• Kapitel sieben •
Obwohl ich müde von der Arbeit in der Küche gewesen bin, kann ich nicht auch nur ein bisschen Schlaf bekommen. Verzweifelt ziehe ich die dünne Decke des Bettes über mein Gesicht. Die Sonne scheint zu hell durchs Fenster, weshalb mein Körper sich nicht ausruhen will. Letztendlich steige ich aus dem stickigen Bett und ziehe mein Shirt und Hose zurecht. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll … Ein Seufzen entflieht meinem Mund. Ich schaue auf eine kleine Uhr an der Wand und lese eine Zeit von kurz vor drei ab, jedoch ist es eigentlich mitten in der Nacht. Das lässt sich auch daran feststellen, dass alles in diesem Gebäude still ist. Plötzlich höre ich aber ein Geräusch von draußen, es hört sich wie ein Quietschen an, als hätte sich jemand weh getan, es aber versucht zu unterdrücken. Ich gehe zum Fenster meines Zimmers, und schaue hinunter in den Garten. Erst ein bisschen später sehe ich einen Jungen in der Nähe der weißen Mauer. Er sieht sich um und hält sich seine Hand, als hätte er sich dort wirklich verletzt. Aber die eigentliche Frage ist doch, was er hier draußen macht? Anhand seiner Kleidung lässt sich vermuten, dass er nicht für die Königin arbeitet, da ich solch dunkle Farben bisher noch nicht im Schloss gesehen habe. Als ich aber meine Zimmertür öffne, sehe ich Carminia, welche mit verschränkten Armen an der Wand neben der Tür lehnt. Hastig weiche ich wieder zurück in mein Zimmer, bevor sie mich sehen kann, und überlege, wie ich an ihr vorbeikomme oder sie umgehen kann.
"Carminia! Wir haben einen Eindringling im Schlosshof!", meldet plötzlich eine Stimme, weshalb ich zusammenzucke. Ich meine zu hören, dass Carminia der Person folgt, da mehrere Schritte immer leiser werden. Einen Eindringling? Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus. Als ich nichts mehr höre, öffne ich vorsichtig die Tür diesmal ganz und schleiche dann durch den Flur. Ich steige die Treppen hinunter, und gehe dann zur Hintertür. Sobald ich diese aufschiebe, kommt mir warme Luft entgegen, was mir jetzt besonders auffällt, da es im Inneren deutlich kälter ist, aber noch angenehm. Barfuß und mit meiner Schlafkleidung gehe ich über den weichen Rasen, weg vom Weg. Er fühlt sich irgendwie anders an, viel feiner als in meiner Welt. Die Halme fädeln sich zwischen meine Zehen und kitzeln so meine Füße ein klein wenig, sodass sich ein Lächeln auf meinen Lippen bildet. Erschrocken springe ich zur Seite, als auf einmal ein kleines Tier mein Bein streift, aber innerhalb weniger Sekunden wieder verschwunden ist, bevor ich es überhaupt erkennen kann. Erst dann erinnere ich mich wieder an den Jungen. Schnell setze ich einen Fuß vor den anderen, bis ich ihn erreiche. Ich tippe ihm vorsichtig auf seine Schulter, da er mich nicht zu bemerken scheint und nur auf seine Hand starrt. Er weicht hektisch mit mehreren Schritten nach hinten aus und fällt dadurch auf den Boden.
"Autsch …", murmelt er und bleibt einfach auf dem Boden sitzen.
"Oh, tut mir leid", flüstere ich aus einem mir unerfindlichen Grund und bücke mich zu ihm, weshalb er weiter zurück rückt.
"Wer bist du? Wirst du mir wehtun? Oder mich verraten?”
"Was?" Verwirrt sehe ich ihn an und lege meinen Kopf zur Seite. "Bist du etwa ein Eindringling?"
"Nein! Naja, vielleicht ein bisschen. Aber ich bitte dich, sage niemanden, dass ich hier bin!" Flehend sieht mich der Junge an, dennoch bleibe ich skeptisch.
"Welchen Grund habe ich denn, das nicht zu tun?" Mir fällt auf, dass er ziemlich jung aussieht, und zusätzliche merke ich Unterschiede zwischen ihm und anderen hier Lebenden. Seine Haut ist unglaublich blass, durch die dauerhafte Sonne haben die Bewohner dieser Stadt eine perfekt gebräunte Haut. Er hat zudem eine Kapuze über sein Gesicht gezogen, welche ihn vermutlich vor der Sonne schützen soll, und seine dunkelbraunen Haare sind zu einem langen Zopf geflochten.
"Weil ich nach jemanden suche? Ich will nichts stehlen oder ähnliches! Versprochen! Ich mache auch irgendwas für dich." Panisch beginnt er mit seinen Händen in der Luft herumzufuchteln und wirkt dadurch erstaunlich überzeugend.
"Von mir aus", seufze ich nach einem kurzem Moment der Stille, weshalb er zu lächeln beginnt.
"Arbeitest du im Schloss? Wie heißt du?" Mit neugierigen Augen sieht er mich an und setzt sich aufrecht hin, um mich näher zu begutachten. Überrumpelt von seinen Fragen weiche ich nach hinten zurück.
"Nun muss ich mich wohl entschuldigen", lacht er und steht dann auf, mir seine Hand reichend. Als er aber merkt, dass es die verletzte ist, zieht er sie hastig zurück und versteckt sie. Auch ich erhebe mich vom Gras und deute dann auf seine Hand, die in der Innenfläche einen großen Schnitt hat.
"Warum hast du dich verletzt?"
"Siehst du diese Blumen da? An der Wand? Sie heißt Lavialori. Sie ist zwar unfassbar hübsch, aber sobald du sie berührst, schneidet sie dir in deine Hand oder Finger. Glaub mir, das brennt schlimmer als ein Sonnenstich." Er zeigt auf eine Pflanze, die an der Wand hoch ragt. Sie sieht eigentlich harmlos aus. Ihr Blüte erstrahlt in einem wunderschönen Altrosa, das in ein Lavendel ähnliches Lila übergeht. Fast nicht zu glauben, dass sie solch eine Wunde verursachen kann, ohne überhaupt scharf auszusehen. Als wäre es eine Art Magie. “Und naja, ich bin kurz vorher fast von einer Wache entdeckt worden, also bin ich eben weggerannt und war so aus der Puste, dass ich mich ausruhen musste. Dabei habe ich eben diese Blume übersehen.” Beschämt kratzt er sich am Nacken und wechselt auch schnell das Thema. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob er nicht wirklich der besagten Eindringling ist, über welchen Carminia informiert wurde. "Da ich versprochen habe, dir einen Gefallen zu machen, wenn du mich nicht verrätst, teile ich dir aus reiner Freundlichkeit meinen Namen mit. Ich bin Mhari, du?" Er beginnt breit zu lächeln, während er seinen Zeigefinger über seine Lippen legt. Er scheint durchgehend in guter Laune zu sein.
"Ich heiße Elettra", murmel ich nicht sonderlich überzeugt von alledem. Vielleicht hätte ich einfach in meinem Zimmer bleiben sollen.
"Elettra? Darf ich dich Ella nenne?" Schief und beinahe flehend sieht er mich an und verwirrt nicke ich. Warum gibt er mir auf einmal einen Spitznamen?
"Na dann, Ella. Ich sollte mich langsam Mal aus dem Staub machen! Bis irgendwann mal." Mhari winkt mir strahlend zu, verschwindet dann hinter der nächsten Mauer. Unschlüssig darüber, was ich jetzt tun soll, sehe ich mich um. Erst jetzt sehe ich die vielen Arten von Blumen, Büschen und Bäumen, die aus dem Boden wachsen. Sie leuchten in verschiedenen Farben und wirken fast so, als würden sie nie eingehen. Als wären sie ein Gegenstück der Pflanzen, die ich zuhause besitze. Sie müssten wahrscheinlich schon eingegangen sein, wenn sie noch nicht von meiner Mitbewohnerin gegossen worden sind. Wie es ihr wohl geht? Ich wünschte, ich könnte sie fragen. Normalerweise hätten wir diesen Abend mit unserer Serie verbracht und zusammen auf dem Sofa gelegen mit einigem zu essen und zu trinken. Schon länger war es geplant, aber dieses unerwartete Geschehen macht es unmöglich.
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