3 - Weiterreise
Die Sonne ging auf und tauchte alles in ein orangefarbenes Licht. Élvanya blinzelte müde und schaute zum Fenster hinaus. So wunderschön es hier in Bruchtal auch war, konnten sie es sich doch nicht leisten, Zeit zu verlieren, weshalb sie schon heute wieder aufbrechen würden. Mühsam stand sie also auf, von einem leisen Stöhnen begleitet, und ging nach unten, wobei sie sich noch die Haare aus dem Gesicht strich, um wenigstens etwas ausgeschlafen zu wirken.
Im Gegensatz zu ihr waren die meisten eigentlich ziemlich gut gelaunt und ausgeruht, was ihr aber erst auffiel, als Thaladîr sie darauf ansprach. Kaum dass er sie erblickt hatte, kam er schon auf sie zu und musterte sie besorgt. »Él, bitte, was ist los? Ich merke, dass es dir nicht gut geht. Lüg mich nicht an.« Seinen letzten Satz ignorierend suchte sie in ihren Gedanken hektisch nach einer Ausrede. »Ich bin nur müde. Und ich bin eindeutig kein Morgenmensch.« Zwar gab sie sich Mühe, überzeugend zu klingen, trotzdem erkannte sie an seinem Blick, dass er ihr nicht glaubte - für gewöhnlich erwachte sie schließlich vor den ersten Vögeln, was er genau wusste.
Er schwieg nur, worüber sie sich aber auch nicht wirklich freuen konnte, denn die Stille klang vorwurfsvoller als alle Worte, die er hätte sagen können, welche deshalb nun in ihrem Kopf widerhallten.
Ähnlich verhielt es sich beim darauffolgenden Frühstück. Zwar hatte sie alle Hoffnungen aufgegeben, dass er es übersehen könnte, dennoch nahmen seine Blicke, die sie auf sich spürte, ihr den letzten Appetit, sodass sie nach wenigen Bissen schon das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen.
Als sie deshalb aufstand - ohne es zu wissen noch deutlich blasser als sonst - spürte sie allerdings doch seine Hand auf der Schulter. Es war nett von ihm, leise zu sprechen, auch wenn es ihr dadurch um Einiges schwerer fiel, seine Worte zu verstehen. »Ich weiß, dass du mir nichts sagen willst, wahrscheinlich ist es auch verständlich, aber bitte lass dir trotzdem helfen, wenn du schon meine Hilfe nicht annehmen willst. Eine bessere Gelegenheit gibt es nicht.«
Wusste er, wie sehr er sie mit diesen Worten getroffen hatte? Nun, vermutlich schon, sonst hätte er sie nicht so gewählt - überrascht wäre Élvanya nicht. Aber das wollte sie jetzt wirklich nicht fragen; zu wahrscheinlich schien es ihr, dass ihre Stimme das nicht mitmachen würde und diese Blöße wollte sie sich nicht vor allen anderen geben. Deshalb drehte sie nur den Kopf weg, als würde das irgendetwas gegen die Schuldgefühle – von denen er natürlich wusste – helfen.
Alle anderen Geräusche hatte sie ausgeblendet, sodass bis zu ihrer Antwort nur noch die dröhnende Stille blieb, in der man eine Stecknadel hätte fallen hören. Gerade war ihr nicht klar, dass tatsächlich alle den Atem anhielten, sonst hätte sie ihre Antwort wohl nicht einmal geflüstert, sondern ganz verschwiegen. »Ich kann nicht, das weißt du.«
Wie ein Paukenschlag war dieser eine Satz, wenngleich kaum mehr als ein Windhauch, da drehte sie sich schon um, wollte in keines dieser Gesichter sehen. Schon gar nicht in Thaladîrs, so von Sorge erfüllt, dass es kaum zu ertragen war.
Kein Wunder, schließlich kannte er sie schon ihr ganzes Leben lang, zumindest fast. Über dreißig Jahre war es jetzt her, dass seine Mutter sie als kleines Kind im Wald gefunden hatte. Jemand anderen hatte sie nicht, abgesehen von Halbarad, Thaladîrs Bruder, aber der war meistens mit anderen Dingen als seiner kleinen Adoptivschwester beschäftigt.
So war auch Halbarad es gewesen, der die Botschaft der Elben empfangen hatte, welche der Grund dafür war, dass sie jetzt hier in Bruchtal waren und bald weiterreisen würden.
Kaum hatte sie diesen Gedanken zu Ende gedacht, erhob Halbarad sich auch schon wieder und sprach genau das aus. »Lasst uns aufbrechen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.« Auch wenn Élvanya klar war, dass er recht hatte, wäre sie gerne noch länger hier geblieben. Am liebsten hätte sie einfach gesagt, dass sie nicht mitkommen könnte, was ja irgendwie auch der Wahrheit entsprach, aber dann rief sie sich wieder ins Gedächtnis, dass sie Aragorn nicht im Stich lassen durfte. Dennoch brachte der stechende Schmerz, von ihren Schritten noch einmal verstärkt, ihre Entschlossenheit kurz ins Wanken. Ihr war doch selbst klar, was sie damit riskierte. Aber hatte sie denn eine Wahl? Ihr Stolz erlaubte ihr nichts anderes, als sich zusammenzureißen – die Tränen, die in ihr aufstiegen, kämpfte sie zurück – den anderen zu folgen und, auch wenn sie dabei vorsichtig sein musste, trotzdem so schnell es ging, ihr Pferd zu satteln, damit es endlich weitergehen konnte - zumindest das gelang heute ohne weitere Zwischenfälle.
~749 Wörter
Ihr werdet es nicht glauben, aber diese Geschichte wird tatsächlich noch fortgesetzt. Dementsprechend danke an die, die meine Wartezeiten tatsächlich aushalten und immer noch dabei sind. Ich werde mich auch bemühen, dass es bis zum nächsten Kapitel nicht ganz so lange dauert, was ich mir sogar vorstellen könnte. Allerdings lasse ich die Sache mit den "Funfacts" so, wie sie bis jetzt ist, sein, weil sie das alles nur unnötig aufhält.
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