Kapitel 9
Waffenentzug
"Soll das Wasser im Topf überkochen?", fragte er und ich heulte beinahe auf. Wieso ging heute einfach alles schief? Erst mein Fuß, dann die Garage, Kilis inszenierter Ausraster und jetzt auch noch das Wasser. Mal abgesehen davon, dass es mich eigentlich schon aufregen sollte, dass diese Personen bei mir waren.
Völlig gehetzt wollte ich nun in der Küche das Wasser ein wenig abschütten und ich hörte auch schon die unheilvoll sprudelnden Geräusche des Wassers auf dem Herd.
Einen Topflappen suchend sprang ich in der Küche umher, bis ich endlich mal auf die Idee kam in der Topflappenschublade nachzugucken.
Den nun nicht mehr vollen Topf hob ich vom Herd und schüttete ihn komplett ins Wachbecken. Nun hatte ich auch keine Lust mehr zu kochen. Wir würden uns wohl etwas bestellen müssen.
Im Wohnzimmer trommelte ich alle zusammen, bis schließlich alle außer Legolas da waren.
"Wo ist unser Prinzesschen?", fragte ich in die Runde und stieß auf einstimmiges Schulterzucken.
"Okay, dann sucht euch schonmal was zu Essen aus und ich suche währenddessen Legolas.", mit diesen Worten drückte ich Frodo die Karte meiner Lieblingspizzeria "La Cascata" in die Hand.
Zuerst schaute ich im Schlafzimmer nach, doch da war er nicht. Auch im Gästezimmer und in der Küche war er nicht aufzufinden.
Dann blieb wohl nur noch das Bad. An der Tür klopfte ich und erhielt ein gernervtes "Ja?". Als ich die Tür öffnete, saß Legolas auf dem Rand der großen Badewanne und kämmte sich seine langen blonden Haare. Folglich hatte er meine Haarbürste gefunden.
"Was ist?", fragte er barsch. Da war anscheinend jemand schlecht gelaunt.
"Ach, muss sich die Prinzessin noch hübsch machen für ihren Prinzen?", witzelte ich.
Augenverdrehen und ein Schnauben waren die Antwort.
"Wir wollen was zu Essen bestellen, du Meckerliese. Kommst du mit rüber? Dann kannst du dir auch etwas aussuchen."
"Nenne mich noch einmal Prinzessin und du wirst mein Schwert kennenlernen!", knurrte er scharf.
"Oh, da habe ich aber Angst."
"Ich... Du... Ach, vergiss es!" Da fehlten ihm wohl die Worte. Vielleicht war er es nicht gewohnt, die Stirn geboten zu bekommen. Pech gehabt. Eins zu Null für mich.
Auf direktem Weg marschierte ich zurück zu den anderen, die gemütlich verteilt im ganzen Raum herumsaßen.
Die Hobbits hockten auf der Couch, Aragorn saß auf dem Sessel und die beiden Zwergenbrüder lasen sich die Speisekarte durch. Bain versuchte zwischen den beiden mit hineinzulugen, doch sehen konnte er bestimmt nicht viel.
Ich setzte mich zu Fili und Kili auf den Boden, als Leggy auch endlich kam. Er setzte sich nicht hin und blieb lieber an der Wand stehen. Ich wünschte ich könnte die Wand wegzaubern, an die er sich lehnte. Er würde sicherlich lustig auf dem königlichen Hintern landen. Schade, dass ich das nicht kann.
Keiner von ihnen wusste so genau, was er da eigentlich bestellte und das war auch verständlich. In Mittelerde gab es keine Pizza oder anderes Fast Food.
Für jeden bestellte ich eine andere Pizza.
Nun wollte ich ihnen aber endlich die Waffen abnehmen.
"So ihr Faulpelze, jetzt stellt euch alle mal in einer Reihe auf.", befahl ich in einem gespielt herrischen Tonfall.
Nacheinander stellten sie sich zögerlich in eine Reihe. Zuerst Aragorn, dann Legolas, Kili, Fili und Frodo, Merry und Pippin und zum Schluss Bain. Ich hatte das Gefühl, sie wollten Bain immer am meisten schützen, da er der Jüngste war.
Der Reihe nach ging ich an ihnen vorbei, um ihnen ihre Waffen abzunehmen. Aragorn gab mir widerwillig sein Schwert und einen Dolch, den er unter seinem Mantel gut versteckt hatte. Legolas blickte skeptisch auf mich herunter. Wieso musste er auch so unglaublich groß sein? Eigentlich war Größe etwas, was ich mochte, doch bei ihm regte sie mich einfach nur auf. Ein wenig nervig war die Größe der anderen Mittelerdler natürlich auch, selbst Bain überragte meine 1,75 Meter um ein paar Zentimeter, obwohl ich auch nicht wirklich klein war. Gut, die Hobbits waren alle um einen Kopf kleiner als ich. Wenigstens ein kleiner Trost. Fili und Kili waren ungefähr genauso groß wie ich.
Legolas starrte mich immer noch an und ich hielt seinem Blick stand. Als er den meinen nicht mehr erwidern konnte, rief ich laut "Eule!" und Blondiebarbie hielt sich die Ohren gequält zu.
Nach langem Zögern und genervtem Stöhnen drückte er mir seinen Bogen und den Köcher in die Hand, an dem seine Zwillingsdolche hingen. Der Köcher war mit Unmengen an Pfeilen gefüllt, was ihn ziemlich schwer machte.
"Dein Schwert möchte ich auch noch haben.", forderte ich ihn auf und hängte noch ein "Bitte." hinten dran. Vielleicht lag es an gesagtem Zauberwort, dass er dieses Mal nicht schnaubte, als er mir weiterhin zögerlich sein Schwert überreichte. Irgendwie freute mich das.
Kili und Fili dagegen wollten mir ihre Schwerter und Dolche nicht übergeben. Erst nach einigen Minuten des Überredens gab Kili schließlich auf und legte sein Schwert, seinen Bogen plus Köcher und fünf Dolche auf die anderen Waffen, die auf meinen ausgestreckten Armen lagerten. Um Fili zu überreden dauerte es noch einmal eine viertel Stunde länger. Danach gab er mir jedoch ebenfalls sein Schwert und zehn Dolche. Wie konnte jemand bloß so viel mit sich herumschleppen?
Schon voll beladen ging ich weier zu den Hobbits. Sie besaßen keine Waffen. Jedenfalls noch nicht. Ich wusste ja, dass sie eigentlich erst auf der Wetterspitzeund Frodo in Bruchtal ihre Schwerter erhalten würden.
So kam ich zum Schluss bei Bain an. Zitternd holte er einen kleinen silbernen Dolch hervor, an dessen Griff sich Runen entlangrankten.
"Bitte pass auf ihn auf. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn er abhanden kommen würde. Er war ein Geschenk meiner Mutter, als sie im Totenbett lag." Er sagte dies mit so viel Trauer in Stimme und Mimik, dass er mich an den Tod meiner eigenen Mutter erinnerte. Sie war ums Leben gekommen, als vor vierzehn Jahren unser Haus abbrannte. Bis heute hatte ich diesen Verlust noch nicht ganz überwunden.
Nach ihrem Tod war mein Vater nicht mehr er selbst gewesen. Irgendwann hatte ich die ganze Hausarbeit übernommen und mein Vater hatte sich immer weiter zum Schlechten verändert.
Immer wenn etwas nicht zu seiner Zufriedenheit war, schrie er. Manchmal redete er kein Wort und saß den ganzen lieben langen Tag auf der Couch herum und starrte vor sich hin, reagierte auf nichts und niemanden. Ich trug eine Menge seelische Narben davon. Das ging so lange weiter, bis ich mit siebzehn endlich ausziehen konnte und mir eine eigene Wohnung suchte. Von da an hatte ich meinen Vater nicht mehr gesehen.
Seitdem versuchte ich immer meine Trauer und meinen Schmerz hinter einem aufgesetzten Lächeln zu verstecken.
Anscheinend hatte ich selbst Tränen in den Augen, denn Bain riss mich aus meinen Gedanken. "Ist alles in Ordnung Emely?"
"Ähm... ja, alles gut.", ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Ich verspreche dir Bain, dass ich ihn hüten werde wie meinen Augapfel." Mit diesem Versprechen nahm ich den Dolch und zwinkerte ihm noch einmal zu, was ihn wieder zum Grinsen brachte. Allerdings blieben die Tränen in meinen Augen und ich drehte mich um, um mich wieder zu fangen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro