstock, Cliffort Gray, Azula Blue und Lee Veeres die Verfolgung auf.
Doch das Mädchen konnte ihnen knapp entwischen, nachdem Crystal sie mit einem Messer verfehlte. Cliffort drehte sich genervt zu ihr um.
„Deinetwegen ist sie uns schon wieder entwischt", sagte er wütend.
„Du hast ja auch nicht daran gedacht, dein Schwert zu ziehen", konterte Crystal erbost.
„Mit einem Schwert trifft man kein rennendes Mädchen."
„Aber mit einem Messer etwa schon? Gut, dann lass uns doch tauschen. Ich möchte dich sehen, wie du das Mädchen triffst. Du Möchtegern-Karriero", schrie Crystal ihm ins Gesicht.
Cliffort zog sein Schwert. „Wir können gerne herausfinden, wer hier der Möchtegern-Karriero ist", zischte er. Crystal zückte ihre Messer. „Wie du willst."
Wie zwei Raubtiere umkreisten sie sich und liessen sich nicht eine Sekunde aus den Augen. Lee hielt es nicht mehr aus. „Hey, hey, hey. Hört auf. Ihr seid doch allesamt nicht mehr ganz dicht. Wo soll das enden, wenn wir uns nun schon gegenseitig runtermetzeln?", fragte sie ruhig. Es brauchte mehrere Minuten, bis Crystal und Cliffort sich bereit erklärten, ihre Waffen wieder einzustecken.
„Sehr gut. Wir sollten unser Gemeinschaftsgefühl etwas stärken", sagte Lee und lächelte ihre Kollegen zu. Azula bedachte sie mit einem grimmigen Blick.
„Wir sind Karrieros du Huhn. Und ich würde keine Sekunde zögern jeden von euch zu töten, wenn es um den Sieg geht", sagte sie barsch.
Die Worte trafen Lee hart. Ich dich auch, Azula, hätte sie am liebsten gesagt. Doch sie wollte keinen weiteren Streit riskieren. Vielleicht hätte ich doch bei anstelle von Elaine beim Füllhorn bleiben sollen, kam es ihr durch den Kopf.
„Wir gehen zurück zum Füllhorn", entschied Azula mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Elaine wird sich schon fragen, wo wir bleiben."
„Sie fände es bestimmt amüsanter, wenn heute Abend alle unsere Gesichter am Himmel zu sehen wären", witzelte Crystal und kicherte. Lee stimmte mit ein.
Der Abend brach bald ein. Layla Rolland saß auf einem Baum. Wenn es einen Preis im Wegrennen zu vergeben hätte, würde der bestimmt längst mir gehören, dachte sie sich. Das mit den Karrieros war einmal mehr viel zu knapp gewesen. Ihr Gedankengang wurde durch die Hymne unterbrochen, die erklang. Ach stimmt, heute morgen ist ja irgendwer gestorben, erinnerte sie sich. Das Gesicht, das ihr entgegen flimmerte, gehörte unverkennbar dem Mädchen aus Distrikt 9. Maisie Jackson. Layla konnte sich sofort an die Kleine erinnern. Gerade einmal dreizehn Jahre alt. Armes Ding. Seufzend bereitete sie sich für die Nacht vor. Kurz bevor sie einschlief, rief sie sich in Erinnerung, wen sie alles noch zu fürchten hatte. Beide aus 1 und 2. Das Mädchen aus 3. Beide aus 4, 6, 7, 8, 10 und 11. Beide aus 12. Noch neunzehn. Achtzehn müssen sterben. Und wer weiß wer der nächste sein wird...
Heyho meine Lieben. Erstmal: Es freut mich riesig, dass mir ausnahmslos alle in den letzten drei Tagen geantwortet haben. Aus diesem Grund kommt das Kapitel auch viel früher als geplant (hoffe ihr fandet es in Ordnung).
Falls ihr Ideen habt, wie wir dieses RPG noch cooler gestalten könnten, schreibt sie ruhig. Das ist schließlich auch mein erstes RPG. Ich hatte mir überlebt, dass wir vielleicht eine Art Wettbüro machen könnten. Bei den echten Hunger Games werden ja auch ständig Wetten darüber abgeschloßen, wer gewinnen könnte. Was denkt ihr darüber (vielleicht übertreibe ich das Ganze hier aber auch nur)?
Na dann. Wünsche euch noch nen schönen Samstag. Adios!
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