I | Der Grimmauldplatz
Die Weihnachtsferien begannen und für Hayley ein bevorstehender Albtraum, jedenfalls dachte sie das. Laut dem Brief ihres Großvaters würde in den Ferien, ihr Unterricht bei ihm beginnen. Da sie ohnehin bereits etwas unruhig deswegen war, setzte sie sich während der Fahrt mit dem Hogwarts-Express nicht zu ihren beiden Cousinen. Diese würden nämlich versuchen sie zu beruhigen und ihr einzureden, dass alles gut gehen würde - zumindest galt das für Lucretia. Walburga würde sicher einfach nur stumm da sitzen und ein gezwungenes Lächeln aufsetzen.
Die junge Black kannte den Unterricht von ihrem Großvater, denn sie hatte ihn bereits selbst erlebt. Sie wollte Hayley nichts davon verraten, denn es würde nicht wirklich zu dem Wohlbefinden ihrer Cousine verhelfen, sondern ihre Nervosität nur noch steigern. Aus diesem Grund war sie innerlich froh, dass Hayley sich nicht zu ihnen ins Abteil gesetzt hatte, so musste sie sich nicht angestrengt zurückhalten, nicht doch etwas zu sagen.
Zu Gwendolyn konnte Hayley ebenfalls nicht gehen. Die junge Pommeroy war zwar bisher stets für sie da gewesen, doch in dieser Angelegenheit würde sie nicht wirklich wissen, was sie sagen sollte. Ihre Freunde aus Slytherin kamen auch nicht in Frage, denn erstens teilten sie die meisten Ansichten ihrer Familien und zweitens befanden sie sich in dem gleichen Abteil wie Tom. Nicht dass die junge Campbell seine Anwesenheit nicht schätze, man konnte sich tatsächlich angenehm mit ihm unterhalten, jedoch wusste sie seit dem Abend in der Bibliothek nicht mehr so recht, wie sie mit ihm umgehen sollte. Der junge Slytherin hatte ihr eine Seite offenbart, die bisher sicher noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte. Andererseits schikanierte er Menschen aus vollkommen rassistischen Gründen, die Hayley überhaupt nicht nachvollziehen konnte.
Schlussendlich hatte sie sich entschieden zu ihren Freunden aus Hufflepuff zu gehen, denn wie sie wusste, hatten die drei Dachse ein Gespür dafür, zu wissen, was sie in unangenehmen Situationen sagen mussten. Das liebte sie so sehr an den Hufflepuffs und erinnerte sie jedes Mal an ihre verstorbene Großmutter.
Rasch verwarf sie diesen traurigen Gedanken und widmete sich ihren Freunden wieder.
»Ich bin ehrlich gesagt ein wenig überrascht, dass du dich zu uns ins Abteil gesetzt hast. Au!« Emilia hatte Tobias Smith auf den Hinterkopf geschlagen, aufgrund dieser möglich verletzenden Aussage. Jedoch entlockte es Hayley eher ein Grinsen, als dass sie verletzt war. Seit sie den blonden Jungen kannte, war sie gewöhnt, dass er meistens solche Bemerkungen von sich gab, doch wenn es darauf ankam, dann stand er seinen Freunden mit all seiner Macht beiseite. Und das machte einen wahren Freund aus.
»Mach dir keine Gedanken darüber, Emilia«, beruhigte Hayley ihre Freundin, welche Tobias gerade in die Schranken weisen wollte. »Ich weiß doch, dass er es eigentlich nicht so meint ... aber ein wenig hat er schon recht.«
Verdutzt starrten die drei Hufflepuffs sie an.
»Was willst du damit sagen?«, fragte die junge Abbott sogleich besorgt.
Daraufhin erzählte Hayley ihnen von dem Brief ihres Großvaters und was sie höchstwahrscheinlich erwarten würde. Wie viel Angst sie hatte, dass Cygnus Black wütend werden würde, wenn sie etwas nicht auf Anhieb könne und wieso sie wegen dieser Situation, in der sie sich befand, nicht zu ihren anderen Freunden gehen wollte. Schließlich entschied sie sich nach langem Zögern ihnen ebenfalls anzuvertrauen, wie ihre Beziehung zu Tom Riddle momentan verlief.
Die Dachse hörten ihr aufmerksam zu und warteten geduldig, bis sie ihre Erzählungen beendet hatte.
»Du musst optimistisch denken, Hayls, denn sonst wird es nur noch schwerer für dich, diesen Unterricht zu überstehen«, riet Emilia ihr ernst.
»Aber was ist, wenn ich das nicht hinbekomme«, entgegnete die junge Campbell zweifelnd.
»Ich bin mir sicher, dass wenn du es versuchst, es dir bereits ein wenig deine Angst nimmt«, ergriff Julia ruhig das Wort, welche bisher geschwiegen hatte.
»Glaubst du das wirklich?«, fragte Hayley hoffnungsvoll.
»Ich bin fest davon überzeugt«, erwiderte sie, »und was Riddle betrifft, glaube ich, dass du in diesem Fall nur abwarten kannst. Über die Zeit wird man verständnisvoller, und beginnt Worte und Taten zu verstehen.«
Es war ein Vorteil, dass Julia McMillan mit den Blacks verwandt war, denn so konnte sie Hayleys Ängste auf eine für sie gewöhnliche Art nachvollziehen. Die Campbell-Erbin war froh Julia, als Freundin zu haben; Allgemein ihre drei Freunde aus Hufflepuff waren ein Zufluchtsort für sie, wenn sie jemanden brauchte, der ihr zuhörte. Andere versuchten immer sofort eine Lösung zu finden, selbst dort, wo es keine gab.
In einem Moment, in der die Reinblüterin in ihre Gedanken vertieft war und versuchte die Worte ihrer Freundinnen zu realisieren, rückte Tobias näher an sie heran und legte ihr beruhigend einen Arm über die Schulter. Überrascht blickte Hayley ihn an, seine Augen waren erfüllt von Mitgefühl. Stumm zog er sie in seine Arme und hielt sie fest. Das war Tobias Smith's Weise jemandem in schweren Zeiten beiseite zu stehen und manchmal half dies sogar mehr als das andere. Diese stummen Gesten, um seinen Beistand auszudrücken, würden ihn sicherlich noch weit im Leben bringen, da war Hayley sich sicher. Seine feindseligen Bemerkungen waren zwar manchmal lästig, doch er wusste stets, wo die Grenzen waren.
***
Der Zug fuhr in King's Cross ein, kam ins Rütteln und blieb schlussendlich mit einem Ruck stehen. Sogleich reichte der junge Smith den drei Mädchen jeweils ihre Koffer von der Gepäckablage, bevor er seinen eigenen an sich nahm; Währenddessen schob Emilia die Tür auf - sofort drang der Lärm von aufgeregten Schülern in ihr Abteil. Rasch huschten sie durch die Menschenmenge und versuchten sich einen Weg nach draußen zu bahnen. Als die vier Freunde endlich auf dem Bahngleis standen, stellten sie sich etwas abseits, um sich voneinander zu verabschieden. Sie alle würden die Ferien bei ihren Familien verbringen.
»Ich muss gleich los«, verkündete Emilia, »meine Eltern wollen über die Ferien nach Frankreich gehen und ich muss noch alles vorbereiten.«
»Dann wünsche ich dir viel Spaß«, entgegnete Hayley lächelnd und umarmte sie. Julia und Tobias taten es ihr gleich. Kurz nachdem sie verschwunden war, entdeckte Tobias seine eigenen Eltern in der Menge und pflasterte sich einen Weg zu ihnen frei.
»Und was machst du in den Ferien?«, wandte Hayley sich an Julia, die zurückgeblieben war.
»Ich werde Weihnachten über bei meiner Cousine verbringen, da meine Eltern zu meinen Großeltern müssen und die leben in Wales«, erwiderte sie.
»Wieso kannst du denn nicht mitgehen. Wales ist doch gar nicht so weit weg«, entgegnete Hayley verständnislos.
»Es geht offenbar um familiäre Angelegenheiten, die mich nichts angehen«, erklärte sie schulterzuckend und somit war dieses Thema auch beendet.
Die junge Campbell ließ ihren Blick über die Menschenmenge gleiten, bis ihre Augen an einem schwarzhaarigen Jungen hängen blieben ...
Tom stand bei der Familie Rookwood und unterhielt sich desinteressiert mit Augustus. Er würde seine Ferien bei der reinblütigen Familie verbringen, auf Wunsch Augustus' Eltern.
Während er das Geschwafel seines Freundes über sich ergehen ließ, hatte er das dumpfe Gefühl, als würde jemand ihn beobachten. Unbewusst sah er in diese Richtung und blickte sogleich in die hellblauen Augen von der jungen Campbell. Als jene scheinbar bemerkte, dass er sie ebenfalls ansah, widmete sie sich schnell einer anderen Beschäftigung zu.
Amüsiert betrachtete er sie weiterhin und stellte fest, dass die junge McMillan aus Hufflepuff bei ihr stand. Tom verstand einfach nicht, wieso sie sich mit solchen Trotteln abgab bei ihrer Abstammung.
Nach ein paar Minuten gesellten sich Walburga und Lucretia Black zu ihnen. Angestrengt versuchte er zu verstehen, worüber die vier Mädchen sprachen, doch dieser große Abstand zwischen ihm und den Reinblüterinnen verweigerte ihm die Möglichkeit zu lauschen. Zähneknirschend bemühte er sich, wenigstens ihre Gesten richtig zu deuten. Als Alphard dann zu den Mädchen trat, umarmte er Hayley kurz strahlend, woraufhin sich die Gruppe nach einigem Wortwechsel trennte.
Der junge Black, seine große Schwester und seine Cousine, die er offensichtlich bewunderte, steuerten auf eine braunhaarige Frau zu. Tom sah Hayley unabsichtlich hinterher, doch dieser Blick blieb nicht unbemerkt.
***
Grimmauldplatz Nummer Zwölf lag bereits seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Black. Das Anwesen war im Adel hergerichtet worden und spiegelte die Bräuche der Familie wieder. Hayley war schon oft als kleines Kind hier gewesen. Es erfüllte sie jedes Mal mit Geborgenheit, wenn sie hier eintraf, so auch heute:
Irma hatte ihre Nichte und ihre beiden Kinder vom Bahnhof abgeholt, um sie gleich mit in das Anwesen zu nehmen. Die Hexe hatte ihren Aufenthalt unter den Muggeln so kurz wie möglich halten wollen, da sie nicht unnötige Zeit verschwenden wollte.
Als die Hausherrin das alte Haus betrat, eilte sie sofort in das Kinderzimmer, denn dort hatte sie ihren einjährigen Sohn zurückgelassen. Alphard verschwand nach einigen Worten in seinem Zimmer, doch Hayley und Walburga folgten Mrs Black in die Kinderstube. Der kleine Cygnus schlummerte friedlich in seinem Bett.
»Mutter?«, flüsterte Walburga, woraufhin jene sich gleichgültig an sie wandte und auffordernd nickte.
»Ist Vater noch im Ministerium?«
»Ja, das ist er«, bestätigte sie trocken.
»Und wann wird er wieder hier sein?« Hayley sah ihrer Cousine an, dass sie sich sehnlichst wünschte, dass ihr Vater gleich durch die Tür kommen würde.
»Dein Vater ist ein sehr beschäftigter Mann, Walburga, der täglich dafür sorgt, dass seine Familie ein wohlhabendes Leben führen kann«, erklärte Mrs Black kühl und widmete sich wieder ihrem Sohn zu.
Niedergeschlagen verließ sie das Zimmer. Sie hatte nicht die Kraft weiterhin die brave Tochter zu spielen – zumindest für heute war ihre Energie bereits verbraucht.
Die junge Campbell fand sie in der Eingangshalle, wo sie wie gebannt aus einer der Fenstern starrte.
»Wal …«, begann sie vorsichtig.
»Schon gut, Hayls, ich komme schon damit zurecht«, entgegnete die Angesprochene traurig, »Es war ja schon immer so gewesen.«
Nach diesen Worten drehte sie sich um und trat den Weg in ihr Zimmer an. Hayley war fest entschlossen, ihre Cousine jetzt nicht alleine zu lassen, auch wenn sie es selbst so wollte, bedauerlicherweise kam der Hauself der Blacks ihr in den Weg.
»Miss Hayley, Meister Cygnus hat Kreacher gebeten, Ihnen auszurichten, dass er Sie in ihrem Büro sehen möchte.«
»Muss das jetzt sein, Kreacher?«, fragte sie überflüssiger Weise.
»Es tut mir leid, Miss«, erwiderte er entschuldigend.
»Gut, danke, Kreacher«, sagte sie lustlos und setzte sich in Bewegung. Bei den Treppenstufen drehte sie sich jedoch noch einmal zu dem Hauselfen um.
»Kreacher, würdest du Walburga bitte eine heiße Milch mit ein wenig Honig bringen.«
»Geht es Miss Walburga etwa nicht gut, Miss?«, fragte er gleich alarmierend.
»Sie wird schon damit fertig, Kreacher, aber ich würde mich etwas besser fühlen, wenn ich wüsste, dass sie versorgt ist«, meinte sie beruhigend.
»Natürlich, Miss Hayley. Kreacher kümmert sich darum«, erwiderte er, bevor er mit einer Verbeugung in der Küche verschwand.
Die Reinblüterin sah ihm noch ein paar Sekunden lang hinterher, bevor sie sich umdrehte und langsam die Treppe hoch stieg. Vor dem Büro ihres Großvaters blieb sie stehen. Sie hätte sich denken können, dass er sie gleich nach ihrer Ankunft sprechen wollte. Tief atmete sie durch, bevor sie anklopfte.
»Herein!«
Vorsichtig trat sie ein, dabei bereitete sie sich innerlich schon mal auf das Schlimmste vor. Sie war bisher noch nie in dem Büro ihres Großvaters gewesen, weil niemand es ohne seine Erlaubnis betreten durfte.
An den Wänden standen einige Regale, die mit Büchern gefühlt waren und hinter seinem Schreibtisch, wo er saß, entdeckte sie das Wappen der Familie Black mit den französischen Wörtern ›Toujours Pur‹.
»Setz dich«, forderte er sie auf, ohne von seinen Unterlagen aufzusehen.
Hayley tat wie ihr geheißen und wartete nervös darauf, dass er endlich ein Gespräch mit ihr anfangen würde. Nach einigen Minuten des Schweigens lehnte Mr Black sich auf seinem Platz zurück und musterte seine Enkelin ausgiebig, schließlich blieb sein Blick an ihren Augen hängen. Pure Gleichgültigkeit spiegelte sich in seinen eigenen wieder. Hayley erwiderte tapfer seinen Blick, obwohl es ihr eiskalt den Rücken hinunter lief. Ein paar qualvolle Sekunden verstrichen, bevor sich ein kleines stolzes Lächeln auf die Lippen ihres Großvaters schlich.
»Ich bin zugegebenermaßen beeindruckt, Hayley. Es beweist sehr viel Mut der Angst in die Augen zu sehen, jedoch weiß ich noch nicht, wie ich das deuten soll.«
Die junge Campbell spürte einen leichten Triumph in ihr aufsteigen, denn sie hatte die erste Prüfung überstanden, unglücklicherweise wusste sie, dass dies nicht die Letzte sein würde. Moment! Ihr Großvater hatte ›Angst‹ gesagt.
»Ich dachte, es wäre eine Schwäche Angst zu haben«, murmelte sie überrascht.
»Das sage ich zwar immer, Hayley, aber es zeigt auch, dass du sehr viel Selbstbewusstsein und Stärke besitzt«, erklärte er geduldig.
»Aber ich –«, begann sie verständnislos und senkte ihren Kopf.
»Sieh mich an, Hayley«, forderte er auf, ohne einen Widerspruch zu dulden.
Nach einigem Zögern kam sie seiner Aufforderung nach.
»Ich weiß, was ich stets immer versuche euch einzuschärfen, aber das tue ich, um euch zu stärken. Du bist die erste, die diesen Test überstanden hat, weswegen ich große Hoffnung in dich lege.«
Seine Enkelin hatte keine Ahnung, was er damit sagen wollte. Sie war einfach nur verwirrt. Ehe sie verstehen konnte, was das ganze bedeutete, beendete ihr Großvater das Gespräch.
»Ich erwarte dich morgen um zwei Uhr nachmittags, dann fangen wir mit deinem Unterricht an«, sagte er bestimmend. »Du kannst jetzt gehen.«
Hayley hatte keine Ahnung, was jetzt eigentlich passiert war.
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Wer glaubt ihr, hat den Blick beobachten können, den Tom Hayley zugeworfen hatte? Und was glaubt ihr, welche Auswirkungen es noch mit sich bringen wird, dass Walburga sich so einsam fühlt, weil ihre Mutter sie ständig zurückweist und ihr Vater nie zuhause ist? Schlußendlich würde ich gerne wissen, ob ihr versteht, wieso Cygnus Black solche Dinge gesagt hat, die ursprünglich überhaupt nicht zu ihm passen?
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